Zbl. Bakt. Abt. II, Bd. 131, 8 . 67:J-677 (1976)
[Aus dem Institut fiir Botanik und Mikrobiologie der Kernforschungsanlage Jiilich, BRD]
Keine Wachstumsforderung durch Repairsubstanzen bei Mikroorganismen No Stimulation of the Growth of Microorganisms by Repair-Substances Bernhard Mlitze Mit 3 Abbildungen
Summary By means of manometric technique the influence of X.ray-repairsubstances on the growth and respiration of Micrococcus denitrificans, Micrococcus radiodurans and Saccharomyces cereviaiae was investigated. Though these substances are stimulating the development of higher plants, there is no effect on growth and respiration of these microorganisms.
Zusammenfassung Mittels der manometrischen Technik wurde der Einfluf3 von Rontgen-Strahlen-Repairsubstanzen auf Wachstum und Atmung von Micrococcus denitrificans, Micrococcus radiodurans und Saccharomyces cere.visiae untersucht. Obwohl diese SubBtanzen die Entwicklung hoherer Pflanzen stimulieren, konnte bei Mikroorganismen keine Steigerung des Wachstums und der Atmung festgestellt werden.
Das Repair von Strahlenschaden wird bei einigen Pflanzen durch verschiedene Substanzen glinstig beeinfluBt. Bei den unter dieser Fragestellung von F. u . H. SCHWANITZ (1968 und 1969) durchgeflihrten Versuchen wurde aber auch immer wieder eine Entwicklungsforderung der unbestrahlten Kontrollen durch diese Stoffe festgestellt. So fordert das durch seine geriatrische Wirkung bekannte Procainhydrochlorid das Auflaufen verschiedener Samen und beschleunigt das Wachstum von Tomaten, Kohl, Kohlrabi und anderen Pflanzen . .A.hnliche Wirkungen zeigt 5-Phenyl-2-imino4-oxo-oxazolidin (PIO), der Wirkstoff des Tradon. Tradon ist ein von der Firma Beyersdorf (Hamburg) vertriebenes, auf den menschlichen Organismus stimulierend wirkendes Medikament. Von zwei weiteren Substanzen, Cernitrat und Calgon (ein Polyphosphatgemisch), die sich in Versuchen zur Verminderung von Strahlenschaden als wirksam erweisen, ist ebenfalls eine wachstumsf6rdernde Wirkung bekannt (SCHWANITZ, F. 1968). Nachdem L'ORANGE u. SCHNEEWEISS (1970) bei E. coli keine Verminderung des Strahlenschadens durch Procainhydrochlorid nachweisen konnten, war es flir uns interessant zu wissen, ob maglicherweise auch die flir hahere Pflanzen wachstumsf6rdernde Wirkung der Repairsubstanzen Procainhydrochlorid, pro, Cernitrat und Calgon bei Mikroorganismen ausbleibt. 45
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Material und Methoden Fiir die heterotrophe Anzucht der Bakterien fand folgende sterile Niihrlosung Verwendung: Fleischextrakt 4 g; Pepton 4 g; K 2HP0 4 0,5 g; KNO s 3 g; Glucose 1 g; Glycerin 1 g; Leitungs. wasser 1000 ml; pH 7,0-7,1. Bei autotropher Anzucht befand sich Micrococcus denitrificans unter anaeroben Bedingungen im Exsikkator in einer Atmosphiire von 60 % Hz, 30 % N 2, 10 % CO 2 , Die Niihrlosung bestand aus: KNO s 2 g; (NH4)2HP04 0,8 g; NaHCO a 0,8 g; K 2 HP04 0,5 g; KH zP04 0,5g; MgS04·7HzO 0,1 g: FeS0 4 · 7H 20 5mg; Aqua dest. 1000ml; pH 7,0; Hefeextrakt 10 mg. Steriifiltration unter Druck. Fur die Atmungsmessungen unter autotrophen und heterotrophen Bedingungen wurden diese Losungen ebenfalls verwendet. Die Atmungsmessungen erfolgten manometrisch mit einer Apparatur der Firma Braun, Messungen, bei + 30 DC. Die verwendeten Microorganismen Micrococcus denitrificans, Micrococcus radiodurans und Saccharomyces cerevisiae entstammoon der American Type Culture Collection.
Ergebnisse und Diskussion 1. Wirkung von Procainhydrochlorid auf die Atmung wachsender B ak teriensus pensionen Abb. 1 zeigt den EinfluB von Procainhydrochlorid auf die Atmung von heterotroph lebenden M. denitrificans-Zellen. Eine Steigerung der Wachstumsgeschwindigkeit miiBte sich in einer erhohten Atmung gegeniiber der unbehandelten Kontrolle J"fL- 02 -
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Abb. 1. Herabsetzung der Atmung von heterotroph lebenden M. denitriticans-Zellen durch Procain· hydrochlorid in den Konzentrationen 10-5 bis 10- 7 gil.
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auswirken. Das war nicht der Fall. Es war vielmehr eine Depression der Atmung tiber aIle Konzentrationen zu beobachten. Der sehr strahlenresistente M. radiodurans wurde durch Procainhydrochlorid ebenfalls nicht in seiner Atmungsintensitat und Teilungsgeschwindigkeit stimuliert. Es ware denkbar, daB die bei hOheren pflanzen beobachtete Steigerung der Wachstumsleistungen durch Repairsubstanzen auf einer Erhohung der photosynthetischen Leistungen beruht. Unsere Untersuchungen mit heterotroph arbeitenden Bakterien lassen eine Beeinflussung des autotrophen Stoffwechselweges offen. M. denitrificans kann sowohl heterotroph als auch autotroph leben. Dadurch hatten wir die Moglichkeit, den EinfluB von Repairsubstanzen auf beide Stoffwechselwege an ein und demselben Organismus zu untersuchen. Da M. denitrificans unter autotrophen Bedingungen zur Energiegewinnung die Knallgasreaktion durchftihrt und CO 2 assimiliert, mtiBte sich ein erhohtes autotrophes Wachstum unter dem EinfluB von Repairsubstanzen im manometrischen Versuch durch einen hoheren H 2 - und 02-Verbrauch feststellen lassen. Es konnte jedoch nur eine Herabsetzung des Gasverbrauches bei wachsenden Zellsuspensionen beobachtet werden (Abb. 2). Der autotrophe Stoffwechsel wird also durch Procainhydrochlorid nicht stimuliert. Die Verminderung der Atmung war noch starker als unter heterotroph en Bedingungen.
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Abb. 2. Atmungsdepression autotroph lebender Zellen von M. denitrificans duroh ProcainhydrochIorid in den Konzentrationen 10-5 bis 10- 7 gIl.
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2. Wirkung von 5-Phenyl-2-imino-4-oxo-oxazolidin (prO) auf wachsende Suspensionen von Mikroorganismen Abb. 3 zeigt, daB die Zugabe von pro in den Konzentrationen 10-5 bis 10-7 g/cm3 ohne EinfluB auf die Atmungsintensitiit und das Wachstum von M. denitrificans bIeibt. Das gleiche gilt flir M. radiodurans und Saccharomyces cerevisiae. Es fallt jedoch auf, daB die bei Procainhydrochlorid beobachtete Atmungsdepression ausbIeibt, und zwar bei allen drei untersuchten Mikroorganismenarten. 3. Wirkung von Procainhydrochlorid auf ruhende Suspensionen von M. denitrificans Abb. 1 und 2 zeigen eine Abnahme der Atmung bei Procainhydrochlorid-Zugabe. Da zu diesen Versuchen wachsende Zellsuspensionen verwendet wurden, kann die Atmungsdepression sowohl auf einer Verzogerung der Teilungsprozesse als auch auf einer Schiidigung des energieliefernden Systems beruhen. Bei Verwendungeiner N-freien Glucose-Niihrlosung, die ein Wachstum unmoglich macht, konnte jedoch ebenfalls eine Abnahme der Atmung beobachtet werden. Procainhydrochlorid greift also anscheinend hemmend in die energieliefernden Prozesse ein. .J4 L
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Abb. 3. Atmung heterotroph wachsender Zellen von M. denitrificans unter dem Einflu13 von 5Phenyl-2-imino-4-oxo-oxazolidin (PIO) in den Konzentrationen 10-5 bis 10- 7 gil.
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4. Wirkung von Procainhydrochlorid und PIO auf gealterte Zellen von M. denitrificans
Es besteht noch die Moglichkeit, daB alte Zellen, die durch hohe Zelldichte und Nahrstoffmangel geschadigt sind, bei Zugabe von Procainhydrochlorid schneller reaktiviert werden. Unsere manometrischen Messungen mit M. denitrificans zeigen jedoch keine Unterschiede zu den unbestrahlten Kontrollen. 5. Wirkung von Cernitrat und Calgon auf die Atmung wachsender Mikroorganismen Die bei hoheren Pflanzen beobachtete Wirkung dieser beiden Substanzen auf das Wachstum blieb aus. Alle Substanzen wurden in den Konzentrationen 10-5 bis 10-8 g/cm3 der Nahrlosung zugefiigt und die Atmungsintensitat mit der unbehandelten Kontrolle verglichen. Calgon bleibt in allen gewahlten Konzentrationen ohne jeden EinfluB auf die 02-Aufnahme von M. denitrificans, M. radiodurans und S. cerevisiae. Cernitrat wirkt bei 10-5 g toxisch, die Atmungswerte bei niedrigeren Konzentrationen liegen innerhalb der Fehlergrenze. Zusammenfassend laBt sich sagen, daB die untersuchten Substanzen nach der Literatur zwar das Repair von Strahlenschaden und das Wachstum von hoheren Pflanzen giinstig beeinflussen, eine fordernde Wirkung auf das Wachstum von Mikroorganismen, zumindest aber von M. denitrificans, M. radiodurans und S. cerevisiae, konnte nicht nachgewiesen werden. Die geringere Atmungsintensitat bei Anwesenheit von Procainhydrochlorid laBt sich moglicherweise auf eine verminderte Permeabilitat bestimmter Membranen zuriickfiihren. Diese Erscheinung wurde von mehreren Autoren beschrieben (HOLLAND et al. 1967, LAKSHMINARAYANAIAH 1969), wobei der Wirkungsmechanismus unbekannt blieb.
Literatur HOLLAND, W. C., KLEIN, R. L., und BRIGGS, A. H.: Molekulare Pharmakologie, Kapitelll, Thieme· Verlag, Stuttgart 1967. LAKSHMINARAYANAIAH, N.: Transportphenomena in Membranes. Academy Press, New York 1969, 404. L'ORANGE, R., und SCHNEEWEISS, F.: Keine Schutzwirkung von Procainhydrochlorid bei y-strahlengeschadigten, stationaren E. coli B 163. Biophysik 7 (1970), 40-60. SCHWANITZ, F. und H.: Die Wirkung von Procainhydrochlorid (Novocain) auf die Uberlebensrate und das Repair von Strahlenschaden bei Pflanzen und Tieren. J ahrbuch 1968, Landesamt fiir Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Westdeutscher Verlag, Koln 1968. - - Forderung der Entwicklung unbestrahlter Pflanzen und Tiere durch Repair verursachende Substanzen. Jahresbericht 1968, Kernforschungsanlage Jiilich. - - Forderung der Keimung und der Entwicklung von J ungpflanzen durch einige Strahlenschaden vermindernde Substanzen. Landwirtschaftl. Forsch. 21 (1968). - Zum Problem der Strahlenresistenz und des Repairs von Strahlenschiiden. Probleme der Pflanzengenetik, lnst. exper. Bot., CSAV Olomouc 1969. Anschrift des Verfassers: Dr. BERNHARD MUTzE, Kernforschungsanlage Jiilich, lnstitut fiir Botanik und Mikrobiologie, D - 517 Jiilich, Postfach 365.