Evidenzbasierte Medizin in der Psychotherapie – ein Projekt der KV Nordrhein und des Institutes für evidenzbasierte Medizin, DIeM, Köln

Evidenzbasierte Medizin in der Psychotherapie – ein Projekt der KV Nordrhein und des Institutes für evidenzbasierte Medizin, DIeM, Köln

ARTICLE IN PRESS Evidenzbasierte Medizin in der Psychotherapie – ein Projekt der KV Nordrhein und des Institutes fu¨r evidenzbasierte Medizin, DIeM, K...

207KB Sizes 0 Downloads 145 Views

ARTICLE IN PRESS Evidenzbasierte Medizin in der Psychotherapie – ein Projekt der KV Nordrhein und des Institutes fu¨r evidenzbasierte Medizin, DIeM, Ko¨ln Einleitung Evidenzbasierte Medizin ist aus der Weiterentwicklung der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung nicht mehr wegzudenken, wird sowohl von Politik als auch von A¨rzteverba¨nden und Kostentra¨gern gefordert und hat sogar in die Gesetzgebung Eingang gefunden. EbM stellt im professionellen Versta¨ndnis ein kritisches Werkzeug fu¨r die Behandlung von Patienten dar. Die allta¨gliche Anwendung ist zum Einen jedoch noch nicht umfassend akzeptiert und mit Vorurteilen behaftet (1), zum Anderen fehlen strukturierte fachspezifische Ausbildungsangebote fu¨r avisierte Nutzergruppen. Fu¨r die Gruppe der psychotherapeutisch ta¨tigen A¨rzte und Psychologen spiegelt sich dies nicht zuletzt auch in Artikeln und Diskussionen in den fachspezifischen Journalen wider (2,3). Das Institut fu¨r evidenzbasierte Medizin, DIeM, hat dem Rechnung getragen und entwickelt in Zusammenarbeit mit der KV Nordrhein einen curricularen EbM-Lehrplan, der speziell fu¨r die Ausbildung und Bedu¨rfnisse von Psychotherapeuten gestaltet wird. Hintergrund Zur Weiterentwicklung und Profilbildung der Qualita¨tszirkelarbeit hat die KV Nordrhein in Zusammenarbeit mit der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Gesundheitswesen, das Modell der lehrenden Vertragsa¨rzte – Tutoren – ’’ entwickelt (4). Aufgabe der Tutoren ist die Fortbildung und Betreuung der Qualita¨tszirkelModeratoren. Ein Schwerpunkt liegt in der Vermittlung der Methode der evidenzbasierten Medizin und der evidenzbasierten Leitlinien. Mit Hilfe dieser Methoden sollen vertragsa¨rztliche und vertragspsychologische Psychotherapeuten ihre eigene fachwissenschaftliche Expertise zu den fu¨r sie relevanten Versorgungsproblemen weiter entwickeln. ’’

Setting Die 14 Teilnehmer der im Jahr 2001 gebildeten Psychotherapie-Tutoren-Gruppe stammen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie A¨rztliche -, Psychologische-und Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten. 2003 nahm die Gruppe an einem 2-ta¨gigen EbMGrundkurs teil, der sich an Interessenten ohne oder mit geringen Vorkenntnissen richtet. Das Curriculum des Grundkurses entspricht den Anforderungen des EbM-Curriculums des Deutschen EbM-Netzwerks (5). Seit April 2005 absolvieren die PsychotherapieTutoren einen Kurs, der auf einem an Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ) doi:10.1016/j.zgesun.2006.12.021

psychotherapeutischen Fragestellungen ausgerichtetem EbM-Curriculum basiert. Die didaktische Konzeption des curricularen Lehrplans, welcher sich Prozess begleitend entwickelt, ist so aufgebaut, dass, falls erforderlich, der Praxis eine theoretische Vertiefung folgen kann. Das Projekt umfasst 8 Sitzungen in zweimonatigen Abstand und hat zum Ziel, das vorhandene Wissen zu praxisrelevanten und umschriebenen Problemen der Psychotherapie zu finden, nach EbM-Kriterien zu bewerten und auf praktische Verwendbarkeit zu pru¨fen. Im Gegensatz zu dem EbM-Grundkurs stehen die Referenten der Tutorengruppe hauptsa¨chlich supervidierend aber auch als Ausbilder zur Verfu¨gung. Am Ende soll ein von der Gruppe nach den Methoden der EbM selbst erarbeitetes Kurzreview vero¨ffentlicht werden, das den praktisch ta¨tigen Kollegen einen validen, aktuellen und kurzen Evidenzbericht zu einem Problem aus der ta¨glichen Praxis anbietet. Den Abschluss wird eine einta¨gige Veranstaltung bilden, in der die methodisch kompetenten Tutoren den Qualita¨tszirkelmoderatoren anhand von Studien aus dem psychotherapeutischen Bereich eine theoretische und praktische Einfu¨hrung in die EbM vermitteln werden.

Klinisch relevante Fragestellung aus der psychotherapeutischen Praxis Die Tutoren-Gruppe suchte als Grundlage fu¨r die Arbeit des Kurses aus vielen mo¨glichen sie bewegenden Themen und Fragen aus der psychotherapeutischen Praxis, eine von allen Tutoren als relevant erachtete Fragestellung aus. In diesem Zusammenhang wurde der erste Baustein von EbM vermittelt: Wie filtert und formuliert man aus der Fu¨lle der interessierenden Themen eine klinisch relevante Frage, die die Mo¨glichkeit einer wissenschaftlichen Beantwortung zula¨sst. Das Thema, das allen Tutoren relevant erschien, ist die Behandlung des Posttraumatischen Belastungssyndroms (PTSD), da viele niedergelassene Kollegen und Kolleginnen sich derzeit in speziellen Therapietechniken zur Traumabehandlung weiterbilden und versuchen, diese in ihr jeweiliges Therapieverfahren zu integrieren. Zum einen sind davon alle im GKV-Leistungskatalog vertretenen Therapieverfahren betroffen (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Analytische Psychotherapie) und zum anderen ist dieses Thema sowohl fu¨r Erwachsenen- als auch Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten relevant.

Magazin

Literaturrecherche Es fand eine einta¨gige theoretische und vor allem auch praktische Einfu¨hrung in die Methodik der Datenbankrecherche statt, somit waren die Tutoren in der Lage die Literaturrecherche in den einschla¨gigen Datenbanken selbsta¨ndig durchzufu¨hren. Bewertung der Validita¨t der gefundenen Studien Die Tutoren bewerteten die gefundene Literatur anhand von Checklisten hinsichtlich ihrer Validita¨t. Die entsprechenden theoretischen Grundlagen wurden in Kleingruppen begleitend systematisch erarbeitet. Unter anderem wurden die allgemeinen Gu¨te-Kriterien fu¨r Reviews und Metaanalysen im Detail erkla¨rt und im Zusammenhang mit den Studien diskutiert: Art und Umfang der Recherche, Ein- u. Ausschlusskriterien fu¨r Studien, Bewertung der Methodik der eingeschlossenen Studien, Heterogenita¨t vs. Homogenita¨t der Studienergebnisse, Sensitivita¨tsanalyse, Umgang mit bestimmten Verzerrungsfaktoren (z.B. fehlende Intention-to-treat-Analyse). Parallel dazu wurde auch ausfu¨hrlich die Bewertung verschiedener Studienarten mit dem Schwerpunkt randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) behandelt und es wurden soweit erforderlich Grundlagen der EbM wiederholt erla¨utert. U¨bertragbarkeit der Ergebnisse und Relevanz fu¨r die eigene Praxis Praktische EbM geht immer vom einzelnen Patienten aus: Es wird nach der besten verfu¨gbaren Evidenz gesucht, um in Kombination mit der klinischen Erfahrung und Ausbildung des Arztes/Psychotherapeuten und in Abstimmung mit dem Patienten (z.B. dessen Bereitschaft, sich auf bestimmte Behandlungsverfahren, Risiken usw. einzulassen) fu¨r diesen Patienten die aussichtsreichste und am besten vertra¨gliche Therapie zu finden. Das von den Teilnehmern zu erarbeitende Review soll die aktuellen Forschungsergebnisse und die derzeit beste verfu¨gbare externe Evidenz zur Therapie der PTSB darstellen und kann somit als Entscheidungsgrundlage fu¨r Therapeuten dienen. In diesem Sinne bietet es unter Beru¨cksichtigung der eigenen klinischen Erfahrung und vor allem der Pra¨ferenzen des Patienten die Mo¨glichkeit, dieses Wissen in das individuelle Behandlungskonzept einzubinden. EbM fordert dazu auf, subjektiv konstruierte Erfahrungen und internalisierte Haltungen zu reflektieren und zu modifizieren (6).

63

ARTICLE IN PRESS Literatur [1] Kober, Th. Evidenzbasierte Onkologie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. ZaeFQ 2006; 100: 165–166. [2] Mu¨hlhauser I, Meyer G. Evidenz Based Medicine: Widerspru¨che zwischen Surrogatergebnissen und klinischen Endpunkten. Psychother Psych Med 2006; 56:193–201 [3] Schmacke N. Evidenzbasierte Medizin und Psychotherapie: die Frage nach den angemessenen Erkenntnismethoden. Psychother Psych Med 2006; 56:202–209

[4] Hansen L; Siebolds M. Ambulante Versorgung: Qualita¨tszirkel sta¨rken die a¨rztliche Autonomie. Dtsch A¨rztebl 2002; 99: A3158–3160 [5] DNEbM, A¨ZQ (ed.). Curriculum Evidenzbasierte Medizin – A¨rztlicher Fortbildungskatalog evidenzbasierte Medizin. 2. Auflage, 09.2005. www.ebm-netzwerk.de/ grundlagen/images/ Curr_Auflage_2_050915final.pdf; [6] Meyer G, Schlo¨mer G. Pa¨dagogische Reflexionen zum EbM-Curriculum der Zentralstelle der Deutschen A¨rzteschaft zur Qualita¨tssicherung in der Medizin

Einigung zur Versorgung von Patienten mit Chronischer KHK erzielt

’’

’’

Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) sind evidenzbasierte a¨rztliche Empfehlungen fu¨r Disease Management und Integrierte Versorgung. Sie werden im Rahmen des NVL’’ Programms von Bundesa¨rztekammer, Arbeitsgemeinschaft der Wisssenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und Kassena¨rztlicher Bundesvereinigung erarbeitet. An der Konsentierung der NVL beteiligten sich die Arzneimittelkommission der deutschen A¨rzteschaft (AKDAE), sowie die Deutschen Gesellschaften fu¨r Allgemeinmedizin (DEGAM), fu¨r Innere Medizin (DGIM), fu¨r Kardiologie (DGK), fu¨r Pra¨vention u. Rehabilitation von Herz- Kreislauferkrankungen (DGPR) und fu¨r Thorax-, Herz- Gefa¨ßchirurgie (DGTHG). Das ’’

64

Korrespondenzadresse: Ulrike Didjurgeit1,, Andreas Waltering1, Beatrice Piechotta2, Christiane Florack 1 1Institut fu¨r evidenzbasierte Medizin, DIeM, Ko¨ln 2 Kassena¨rztliche Vereinigung Nordrhein, Du¨sseldorf Dipl.-Psych. Ulrike Didjurgeit, Institut fu¨r evidenzbasierte Medizin, DIeM, GmbH, Venloerstr. 301-303, 50823 Ko¨ln E-Mail: [email protected]

Magazin

Patientenforum bei der Bundesa¨rztekammer war fu¨r die Entwicklung der entsprechenden Patientenleitlinie zusta¨ndig. Folgende Empfehlungen der NVL Chronische KHK sind besonders hervorzuheben: 1. Komplizierte, riskante und teure Untersuchungen sollen nur unter Beru¨cksichtigung des individuellen Krankheitsrisikos veranlasst werden. 2. Herzkatheter-Untersuchungen sollen unter anderem nicht durchgefu¨hrt werden bei Patienten mit niedriger KHK-Wahrscheinlichkeit; mit gutem Ansprechen auf Medikamente bei niedrigem Risiko und bei Patienten, die eine Katheterbehandlung oder Operation ablehnen. 3. Operationen und Katheter-Therapie an den Herzkranzgefa¨ßen bei chronischer KHK du¨rfen nur durchgefu¨hrt werden, wenn der Patient vorher u¨ber die Wirksamkeit aller mo¨glichen Maßnahmen umfassend informiert wurde. 4. Vorrangiger Einsatz von HerzkatheterTherapie z.B. bei Patienten mit symptomatischer, medikamento¨s nicht beherrschbarer Angina pectoris bei Eingefa¨ßerkrankung (nicht RIVA- oder Hauptstammstenose). 5. Vorrangiger Einsatz einer Bypass’’ Operation z.B. bei Dreigefa¨ßerkrankung oder linkskoronarer Hauptstammstenose. ’’

Wie muss eine bestmo¨gliche, sektorenu¨bergreifende Versorgung von Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit erfolgen? Wann ist die Durchfu¨hrung einer Herzkatheter-Behandlung oder einer Gefa¨ßoperation am Herzen notwendig – wann sollte sie unterlassen werden? Auf gemeinsame Empfehlungen zu diesen und weiteren Fragen haben sich ku¨rzlich die medizinischen Fachgesellschaften im Rahmen des Programms fu¨r Nationale VersorgungsLeitlinien versta¨ndigt. Die so entstandene Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK wurde am ’’ 25. August offiziell als Leitlinie der ’’ Bundesa¨rztekammer beschlossen.

und des Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierte Medizin. ZaeFQ 2003; 97:287–290

6. Operationen und Katheter-Therapie sollen nicht durchgefu¨hrt werden bei Patienten mit niedrigem Risiko, deren Beschwerden durch Medikamente gut zu kontrollieren sind. 7. A¨lteren Patienten (4 75 Jahre) mit ausgepra¨gten, trotz medikamento¨ser Therapie bestehenden Beschwerden darf eine KatheterBehandlung oder Operation nicht vorenthalten werden. Die NVL KHK wurde durch das A¨rztliche Zentrum fu¨r Qualita¨t in der Medizin (A¨ZQ) koordiniert und ist unter der Adresse http:// www.khk.versorgungsleitlinien.de /http://www.khk.versorgungsleitlinien.de/S frei zuga¨nglich im Internet verfu¨gbar.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Dr. Gu¨nter Ollenschla¨ger, A¨rztliches Zentrum fu¨r Qualita¨t in der Medizin Gemeinsame Einrichtung von Bundesa¨rztekammer und Kassena¨rztlicher Bundesvereinigung Wegelystraße 3/Herbert-Lewin-Platz 10623 Berlin Telefon: (030) 4005 2501 Fax: (030) 4005 2555 E-Mail: [email protected].

Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 63–64 www.elsevier.de/zaefq