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VOL. 4 (1959)
IMMCNCHEMISCHE PROTHROMBIN
UNTERSUCHUNGEN
MIT
UXD THROMRIN
Bisherige immunologische LTntersuchungen bei plasmatischen Gerinnungsfaktoren erstrecken sich im wesentlichen auf den Nachweis von Antikiirpern im Blut von Patienten mit hamorrhagischer Diathese, die meist infolge von Bluttransfusionen entstanden sind und eine Inhibitorwirkung gegen aktive Gerinnungsfaktoren entfalten. Diese heute au& als Immunokoagulopathie bezeichneten pathologischen Zustande werden am haufigsten durch Antikorper gegen den Faktor VIII (Antihamophiles Globulin) l--4, seltener such durch hntikorper gegcn Faktor Vmi und Faktor VII*’ s verursacht. Der Nachweis dieser Xntikorper wird meist durch gc~rinnungsphysiologische Untersuchungsmethoden und nur in wcnigen Fallen durch immunchemische Methoden gefiihrt, was durch die meist nur geringe Antikiirper aktivitat bedingst ist. Gut wirksame Antikiirper gegen Faktor VIII konnten von RICHARDS LXD SPAET’~ durch Immunisieren von Kaninchen erhalten werden. Durch die Immunisierung vron Kaninchen mit hochgereinigtem Prothrombin ~LIS Rinderplasma haben HALICE; I’SD .SEIX;ERS~~ nachgewiesen, class such das Prothrombin antigenen Charakter hat. Die Autoren erhielten ein Antiserum, das Prothrombin spezifisch prazipitierte und mit dem sie bei der Priifung von Prothrombin im (itIDiffusionstest nach OUDIS I2 zwci Prazipitationsringe erhieltcn, von denen eincr dem Faktor V zugeschrieben wurde, der als Spurenvcrunreinigung in nach SEECXKS ‘:I, I’ hergestelltem Prothrombin enthalten ist. Da von allen Gerinnungsfaktorcn das Prothrombin heute am reinsten dargestellt werden kann und bisher am besten chemisch-physikalisch charakterisiert worden ist, erscheint es fur eingehende immunologische Studien am geeignetsten. Sicht zulctzt such deshalb, weil es als Vorstufe des eigentlichen Gerinnungsfermentes ‘Thrombin zweifellos einc Schliisselstellung im Gerinnungssystem einnimmt. Wir konnten durch die tiber langere Zeit vorgenommcne Immunisierung vines Rinder-Prothrombin ein Pferdes mit reinstem, nach SEEGEHS’33 ‘a gewonnenem relativ hochtitriges Antiprothrombinserum erhalten, gehend geprtift haben und im folgenden mitteilen.
desscn Eigenschaften
wir ein-
a. Prothrombin. Dieses stellen wir wie ftir friihere I:ntersuchungen*5, I6 aus Rinderplasma nach dem Verfahren von SEECERS 13, I4 her. Xach heute vorliegenden LTntersuchungsergebnissen ist das Prothrombin ein a-Glykoprotein, dessen chemische und physikalisch-chemische Eigenschaften aus Fig. I zu ersehen sind. b. Thrombin. Wie SEEGERS erstmals zeigen konnter7 und wie wir bestatigten’“, ohne weitere gelingt es, Prothrombin durch L4uf16sen in 25 ~,iger l%atriunrcitratliisung Literatuv
S. 7q/j5
VOL. 4 (Igjg)
I~~b~U~CHE~~ISCHE
UNTERSUCHUKGEX
Zusatze von Aktivatoren vollstandig in Thrombin den Untersuchungen wurde von uns ein derartiges Eigenschaften aus Fig. I hervorgehen.
27
zu iiberfiihren. Citrat-Thrombin
Fur die vorliegenverwandt, dessen
3
t
1 2
i
Fig. I. Chemische und physikaIisch-chemische Eigenschaften van l’rothrombin und Thrombin, hergestellt aus Rinderplasma nach SEEGERS.
Fig. 2. Quantitative HEILHSLBERGER
ImmunpSizipitation nach Prothrombin und Thrombin. van
c. _~ntiprotlzronaEii~zserumnom Pferd. Ein Pferd Nr. 2226 wurde iiber drei Immunisierungsperioden mit nach SEWERS hergestelltem Prothrombin immunisiert. I. Immunisierungsperiode: im Abstand von vier Tagen sieben intravenose Injektionen steigender Menge von insgesamt 875 mg Prothrombin. z. Immunisierungsperiode: 14 Tage nach der let&en intravenosen Injektion im 5-tagigen Abstand vier subkutane Injektionen von insgcsamt r5oo mg Prothrombin mit Zusatz vcn Al(OH),-Gel. 3. Immunisierungsperiode: 30 Tage nach der letzten Injektion der 2. Immunisierungsperiode drei weitere subkutane Injektionen von insgesamt 700 mg Prothrombin ohne Zusatz von Al(OH) a. Die Blutentnahme zur Antiserumgewinnung erfolgte 14 Tage nach der let&en Injektion. 1Vir injizierten also dem Pferd tiber einen Zeitraum von 3l/a Monaten insgesamt 3075 mg Prothrombin, eine Menge, zu deren Herstellung etwa zoo 1 Rinderplasma aufgearbeitet werden mussten. Das native Antiserum wurde einem fur antitoxische Seren Bblichen Fermentier~lngsverfahren ~lnterworfen und das Endprodukt auf einen Proteingehalt von 15 96 aufkonzentriert. d. Iynfitor V (A ccelerin) vom Rind (Reagens der Behringswerke). e. Faktor VII (Convertin) vom Rind. Rinderserum wurde mit IO”.; BaSO, adsorbiert, zentrifugiert, das BaSO,-Sediment zweimal mit physiologischer NaCl-Liisung gewaschen und anschliessend mit 5 % Natriumcitratlosung, prr 7.6, eluiert. Das Eluat wurde salzfrei dialysiert und lyophilisiert. f.Faktor VIII ~~~n~~l~~rnop~~~esGlobulin) vom Rind. Hergestellt in Anlehnung an die Methode von BIDWELL’~.
Litevatrw S. 3413.j
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G.SCHWICK, H.E. SCHULTZE
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g. Faktor IX ~C~y~st~~sja~to~~~:omRind. Als Faktor IX-Quelle wurde das oben beschriebene Faktor VII-Praparat benutzt, das ausreichende Mengen Faktor IX enthalt. 1~.Faktor XI (Stuartfaktor). Fiir Faktor XI fand I : 20 verdiinntes Rinderserum Verwendung. i. Qfsantitative Il~zmlcnpr~zipitation e~ach HEIUELBERGER UND KENDALL~~. Fiir die ~mmunpr~zipitationskur~ren von Prothrombin und Thrombin in Fig. z wurden Testansatze mit jeweils z ml ~~ntiprothrombinserllm verwandt. i. InzmlLnoelelektrophorese nach GRABAR in derMikvomodifikation nach SCHEIDEGGER 20. k. Prothrombinbesti~mmung nach der Zweiphasenmefhode 21. 1. Tlarombinbestim~aa~ng mit reineln Rinderfibrinogen’6. m. P~othyom,bin-, Faktor V- und Faktor VII-Besti$nm~~g nach dem spezifischen Ein-
phasenverfahren 22. 7~ Faktor VIIIlmd IX-Besfimm~~mg. Im ~~las~nathromboki~lasebildungstest 83, 2J unter Verwendung von Hamophilie A-Plasma hzw. Hamophilie B-Serum. o. Faktor SI (Stuavtfaktorbestimmung). Enter Vorwendung van StuartfaktormangelplasmaZ5. 26 und Bestimmung der Einphasengerinnungszeit. p. ~e,~osebestimm~~ng nach S#REXES TSD HAUGAARD~~. q. Nezwanr.insiEurc-~estimmung nacfzB~HM, DATER
USD BAIJMEISTER~~.
ERGEBSISSE
Der hohe Titer unsercs Antiprothrombinscrums ermijglicht es, eine quantitative Immunprazipitation von Prothrombin mit ihm durchzufiihren. Das in Fig. z graphischdargestellte Ergebnis zeigt den fur eine Antigen-Antik~rperreaktion typischen Kurvenverlauf. Aus der gleichen Abbildung ist ersichtlich, dass das ~~nt~prothrombinserum, wenn such in sehr vermindertem Masse, Thrombin zu prazipitieren vcrmag. W&end sich die Aquivalenzzonen von Prothrombin und Thrombin in ihrem Optimum unter den Bedingungen des Testes entsprechen, wird, bezogen auf die Tyrosin-Tryptophan bzw. K-Basis, von der gleichen Menge Antiprothrombinserum nur etwa I/SO der Prothromb~nmen~e an Thrombin prgzipitiert. Die Antithrombinwirkung des ~~ntiprothrombinserums I%sst sich besonders gut durch die Beeinflussung der spezifischen FermentaktiviGt (Fibrinogengerinnung) nachweisen. In der Fig. 3 wird die thrombinneutralisierende Aktivitat des Antiprothrombinserums durch zwei Reaktionskurven belegt. Fur die Aufstellung der Kurve I wurde die Menge des _\ntiprothrombinserums konstant gehalten und die Thrombinmengen variiert. Interessanterweise ergibt sich, dass wie bei zahlreichen anderen ~~ntigen-~~ntik~rpe~eaktionen in der Zone des Antigen-~berschusses die Antigen-Antikiirperbindung geringer wird, was in unserem Falle zu einer Verminderung der Antithrombinwirkung fiihrt. Die zweite Reaktionskurve wurde durch die Einwirkung abgestufter Antikorpermengen auf eine konstante Thrombinmenge erhalten. Sie zeigt, dass durch eine geniigend hohe Antikijrperkonzentration eine bcstimmte Menge Thrombin praktisch vollstandig neutralisiert werden kann. Dies ist, wie aus einer kiirzlich van CINADER~~ mitgeteilten abersicht hervorgeht, fiir Fermentantikorper keineswegs die Regel. Im allgemeinen werden namlich nur Fermente, die Makromolekiile als Substrat angreifen, durch ihre homologen AntikBrper in ihrcr katalytischen W’irkung vollstandig neutralisiert. Enzyme, die niedermolekulare Substrate angreifen wie LB. Penicillinase, Milchsauredehydrogenase und j!LGalaktosidase Liftmhr
i‘.
.jJ:,],j
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IMMUNCHEhIISCHE
UNTERSUCHUNGEK
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werden dagegen, obwohl sie durch die homologen Antiseren prazipitiert werden, oft iiberhaupt nicht oder nur teilweise in ihrer Fermentwirkung beeinflusst. Wir konnen also das Thrombin, das nach neueren Untersuchungen als eine Proteinase aufzufassen ist, zu den von ihren homologen Antikiirpern vollstandig inhibierbaren Fermenten zahlen, was in Anbetracht des hohen Molekulargewichtes seines Substrates Fibrinogen (M.G. 350,000) such zu erwarten war.
ml Inb-~~~,hiombmjrr”m
Fig.
3.
Anti-Thrombinwirkung Prothrombinserums.
des
Anti-
Fig. 4.
2”
5rnl VO,,b,“,
Artspezifitgt des Anti-Kinderprothrombinserums.
Von besonderem Interesse schien uns die Klarung der Frage, inwieweit der von uns gegen Prothrombin vom Rind gewonnene Antikorper artspezifisch ist. In Ermangelung heterologer Antigene untersuchten wir die Hemmwirkung des Antiserums gegen Rinderprothrombin auf die Vollblutgerinnungszeit. Diese reagiert bekanntlich auf den Zusatz prothrombinbzw. thrombinhemmender Substanzen wie z.B. Heparin besonders empfindlich und es hat sich gezeigt, dass bereits geringe Mengen unseres Antiprothrombinserums, die unmittelbar bei der Blutgewinnung dem Rinderblut zugesetzt werden, die Spontangerinnungszeit des Rinderblutes betrachtlich verlangern. In Fig. 4 wird der Einfluss des Antiprothrombinserums auf die Vollblutgerinnungszeit verschiedener Saugetiere und auf die des Menschen graphisch dargestellt. Die Gerinnungszeit des Rinderblutes wird durch den Zusatz von Antiprothrombinserum ausserordentlich stark verzogert, aber such die Vollblutgerinnungszeiten der Blutproben vom Schaf und der Ziege, die der gleichen Gattung angehoren wie das Rind, erfahren eine betrachtliche Verlangerung. Die Beeinflussung der Gerinnungszeiten des Schweineblutes, Pferdeblutes und Menschenblutes, wird in der angegebenen Reihenfolge geringer. Beim Schwein, das der gleichen Ordnung wie das Rind angchart, ist zu beriicksichtigen, dass es eine besonders kurze Spontangerinnungszeit aufweist, die dem Hemmeffekt des Anti-Rinderprothrombinserums starker entgegenwirkt als die der anderen Sauger. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die bekannte Beobachtung, dass funktionell gleichwertige Proteine verschiedener Spezies sich im Antigencharakter umso ahnlicher verhalten, je mehr sie ihrer Herkunft nach miteinander verwandt sindso-32, such fur das Prothrombin und seinen Antikorper zutrifft. In einer weiteren Untersuchungsreihe, deren Ergebnisse in Tab. I zusammengefasst sind, wurde die Wirksamkeit des Antiprothrombinserums gegentiber ProLitevatuv
S. 34135
G. SCHWICK, H. E. SCHULTZE
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thrombin, Faktor V, Faktor VII, Faktor VIII, Faktor IX und Faktor SI (Stuartfaktor) geprtift. Obgleich sich diese Untersuchungsergebnisse nicht absolut quantitativ miteinander vergleichen lassen, da es sich urn verschiedene Testsysteme handelt, ist doch deutlich zu erkennen, dass fur die Verlangerung der Gerinnungszeiten der Prothrombin-, Faktor VII- und Faktor IX-Bestimmung sehr vie1 weniger Antiprothrombinserum beniitigt wird als fur die anderen Systeme. Als Gesamtergebnis kann aus den Untersuchungen entnommen werden, dass das Antiprothrombinserum tine erhebliche Anti-Faktor VII- und -Faktor IX-Wirkung besitzt, tine relativ betrachtet mittelstarkewirkung gegentiber Faktor XI, eine schwache Faktor V-neutralisierende und eine sehr schwache Faktor VIII-neutralisierende Wirkung. Auf die moglichc Bedeutung dieser Befunde fur die Diskussion neuerer Anschauungen iiber den Blutgerinnungsmechanismus wird spater noch einmal eingegangen werden. TABELLE
I
WIRKSAMKEIT“ON A~TIPROTHROMBINSERUMGEGENiiBER ~_.
FAKTORVIII, ~..___
-~~
(GammaProthrombin Methode unter m
A K-protein) ~~
FAKTOR
ohne 1”
35 37
Antiprothrombixserum (Gamma-
.~~~___.__~
Faktor V Methode unter m
ohne 375” 5”“” 75””
39 5” 8” II”
Faktor VII Methode unter m
ohne 3”
38 4’
750 ~~~~~~
VII,
___:““-t”““i”‘_._
Gev~sz?Zw2gszeit
cseci
Faktor VIII Methode unter ?z
ohne 15”“” 30”“” 45”“”
1IS 2” 15
Faktor IX Methode unter
ohne ho ‘5”
21 27
ohne 75”
45 Ob
i*
iiber 600
15"
V, FAKTOR
XI
zeit (see) ~_. _~~~~
IO"
_~
FAKTOR
._
3””
__~
PROTHROMBIN,
UXD
GerilZ~Ltungs-
Antiprothrombinserum
~_
FAKTORIX
n
Faktor XI (Stuartf.) Methode unter o
120"
15
8"
Ij""
w I2j
iiber 600
3”“”
0””
Nachdem wir nun zunachst die Eigenschaften des Antiprothrombinserums untersucht hatten, fanden wir es interessant, einmal die verschiedenen Phasen dcr Prothrombinumwandlung in Thrombin immunologisch zu iiberprtifen und zwar wahlten wir hierftir das System der Citrat-Umwandlung von Prothrombin nach
Fig. 5. Citrat-Umwandlung Literatur S. 341.75
van Prothrombin abspaltbarer
nach SEEGERS unter Kontrolle Kohlenhydrate.
trichloressigstiure-
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IMYUNCHEMISCHE
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UNTERSUCHUNGEN
Hochgereinigtes Prothrombin, das in 25 “/biger Xatriumcitratliisung aufwird, wandelt sich innerhalb von 24 bis 48 Stunden in Thrombin urn. We LORAND, ALKJAERSIG UND SEEGERS~~~ 34 zeigen konnten, nimmt in der ersten Phase dieser Citrataktivierung, in der noch kein Thrombin gebildet wird, der Anteil der vom Prothrombin durch Trichloressigsaure abspaltbaren Kohlenhydrate zu. Unsere eigenen Befunde bestatigen die Ergebnisse von SEECERS und zeigen, wie aus Fig. 5 hervorgeht, dariiber hinaus, dass w%hrend der “Dissociationsphase” eine kontinuierliche Abspaltung von Acetylneuraminsiiure stattfindet. von Neuraminsaure Ktirzlich gelang uns der Nachweis 35, dass die Abspaltung bei Glykoproteinen durch n’euraminidase zu einer Immunoelektrophoretisch nachweisbaren Verlangsamung der elektrophoretischen Beweglichkeit ftihrt, ohne dass das Vermogen der Proteine, spezifisch zu prazipitieren, merklich beeinflusst wird. Bei der immunoelektrophoretischen Kontrolle der Citrataktivierung von Prothrombin, die wir in Fig. 6 zeigen, konnten wir in der “Dissociationsphase” ein ahnliches Verhalten des Prothrombins beobachten wie es Glykoproteinen nach Neuraminidasebehandlung eigen ist. Bei Betrachtung der immunoelektrophoretischen Bilder in Fig. 6 muss berticksichtigt werden, dass nur die starkste Prazipitatlinie fur das Prothrombin typisch ist, wahrend kleinere Spurenprazipitate, vor allem ein schneller wanderndes a,-Globulin, Verunreinigungen aus dem Rinderserum darstellen.
SEEGERS".
gel&t
Profhrombin
m. Neuraminidase vorbehandelt
IO
Fig.
6.
20
30 Stonden
bei
Jhne
Vorbehandl.
co 28T
Immunoelektrophoretische Kontrolle der Citratumwandlung neuraminidasevorbehandeltem Prothrombin.
van Prothrombin
und
Zu einem Zeitpunkt, in dem noch kein Thrombin nachweisbar ist, verlangsamt sich die elektrophoretische Beweglichkeit des Prothrombins 36 ohne Beeintrachtigung der Prgzipitierbarkeit durch das Immunserum. Erst nach Beginn der eigentlichen “Aktivierungsphase” treten mit dem Nachweis der ersten kleinen Thrombinmengen tiefgreifende Veranderungen des Prazipitationsbildes auf. Die urspriingliche Prothrombin-Prazipitatlinie teilt sich in mindestens 4 immunologisch nur noch sehr schwach prazipitierbare Komponenten auf, die mit zunehmender Inkubationszeit elektrophoretisch beweglicher werden. Diese elektrophoretische Heterogenitat des Thrombins ist bereits aus Untersuchungen mit der Tiseliuselektrophorese3’ bekannt. Literatur s. 3435
C. SCHWICK,
32
H. E. SCHL'LTZE
\.OL. 4 (1959)
Die Zunahme der elektrophoretischen Beweglichkeit dtirfte zum Teil durch die Molektilverkleinerung des Thrombins gegeniiber dem Prothrombin bedingt sein und zwar wurden von WAUGH 38 bei der Untersuchung von Citrat-Thrombin in der Ultrazentrifuge Fraktionen mit einem Molekulargewicht von 5,000, 15,000 und 45,000 gefunden. Nach neuesten Untersuchungen von GLADSICK, LAKI UNL) STOLMAS ~9 sol1 das Molekulargewicht des Thrombins nur 14,000 betragen, was such seine schwachc immunologische Prsjipitierbarkeit erklaren wtirde. Es kann kein Zweifel damn bestehen, dass fur die Citrataktivierung von Prothrombin der “Dissociationsphase” die grosste Bedeutung, etwa im Sinne einer “Enthemmung” des Prothrombins, bis zum Zeitpunkt der eigentlichen Thrombinbildung zukommt. Es war daher naheliegend ZLL versuchen, durch vorhergehende Abspaltung von Kohlenhydrat ein im Citrat schneller aktivierbares Prothrombin zu gewinnen. Hierzu wurde Prothrombin mit Neuraminidase (Receptor Destroying Enzyme aus Cholerakulturfiltrat) *” behandelt und dialysiert, so dass der Gehalt des Prothrombins an Acetylneuraminsaure mit 1.4~‘~) nur noch etwa 113 der ursprtinglichen Menge (4.1’;~) betrug. \Yie aus der in Fig. 6 angeftihrten Reaktionskurve hervorgeht, fehlt bci dcr Citrataktivierung des neuraminidasevorbehandelten Prothrombins die “Dissociationsphase” praktisch vollig, so dass bereits nach 4-6 Stunden eine vollstandige Uberftihrung des Prothrombins in Thrombin stattfindet, was bei dem nicht vorbehandelten Praparat erst nach etwa 30 Stunden der Fall ist. Die immunoelektrophoretische Kontrolle lasst ebenfalls einen direkten &x-gang des Neuraminidase-Prothrombins, das eine sehr vie1 langsamere elektrophoretische Beweglichkcit als das Aurgangspraparat
aufweist,
in die Aktivierungsphase
ZUSARIMESFASSENDE
Die
IYntersuchungen
haben
ergeben,
erkenncn.
DISKITSSIOS
dass
hochgereinigte
Prothrombin-
und
Thrombinpraparate, so wie es bereits fur eine Anzahl anderer Fermente nachgewiesen wurde, artspezifische antigene Eigenschaften besitzen. Diese sind bei Prothrombin starker ausgepragt als bei dem niedermolekularen Thrombin. Es muss offen bleiben, ob die Ursache der Antithrombinwirkung des _4ntiprothrombinserums durch einc Kreuzreaktion dem Prothrombinantikorper selbst oder durch direkte Anti-Thrombinantikorper bedingt ist. Letztere konnten sich in r:ir~odurch die Umwandlung der bei der Immunisierung injizierten Prothrombinmengen in Thrombin gebildet haben. Von besonderem Interesse ist der Befund, dass das i2ntiprothrombinserum in hohem Masse befahigt ist, Faktor VII, Faktor IX und Faktor SI ZLI ncutralisiercn. Demgegentiber tritt die Anti-Faktor V- und Anti-Faktor VIII-VfYrkung des Serums weit zurtick. Da die Cntersuchungen in der Tiselius-Elektrophorese und Iyltrazentrifuge zeigen, dass es sich bei dem nach SEE:C:EKS hergestellten Rinderprothrombin keineswegs urn ein IOOU,; reines Protein handelt, muss die Moglichkeit diskutiert werden, ob das Praparat von vornherein mit anderen Gerinnungsfaktoren verunreinigt ist und dadurch Antikorper gegen diese Faktoren entstanden sind. Geringe Faktor V-, VII-, IX- und XI-Aktivitaten lassen sich tatsachlich such regelmassig in den hochgereinigten Prothrombinen nachweisen, wobei die Verunreinigung durch Faktor V im Vordergrund steht. Obwohl wir aufgrund des vorher Gesagten nicht die Bildung von Antikorpern gegen Spurenverunreinigungen des Prothrombins an anderen Gerinnungsfaktoren, vornehmlich Faktor VII, TX und XI, ausschliessen konnen, neigen wir bei Beriick-
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I>l~H’~CHEMISCHE UKTERSUCHUNGES
33
sichtigung neuster Erkenntnisse auf diesem Gebiet der Blutgerinnungsforschung doch eher zu der Annahme, dass der spezifische Prothrombinantikorper selbst imstande ist, die Gerinnungsfaktoren VII, IX und XI zu neutralisieren. Wegen ihrer dem Prothrombin sehr ahnlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften hat man fur diese drei Gerinnungsfaktoren bereits immer eine sehr enge Beziehung zum Prothrombin angenommen. In neuerer Zeit haben SEEGERS und Mitarbeiter diese Annahme gesttitzt, indem sie nachwiesen, dass unter bestimmten Bedingungen aus dem Prothrombin selbst die Acceleratoren VII und IX, die sie mit Autoprothrombin I und II bezeichneten, von LASCH UND RoKA~** 52, die inzwischen von hervorgehen 41-4Q . Untersuchungen ,~I~KJAERSIG USD SEEGERS 50 bestatigt werden konnten, haben dariiberhinaus ergeben, dass unter der Einwirkung von Lebermitochondrien auf Faktor VII bzw. ,L\utoprothrombin in z&o Prothrombin entsteht. Dieser Prozess sol1 nach LASCH und Mitarb.53’ s4 such in &vo ablaufen, wobei eine “latente Gerinnwzg” vorausgesetzt wird, die im Blut eine standige Umwandlung von Prothrombin in Thrombin und Faktor VII bewirkt. Letzterer sol1 in der Leber wieder aufgenommen und zu Prothrombin resynthetisiert werden. Wir glauben, dass unsere immunologischen Befunde eine weitere Stiitze fur diese bisher nur teilweise bewiesene Theorie sein konnen. Insbesondere bestatigen die Ergebnisse der immunoelektrophoretischen Kontrollversuche der Citrataktivierung von Prothrombin die Befunde von SEEGERS, wonach bei der Citratumwandlung verxhiedene Intermediarprodukte, von ihm “Prothrombin-Derivate” genannt, mit neuen Eigenschaften entstehen. 231 diesen zahlen nach SEEGERS, wie erwahnt, ,4utoprothrombin I (Faktor VII) und Autoprothrombin II (Faktor IX). Aufgrund eigener Untersuchungen des Stuartfaktors gelangten wir bereits frtiher25p 26 zu der Auffassung, dass such dieser Faktor ein Autoprothrombin im Sinne von SEECERS ist. Der Befund, dass ein mit Neuraminidase vorbehandeltes Prothrombin eine besonders schnelle Citratumwandlung erfahrt, verdient schliesslich noch deshalb besondere Beachtung, weil bei Abschluss dieser Arbeit eine Mitteilung von NILSSON V~D YA~IASHINA~~ erschien, in der die Autoren iiber einen gerinnungshemmenden Einfluss des sehr neuraminsaurereichen niedermolekularen a,-Saureproteins 56, 5i berichten. Obwohl es, wie wir bestatigen k6nnens8, nicht gelingt, die Umwandlung von Prothrombin in Citrat durch Zusatz des a,-Glykoproteins zu hemmen, weisen SHSsox USD YA~IASHINA fur andere Gerinnungssysteme eine kompetitive Hemmung der Umwandlung von Prothrombin in Thrombin durch das sehr kohlenhydratreiche a,-Globulin nach. Man wird also ktinftig dem proteingebundenen Kohlenhydrat im Zusammenhang mit der Blutgerinnungsforschung mehr Aufmerksamkeit schenken mtissen, wobei immunologische Nachweismethoden von Nutzen sein konnen.
Die Immunisierung eines Pferdes mit hochgereinigtem Prothrombin vom Rind [SEEGERS) ftihrt zu prazipitierenden, artspezifischen Antikorpern gegen Prothrombin und Thrombin (in vermindertem Ausmasse), was durch quantitative (Immunprazipitation nach HEIDELBERGER) und qualitative (Immunoelektrophorese nach GR.\B.AR, SCHEIDEGGER) Immunreaktionen belegt wird. Das ,4ntiprothrombinserum neutralisiert in relativ hohem Masse die Aktivitat der Gerinnungsfaktoren VII (Convertin), IX (Christmasfaktor) und XI (Stuartfaktor). Es wird diskutiert, ob dies auf eine Literntur s. 34/.?.5
G. SCHWICK, H. E. SCHULTZE
34 primare
Verunreinigung
bins durch fische
Spuren
des immunoelektrophoretisch
dieser
Gerinnungsfaktoren
Prothrombinantikorper
ahnlichen
mit
Gerinnungsfaktoren
anderungen,
die bei
der
Satriumcitratlosung
auftreten, Prothrombin
als unvorbehandeltes
dem
von
studiert
nicht
einheitlichen
zurtickzuftihren
reagiert.
Umwandlung
idase vorbehandeltes kann
diesen,
direkt
VOL.
Prothrombin
Es werden
Prothromob der sprzi-
chemisch-physikalisch
die immunchemischen
Prothrombin
in Thrombin
und es wird gezeigt,
sehr vie1 schneller
ist oder
4 (1959)
in
dass ein mit
in Thrombin
Ver-
~j~~;iger
Seuramin-
iiberfiihrt
werden
Prothrombin.
SUMMARY IMMUNOCHEMICAL The cattle
immunisation
(SEEGERS)
extent
trophoresis
antibodies.
(according
(Christmas the
which
are
occurring solution minidase,
with
strong
purified
and
XI
neutraliser (Stuart
prothrombin the mutation
were studied,
factor).
similar
The
problem
amounts
of the substance
directly
with
VII
the
anti-
(Convertin), whether
coagulation or
factors
whether
coagulation
Immunochemical
into thrombin
that in prothrombin
Prothrombin
is discussed,
prothrombin,
pre-treated
the
factors changes
in z5”/0 sodium
is much faster than in un-pretreated
from
and immunoelec-
factors
of these
prothrombin.
of prothrombin
and it was shown
the rate of mutation
reacts to
evidence
respectively.
derived
and - to a lesser
of HEIDELBERGER)
inhomogeneous
antibody
prothrombin
of the coagulation
by trace
AND THROMBIN
prothrombin
and qualitative
(method
to contamination
physico-chemically during
highly
species-specific
Quantitative
immunoelectrophoretically
species-specific
WITH PROTHROMBIN
to GRABAR AND SCHEIDEGGER)
factor)
this is due primary in
a horse
precipitating,
by immunoprecipitation
serum is a comparatively IX
of
yielded
- thrombin
were provided
EXPERIJIENTS
with
citrate neura-
prothrombin.
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VOL.
4
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IMMUNCHEMISCHE
UNTERSUCHUNGEN
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unverijffentliche
Befunde.