Injury, Int. J. Care Injured (2006) 37, S125—S131
www.elsevier.com/locate/injury
Infektionen bei der Fixation von Frakturen1 Von der Grundlagenforschung über die Diagnose bis hin zur evidenzbasierten Behandlung
Staphylokokken und Implantatoberflächen: eine Übersicht
Toleranz von Staphylokokken gegenüber bakterizid wirkenden Antibiotika
Llinos G. Harris, R. Geoff Richards
Pierre Vaudaux, Daniel P. Lew
AO Research Institute, AO Foundation, Davos, Schweiz
Abteilung für Infektionskrankheiten, Universitätsklinikum Genf (HUG), Genf, Schweiz
Zusammenfassung Zusammenfassung Oberflächen interner Fixationsimplantate für Frakturen sind im Allgemeinen so ausgeführt, dass sie das Anhaften von Weich- und/oder Hartgewebe fördern und schliesslich auch zur Gewebe- bzw. Osseointegration führen. Leider kann dieses Merkmal aber auch die Adhäsion von Bakterien fördern. Etwa die Hälfte der jährlich in den USA auftretenden zwei Millionen Fälle von Nosokomialinfektionen stehen im Zusammenhang mit implantierten Fixationshilfsmitteln, die in situ verbleiben. In Grossbritannien werden die Kosten durch implantatbedingte Infektionen auf £ 7 bis 11 Mio. pro Jahr geschätzt und sind aufgrund der Zunahme antibiotikaresistenter Bakterien ein grosses Problem geworden. Weichteilinfektionen und Osteomyelitis sind ernsthafte Komplikationen im Zusammenhang mit Implantaten, insbesondere bei offenen Frakturen, externen Fixateurs und Marknagelung als Osteosynthesemassnahmen. Zu den Folgen implantatassoziierter Infektionen gehören längere Krankenhausaufenthalte mit systemischer Antibiotikatherapie, Folgeeingriffe, eventuelle Amputationen und sogar der Tod. Dieser Bericht befasst sich mit dem Thema der implantatassoziierten Infektionen und einigen der Methoden zur Vermeidung einer bakteriellen Adhäsion an Osteosynthesematerial. Schlüsselwörter: Staphylokokken; Implantate; Infektion; Adhäsion; Biofilm; Oberflächen.
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Übersetzung ins Deutsche: Syntax Übersetzungen AG, Zürich, Switzerland
0020–1383/$ — see front matter doi:10.1016/j.injury.2006.04.026
Eine Antibiotikatherapie für tiefsitzende Staphylokokkeninfektionen insbesondere im Zusammenhang mit künstlichem Osteosynthesematerial, das in der orthopädischen Chirurgie eingesetzt wird, ist selten erfolgreich. Bakterizide Standardantibiotika gegen Staphylokokken, wie beispielsweise halbsynthetische Penicilline, Cephalosporine oder Glykopeptide, sind wirksam bei prophylaktischer Anwendung in klinischen Umgebungen oder experimentellen Studien mit implantatbedingten Infektionen. Doch die Wirksamkeit aller Mittel gegen Staphylokokken ist bei bereits vorhandenen implantatbedingten tiefsitzenden Infektionen ernsthaft vermindert, was dann häufig zur Notwendigkeit einer operativen Implantatentfernung führt, um eine Heilung zu erzielen. Die Wirkungslosigkeit der Antibiotikatherapie gegen festgestellte Staphylokokken-Fremdkörperinfektionen kann teilweise auf eine phänotypische Breitspektrumtoleranz zurückzuführen sein, die sich in vivo gegenüber verschiedenen Klassen antimikrobieller Agenzien exprimiert. Die molekularen und physiologischen Mechanismen dieser In-vivoToleranz sind nach wie vor noch unzureichend erforscht. Schlüsselwörter Staphylokokken; Staphylococcus aureus; bakterizide Antibiotika; Toleranz; implantatbedingte Infektionen; Rattenmodell.
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Behandlung von Infektionen im Zusammenhang mit Marknagelungen, Stiften, Platten und Schrauben bei externen Fixateurs dargestellt. Schlüsselwörter: Fixierungssysteme für Frakturen; Infektion; Biofilm; Diagnose; Behandlung.
Chirurgische Aspekte von Infektionen bei Osteosynthese-implantaten: Implantatdesign und Resistenz gegenüber lokalen Infektionen Urs Schlegel, Stephan M. Perren AO Research Institute, AO Foundation, Davos, Schweiz
Zusammenfassung Infektionen sind immer noch die am häufigsten vorkommenden Komplikationen im Zusammenhang mit orthopädischen und unfallchirurgischen Eingriffen. Das Implantatdesign, der Implantatwerkstoff und die Implantationstechnik können bei der Vermeidung von Infektionen eine wesentliche Rolle spielen. Das Ziel des vorliegenden Papers besteht in der Erörterung einer Reihe von Versuchen, die verschiedene Aspekte chirurgischer Verfahren und Implantate evaluieren. Zu diesem Zweck wurde eine standardisierte lokale Applikation des Humanpathogens Staphylococcus aureus im Tiermodell durchgeführt. Obwohl diese Versuchsergebnisse eventuell von klinischer Relevanz sind, sollte eine direkte Extrapolation der Inzidenz klinischer Infektionen vermieden werden.
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Zusammenfassung Die in den jüngsten Jahren veröffentlichten systematischen Berichte und Metaanalysen ermöglichten die Erstellung evidenzbasierter Richtlinien für die antibiotische Prophylaxe in der orthopädischen und traumatologischen Chirurgie. Allerdings ist es wichtig, die zwangsläufige Unvollständigkeit der Empfehlungen zu verstehen, die aus dem bisherigen Corpus an Daten abgeleitet worden sind. Da einige der relevantesten randomisierten kontrollierten klinischen Studien bereits vor über 20 Jahren durchgeführt worden sind, ist es manchmal schwierig, die Daten auf die klinische Praxis von heute anzuwenden. Durch Erstellung von Konsensrichtlinien könnte es sich als schwierig erweisen, Bereiche herauszuarbeiten, die durch weitere Forschungsarbeiten und höhere Compliance noch verbesserungsfähig sind. Obwohl Empfehlungen für die Optimierung der Behandlung von Infektionen bei orthopädischen Implantaten derzeit noch nicht auf erstklassigen Nachweisen beruhen, zeichnen sich bereits jetzt äusserst vielversprechende neue Konzepte in diesem Bereich ab. Wir erwarten derzeit noch weitere Daten und entscheidende Schlussfolgerungen aus grösseren klinischen Studien. Schlüsselwörter: Antibiotische Prophylaxe in der Chirurgie; Infektionen durch Implantate; Rifampicin; praktische Richtlinien.
Antibakterielle Beschichtungssysteme Andrea Montali Synthes GmbH, Oberdorf, Schweiz
Schlüsselwörter: Infektion; Staphylococcus aureus; Tiermodell; Marknagelung; DCP; PC-Fix; ID50; Stahl; Titan.
Antibiotika in der traumatologischen und orthopädischen Chirurgie — eine Fibel evidenzbasierter Empfehlungen Martin Jaeger1, Dirk Maier1, Winfried V Kern2, Norbert P Südkamp1 1
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Department Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Fakultät, Universität Freiburg i.Br., Deutschland Abteilung für Infektiologie, Medizinische Fakultät, Universität Freiburg i.Br., Deutschland
Zusammenfassung Die lokale Applikation von Antibiotika ist ein bekanntes Verfahren, das seit über 20 Jahren erfolgreich im klinischen Einsatz ist. Der meistverwendete Trägerwerkstoff für die antibiotischen bzw. sonstigen antibakteriellen Substanzen ist Polymethylmethacrylat (PMMA). Da PMMA jedoch nicht resorbierbar ist, werden bis zu 70% der antibiotischen Dosis dauerhaft im PMMA-Zement sequestriert und steht daher nicht zur Bekämpfung der bakteriellen Kolonisierung zur Verfügung. Antibakterielle Beschichtungen von Metallimplantaten sind eine attraktive Lösung zur Vereinfachung der lokalen Applikation einer antibakteriellen Substanz bei der Versorgung von Frakturen. Mehrere Beschichtungsverfahren mit ver-
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schiedenen Trägerwerkstoffen sowie mit verschiedenen antibakteriellen Substanzen sind eingehend untersucht worden. Eine vollständig resorbierbare Gentamicinsulphat-haltige Beschichtung hat dabei in Tierstudien die vielversprechendsten Ergebnisse erbracht. Tibia-Marknägel mit dieser Beschichtung sind bei einigen Patienten bereits erfolgreich implantiert worden. Der zukünftige Hauptschwerpunkt bei der Entwicklung antibakterieller Beschichtungen für Implantate wird auf der Feinanpassung der Abgabecharakteristik und der antibakteriellen Substanz liegen, um so das Risiko der Kultur von resistenten Bakterienstämmen zu minimieren und gleichzeitig die Wirksamkeit der Beschichtung zu maximieren. Schlüsselwörter: Antibakterielle Beschichtungen; lokale Applikation von antibakteriellen Substanzen.
Prinzipien der systemischen antimikrobiellen Therapie bei fremdkörperassoziierten Infektionen des Knochengewebes unter besonderer Berücksichtigung periprothetischer Infektionen Lars Frommelt Institut für Infektiologie, klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, ENDO-Klinik Hamburg GmbH, Hamburg, Deutschland
Zusammenfassung Fremdkörperassoziierte Infektionen in Knochengewebe sind überwiegend durch die Merkmale sessiler Pathogene gekennzeichnet, die von Fremdkörperoberflächen aus aktiv werden. Diese Bakterien, die den Schutz von an Oberflächen anhaftenden Biofilmen ausnutzen, sind höchst resistent sowohl antimikrobiellen Wirkstoffen als auch der Immunabwehr des Wirtsorganismus gegenüber. Die Therapie beruht auf einem erneuten operativen Eingriff, bei dem der Fremdkörper entfernt wird, sowie einer ergänzenden antimikrobiellen Therapie. Von einer empirischen antimikrobiellen Therapie ist hierbei abzuraten, es sei denn, es kommt zu einer lebensbedrohlichen Sepsis. Für Antibiotika ist infiziertes Knochengewebe im Vergleich zur antimikrobiellen Chemotherapie schwerer zu erreichen. Daher müssen Antibiotika in
hoher Dosierung und über einen längeren Zeitraum gegeben werden. Es ist fast unmöglich, diese Pathogene nur mit Antibiotika zu vernichten, auch wenn sich damit die klinischen Symptome beeinflussen lassen. Die antimikrobielle Therapie bietet die folgenden Optionen: 1. Ausschliesslich Antibiotika: Hierbei ist nur eine Suppression der Infektionskrankheit möglich. 2. Amputation oder Resektionsarthroplastik in Kombination mit Antibiotika. Die Ergebnisse sind zwar angemessen, aber führen nur zu einer unzureichenden Funktion. 3. Chirurgischer Folgeeingriff bei gleichzeitiger Retention des Fremdkörpers und langfristiger Antibiotika-Therapie mit Rifampicin. Diese Vorgehensweise ist nur bei frühzeitig erkannten und noch nicht weit fortgeschrittenen Fremdkörperinfektionen möglich. 4. Behandlung der periprothetischen Infektion: Chirurgischer Folgeeingriff mit Austausch der Prothese kombiniert mit einer systemischen (und optional auch lokalen) Therapie unabhängig davon, ob ein 1- oder mehrstufiges Verfahren durchgeführt wird. Die Behandlung dieser Infektionen sollte in Spezialkliniken in enger Konsultation mit einem erfahrenen Facharzt für Infektionskrankheiten durchgeführt werden. Da die meisten vorliegenden Daten empirisch sind, sind weitere prospektive Studien zur Bewertung dieser therapeutischen Konzepte erforderlich. Schlüsselwörter: Fremdkörperassoziierte Infektion; Osteomyelitis; Chemotherapie zur spezifischen Hemmung von Infektionserregern; 1-stufiger Folgeeingriff; 2-stufiger Folgeeingriff; Suppressionstherapie.
Prophylaxe und Behandlung von implantatbedingten Infektionen durch lokale Anwendung von Antibiotika Michael Diefenbeck1, Thomas Mückley2, Gunther O. Hofmann 1,2 1
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Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost, Halle/Saale, Deutschland Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
Zusammenfassung Trotz der Verbesserungen bei chirurgischen Verfahren und Implantatdesigns in der orthopädischen