Fallberichte | Case Reports D O I : 1 0 . 1 0 1 6 / j . d z a . 2 0 0 9 . 1 0 . 0 0 1 3 3 D t Z t s c h r f A k u p. 5 2 , 4 / 2 0 0 9
G. Riehl
Interessanter Fallbericht zur Behandlung einer Facialisparese An Interesting Case Study: Treatment of Facial Nerve Paresis Zusammenfassung
Abstract
Die Akupunktur wird zur Behandlung der Facialisparese in China recht häufig angewandt, in Deutschland besteht noch eine gewisse Zurückhaltung in der Empfehlung dieser Therapie. Der geschilderte und dokumentierte Fall kann dazu beitragen, die Akupunktur in der Behandlung dieser Erkrankung – auch bei offensichtlich schwierigen Fällen – mit mehr Nachdruck zu empfehlen.
In China acupuncture is a frequently used tool in the treatment of facial paralysis, quite different from Germany, where patients strive towards acupuncture when the conventional treatment has shown no effects. The case presented may serve as an example of propagating acupuncture in the treatment of facial paralysis, even in quite severe cases.
Schlüsselwörter
Keywords
Facialisparese, Akupunktur, Ohrakupunktur, YNSA, RAC, Neuralgiezone des Ohres
Facial paralysis, acupuncture, Ear-acupuncture, YNSA, RAC, neuralgic zones of the ear
Hintergrund und Krankheitsverlauf Ein 21-jähriger portugiesisch-stämmiger Mann erlitt am 6. Juli 2009 einen Atemwegsinfekt mit Sinusitis, der in üblicher Weise mit symptomatischer Therapie durch Sekretolytika behandelt wurde. Am 12. Juli stellte sich eine „periphere Facialisparese links mit inkomplettem Lidschluss“ ein. Die primäre Vorstellung in einer neurologischen Ambulanz führte zur Therapie mit Prednisolon, drei Tage lang 100 mg, dann zehn Tage lang 50 mg.
Abb. 1: Provoziertes Grinsen vor der ersten Akupunkturtherapie (mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung)
Dr. med. Gerhard Riehl Arzt für Allgemeinmedizin Naturheilverfahren, Akupunktur
Wegen ausbleibender oder enttäuschender Besserung erfolgte die Vorstellung beim Hausarzt und ab 20. Juli (neunter Tag der Erkrankung) eine Akupunkturbehandlung mit insgesamt vier Sitzungen. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen den Status beim provozierten Grinsen vor und nach der ersten Sitzung. Schon in der ersten Sitzung war eine zeitlich begrenzte Teilbesserung für den Therapeuten und den Patienten zu erkennen. Nach der vierten Sitzung (29. Juli)
Abb. 2: Provoziertes Grinsen unmittelbar nach der ersten Akupunkturtherapie
Rathausstaße11 D-57234 Wilnsdorf
[email protected]
Abb. 3: Provoziertes Grinsen unmittelbar nach der vierten Akupunkturtherapie
DZ A
Fallberichte | Case Reports
Akupunktur Deutsche Zeitschrift für
(s. Abb. 3) war bereits eine erhebliche Besserung zu verzeichnen. Der Patient brach die Behandlung zufrieden – und mit Blick auf Kostenersparnis – ab. Die weitere Ausheilung erfolgte dann in den nächsten zehn Tagen ohne sichtbaren Restbefund.
Methodik Die Behandlungen fanden nach Terminvereinbarung am 9., 13., 16. und 18. Krankheitstag statt. Ich folgte einem pragmatischen Behandlungsschema bestimmt von der betroffenen Region und RAC-aktivierten Punkten. Auch wenn ich bei einer Klinikführung des Beijinger Guan An Men Hospitals im Jahre 2005 beobachten konnte, dass dort bei unvollständig entkleideten Patienten mehr Nahpunkte verwendet wurden, so wie dies auch in den meisten Akupunkturbüchern aus China dokumentiert ist [1, 2], bevorzuge ich – soweit möglich – Fernpunkte. In der ersten Sitzung wurde behandelt mit Gb 41, 3E 5, Di 4 sowie Ni 3 und 6. Die Nierenpunkte wurden wegen ihrer Beziehung zum Nervengewebe gewählt [3]. Nach Prüfung aktivierter Punkte über den RAC nadelte ich zusätzlich 3E8. Ab der zweiten Sitzung wurde zusätzlich behandelt mit Ma 44. Probatorisch nadelte ich auch hier die Neuralgiezone für den Trigeminusnerv [4, 5], den Korrespondenzpunkt von N.VII [5] am Ohr sowie YNSA A der Gegenseite (Yamamoto behandelt bekanntlich Paresen über die Referenzpunkte der Gegenseite) [6]. Die Liegedauer betrug ca. 20 min, ich benutzte Seirin-Nadeln der Farbe blau. Nach Setzen der Nadel wurde jeweils kurz stimuliert. Bei einer Störfeldsuche mittels RAC (Nogier-Reflex) nach Bahr [7] in der dritten Sitzung fand sich ein Störfeld im Bereich des Zahnes 28, das auf seinem Korrespondenzpunkt auf der Ohrmuschel ebenfalls mit Seirin-blau genadelt wurde. Ich verzichtete aus Gründen der Schmerzreduktion und Akzeptanz auf die bei Bahr hierfür sonst übliche Goldnadel und benutzte ebenfalls Seirin-blau. Nach der vierten Sitzung wurde bei objektiv erheblicher Besserung und subjektiver Zufriedenheit die Akupunkturbehandlung auf Wunsch des Patienten abgebrochen, auch mit Blick auf Kostenersparnis.
Diskussion Der Verlauf dokumentiert – auch mit Hilfe der Bildaufnahmen – eine gute bis sehr gute Wirkung der Akupunktur mit in diesem Fall nur vier Sitzungen, obwohl der unter Prednisolonbehandlung resistente Verlauf einen schwierigen Behandlungsfall erkennen lässt. An der Hartnäckigkeit des Verlaufes war möglicherweise das Störfeld im Zahnbereich 28 mitschuldig. Eine Röntgenuntersuchung wurde veranlasst, vom Patienten leider nicht wahrgenommen. Der Verlauf zeigt, dass bei Facialisparese eine Akupunkturbehandlung auch in schwierigen Fällen empfohlen werden kann.
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Abb. 4: Aktuelles Foto des Patienten (28. September 2009)
Literatur 1. The Academy of Traditional Chinese Medicine. An Outline of Chinese Acupuncture. Beijing, Foreign Languages Press, 1975:262 2. Qiu ML. Chinese Acupuncture and Moxibustion. Edinburgh: Churchill Livingstone, 1993:281 3. Maciocia G. Die Grundlagen der chinesischen Medizin. Kötzting: Verlag für Ganzheitliche Medizin, 1997 4. Riehl G. Nutzung des Ohrsomatotops in der Therapie von Neuralgien und Neuropathien, Dt Ztschr f Akup. 2009;52,1:30–35 5. Strittmatter B., Taschenatlas Ohrakupunktur nach Nogier/Bahr, Stuttgart: Hippokrates, 2001 6. Yamamoto T et al., Yamamoto Neue Schädelakupunktur, Kötzting: Verlag für Ganzheitliche Medizin, 2005 7. Strittmatter B. Das Störfeld in Diagnostik und Therapie. Stuttgart: Hippokrates,1998
Autoreninformation (STRICTA requirements) Dr. med. Gerhard Riehl Approbation 1977/Promotion 1982 Arzt für Allgemeinmedizin 1981 Niedergelassen in eigener Arztpraxis seit 04/1982 Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ 1999 Akupunktur Diplom A 11/2000 (Afat) Akupunktur Diplom B 11/2001 (Ärztekammer Westfalen-Lippe) danach Eintritt in DÄGfA, DAAA und ZÄN und Weiterbildung in diversen Bereichen der chinesischen Medizin Erlernen des RAC und der Störfelddiagnostik nach Bahr/Strittmatter seit 2001, Erlernen der Matsumoto-Strategien ab 2005 Regelmäßige Akupunkturbehandlung in eigener Praxis von 5–15 Patienten/Tag.