Flora 168, 13-52 (1979)
Okologie als existentiales Problem im Viererschema der biologischen Wissenschaften OTTO STOCKER Botanisches Institut der Technischen Hochschule Darmstadt
Ecology as the Problem of Existentialism within the Quadruble Scheme of the Biological Sciences Summary A "quadruple scheme" of the biological sciences is developed, which encloses four fundamental disciplines, morphology, physiology, taxonomy and ecology, marked by two polarized axes: the first "form -function" represents the antagonism of morphology/taxonomy contrary to physiology/ecology, the second, "unity - multiplicity" means that of morphology/physiology contrary to axonomy/ecology (Fig. 1). In this system ecology appears as science of "existential clarification" ("Daseinserhellung" by Heidegger). Every special science may be arranged into the scheme as a part-, collective- or borderdiscipline (Fig. 2). In the philosophy of human knowledge the quadruple scheme is founded on the table of the categorical "four cosmological ideas" by KANT. It has also a logical basis (Fig. 4), and is equivalent to the "quadruple structure of the inductive method" by M. HARTMANN (Fig. 5). In the psychology of the human personality the polarity of the axis "form-function" corresponds to the "function-tYP3s" "feeling/thinking" by C. G. JUNG, the polarity "unity - multiplicity" corresponds to the "attitude.types" "introvert/extrovert" (Fig. 6). An analysis of the individuslities of GOETHE, LINNE, HALES and SPRENGEL demonstrates these relations. Moreover are discussed the principles of the biology and its history sinco the oldest times of tho Jonian philosophy. In modern definition, they are "constituted materia" and "harmonic balance of powers". The biological use of a principle "teleology" is only of heuristic value. Notes on the valuation of the subject-object axis, the extent of validity and the futuro prospect of the quadruple scheme are given.
I. Das Viererschema der biologischen Wissenschaften "Eine jede Wissenschaft ist fur sich ein System: und es ist nicht genug, in ihr nach Prinzipion zu bauen und also technisch zu verfahren, sondern man mu!.! mit ihr, als einem fur sich bestehenden Gobltudo, auch architoktonisch zu Worko gehen und sio nicht wio einen Anbau und oinen Teil oines anderon Gobltudes, sondern als ein Ganzes fur sich behandoln, ob man gleich nachher einen Uborgang aus diesem in jones odor wechselseitig orrichten kann."
1. KANT: Kritik der Urtoilskraft, § 68
a) Die Entstehung und Entwicklung des" Viererschemas" Einen Aufbau der Botanik im Sinne KANTS hat als erster 1842 SCHLEIDEN versucht (SACHS 1875; TSCHULOK 1910; MOBIUS 1937; MAGDEFRAU 1973). Als e ch te Teilge biete einer "wissenschaftlichen" Botanik erkennt er nur Morphologie und Physiologie (von ihm als Organologie bezeichnet) an; ihnen allein kommt auf Grund ihrer induktiven Methodik Erkenntniswert zu, wahrend Systematik (Taxono-
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mie) nur den Rang einer auf Morphologie und Physiologie "vorbereitenden" \Vissen sohaft beampruchen kann. Diese Degradierung hatte bei SCHLEIDEN ihren Grund keineswegs in einer Verkennung del' Linneschen Leistung, sondern entsprang seiner Kampfansage gegen die damalige Hegemonie einer vielfach in nomenklatorische und terminologische Spitzfindigkeiten entarteten Botanik. So in del' Sache nicht berechtigt, lieB denn auch die Reha bilitierung der Taxonomie zu einem vollwertigen Teilgebiet nicht lange auf sich warten. Die damit geschaffene Dreiteilung del' Botanik wurde in Vorlesungen und Lehrbiichern allgemein iiblich, wobei man Morphologie und Physiologie als "allgemeine Botanik" zusammenfaBte und diesel' die Taxonomie (Systematik) als "s p ez i ell e" gegeniiberstellte. Das Dreierschema liiBt 2 Polaritaten erkennen. Die erste, Morphologie Physiologie, geht zuriick auf die beiden Urphanomene der Natur, die allein unserem Erkenntnisvermogen Wissen erlauben: das "Sein" del' "Gestalten" und del' "Wandel" del' "Funktionen"; man mag auch von "Urbildern" und von "Ursachen" sprechen (ROHRER 1919; SCHULTZ 1929; ANDRE 1931; TROLL 1914, 1949; TROLL und WOLF 1940). Die zweite Polaritat, zwischen Morphologie und Physiologie einerseits und Systematik andererseits, liegt nicht im Wesen del' Dinge begriindet, sondern in del' Bliekrichtung des :Forschers, je nachdem er die Einheit del' Natur im Auge hat oder abel' deren vielfache Mannigfaltigkeit. Diesen Wechsel del' Blickrichtung konnen wir EOwohl von del' Morphologie wie von der Physiologie aus vornehmen. Von der Morphologie ausgehend kommen wir zu einem System der gestaltlich verschiedenen Pflanzenarten, von del' Physiologie ausgehend zu einem System del' funktionellen Beziehungen del' Pflanzenwelt in sich und gegeniiber del' Umwelt. Del' erst ere Wissenschaftszweig wurde von alters her als Systematik bezeichnet;, jetzt nennt man ihn, gegen den zweiten brsser abgegrem.t, Taxonomie, wahrend der zweite die noch junge Wissenschaft der Okologie ist. Damit kommen wir zu dem in Abb. 1 gezeichneten "Viererschema" der biologischen Hauptge biete. Die Konzeption dieses "Vierersehemas" der Biologie (STOCKER 1952, 1957, 1958) bedeutet gegeniiber dem tradition ellen Dreierschema von SCHLEIDEN die Legitimierung del' Okologie als eigenstandige Wissensoh aft. GemaB ihrer SteHung im Schema beinhaltet sie die funktionellen Beziehungen EINHEIT (Allgemein)
Morphologie GESTALT (Urbild)
Physiologie
~----------~~----------~
Taxonomie
Okologie
(Speziell )
MANNIGFALTlGKEIT Ahb. 1. Viererschema der biologischen Hauptgebiete.
FUNKTION (Ursache)
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der Mannigfaltigkeit der Organismen zu der Mannigfaltigkeit ihrer Umwelt (STOCKER 1950). Pragnant k6nnen wir ihr Wesen am besten in der Sprache des Existentialphilosophen HEIDEGGER als "Daseinserhellung" bezeichnen (vgl. STEGMULLER I, S. 139, 1976). Als das hat sie von eh und je in der biologischen Forsch ung eine wenn auch meist versteckte Rolle gespielt. Schon die ersten griechischen Naturphilosophen wie ANAXIMANDER und EMPEDOKLES haben Probleme der Konstitution, des "Kampfes ums Dase.in" und dar Anpassung der Organism en an die Umwelt behandelt (vgl. spater S. 34ff.), und bei dem "ersten Botaniker", THEOPHRAST, dem Schiiler und Nachfolger von ARISTOTELES, wird das U m weltpro blem der Pflanzen, etwa bei seismo- und nyktinastischen Blattbewegungen, Stiitzwurzeln des indischen Banyan und Mangroven des persis chen Golfes vielfach erortert (BRETzEL 1903; SENN 1912, 1933; BERG DOLT 1938). 1m mittelalterlichen Niedergang del' Naturwissenschaften fiel die Bedeutung okologischen Denkens weit zuriick, nahm dann abel' bei der Neubegriindung derselben im 16. Jahrhundert auf induktiver Basis einen neuen Beginn. Darauf wollen wir unter Hinweis auf die Literatur (SACHS 1875; RADL 1909, 1913; TSCHULOK 1910; NORDENSKIOLD 1926; MOBIUS 1937; UNGERER 1956; MAGDEFRAU 1973) im einzelnen nicht eingehen, sondern un" gleich dEm Mann zuwenden, del' als erster die Okologie, wenn auch nicht unter diesem Namen, bewuBt als eigenstandige Wissenschaft betrieben hat: CHRISTIAN KONRAD SPRENGEL (1750-1816). Auf sein Leben und seine Personlichkeit werden wir spateI' zuriickkommen (S. 32). Hier zitieren wir nul' aus del' Einleitung seines Buches "Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in del' Befruchtung del' Blumen" (1793) seine Ansicht zum okologischen Existentialproblem: "Als ich im Sommer 1787 die Blume des Waldstorchschnabels (Geranium sylvaticum) betrachtete, so fand ich, daB der unterste Teil ihrer Kronenblatter auf der inneren Seite und an den beiden Randern mit feinen und weichen Haaren versehen war. Uberseugt, daB der weise Urheber der Natur auch nicht ein einziges Harchen ohne eine gewisse Absicht hervorgebracht hat, dachte ich daruber nach, wozu denn wohl diese Haare dienen mochten. Und hier fiel mir bald ein, daB, wenn man voraussetzte, daB die funf Safttropfchen, welche von eben so vielen Drusen abgesondert werden, gewissen Insekten zur Nahrung bestimmt seyen, man es zugleich nicht unwahrscheinlich finden miiBte, daB dafiir gesorgt sey, daB dieser Saft nicht yom Regen verdorben werde, und daB zur Erreichung dieser Absicht diese Haare hier angebracht seyen."
Die Ausweitung del' 6kologischen Denkweise auf das gesamte Gebiet del' Botanik erfolgte 1889/93 durch K. GOEBEL in seinen klassischen "Pflanztnbiologischen SC'hilderungen", in denen eine Fiille okologischer Zusammenhange bei Sukkulenten, siidasiatischen Strand pflanzen , Epiphyten, venezuelanischer Paramosvegetation, Insektivoren und Wasserpflanzen analysiert wurde. In der Einleitung defil1iert GOEBEL als Programm einer Biologie im engeren Sprachgebrauch, d. h. del' heutigen "Okologie": "Man versteht unter biologischen Untersuchungen im allgemeinen solohe, welche nachzuweisen suchen, in welcher Beziehung del' auBere und der innere Bau der Pflanzen zu den Lebensverhaltnissen derselben steht. Die Biologie betrachtet also die Teile des Pflanzenk6rpers nicht wie die Morphologie als Glieder, sondern als Organe desselben". In Anmerkung fiigt er hinzu: "Natiirlich ist die Bio-
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logie in dem eben angefiihrten Sinne von der Morphologie ebensowenig scharf zu trennen wie von del' Experimentalphysiologie". Das ist eino:; weit vorausschauende Definition, die vollkommen unserem "Viererschema" entspricht. In del' Folge erschienen dann, zunaehst unter dem Titel "Biologie", Lehrbiicher des neuen Wissensehaftszweiges, wie z. B. MIGULA 1908; NEGER 1913; OnuM 1953; LARCHER 1973; KREEB 1974; PIANKA 1974. Die Bezeichnung" Okologie" wurde von dem Jenaer Zoologen ERNST HAECKEL (1834-1919) gepragt, del' gleichzeitig den Namen "Biologie" der Gesamtheit del' vYissenschaften vom Leben zuwies, in welehem Sinne ihn schon TREVIRANUS (1776 bis 1837) gebraueht hatte. Das Wort "Okologie" ist abgeleitet von dem griechisehen ol~o~, das neben del' Bedeutung einer "Behausung" die allgemeinere einer "Wirtsehaftsfiihrung des Haushaltef" beinhaltet. Dementspreehend definiert HAECKEL in seiner "Generelle Morphologie" (1866) die Okologie als "Haushaltslehre", d. h. "Physiologie der Beziehungen des tierischen Organismus zur AuJ3enwelt"; in del' spateren Tabelle von 1879 erganzt er noeh: "Okonomie, Wohnung, Beziehungen zu anderen Organismen, Parasiten". Diese Definition entspricht genau der SteHung del' Okologie in unserem Viererschema (Abb. I), und dasselbe gilt fUr die von HAECKEL vorgeschlagene Vierteilung del' biologisehen Wissensehaften im ganzen. Seine "Ubersicht iiber die Hauptzweige del' wissenschaftlichen Zoologie" lautet in del' Fassung von 1879 (vgI. TSCRGLOK 19lO): Animale Morphologie I Anatomie (Korperlehre)
Animale Physiologie II Zoogenie (Entwieklungsgeschichte)
III Ergologie (Physiologie del' Arbeitsleistungen)
IV Perilogie (Physiologie del' Beziehungen)
Man erkennt unschwer die Ubereinstimmung mit unserem Vierersehema. HAECKELS "Animale Morphologie" und "animale Physiologie" sind unsere Polaritat "GestaltFunktion", und die Haeckelsehen Untergliederungen entsprechen denen unserer Achse "Einheit -Mannigfaltigkeit". Dabei ist, wie aus HAECKELS Erlauterungen hervorgeht, gleiehzusetzen: I Anatomie = Morphologie; II Zoogenie = Taxonomie; III Ergologie = Physiologie; IV Perilogie = Okologie. Unser Vierersehema ist als Rahmen einer Wissenschaftseinteilung nach prinzipiellen Erkenntnismoglichkeiten konzipiert. In ihn lassen sich samtliche iiberhaupt moglichen Wissenschaften unbeschadet ihrer inhaltlichen und zeitlichen Orientierung einordnen, wobei man Spezial-, Sammel- und Grenz-Wissenschaften unterscheiden kann. Bei Spezial wissenschaften handelt es sich urn Teilbezirke innerhalb eines der Hauptgebiete des Viererschemas. So werden z. B. innerhalb der Morphologie seit alters inhaltlich unterschieden "Cytologie", "Anatomie" und "Organographie", sowie zeitlich orientiert ,,0 n tog eni e" (Entwicklungsgeschichte). Von Sammelwissenschaften kann man sprechen, wenn ihr Inhalt iiber zwei oder mehr Hauptgebiete hinwegreicht, also z. B. bei "Physiologischer Pflanzenana-
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Physik-Chemie
Geographie -Geologie Abb. 2. Vierorschema und Grenzgebiete.
tomie" (HABERLAND 1909), "Physiologischer Morphologie" (LORENZEN 1972); ,,
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ziologie im Vordergrund (GAMS 1918; Du RIETZ 1921; BRAUN-BLANQUET 1928; TUXEN 1969), wahrend die von FITTING (1922) postulierte Okosoziologie erst neuerding.. in der Okosy..temforschung zur breiten Entfaltung gekommen ist. Von geographischer Seite her ist Grenzwissenschaft die fruher als Pflanzen- bzw. Tiergeographie bezeichnete, auf A. v. HUMBOLDT zuruckgehende Forschungsrichtung. Man nennt sie heute Biogeographie (SCHMITHUSEN 1959, 1976b). Sie hat, in Analogie zu den biologischen "Gesellschaften", zur Basis die "Landschaftsraume" (SCHMITHUSEN 1976a) und gliedert sich in einen gestaltlich ordnenden und einen funktional erklarenden Teil, deren Benennung Sache der Geographen ware (SCHMITHUSEN 1976b). Mit der Klassifikation unseres Viererschemas stimmen die von anderer Basis ausgehenden Einteilungen einer Reihe Autoren mehr oder weniger uberein, so die von HESSE (1931), DOTTERWEICH (1940) und UNGERER (1965, S. 66). Teilweise gilt das auch fUr TSCHULOK (1910), der aber unseren 4 Hauptgebieten gleichberechtigt noch Chorologie (Pflanzengeographie), Chronologie (Palaobotanik) und Genetik anreiht. Damit wird schon der weitverbreitete Weg einer burokratisch bequemen Registrierung ohne festes Prinzip beschritten.
b) Erkenntnistheoretische Grundlagen Merkwurdigerweise ist bisher nicht bedacht worden, daB das biologische Viererschema bereits von KANT in der "Kritik der reinen Vernunft" (1781) vorgezeichnet ist, und zwar in der "Tafel der vier kosmologischen ldeen" (STOCKER 1957, 1958). Der Zugang zu den Kantschen Werken gilt gemeinhin als schwierig. Versucht man ihn aber ernstlich, so wird man die unubertreffliche "Oberlegtheit und Klarheit jedes W ortes und Satzes bewundern lernen; auch hat KANT in den "Prolegomena" (1783) eine meisterhafte kurzere Darstellung seiner Kritik der reinen Vernunft gegeben. Den fUr unsere Problemstellung wohl besten Zugang zum Denken KANTS vermittelt das Buch von H. S. CHAMBERLAIN (1908), wenn es auch in mancher Hinsicht Kritik herausfordert; eine gute Einfuhrung gibt auch REININGER (1923). Eine eingehendere Darstellung von KANTS Ge~ankengangen ist im Rahmen dieser Arbeit nicht moglich. Wir konnen nur versuchen, den fUr uns wesentlichen lnhalt derselben verstandlich zu machen. *) Wir gehen aus von dem transzendentalen Erkenntnisschema der Abb. 3: Auf eine objektive Welt der "Dinge an sich" schlieBen wir nur aus den Empfindungen unserer Sinnesorgane. Deren Signale entschlusselt unsere " Sin nli c h k e it" als " Wah r nehmungen" in den a priori gegebenen Anschauungsformen von Raum und Zeit. Das so gewonnene lnformationsmaterial speichert der Computer unseres "Verstandes" , der auf eine Ordnung nach "Begriffen " programmiert ist. Das Prinzip dabei sind die a priori gegebenen "reinen Verstandesbegriffe" oder "Kategorien". *) 1m Interesse leichterer Lesbarkeit sind in den Zitaten (K. r. V. = Kritik der reinen Vemunft, 2. Aufl.) bisweilenrein formale Anderungen vonOrthographie und Interpunktion sowie in der Hervorhebung einzelner Worte vorgenommen worden.
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Welt
Abb.3. Transzendentales Erkenntnisschema (nach
CHAMBERLAIN).
Die Begriffe wiederum unterliegen der" U rteils bild ung" auf der Basis der von der "Vernunft" a priori gegebenen "Kosmologischen Ideen". Damit ist dann der Aufbau wissenschaftlicher Erkenntnis am Ziel. Der Schlusselpunkt dieser Konzeptionliegtin der Tafel der Kategorien(K. r. V., S. 106). In ihr sind das Entscheidende die 4 Klassen von Kategorien, bezeichnet als Tafel der Kategorien nach KANT Mathematisch (Anschauung)
Dynamisch (Existenz)
Quantitat
Relation
Realitat Negation Einschrankung Qualitat Einheit Vielheit Allheit
Substanz Ursache Gemeinschaft Modalitat Moglichkeit Dasein N otwendigkeit
Qualitat, Quantitat, Relation und Modalitat. Die ihnen subsumierten jeweils 3 Kategorien bezeichnen in den beiden ersten die Grenzen der jeweiligen Klasse und in der dritten den damit umgrenzten allgemeinen Begriff (K. r. V., S. 111). Wahrend die Klassen anerkannte Prinzipien geblieben sind, bestehen in der Festlegung von Kategorien verschiedene Auffassungen (z. B. N. Ii.ABTMANN 1949, 1950). Wir haben es aber im wesentlichen nur mit den 4 Klassen zu tun. KANT (K. r. V., S. 106) gibt zu der Tafel der Kategorien folgende Erlauterungen: "Dieses ist nun das Verzeichnis aller ursprunglich reinen Begriffe der Synthesis, 2*
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die der Verstand a priori in sich enthiilt, ... indem er durch sie aUein etwas bei dem Mannigfaltigen der Anschauung verstehen, d. i. ein Objekt derselben deuten kann. Diese EinteiIung ist systematisch aus einem gemeinsamen Prinzip, niimlich dem V ermogen zu urteilen (welches ebenso viel ist, als das Vermogen zu denken)". Er steUt weiter fest, "daB sich diese Tafel, welche vier Klassen von Verstandesbegriffen enthiilt, zuerst in zwei A bteil ungen zerfaUen lasse, deren erstere auf GegEnstiinde der Anschauung (der reinen sowohl als der empirischen), die zweite aber auf die Existenz dieser Gegenstiinde (entweder in Beziehung auf einander oder auf den Verstand) gerichtet sind" (K. r. V., S. 1l0).*) Es bedarf wohl keiner weiteren Begriindung, daB der Unterscheidung "mathematisch - dynamisch " die" G est a I t - Funk t ion" -Achse des em pirischen Viererschemas (Abb. 1) iiquivalent ist. Nicht anders steht es mit der Zuordnung der 4 Kategorienklassen zu den 4 biologischen Wissenschaftsgebieten: QuaIitiit ist Basis der Morphologie, Quantitiit der Taxonomie, Relation der Physiologie und ModaIitiit der Okologie. Die fundamentale Bedeutung der 4 Kategorienklassen wird von KANT sehr eindringlich betont, wenn er schreibt: "Das Schema aber zur VoUstiindigkeit eines metaphysis chen Systems, es sei der Natur iiberhaupt, oder der korperlichen Natur insbeEOndere, ist die Tafel der Kategorien. Denn mehr gibt es nicht reine Verstandesbegriffe, die die Natur der Dinge betreffen konnen. Unter die vier Klassen derselben, die der GroBe, der Qualitiit, der Relation und endlich der Modalitiit, miissen sich auch aIle Bestimmungen des allgemeinen Begriffs einer Materie iiberhaupt, mithin auch aUes was a priori von ihr gedacht, was in der mathematischen Konstruktion dargestellt oder in der Erfahrung als bestimmter Gegenstand derselben gegeben werden mag, bringen lassen. Mehr ist hier nicht zu tun, zu entdecken oder hinzuzusetzen, sondern allenfalls, wo in der Deutlichkeit oder Griindlichkeit gefehlt sein mochte, es besser zu machen" (Metaphys. Anfangsgriinde 1786, Vorrede). Was damit gesagt ist, die volle trberdeckung des iiberhaupt moglichen naturwissenschaftlichen Erkenntnisfeldes, muB natiirlich auch fUr die Landkarte prinzipieU moglicher biologischer Wissenschaftsge biete gelten: sie hat keine noch nicht entdeckten Kontinente mehr, womit nichts gesagt ist gegen die Notwendigkeit weiterer Forschung in die Breite und Tiefe. Gehen wir nun zu den kosmologischen ldeen iiber, so haben diese zum Ziel die Synthese der im Verst and entwickelten Begriffe. KANT iiuBert sich dazu: "Zuerst ist hierbei anzumerken: daB die Idee der absoluten Totalitiit nichts anders als die Exposition der Erscheinungen betreffe ... Es werden hier also Erscheinungen als gegeben betraehtet, und die Vernunft fordert die absolute Vollstiindigkeit der Bedingungen einer Moglichkeit, sofern diese eine Reihe ausmachen, mithin eine schlechthin (d. h. in aller AbE.icht) vollstiindige Synthe*) KANT wahlt fUr die erste Abteilung die Bezeichnung "mathematisch", weil die Begriffe der Qualitat und Quantitat am reinsten in den Formgebilden der Geometrie und den Zahlen der Algebra verkiirpert sind. In unserer Problemstellung wiirde man besser in bezug auf "Sein und Wandel" der Dinge von "statisch" und "dynamisch" sprechen.
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sis, wodurch die Erscheinung nach Verstandesgesetzen exponiert werden konne So nimmt die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitiit auszugehen, ob sie gleich eigentlich das Un bedingte, es sei der ganzen Reihe oder eines Teiles derselben, zur Endabsicht hat" (K. r. V., S. 443, 444). "Absolute Vollstandigkeit" bedeutet also, daB das Ziel jeder Wissenschaft ist, die Reihe der Eigenschaften und Bedingtheiten der Erschcinungen bis ins letzte zu verfolgen. DaB das Schema der kosmologischen Ideen auf die empirische Wissenschaft anwendbar sei, hat KANT in den "Grundsatzen des rein en Verstandes" zum Ausdruck gebracht. Wir geben die Tafel derselben ohne weiteren Kommcntar (K. r. V., S. 201) und wei sen nur auf die die Okologie begrundenden "Postulate" hin. Ihre Tafel der Grundsiitze des reinen Verstandes Ma thema tisch
Dynamisch
Anticipationen der Wahrnehmung
Analogiell der Erfahrung
(intensive GroBe, d. h. Grad)
(Verkniipfung der Wahrnehmungen)
Axiome der Anschauung
Postulate des empirischen Denkensuberhaupt
(extensive GroBe)
(Wirklichkeit der moglichen Verknupfungen)
Definition: "Postulate des empirischen Denkens uberhaupt (Wirklichkeit der moglichen Verknupfungen)" weist deutlich auf den Charakter der Okologie als existentiale W issenschaft hin. Damit sind wir soweit, die fUr unser Konzept entscheidende "Tafel der kosmologischen Ideen" verstehen zu konnen. Um ihren Zusammenhang mit dem empirischen Wissenschaftsschema (Abb. 1) zu zeigen, haben wir die aquivalenten Begriffe unseres Viererschemas in KlammereingefUgt (S. 22). Zu der auf die "Antic.ipationen der Wahrnehmung" zuruckgehenden kosmologischen "Idee" "die absolute Vollstandigkeit der Teilung", von KANT auch als "Totalitat der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung" bezeichnet, erlautert er (K. r. V., S. 551): "In allen Erscheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive GroBe, d. h. einen Grad" , welcher "noch immer vermindert werden kann, und zwischen Realitat und Negation ist ein kontinuierlicher Zusammenhang moglicher Realitaten und moglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine jede Farbe, z. B. die rote, hat einen Grad, der, so klein er auch sein mag, niemals del' kleinste ist, und so ist es ... uberall bewandert" (K. r. V., S. 211). In del' Biologie ist das die Wissenschaft der Morphologie, von welcher TROLL (1942) sagt: "Die Gestalt hat Realitat durch ihre Partizipation an einem Typui>,
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Tafel der 4 kosmologischen Ideen
Homogenitiit - ( Allgemein)
Mathematisch - (Gestalt)
Dynamisch - (Funktion)
Qualitiit - ( M orphologie )
Relation - (Physiologie)
Die absolute Vollstiindigkeit der Teilung
Die absolute Vollstiindigkeit der Entstehung einer Erscheinung iiberhaupt
eines gegebenen Ganzen in der Erscheinung Spezifikaliion
Quantitiit - (Taxonomie)
Modalitiit - (Okologie)
- (Bpeziell )
Die absolute Vollstiindigkeit der Zusammensetzung des gegebenen Ganzen aller Erscheinungen
Die absolute Vollstiindigkeit des Daseins des Veriinderlichen in der Erscheinung
dessen Gewahrsein einer gliicklichen Eingebung des Augenblicks iiberlassen bleibt.· e Einer so ausgerichteten Morphologie wird heute vielfach widersprochen, im Extrem mit der Meinung: Morphologie ist, was man physiologisch und genetisch noch nicht erkliiren kann. Daran ist soviel wahr, als auch eine typologische Morphologie eng verbunden ist mit den Nachbardisziplinen. Das ist aber im empirischen Viererschema eine Selbstverstiindlichkeit und kein Widerspruch zu ihrem spezifischen Charakter als Gestaltwissenschaft, was auch die Standardwerke von GOEBEL (1923-1933) und TROLL (1937 -1943) belegen. Die Taxonomie basiert aufder Idee "die absolute Vollstiindigkeit der Zusammensetzung" (K. r. V., S. 443), von KANT auch als "Totalitat der Zusammensetzung der Erscheinungen von einem Weltganzen" bezeichnet (K. r. V., S. 545). Sie geht auf die "Axiome der Anschauung" zuriick, d. h. die Quantitiit extensiver GraBen, in welchen "die Vorstellung der Teile die Vorstellung des Ganzen moglich macht" (K. r. V., S. 203), wie etwa wenn "die empirische Anschauung eines Hauses durch Apprehension des Mannigfaltigen derselben zur Wahrnehmung gemacht wird" (S. 161). Die dritte kosmologische Idee: "die absolute Vollstiindigkeit der Entstehung einer Erscheinung iiberhaupt" (K. r. V., S. 443), oder auch "Totalitiit der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen genannt" (S. 560), bezieht sich natiirlich auf die Physiologie. Grundsatz ihrer Anwendung sind die "Analogien der Erfahrung": "Erfahrung ist nur durch die Vorstellung einer notwendigen Verkniipfung der Wahrnehmungen moglich" (S. 218). "Also ist nur dadurch, daB wir die Folge der Erscheinungen, mithin alle Veriinderung, dem Gesetz der Kausalitiit unterwerfen, selbst Erfahrung, d. h. empirische Erkenntnis von denselben maglich" (S.234).
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Ais vierte kosmologische Idee nennt KANT "die absolute Vollstandigkeit der Abhangigkeit des Daseins des Veranderlichen in der Erscheinung" (K. r. V., S. 443) oder auch "die Totalitat der Abhangigkeit der Erscheinungen ihrem Dasein nach tiberhaupt" (S. 587); sie wird realisiert tiber die "Postulate des empirischen Denkens". Der Schliissel zum Verstandnis dieser Idee liegt in dem Wort "D asein", woftir KANT auch den Ausdruck "Existenz" gebraucht: "In der vorigen Nummer betrachteten wir die Veranderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamischen Reihe, da eine jede unter einer andern als ihrer Ursache steht. cTetzt dient uns diese Reihe der Zustande nur zur Leitung, um zu einem Dasein zu gelangen, das die hochste Bedingung alles Veranderlichen sein konne, namlich dem notwendigen Wesen. Es ist hier nicht um die unbedingte Kausalitat, sondern die unbedingte Existenz der Substanz selbst zu tun" (K. r. V., S. 587). Und weiter: "So kann die N otwendigkeit der Existenz niemals aus Begriffen, sondern jederzeit nur der Verkntipfung mit demjenigen, was wahrgenommen wird, nach allgemeinen Gesetzen der Erfahrung erkannt werden konnen. Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen als notwendig erkannt werden konnte, als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Kausalitat. Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Notwendigkeit erkennen konnen, und zwar aus anderen Zustanden, die in der Wahrnehmung gegeben sind nach empirischen Gesetzen der Kausalitat" (K. r. V., S. 279). Es wird also nicht nur ein kausal-physiologischer Zusammenhang gefordert, sondern dartiber hinaus die Feststellung, daB dieser von notwendiger Bedeutung flir die Existenzmoglichkeit des Objektes ist. Das ist der Inhalt der Okologie. Es ist erstaunlich, wie genau hier KANT das Wesen einer Wissenschaft definiert hat, die es zu seiner Zeit noch gar nicht gab! Was die Einteilungsprinzipien der Tafel der kosmologischen Ideen angeht, so haben wir tiber den Gegensatz "mathematisch - dynamisch und seine Aquivalenz mit derObjektachse"Gestalt-Funktion" des empirischenSchemas(Abb.1) schon gesprochen (S. 20). Erganzend zitieren wir KANT: "In der Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf mogliche Erfahrung ist der Gebrauch ihrer Synthese entweder mathematisch oder dynamisch; denn es geht teils bloB auf die Anschauung, teils auf das Dasein einer Erscheinung tiberhaupt" (K. r. V., S. 199). Aus den kosmologischen Ideen erwachst dann die groBartige Perspektive KANTS: "Wir haben zwei Ausdrticke: Welt und Natur, welche bisweilen ineinander laufen. Das erste bedeutet das mathematische Ganze aIler Erscheinungen und die Totalitat ihrer Synthesis, im GroBen sowohl als im Kleinen, d. i. sowohl in dem Fortschritt derselben durch Zusammensetzung als durch Teilung. Ebendieselbe Welt wird aber Natur genannt, sofern sie als ein dynamisches Ganzes betrachtet wird, und man nicht auf die Aggregation im Raume odeI' del' Zeit, um sie als eine GroBe zu Stande zu bring en , sondern auf die Einheit im Dasein del' Erscheinungen sieht. Da heiBt nun die Bedingung von dem, was geschieht, die Ursache" (K. 1'. V., S. 446). Dagegen entspringt die Einteilung "Homogenitat - Spezifikation" in der Tafel der kosmologischen Ideen nicht Eigenschaften und Verhalten del' Objekte,
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sondern unserer psychologischen Strategie zu einer total en Erkenntnis zu kommen. Dazu KANT: "Ich nenne alle subjektiven Grundsatze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern dem Interesse der Vernunft, in Ansehung einer gewissen moglichen V ollkommenheit der Erkenntnis dieses Objekts, hergenommen sind, Maximen der Vernunft" (K. r. V., S. 693). Dabei versteht KANT unter Homogenitat das "Prinzip der Gleichartigkeit des Mannigfaltigen unter hoheren Gattungen"*), also das Bestreben, die Natur als "Einhei t" zu sehen. Spezifikation dagegen ist der "Grundsatz der Varietat des Gleichartigen unter niederen Arten", d. h. der Blick auf die Mannigfaltigkeit der Natur. Fiir den Forscher fordert KANT die Vereilligung beider Maximen, "nachdem man, sowohl im Aufsteigen zu hoheren Gattungen als im Herabsteigen zu niederen Arten, den systematischen Zusammenhang in der Idee vollelldet hat" (S. 686). An die Praxis denkend, stellt er fest: "Auch auBert sich dieses an der sehr verschiedenen Denkungsart der Naturforscher, deren einige (die vorziiglich spekulativ sind), der Ungleichartigkeit gleichsam feind, immer auf die Einhei t der Gattung hinaussehen, die anderen (vorziiglich empirische Kopfe) die Natur unaufhorlich in soviel Mannigfaltigkeit zu spalten suchen, daB man beinahe die Hoffnung aufgeben miiBte, ihre Erscheinullgen nach allgemeinen Prinzipien zu beurteilen ... Dieser Grundsatz (der Scharfsinnigkeit) oder des Unterscheidungsvermogens schrankt den Leichtsinn des ersteren (des Witzes) sehr ein", bemerkt KANT ironisch (K. r. V., S. 682). Um diesen Abschnitt mit einer perfonlich gefarbten Bemerkung zu beschlieBen, so empfinde ich die, man kann wohl sagen nahtlose Aquivalenz meiner empirischexperiment ellen okologischen Erfahrung mit dem philosophischen Kalkiil KANTS ebenso erstaunlich wie faszinierend. Wenn es nicht iiberheblich ware, konnte man sagen, nicht nur be&tatigt die transzendentale Auffassung das viergeteilte Schema der Biologie, sondern auch umgekehrt weist dieses auf die Richtigkeit jener hin. Fiir mich jedenfalls war diese Erkenntnis der Impuls, dem Problem auf breiterer Basis weiter nachzugehen. c) Die logische Grundlage Yom Standpunkt der Logik aus hat sich vor allem OPPENHEIM (1926, 1928) um eine "Natiirliche Ordnung" vor aHem der Naturwissenschaften bemiiht. Auch er kommt zu einem unserem empirischen adaquaten Viererschema. In OPPENHEIMS Darstellung (Abb. 4) verteilen sich in einer zwischen 4 Polen ausgespannten Flache die einzelnen Wissenschaften gemaB den beiden A c h sen" k 0 n k ret (K) - a bstrakt (A)" und "typisch (T) - individuell (I) ". Die erstere entspricht, wie aus den Ausfiihrungen OPPENHEIMS hervorgeht (1926, S. 28ff.), der Achse "Gestalt - Funktion" unseres empirischen Schemas (Abb. 1) und dem Gegensatz "mathematisch - dynarnisch" bei KANT. Yom Standpunkt der Philosophie RIKERTS aus stellt KRONER (1913) der als Form erfaBbaren "Artbegrifflichkeit" die in der kausalen Beziehung erforschbare "Gesetzlichkeit" gegeniiber. Dieselbe Polaritat rneint, urn noch *) Gattung im Sinn der Logik als iibergoordneter Begriff.
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KONKRET Abb.4. Wissenschaftsschema nach
ABSTRAKT
OPPENHEIM.
K Konkretisierungs·, A Abstraktionspol. T Typisierungs·, I IndividuaJisierungspol. Punktiert sind Flachen moglicher Wissenschaftsgebiete angedeutet. Die Ziffern zeigen die Schwerpunkte der Wissenschaftsflachen von: 1 Mathematik, 2 Physik, 3 Chemie, 4 Biologie, 5 Psychologie, 6 Wirtschaftswissenschaft, 7 Rechtswissenschaft, 8 Philologie, 9 Geschichtswissenschaft, 10 Geographie, 11 Metaphysik
ein weiteres Beispiel zu nennen, TSCHULOK (1910) mit der Unterscheidung von Biotaxie und Biophysik. Die zweite, bei OPPENHEIM als "typisch - individuell" bezeichnete Achse entspricht der Polaritat "Einheit - Mannigfaltigkeit" in unserem Schema bzw. "Homogenitat - Spezifikation" bei KANT. OPPENHEIM geht in seiner Analyse noch weiter und versucht, unter Zuhilfenahme einiger weiterer Parameter, den Standort der einzelnen Wissenschaften quantitativ festzulegen. In Abb. 4 sind willkiirliche Beispiele solcher "Wissenschaftsflachen" angedeutet und die "Standorte" von neun Wissenschaften markiert. J edoch erscheint eine solche Quantifizierung zu hypothetisch, urn auf sie naher einzugehen. d) Methodologische Grundlagen Wenden wir uns nun dem methodologischen Pro blem zu, so k6nnen wir als kompetenten Beurteiler MAX HARTMANN (1947, 1949) zu Rate ziehen. Freilich, wenn dieser von einem "vierfachen Methodengefiige der Induktion" als der Grundlage jeder naturwissenschaftlichen Forschung spricht, so bezieht sich das nicht unmittelbar auf ein Viererschema unserer Art. Vielmehr solI damit zum Ausdruck gebracht werden, daB keine naturwissenschaftliche Forschung rein ind ukti v ist, wie oft behauptet wird, sondern in dauerndem Wechsel von bald "generalisierend vergleichend", bald "exakt kausal" arbeitender induktiver Analyse und deduktiver Synthese vor sich geht (Abb. 5). Diese 4 Elemente wirken stets zusammen, wenn auch in verschiedener Betonung bei den einzelnen Wissenschaften; "Induktion" solI nur deren Betonung in jedem Fall hervorheben.
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INDUKTIVE ANALYSE GENERALISI EREND (Morphologie) (vergle;chend)
(Taxonomie)
(Physiologie) (dkologie)
EXAKT ( kausal)
DEDUKTIVE SYNTHESE Abb.5. Das "vierfache Methodengefiige der Induktion" nach M. Darstellung.
HARTMANN
(1959) in schematischer
Es ist unschwer zu erkennen, daB das vierfaohe Methodengefiige nichts anderes ist als die methodologische Voraussetzung unseres Viererschemas. Dabei entspricht die Polaritat "Induktion - Deduktion" der vertikalen Achse unseres Viererschemas "Einheit - Mannigfaltigkeit". Es sind die subjektiven, in unserer Vernunft liegenden Wege zu voller Erkenntnis. Mit der Polaritat "generalisierend (vergleichend)exakt (kausal)" meint HARTMANN natiirlich die beiden yom Objekt gebotenen Erkenntnismoglichkeiten der gestaltlichen und funktionalen Forschung, also unsere horizontale Achse "Gestalt - Funktion". ZusammengefaBt ergibt sich dann aus Abb. 5 die Aquivalenz des methodologischen und empirischen Schemas. e) Psychologische Grundlagen Die Wissenschaft ist kein im leeren Raum schwebendes Phantom, sondern das menschliche Werk von Forscherpersonlichkeiten. Richtung und Art ihrer Arbeit wird bestimmt durch Impulse, die ihrer spezifischen Veranlagung entsprechen. Diese Ansicht liegt KANTS Kritik der Urteilskraft (1790) zugrunde und ist ein Grundproblem der Psychologie (JUNG 1971). Geht man ihm im einzelnen nach, so erweist es sich als komplex und verwirrend. Einerseits ist die Personlichkeit, von der die wissenschaftIiche Neigung nur ein Teil ist, das Produkt einer Vielzahl oft gegensatzlicher pEyehischer Eigenschaften, die dureh Uberkompensation bis ins Gegenteil verfalscht erscheinen konnen, und zum anderen entscheiden Umweltsbedingungen dariiber, ob und inwieweit die potentiellen Anlagen verwirklicht werden. Eindeutige Bilder wird man am ehesten bei den Pionieren neuer Wissenschaftszweige finden, deren Genialitat unbeeinfluBt von schon vorhandenem Gedankengut neue Ziele setzte und erreichte. Aus dies em Grund wahlen wir fiir unsere Analyse GOETHE, LINNE, HALES und SPRENGEL als herausragende Begriinder der 4 Teilgebiete des Viererschemas, Morphologie, Taxonomie, Physiologie und Okologie. Der psychologischen Analyse legen wir die "Psychologische Typen" von C. G. JUNG (1971) zugrunde, welche unserer Fragestellung am dienlichsten sind. Als grundsatzliche "E ins tell u n g sty pen" des menschlichen Verst andes unterscheidet
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Okologie als existentiales Problem introvertiert
EINHEIT
Morphologie
Physiologie
Schonheit des Organismus SCHAUEN Goethe, der Maler
Harmonie des Organismus Hales, der Realist
DEN KEN
Asthet ische Urteilskraft
Okologie
Teleolog ische Urtei Iskraft
Taxonomie Erhabenheit der Natur Linne, der Ordner
Harmonie der Natur Sprengel, der Existentialist
MANNIGFALTlGKEIT extravertiert
Abb.6. Viererschema der psychologischen Impulse und Veranlagungstypen von Forscherpersonlichkeiten.
JUNG "introvertiert" und "extravertiert", je nachdem Wahrnehmung und Denken auf die eigene Person konzentriert sind oder sich auch stark mit den Vorgangen in der AuBenwelt beschaftigen; CHAMBERLAIN (1908) nennt das sehr anschauHch "nach innen" und "nach auBen" gerichtet, eine Ausdrucksweise, die wir im folgenden beniitzen werden. Es ist klar, daB diesel' Polaritat in unserem Viererschema (Abb. 1) die vertikale Achse "Einheit - Mannigfaltigkeit" ada quat ist, und wir Morphologen und Physiologen als introvertiert, Taxonomen und Okologen als extravertiert zu betrachten haben. Eine zweite Polaritat sieht JUNG in den Funktionstypen "irrational" und "rational ". Dabei bedeutet irrational mehr auf die sinni.iche Wahrnehmung, auf die Gestalt eingestelltes Schauen, rational mehr auf den urteilenden Verst and gerichtetes Denken. Diese auf CHAMBERLAIN zuriickgehende, sehr anschauliche Formulierung ziehen wir der Jungschen vor, zumal da JUNG selbst die normale Variante des irrationalen Funktionstyps als "Empfindungs-", die des rationalen Funktionstyps als "Denktyp" bezeichnet. 1m empirisch -logischen Schema (Abb. 1) sind "Schauen" und "Denken" der Polaritat "Gestalt - Funktion" aquivalent. ZusammengefaBt ergibt sich also auch fUr die psychologische Grundlage ein Viererschema, das in Abb. 6 gezeichnet ist. Mit dem Personlichkeitsproblem von Naturforschern haben sich auch W. OSTWALD: "GroJ3e Manner" (1919) und K. JASPERS: "Psychologie der Weltanschauungen" (1971) beschaftigt. Bei OSTWALD ist die Polaritat, ,Introvertiert - Extravertiert" grundlegend, bei ihm als "Klassiker Romantiker" bezeichnet. Unsere zweite Achse, "Schauer - Denker", dagegen fehlt bei ihm, wohl deshalb, weil sich aIle seine Beispiele auf Physiker und Chemiker und damit auf den Denkertyp be· ziehen. K. JASPERS (1922) "Psychologie der Weltanschauungen" liegt, wie schon der Name sagt, auf einer weitlaufigeren Ebene als der des von uns betrachteten "kontemplativen" Menschen. Be· schrankt man sich auf diesen, so ergeben sich auch bei JASPERS die beiden Jungschen Polaritaten: die subjektiven Blickrichtungen auf, ,allgemeine" Einheit und "spezielle" Mannigfaltigkei t einersei ts die objektgegebenen Moglichkeiten der "asthetischen" Anschauung und des "rationalen" Denkens andererseits.
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Die Frage, wie sich aus der allgemeinen Struktur der Personlichkeit die Neigung zu einer bestimmten Forschungsrichtung entwickelt, fiihrt uns wieder zu KANT zuruck. Er behandelt das Problem in seiner "Kritik der Urteilskraft" (1790). Was er mit Urteilskraft meint, li1Bt sich etwa so erlautern: Unsere Handlungen sind mit Gefiihlen der Lust oder Unlust verbunden, welche ihren Verlauf bestimmen. Da die Handlungen die direkte Folge von Urteilen sind, ist deren in der Konstitution der Personlichkeit liegende Struktur die" Kraft" , welche die Richtung des Handelns, hier die wissenschaftlichc Neigung, bestimmt. Die Klassifikation der Urteilskraft ergibt sich aus der Tafel der 4 kosmologischen Ideen als den 4 Moglichkeiten der Erkenntnisfindung (S. 22). Danach unterscheidet KANT die beiden Gruppen der "a s the tis c hen" und der "t e leo I 0gischen Lustgefuhlc". Die asthetischen beziehen sich auf die beiden mathematischen Ideen, die in unseren Viererschemen als "Gestal t" - und "Scha uen"Pole auftreten. Die teleologischen Lustgefuhle dagegen betreffen die dynamischen Ideen, also "Funktion" und "Denken ". Man konnte auch von "formalen" und von "funktionalen Lustgefiihlen" sprechen; wir bleiben aber bei der Kantschen Ausdrucksweise "iisthetisch - teleologisch", weil sie die Eigenart der Gefiihle gut charakterisiert. Hinsichtlich "teleologisch" ist zu beachten, daB Kant eine finale ZweckmiiBigkeitsbetrachtung der Lebensvorgiinge fiir erlaubt hiilt, worauf wir spater (S. 39) niiher zu sprechen kommen werden. Zum Inhalt haben die iisthetischen Lustgefiihle entweder die "Freude" an der Qualitiit, d. h. der Schonheit der Gestalten, oder die "Bewunderung" der Quantitat, d. h. der Erhabenhei1j ihrer Mannigfaltigkeit; das sind die Impulse einerseits der Morphologie als Schauen nach Innen, andererseits der Taxonomie als Schauen nach AuBen. Hinsichtlich der teleologischen Lustgefiihle sagt KANT (K. U., Einleitung VI, S. XXXVIII): "So ist die entdeckte Vereinbarkeit zweier oder mehrerer empirischer heterogener Naturgesetze unter einem sie beide befassenden Prinzip der Grund einer sehr merklichen Lust, oft sogar einer Bewunderung, selbst einer solchen, die nicht aufhort, ob man schon mit dem Gegenstande derselben genug bekannt ist". Je nachdem dabei die Harmonie eines Organism us selbst; oder die mit seiner U m weI t steht, unterscheidet KANT das "innere" und das "auBere Lustgefuhl ". In ihnen liegen die Impulse der Denker, der Physiologen nach innen, der Okologen nach auBen. e) Forschcrpersonlichkeiten Pulsierendes Leben erhiilt das psychologische Schema, wenn wir uns jetzt der Biographie einiger Naturforscher zuwendcn, welche in der Begrundung und Entwicklung der biologischen Hauptgebiete eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auf die Schwiichen und Gefahren einEs solchen Unternehmens haben wir schon hingewiesen (S. 26): wir wagen es trotzdem in der Uberzeugung, in der groBen Linie richtig gesehen und auf wesentliche, bisher kaum beachtete Zusammenhange hingewiesen zu haben. Wir beginnen mit J. W. v. GOETHE (1749-1832) als einem der Begrunder der
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Morphologie (CHAMBERLAIN 1908; W. TROLL 1926, 1937, 1944, 1949; W. TROLL und WOLF 1950; FRIEDENTHAL 1968). GOETHE selbst charakterisiert sich ECKERMANN (1836-1848) gegeniiber: "Ich habe mich in den Naturwissenschaften ziemlich nach allen Seiten hin versucht; jedoch gingen meine Richtungen immer nur auf solche Gegenstande, die mich irdisch umgaben und die un mittel bar durch die Sinne wahrgenommen werden konnten" (ECKERMANN I, 1. II. 1827). Das ist eine der vielen Stellen, an denen er sich als "A ugenmensch", also" Empfind ungst yp" bezeichnet. In demselben Gesprach sagt er: "Der Botanik nun im einzelnen weiter nachzugehen, liegt gar nicht in meinem Wege, das iiberlasse ich anderen ... Mir lag bloB daran, die einzelnen Erscheinungen auf ein allgemeines Grundgesetz zuriickzufUhren". Damit bekennt er sich als introvertierter Empfindungstyp, als "Schauer nach innen ". DaB diese Veranlagung eines Morphologen im Gegensatz zu der eines "extravertierten Schauers", d. h. eines Taxonomen wie etwa LINNE steht, hat GOETHE klar erkannt, wenn er schreibt (1817): "Vorlaufig aber will ieh bekennen, daB nach SHAKESPEARE und SPINOZA auf mich die groBte Wirkung von LINNE ausgegangen, und zwar gerade durch den Widerstreit, zu welchem er mich aufforderte. Denn indem ich sein scharfes geistreiches Absondern, seine treffenden, zweckmaBigen, oft aber willkiirlichen Gesetze in mich aufzunehmen versuehte, ging in meinem Innern ein Zwiespalt vor: Das, was er mit Gewalt auseinander zu halten suchte, muBte, nach dem innersten Bediirfnis meines Wesens, zur Vereinigung anstreben." Seine Abneigung gegen rationale, nicht auf unmittelbaren Sinneswahrnehmungen beruhende Forschung betont er sehr stark; "weshalb ich mich denn auch nie mit Astronomie beschiiftigt habe, weiI hierbei die Sinne nicht mehr ausreichen, sondern weil man hier schon zu Instrumenten, Berechnungen und Mechanik seine Zuflucht nehmen muB, die ein eigenes Leben erfordern, und die nicht meine Sache waren" (ECKERMANN I, 1. II. 182:]). GOETHE hat deshalb auch keinerlei Verstandnis weder fUr den Physiker J. NEWTON, den er einen "Taschenspieler" n€nnt, noch fUr den Physiologen A. v. HALLER (1708-1777), den er als "Philister" verachtet. Ebensowenig hat er die Bedeutung des Bliitenokologen CHR. K. SPRENGEL begriffen, vielmehr dessen grundlegendes Buch schroff abgelehnt: "Nach meiner Meinung erklart sie ldie Sprengelsche Vorstellungsart] eigentlich nichts" (D. E. MEYER 1967).*) Als Naturforscher jedenfalls erscheint GOETHE als ausgesprochen einseitiger Morphologe mit introvertiert-asthetischer Veranlagung. Sein Impuls ist das Schone, der Impuls des biIdenden Kiinstlers. In der Tat war GOETHE auch begeisterter Zeichner und hat noch in Rom ernstlich erwogen, ob er sich nicht als Maler aus bilden soUte. Die starken Beriihrungspunkte zwischen Morphologie und bildender Kunst sind auch sonst augenfallig. So hat, um nur 2 Beispiele zu nennen, der Bildhauer und Maler MICHELANGELO (1475-1564), nachtlicherweise in die Leichenkammer *) SPRENGEL hatte 1789 sein Buch unter dem Titel "Versuch, die Konstitution der Blumen zu erklaren" vorangekiindigt, was GOETHE zu der umgehenden Publikation seiner botanischen Arbeiten unter dem nachgebildeten Titel "Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklaren" (1790) veranlaJ3te. SPRENGEL hat daraufhin den Titel seines erst 1793 erschienenen Buches in "Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen" geandert (D. E. MEYER 1967).
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eines Spitals eindringend, Leichen seziert (STONE 1961), und andererseits hat der Anatom VESALIUS (1514-1564) sein grundlegendes Werk "De humani corporis fabrica" (1543) durch einen der besten Zeichner und Holzschneider in heute noch bewunderter Weise illustrieren lassen (LINDEBOOM 1975); in neuester Zeit hat der Entwicklungsmorphologe SPEMANN in seiner Selbstbiographie (1943) bekannt: "Ein Forscher, der neben dem zergliedernden Verstand nicht wenig;;tens eine Ader vom Ktinstler besitzt, ist meiner Uberzeugung nach unfahig, dem innersten Wesen des Organismus naher zu kommen". Wenn wir im Schema der Abb. 6 von "GOETHE, der Maler" sprechen, so charakterisiert das wohl die introvertiert scha uende*) Veranlagung des Morphologen allgemein. CARL v. LINNE (1707-1778) haben wir als Typ eines Taxonomen schon im Gegensatz zu GOETHE vorgestellt. Auch sein Bild wird oft verzeichnet gesehen, wie z. B. von RADL, der ihn zwar als einen der "genialsten Schulgelehrten" anerkennt, in ihm aber im ganzen nur den "vom Staub der Gelehrsamkeit bedeckten Forscher" sieht, in dem "sich das Leben zu einem bedeutungslosen Anhang seiner Bticher gestaltete". Das geht weit an der Wirklichkeit "eines graBen Lebens aus dem Barock" vorbei, wie es sein Biograph HAGBERG (1940) schildert. Da ist z. B. das "Iter lapponicum", das erst posthum veroffentlichte Tagebuch der Forschungsreise, welche der Studiosus Linnaeus im Frtihjahr 1732 in das damals noch unerforschte wilde Land antrat. Jubelnd schreibt er am ersten Reisetag: "Nun begann das ganze Land zu lacheln und Freude zu fUhlen, nun kommt die schone :Flora und schlaft mit dem Phoebus. Omnia vere vigent et veris tempore florent et totus fervet Veneris dulcedine mundus. Die Lerche sang den ganzen Weg fUr uns, sie zitterte in der Luft. Ecce suum tirile, tirile, suum tirile tractat". Dann aber, plOtzlich in den ntichtcrnsten Ton fallend: "Die Blumen waren noch sehr sparlich, wie et,va Taraxacum, welches TOURNEFORT so tibel mit Pilosella durcheinanderbringt, wiewohl doch folia calycis reflexa differieren". Hier haben wir die beiden Grundztige seines Charakters, einmal die empfindsame Ehrfurcht vor del' Erha benheit der Natur, dann aber der streitbare Wille, in ihre Mannigfaltigkeit Ordnung zu bringen; "Deus creavit, Linnaeus disposuit"! Als ausgesprochener Schauer und Empfindungstyp hat er mit GOETHE gcmeinsam die Ablehnung des Experiments und optischer Apparate, selbst des Mikroi-lkops. Er unterscheidet sich von ihm aber durch die extravertierte Einstellung. Er sucht nicht, wie GOETHE, nach Urpflanze und Zeichnungsmotiven, sondern baut in einer fast tibermenschlichen Arbeitsleistung sein "Systema naturae" der 3 Reiche (1735), sieht tiberall in del' Natur das grandiose Schauspiel eines grausamen Kampfes ums Dasein (De curio"itate naturae 1748) und *) Entgegen der landlaufigen Ansicht von GOETHE als extravertiertem Typ weist ihn auch sein allgemeiner Lebensstil als vorwiegend introvertierten Charakter aus, was z. B. auch aus der Biographie von FRIEDENTHAL (1968) hervorgeht.
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versucht am Ende seines Lebens die Verflechtung von Gut und Bose, von Hybris und Nemesis in einer Sammlung von Geschichten menschlicher Tragodien seinem Sohn bewuBt zu machen(Nemesis divina). Seine Extravertiertheit, das" Schauen nach auBen", zeigt sich auch an der Art des Reisens. Wahrend GOETHES wenige Reisen ohne feste Dispositionen eher Ausfltichte aus unhaltbar gewordenen Lebenssituationen waren (FRIEDENTHAL 1968), sind die von LINNE sorgfaltig geplante Forschungsunternehmen. DaB er selbst nach seinen Lehrjahren in Holland und England nieht mehr tiber Schweden hinauskam, liegt in seiner Arbeitstiberlastung und dem damaligen Zeitaufwand fUr Uberseereisen begrtindet. Als Ersatz hat er aber in einem vor und lange nach ihm unerreichten Umfang seine SchUler in aIle Weltteile als Sammler von Material und Erfahrungen entsandt (eine eindrucksvolle Karte bei l\HGDEFRAU 1973, S. 55). "LINNE, der Ordner", ist wohl die beste Charakterisierung des asthetisch-extravertierten Taxonomen, dessen Impulse aus del' Bewunderung der Erha benheit der Natur entspringen: "Ich habe mehr von dem Wunderwerk des Schopfers gesehen, in welchem ich moine groBte Freude fand, als irgend ein Sterblicher, der vor mil' gelebt", schrieb er in einem Brief (HAGBERG 1940). Von den "Schauern" GOETHE und LINNE ist ein groBer Sprung zu dem Denker STEPHEN HALES (1679-1763), dem Begrtinder der Pflanzenphysiologie, sachlich, psychologisch und iiberhaupt im ganzen StiI des Lebens (CLARK-KENNEDY 1929). Schon als Student beschiiftigte sich HALES neben dem Studium der Theologie und der alten Sprachen mit physikalischen und chemischen Experimenten und der Sektion von Froschen, Hunden und Katzen und begann, aus den dabei gewonnenen Erfahrungen eine Methode zur Messung des Blutdrucks bei Tieren zu entwickeln; das Corpus Christi-College in Cambridge hatte ihm dazu einen Raum zur VerfUgung gestellt. Trotz der Erfolge diesel' Arbeit, die ihn schon 1703 zum "fellow", d. h. Mitglied des Lehrkorpers machten, zog es HALES VOl', 1709 die Pfarrei der kleinen Gemeinde Teddington in Middlesex zu iibernehmen, die er vorbildlich verwaltete, ohne dabei die experimentell-physiologische Arbeit aufzugeben, die zur exakten Messung des Blutdruckes von lebenden Pferden, Rindern, Schafen und Hunden fUhrte. Damit nicht genug, wandte er sich in auch heute noch klassischen Experimenten (SACHS 1875; STOCKER 1956; MAGDEFRAU 1973) dem pflanzlichen Wasserhaushalt zu, den er hinsichtlich Wasseraufnahme, Wasserleitung und Transpiration aufklarte (HALES 1727). Die Royal Society wahlte ihn 1718 zum Mitglied und bot ihm an, als Wissenschaftler ganz in ihre Dienste zu treten, was aber HALES ablehnte; er wollte lieber weiter um seine Pfarrgemeinde besorgt bleiben. 1733 wurde er in Oxford zum Ehrendoktor gektirt, und zwar in fUr den damaligen freien GEist in England bezeichnender Weise von der theologischen Fakultat. Del' fUr HALES charakteristische Zug einer realistischen Philantropie verstarkte sich im Alter. Er wendete seine wissenschaftlichen Erfahrungen fUr praktische Zwecke an, wie zur medizinischen Beseitigung von Blasensteinen, zur Konservierung von Trinkwasser und Fleisch auf Segelschiffen, zur Konstruktion von Windventilatoren fUr die Beltiftung von Krankenhausern, Gefangnissen und Zwischendecks von Segelschiffen. Auch beteiligte er sich maBgeblich an der Auswanderung von armen Leuten und ihrer Ansiedelung im
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damals englischen Nordamerika, woraus der heutige Staat Georgia entstanden ist (CLARK-KENNEDY 1929). DaB HALES als Forscher und Mensch ein introvertierter, realistischer Denkertyp war, ist offenkundig. Seine Arbeit zieIt auf die "Einheit" von Naturgesetzen, sein LebensstiI ist, im iibersehbaren Kreis einer kleinen Gemeinschaft Fiihrer und Betreuer zu sein. "HALES, der Realist" mag als Charakteristik stehen. 1st HALES im Sinne OSTWALDS ein "Klassiker", so der Begriinder der 6kologie, CHRISTIAN KONRAD SPRENGEL (1750-1816), ein ausgesprochener "Romantiker". Wenn CH. DARWIN (1862) von seinem Werk "Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen" anerkennend als "einem merkwiirdigen Buch mit einem merkwiirdigen Titel" sprach, so hatte er dasselbe auch von der Personlichkeit, dem Lebensstil und dem Schicksal SPRENGELS sagen konnen (H. B. [R. BILTZ] 1819; ASCHERSON 1893; KIRCHNER 1893; MITTMANN 1893; D. E. MEYER 1964). Als Sohn eines Pfarrers in Brandenburg studierte SPRENGEL wie HALES klassische Sprachen und Theologie, trat dann aber nicht in den Kirchen-, sondern in den Schuldienst an del' Schule des GroBen-Friederich-Hospitals und del' Kgl. Ecole Militaire in Berlin. Er muB sich dabei sehr bewahrt haben, da er schon mit 30 Jahren auf Berliner Empfehlung zum Rektor der GroBen Schule (Gymnasium) in Spandau gewahlt und dort nach seiner Antrittsrede ,,-ober den Nutzen der griechischen und lateinischen Sprache" "mit Beifall" aufgenommen wurde. Erst hier in Spandau wurde sein Intcresse an der Biologie geweckt durch die Bekanntschaft mit dem Spandauer Stadtarzt E. L. HElM, einem kenntnisreichen Botaniker, der damals auch den jungen ALEXANDER und WILHELM v. HUMBOLDT in Tegel Unterricht gab. HElM notiert in sein Tagebuch: "Ich habe dem Rektor SPRENGEL zu Spandau, um ihm wegen seiner hypochondrischen Launen die Spaziergange angenehm zu machen, den ersten Unterricht in der Botanik erteiIt". SPRENGEL hat sich dabei sehr rasch zu einem hervorragenden Floristen entwickelt, blieb aber bei der damals durch das Linnesche System beherrE>chten SammeItatigkeit nicht stehen, sondern sprang in genialer Intuition zu del' Fragestellung der ursachlichen Bedeutung der Mannigfaltigkeit der Bliitenformen iiber. Dazu entwickeIte er eine Methode genauer Beobachtung am natiirlichen Standort unter natiirlichen Bedingungen. Er schreibt dariiber (1793, S. 32ff.): "Wer sich also Blumen aus den Garten und vom Felde holen laBt, und sie auf seinem Studierzimmer untersucht, der wird keineswegs den Plan der Natur im Bau derselben entdecken. Man muB vielmehr die Blumen an ihrem natiirlichen Standort untersuchen, ... man muB die Natur auf der Tat zu ertappen suchen ... Man muB es sich also nicht verdrieBen lassen, lange bei einer bliihenden Pflanze sich zu verweiIen, und dergleichen Beobachtungen einer Art von Blumen ofters zu wiederholen ... Man mull die Blumen in verschiedenen Tageszeiten beobachten ... und bei verschiedener Witterung ... Besonders aber sind die Mittagsstunden, wenn die am Himmel hochstehende Sonne warm, oder wohl gar heiB scheint, diejenige Zeit, da man fleiBig Beobachtungen anstellen muB ... 1m Reich der Flora, deren Weisheit nicht mindel' bewundernswiirdig ist, als ihre Schonheit, geschehen alsdann Wunderdinge,. von welchen der Stuben-
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botaniker, welcher unterdessen sich damit beschMtigt, den Forderungen seines Magens ein Geniige zu tun, nicht einmal eine Ahnung hat." Die Erfolge dieser Begeisterung entwickeln sich in unglaublichem Tempo: 1787 und 1788 Beziehungen von Saftmalen und Nektarien, 1789 Befruchtung und Insekten, 1790 saftlose Bliiten (Orchis, Aristolochia) und Dichogamie (Protandrie), 1791 Protogynie (Euphorbia), 1792 wird das Buch fertig. In 5 Jahren ist der Bau und die Befruchtung von 461 Arten bis ins letzte untersucht und in 1117 Abbildungen festgehalten. Freilich, diese ungeheuere Leistung neb en der nicht geringen Berufsbelastung des Rektors fiihrt bei SPRENGEL zur Katastrophe. HALES hatte eine ahnlich schwierige Situation des "Doppelberufs" als kiihl denkender Realist durch eigenes MaBhalten und die Unterstiitzung durch Freunde und Beharden gemeistert. SPRENGELS ungeziigelte Forschungswut in Verbindung mit einer ungeselligen, alles schwer nehmenden Hypochondrie und einer aus kompromiBloser Wahrheitsliebe entspringenden Rechthaberei dagegen fiihrte zu endlosen, kleinlichen Streitereien mit den Beharden und Eltern der Schiiler und - noch schlimmer - zu nervas iiberreizten Ausbriichen von Jahzorn und zu hart en Priigelstrafen selbst bei nichtigen Anlassen wie Nichtwissen von Vokabcln. Die Situation spitzte sich schlieBlieh so zu, daB sie 1794 notgedrungen zur Pensionierung von SPRENGEL fiihren muBte.*) Auch nach der Pensionierung, die unter finanziell durchaus anstandigen Bedingungen erfolgte, wurde SPRENGELS ungliickliche Veranlagung schicksalbestimmend. Er hatte genug einfluBreiche Beziehungen gehabt, um ein wissenschaftliches Arbeitsfeld zu finden. Aber er resignierte, brach so gut wie allen Verkehr ab und kapselte &ich verbittert in ciner Dachstube mit seinen Biichern und Herbarien ein. Er blieb aber geistig sehr regsam, gab Privatstunden in Botanik und klassischen Sprachen und veranstaltete Sonntagsexkursionen in Berlins Umgebung, die bei Liebhabern sehr geschatzt waren. An die Offentlichkeit trat er noch mit einem kleinen Buch iiber "Die Niitzlichkeit der Bienen und die Notwendigkeit der Bienenzucht von einer neuen Seite dargestellt" (1811), das auch Erganzungen seiner Bliitenforschungen enthalt, und einer revolutionaren "Neue Kritik der klassischen ramischen Dichter" ("H. B." 1819). Das Persanlichkeitsbild von SPRENGEL ist offenbar verwirrt und verschleiert durch die auBeren Lebensumstande. 1m Kern schalt sich psychologisch aber zweierlei heraus. Einmal i;;t SPRENGEL trotz oder vielleicht gerade wegen der ungemeinen Scharfe seines Beobachtungssinnes kein irrationaler "Schauer", sondern ein *) Wohl auf SAOHS (1875) zuriickgehend, hat sich die Legende gebildet, SPRENGEL ware ein unschuldiges Opfer kirchlicher Intolera.nz und Borniertheit geworden. Die erhaltene ausfiihrliche Kirchenchronik von Spandau (MITTMANN 1893) zeigt aber, daE das nicht der Fall war, auch wenn man beriicksichtigt, daE sie den direkten Vorgesetzten SPRENGELS, den Superintendenten SOHULZE, zum Verfasser hatte. Dieser beurteilt SPRENGEL durchaus gerecht, wenn er schreibt: "So geschickt dieser Mann wirklich war, so unruhig und eigensinnig war er." Es ist auch offensichtlich, daE man SPRENGEL sowohl von Spandau wie vom Berliner Oberschulkollegium aus immer wieder goldene Briicken baute, ihn gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz nahm und ihm in seinen Wiinschen nach Entlastung von traditionellen Nebendiensten wie Privatstunden, Anwesenheit bei Begrabnissen usw. entgegen-
kam. 3
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streng rationaler "Denker". Nicht die Einnhafte Gestalt interessiert ihn, sondern die ursachliche Funktion. Darin liegt flir ihn "das entdeckte Geheimnis der Blumen", "die Nlitzlichkeit der Bienen" und die "Kritik der romischen Dichter". Nicht del' asthetische 1mpuls treibt ihn vorwarts, sondern del' teleologische, und zwar del' auBere, auf die Beziehung des Organismus zur Umwelt gerichtete. Darin kommt die extravertierte Einstellung zum Ausdruck, die auf die Mannigfaltigkeit, nicht die Einheit des Naturgeschehens geht. DaB diesel' 1mpuls im kleinen Raum del' Mark Brandenburg versandete, ist die Folge begrenzender auBerer Umstande, verstarkt durch gefahrliche Charakteranlagen. Zu ersteren gehoren die kleinen dorflichen Verhaltnisse del' Jugend, das enge Fachstudium, die Beschranktheit der finanziellen Mittel, welche del' Gewinnung universaler und weltweiter Erfahrungen entgegenstanden; zu letzteren die hypochondrische und eigenbrodlerische Veranlagung, die dem Ausbruch aus dem Ring auBerer Widerstande nicht glinstig waren. Das alles lag bei seinem "Mitschliler" A. v. HUMBOLDT ganz andel'S und verhalf diesem zur vollen Realisation seiner Personlichkeit, und ahnliches gilt z. B. auch von E. STAHL (1848 bis 1919), del' die Okologie zur breiten Wissenschaft ausbaute (KNIEP 1919; MAGDEFRAU 1973).
II. Axiome der Biologie a) Materie und Bewegung 1m ersten Teil del' Abhandlung war von del' Strategie die Rede, nach welcher unser Erkenntmsvermogen die Biologie als Wissenschaft aufbaut. Jetzt fragen wir nach den Grundsteinen des Gebaudes, nach den Axiomen. Ohne auf die heutige Problematik einzugehen (STEGMULLER 1926), behandeln wir nur die aus dem cmpirischen Viererschema erwachsenden Probleme, wobei von alters her das Problem del' ZweckmaBigkeit eine besondere Rolle gespielt hat (JESSEN 1864; SACHS 1876; LANGE 1882; FISCHER 1911; UEXKULL 1913; SCHULTZ 1920; KAFKA 1921; ANDRE 1931; SENN 1933,1934; H. MEYER 1947; ROTHSCHUH 1953, BALLAUF 1954; UNGERER 1965, 1966; RENSCH 1968; KRAFFT 1971). Eine historische Skizze del' Problementwicklung beginnt mit den Anfangen naturphilosophischen Denkens. Schon ANAXIMANDER (etwa 610-546 v. u. Z.), del' Freund von THALES von Milet (etwa 625-545 v. u. Z.) und Verfasser del' ersten, wenn auch nul' in Fragmenten liberlieferten philosophischen Schrift (DIELS I, 1906), hatte sehr bestimmte Vorstellungen. Das Chaos del' Mythen prazisierte er als das "anct(!ov", d. h. das nicht mehr ErforsGhbare, jenseits unseres Erkenntnisvermogens liegende; es ist qualitatslos, hat abel' die Potenz (bvVaflt~), sich zu qualifizieren. Das geschah, als in cinem Wirbel von Warm und Kalt die Urfeuchte entstand, die sich weiter in Erde, Wasser, Luft und die Feuerkugel des Himmels spaltete. Zwei Axiome liegen diesen Vorstellungen zugrunde: eine Materie (iJA'Y)), die in verschiedenen Gestalten konstituiert ist, und eine die Materie formende und verandernde Bewegung (x{v'Y)O't~). Auf denselben Prinzipien beruht auch ANAXIMANDERS VorsteHung des Le bens: Als del' ursprlinglich aHes bedeckende Ozean zurlickwich, sind aus del' feuchten Erde unter del' Einwirkung del' Sonnenwarme als erste Lebewesen
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Meerestiere mit stachliger HtiBe entstanden. Aus ihnen haben sich spater, unter Anpassung an die veranderten Umweltverhaltnisse, die Landtiere entwickelt. Der Mensch wurde von Haifischen geboren,*) in deren Mutterleib er eine das Leben auf dem Land ermoglichende Konstitution entwickeln konnte. ANAXIMANDER war sich aber auch erkenntniskritisch dartiber im klaren, "daB wir tiber die tatsiichliche Wirklichkeit der Dinge nichts wissen, sondern nur nach dem Vermogen unseres Verstandes tiber die auf uns einstromenden Wahrnehmungen urteilen" (DIELS I, 1906). Wir konnen das Problem von Ma terie und Bewegung a uch als das von" b e h a r r endem Sein" und "veranderndem Werden" betrachten. Urn diese Polaritat bewegte sich die weitere griechische Philosophie. Die Bedeutung des Seins, von PYTHAGORAS (etwa 580-500) fiir Formen und Tone mathematisch formuliert, erfuhr eine Ubersteigerung bei PARMENIDES (etwa 515-445), der jede Bewegung leugnete und schlechthin als Sinnestiiuschung bezeichnete. PLAT ON (428-348), der diese Denkerreihe ab8chlieBt, verneinte zwar nicht das Werden, tiberhohte aber das "wahre" Sein in den transzendenten Bereich seiner Ideenlehre. Zeitgenosse und Gegenspieler von PARMENIDES war HERAKLIT (etwa 550-480). Bei ihm stand das Werden im Vordergrund. Alles ist in Bewegung und im Kampf miteinander, der Erfolg bestimmt ein Gleichgewicht der Krafte und damit die existentiale Harmonie der Welt. EMPEDOKLES (etwa 483-430) baute diese Vorstellung namentlich auf biologischem Gebiet weiter aus; er entwickelte eine Art Selektionstheorie, bei der einzelne freie Korperteile miteinander konkurrieren: "Aus der Erde entsproBtEn viele Kinnbacken ohne RaIse, nackto Arme irrten hin und her ohne Schultern, und Augen aBein schweiften umher bar der Stirnen ... Die fielen zusammen, wie gerade die einzelnen zusammentrafen ... Da wuchsen viele hervor mit doppeltem Gesicht und doppelter Brust, KuhsproBlinge mit Menschenvorderteil, andere wieder tauchten auf als Menschengestalten mit Ochsenkopfen ... Indem sie sich so bald in Liebe vereinigten zu einer wohlgefiigten Ordnung, bald sich wieder trennten im Hail des Streites, wurden so Menschen und anderer Tiere Geschlechter" (DIELS I, 1906). Mit der Einftihrung von Hail und Liebe, die auf Gottheiten bezogen sind, brachte EMPEDOKLES ein geistiges Prinzip mit ins Spiel. Verfeinert und von mythologischen Anklangen befreit fiihrte dann ANAXAGORAS (etwa 500-428), der als erster von den Erhaltungssatzen der Materie und der Energie spraeh und deshalb als erster wissenschaftlicher Physiker bezeichnet werden kann, den vovc; als ein tiber Stoffund Kraft stehendes Ordnungsprinzip ein. DEMOKRIT (etwa 470-380) beschlieBt diese Denkrichtung rein realistisch mit seiner A tom lehre, die nur auf den Prinzipien von Materie und Bewegung aufgebaut ist. Man darfin DEMOKRIT aber nicht einen sturen Materialisten sehen; er wuilte wie PLATON genau urn die tramzendentale Beschrankung unseres Erkenntnisbereichs; in den wenigen tiberlieferten Fragmenten seiner Schriften kehrt mehrfach die Mahnung wieder: "In Wirklichkeit nehmen wir nichts Sicheres wahr, sondern nur die Veranderung des Zustromes von Wahrnehmungen in unsere Sinnesorgane" (DIELS II, 1922). *) In der Tat ist ein Teil der Haie lebend gebarend. 3·
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Zwischen der Ideenlehre PLATONS und der atomaren DEMOKRITS liegt die von ARISTOTELES (384-322), in der das gesamte Wissen seiner Zeit in einer genialen, erkenntniskritisch unterbauten Syn these zusammengefaBt ist. Er iibernahm dabei von DEMOKRIT die materiellen Prinzipien von Materie und Bewegung, iiberbaute sie aber nach dem Vorbild des Nus von ANAXAGORAS und der Ideen von PLAT ON mit einem das ma terielle Geschehen lenkenden Z w e c k m a Big k e i t - P r i n zip, das er Entelechie nannte. In dieser Weise ist, in kaum 200 Jahren, ein Gedankengebaude entstanden, des sen Axiome bis heute den Naturwissenschaften zugrunde liegen. Was in den zwischenliegenden mehr als 2000 Jahren an historischen Wandlungen geschehen ist, braucht uns hier im einzelnen nicht zu interessieren. Schlagwortartig sei nur erinnert, daB in der Zeit des naturwissenschaftlich wenig produktiven Mittelalters zunachst PLATON, spater, in der Hochscholastik bei ALBERTUS MAGNUS (etwa 1200-1280) und THOMAS AQUINAS (1225-1274), ARISTOTELES tonangebend waren (ANDRE 1931), verstandlich, da Ideen und Entelechie sich leicht in die christliche Glaubensvorstellung eines gottlichen Weltenschopfers eingliedem lieBen. Da bei finden sich a ber bei ALBERTUS MAGNUS schon die Anfange einer induktiv-empirischen Behandlung von morphologischen und physiologischen Fragen; dies trifft noch mehr zu bei GESSNER (1516-1565), welcher die Schweizer Flora (und Fauna) besonders auch in Hinsicht auf die Umweltbeziehungen erforschte (JESSEN 1864; MAGDEFRAU 1973). Der endgiiltige Ubergang zur empirischen Forschung im Umbruch zur Neuzeit wird gekennzeichnet durch die Namen VESALIUS (1515-1564), GALILEI (1564 bis 1642), HARVEY (1578-1657), DESCARTES (1596-1650). "Per inductionem et experimentum omnia. Non igitur auctoritas destituta rationibus valeat"*), verkiindete JUNGIUS (1587 -1657), der den neuen Kurs in der Botanik maBgeblich bestimmte (JESSEN 1864; SACHS 1876; MAGDEFRAU 1973). Yom erkenntniskritischen Standpunkt aus ist das "Materie-Bewegung"-Problem von KANT behandelt worden. In seinen "Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaften" (1786) definiert er: "Materie ist das Bewegliche im Raum" (l. Hauptst., Erkl. 1) und diskutiert das Problem vom Standpunkt seiner Kategorienlehre aus in ,,4 Hauptstiicken", "deren erstes die Bewegung als ein reines Quantum ... betrachtet und Phoronomie genannt werden kann, das zweite sie als zur Qualitat der Materie gehorig unter dem Namen einer urspriinglich bewegenden Kraft in Erwagung zieht und daher Dynamik heiBt, das dritte die Materie mit dieser Qualitat durch ihre eigene Bewegung gegeneinander in Relation betrachtet und unter dem Namen Mechanik vorkommt, das vierte aber ihre Bewegung oder Ruhe bIos in Beziehung auf die ... Modalitat ... bestimmt und Phanomenologie genannt wird" (M. A. N., Vorrede). KANT, der meint, "daB in jeder Naturlehre nur soviel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden konne, als darin Mathematik anzutreffen ist", und der, dem *) Alles durch Induktion und Experiment. Keine Autoritat, die bar von Vernunft ist, soll gelten.
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Wissen seiner Zeit entsprechend, sowohl in der Biologie wie auch in der Chemie nur beschreibende "Naturlehren" und keine "eigentlichen Wi~senschaften" sah, begrundete diese Einteilung nur mathematisch-physikaIisch. Wenn wir versuchen, es auf Biologie anzuwenden, so mussen wir selbst die Verantwortung fUr unsere Auslegung ubernehmen. Wir tun es, wei! dabei Hinweise fUr eine zeitgemaBe Fassung der Axiome der Biologie gewonnen werden. KANT grundet die: "Metaphysische Anfangsgrunde der Naturwissenschaften" auf die "Tafel der Kategorien", als der einzig moglichen Basis jeder Erkenntnis (M. A. N., Vorrede). Es handelt sich also urn ein Viererschema, das wir in der bisher gebrauchten Anordnung wiedergeben.
Tafel der metaphysis chen Anfangsgrunde der Naturwissenschaften Dynamik: Materie als Konstitution (Qualitat - Morphologie) Phoronomie: Materie als Vielheit (Quantitat - Taxonomie)
Mechanik: Bewegung als Relation (Kausalitat - Physiologie) Phanomenologie: Bewegung als Gleichgewicht (Existentialitat - 6kologie)
Wir erlautern dazu: Die Dynamik*), welche KANT als zur Qualitat gehorig bezeichnet, charakterisiert er so: "Die Materie erfUllt einen Raum nicht durch ihre bloBe Existenz, sondern durch eine besondere bewegende Kraft" (M. A. N., 2. H., L. 1). Das kann in unserem Fall nichts anderes bedeuten, als daB die Materie kein Chaos ist, sondern organisiert in spezifischen "Konstitutionen ". Ein solches Prinzip der Veranlagung hat schon in der altesten griechischen Philosophie als gJvatr; (Physis) eine entscheidende Rolle gespielt (BALLAUFF 1954) und ist dann durch THEOPHRAST als Gegensatz zur Entelerhie bei ARISTOTELES zum zentralen Prinzip der Morphologie geworden. Der Dynamik wird von KANT die "Phoronomie" als Prinzip der Quantitat gegenubergestellt. Er definiert: "Materie ist das Bewegliche im Raume" (1. H., E. 1). Verallgemeinern wir diese physikaIische Fassung, so bezieht sich Phoronomie auf die Vielheit der Materie im Raum, und damit wissenschaftIich auf die Taxonomie. Stand bisher der Begriff der Materie im Vordergrund, so in den beiden folgenden Prinzipien der der Bewegung. Die Mechanik definiert KANT: "Materie ist das BewegIiche, EO fern es als ein solches bewegende Kraft hat" (3. H., E. 1). Kein Zweifel
*) Dieser Begriff hat natiirlich nichts zu tun mit dem Einteilungsprinzip "MathematischDynamisch"~
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daB dies die u[vrjC1u; (Kinesis) der griechischen NaturphiIosophie ist und der Kategoric der Relation bzw. dem Wissenschaftsgebiet der Physiologie entsprioht. Fiir die Phanomenologie endlich gilt nach KANT: "Materie ist das Bewegliche, sofern es als ein solches ein Gegenstand der Erfahrung sein kann" (4. H., E.). Das ist nichts anderes als das Problem, wie aus dem Chaos von Bewegungen ein existential mogliches Sein werden kann, also das Problem der Okologie, was KANT bestatigt durch die Anmerkung: "Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalitat der Bewegung in Ansehung der Mechanik" (4. H., L. 3). Auch diese Frage hat von Anfang an das Kinesis-Denken der griechischen Naturphilosophie beschMtigt und im harmonischen Gleichgewicht der bewegenden Krafte ihre Antwort gefunden. HERAKLIT sagt in seinem Gleichnis von Leier und Bogen: "Das widereinander Strebende zusammengehend, aus dem auseinander Gehenden die schonste Harmonie" (DIELS I, 1906). In der Neuzeit ist das Gleichgewicht der Krafte (SPENCER (1864/67) zum universalen Prinzip geworden; in biologischer und speziell okologischer Hinsicht haben darauf z. B. DOTTERWEICH (1940) und PIANKA (1974) hingewiesen. Dabei trifft der Begriff der Selektion als Mittel zur Erreichung eines existential moglichen Zustandes auch fUr jedes anorganische Geschehen zu ("kosmisches Gleichgewicht", RENSCH 1968, S. 225). ZeitgemaB ausgedriickt kommen wir also zu der Formulierung: Axiome j eder Naturerkenntnis, und damit auch der biologischen, sind "konstituierte Materie" und "harmonisches Kraftegleichgewicht". Die beiden Prinzipien bilden insofern eine Einhei t, als sie einander gegenseitig voraussetzen. Diese zunachst nur logische Beziehung hat sich heute, bei der Annaherung von Physik und Chemie an die Dimensionen kleinster Teilchen, zu wissenschaftlicher Erkenntnis verdichtet, indem im mathematischen Kalkiil Materie und Energie austauschbar werden (RENSCH 1968; VON WEIZSACKER 1971; HEISENBERG 1971, 1976; FLU-GGE 1974). Da das Kalkiil aber vollig unanschaulich geworden ist, haben wir nach zweieinhalb Jahrtausenden zu ANAXIMANDERS Apeiron zuriickgefunden, zu der Grenze des noch Erforschbaren. Daran zu erinnern, ist bei dem berechtigten Stolz iiber den ungeheueren Fortschritt der Naturwissenschaften sehr wohl angebracht. Denn die Biologie steht heute in der Situation, vor welcher der Physiker HEISENBERG (1976) in seiner letzten Arbeit warnte: "Etwas iiberspitzt kann man vielleicht sagen, daB gute Physik unbewuBt durch schlechtc Philosophie verdorben worden sei." Das Kapitel sei beschlossen mit den "\Vorten, welche vor 200 Jahren KANT an den SchluB seiner "Metaphysischen Anfangsgriinde der Naturwissenschaften" setzte: "Und so ondigt sich die metaphysische Korperlehre mit dem Leeren und eben darum Unbegreiflichen, worin sie einerlei Schioksal mit allen ubrigen Versuohen der Vernunft hat, wenn sie im Zuruck· gehen zu Prinzipien den ersten Grunden der Dinge nachstrebt, da, weil es ihre Natur so mit sich bringt, niemals etwas anders, als sofern os unter gegebenen Bedingungen bestimmt ist, zu begreifen, folglich sie weder beim Bedingten stehen bleiben, noch sich das Unbedingte faBlich machen kann, ihr, wenn WiBbegierde sie auffordert, das absolute Ganze aller Bedingungen zu fassen, nichts ubrig bleibt, als von den Gegenstanden auf sich selbst zuruokzukehren, um anstatt der letzten Grenze der Dinge die letzte Grenze ihres eigenen, sich selbst uberlassenen Vermogens zu erforschen und zu bestimmen."
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b) Das Problem der ZweckmaBigkeit Der Ausgangspunkt des Problems der ZweckmaBigkeit, auch Finalitat oder Teleologie genannt, ist die von ARISTOTELES postulierte Entelechie*), eine der 4, von ihm angenommenen "Ursachen" (al-dat): Materie (fJ)''f]) , Form (eMo~), Wirkursache (uvuYU'f]) und Zweckursache (BvleA8xeta). Darin sind Materie und Form die beiden Axiome von Materie und Bewegung**), also nicht Ursachen in dem uns gelaufigen Sinn; die Wirkursache ist unsere Kausalitat, wenn auch nicht streng praktiziert, und die Zweckursache ein das kausale Geschehen freiheitlich in Richtung des ZweckmaBigen im voraus dirigierendes Prinzip. DaB es sich dabei urn ein Prinzip des Zustandekommens der ZweckmaBigkeit handelt und nicht urn die "absolute ZweckmaBigkeit" der Welt im Sinne ihrer harmonischen Existentialitat, die auch von Mechanisten wie DEMOKRIT nicht in Frage gestellt wird, dad nicht iibersehen werden (LANGE I, 1882, S. 14). Die Annahme einer Entelechie ist eine zweifellos sehr anschauliche Analogie zum menschlichen, vor allem hand werklichen Handeln und gibt damit eine unserem Denken naheliegende Erklarung fUr die Harmonie der Welt. Ihre breite Anerkennung ist deshalb psychologisch verstandlich, wenn auch von Anfang an kritische empirische Forscher wie schon des ARISTOTELES SchUler THEOPHRAST dagegen Bedenken hatten (SENN 1933). THEOPHRAST hat al& erster auf der empirischen Grundlage umfassender Beobachtungen die Bedeutung der Konstitution des Organismus fUr seine Existenzfahigkeit unter bestimmten ortlichen und geographischen Umweltbedingungen untersucht und hat damit nicht.nur die Botanik als Wissenschaft in ihren morphologischen, taxonomischen, physiologischen, okologischen und pflanzengeographischen Zweigen begriindet, sondern auch dem teleologischen Prinzi. pienpro blem eine wissenschaftliche Wendung gegeben. In der Folge hat der Streit zwischen Vi talisten, die fUr die Biologie einZweckprinzip fordern, undMecha. nisten, die das ablehnen, nicht aufgehort (z. B. DRIESCH 1909,1911, 1922, 1926; dagegen BUNNING 1944, 1945, 1959; RENSCH 1968). Erkenntniskritisch (STEGMULLER 1969) hat sich KANT in der "Kritik der Urteilskraft" (1790) eingehend mit dem Problem der ZweckmaBigkeit auseinandergesetzt. Er schreibt: "Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen als notwendig erkannt werden konnte, als das Dastin der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Kausalitat" (K. r. V., S. 279). Das ist ein klar mechanistischer Standpunkt, welcher der Zweckbetrachtung jeden konstitutiven Erkenntniswert aberkennt (dagegen z. B. DRIESCH 1911; UNGERER 1922; VAN DER KLAUUW und MEYER 1934). Ais nur heuristische Forschungsmethode dagegen halt KANT sie fUr erlaubt und niitzlich, ja bisweilen sogar notwendig: "Wie aber Zwecke, die nicht die unsrigen sind, und die *) Das Wort ist aus den unterstrichenen Buchstaben der griechischen Definition gebildet: 6
811 iavup TO
TiAo~
lxst (das in sich das Ziel hat) (DRIESOH 1909, I, S. 145) .
• *) "Form" (sUlo~) bedeutet beiARISTOTELES die Verwirklichung von in der Materie liegenden Potenzen, also das Prinzip der "Bewegung".
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auch del' Natur (welche wir nicht als intelligentes Wesen annehmen) nicht zukommen, doch eine besondere Art del' Kausalitat, wenigstens eine ganz eigne GesetzmaBigkeit derselben ausmachen konnen odeI' sollen, laBt sich a priori gar nicht mit einigem Grunde prasumieren. Was abel' noch mehr ist, so kann uns selbst die Erfahrung die Wirk. lichkeit derselben nicht beweisen; es mtiBte denn eine Verntinftelei vorhergegangen sein, die nul' den Begriff des Zwecks in die Natur del' Dinge hineinspielt, abel' ihn nicht von den Objekten und ihrer Erfahrungserkenntnis hernimmt ... Gleichwohl wird die teleologische Beurteilung, wenigstens problematisch, mit Recht zur Natur. forschung gezogen, abel' nul', um sie nach del' Analogie mit del' Kausalitat nach Zwecken unter Prinzipien del' Beobachtung und Nachforschung zu bringen, ohne sich anzumaBen sie darnach zu erklaren" (K. U. § 61). KANT unterscheidet dabei eine "innere" und "auBere ZweckmaBigkeit". Die innere bezieht sich auf den Organismus selbst, des sen Maxime ist: "Ein organi. siertes Produkt ist das, in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel ist" (K. U. § 66). Die innere ZweckmaBigkeit betrifft also die Physiologie . .AuBere ZweckmaBigkeit liegt VOl', "da ein Ding del' Natur [anorganisch odeI' or· ganisch]*) einem anderen" [Organismus]*) als Mittel zum Zwecke dient" (K. U. § 82); das meint die Okologie. KANT erlautert: "Wenn einmal Rindvieh, Schafe, Pferde usw. in del' Welt sein sollten, so muBte Gras auf Erden, abel' es muBten auch Salz· krauter in Sandwtisten wachsen, wenn Kamele gedeihen sollten" (K. U. § 63). Das kIingt heute naiv, ist abel' bei dem damaligen Stand del' Biologie - an eine Okologie dachte noch niemand - sehr anschaulich gesagt. Wir durfen bei diesel' Sachlage KANT auch nicht die Bedenken vertibeln, die er fUr die Entwicklung del' Biologie zu einer exakt-empirischen Wissenschaft hatte. Er schreibt: "Es ist namlich ganz gewiB, daB wir die organisierten Wesen und deren innere Moglichkeit nach bloB me· chanischen Prinzipien del' Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklaren konnen; und zwar so gewiB, daB man dreist sagen kann, es ist fUr Men· schen ungereimt, auch nul' einen solchen Anschlag zu fassen, odeI' zu hoffen, daB noch etwa dareinst ein NEWTON aufstehen konne, del' auch nul' die Erzeugung eines Gras· halmes nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde" (K. U. § 75). "Damit also del' Naturforscher nicht auf reinen Verlust arbeite, so mue er in Beurteilung del' Dinge, del' en Begriff als Naturzwecke unbezweifelt gegrundet ist (organisierter Wesen), immer eine ursprungliche Organisation zum Grunde legen, welche jenen Mechanismus selbst benutzt, um andere organisierte Formen hervorzubringen odeI' die seinige zu neuen Gestalten zu entwickeln" (K. U. § 80). Nul' die vergleichende Anatomie "laBt einen obgleich schwachen Strahl von Hoffnung in das Gemut fallen, daB hier wohl etwas mit dem Prinzip des Mechanismus del' Natur, ohne welches es ohnehin keine Naturwissenschaften geben kann, auszul'ichten sein mochte" (K. U. § 80). Man sollte meinen, daB die Kantsche kritische Grundlegung del' Naturwissenschaften im allgemeinen und del' biologischen Wissenschaften im besonderen den Die in Klammer gesetzten Teila sind von mir hinzugefUgte Erlauterungen.
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VitaIismus-Mechanismus-Streit hatte zur Ruhe bringen mtissen. Das war jedoch nicht del' Fall. Vielmehr wurde die saubere Trennung einer "reinen Vernunft" del' Naturerkenntnis nach kausal notwendigen Gesetzen und einer "praktischen Vernunft" des Glaubens und Handelns nach Maximen (KANT 1788) im nachkantischen "D e u t s c hen Ide a Ii s m us" als Supremat des vergotteten menschlichen Geistes ausgelegt. SCHELLING (1775-1854), del' Hauptvertreter diesel' Richtung: "Die Natur ist nul' die zu einem Sein erstarrte Intelligenz, ihre Qualitaten sind nul' die zu einem Sein erloschenen Empfindungen, die Korper ihre gleichsam abgetoteten Anschauungen". OKEN (1779-1857), welcher damals die biologische Forschung anfUhrte und 1822 die "Versammlungen deutscher Naturforscher und Ante" grtindete: "Organismus ist, was individualer Planet ist". "Der Galvanismus ist das Prinzip des Lebens. Es gibt keine andere Lebenskraft als die galvanische Polaritat" usw. Es solI abel' nicht verges sen werden, daB auch verntinftige Gedanken geauBert wurden, wie die Herausstellung des Kohlenstoffs als Grundsubstanz del' Organismen odeI' die Entstehung des Lebens aus einem Urschleim im Meere; auch hat OKEN unabhangig von GOETHE den Zwischenkieferknochen bei Saugetieren entdeckt und seine Bedeutung fUr die vergleichende Anatomie del' Wirbeltiere erkannt (OKEN 1807; PFANNENSTIEL 1949; BALLAUFF 1954). So ist es verstandlich, daB die Lehren des Deutschen Idealismus auch bei Forschern wie GOETHE, A. v. BRAUN, K. E. v. BAER, BLUMENBACH, JOH. MULLER u. a. (RADL II, 1909) Sympathien fanden. Auf die Dauer freilich setzte sich del' kritische Empirismus durch, mit SCHLEIDENS Buch "Grundztige del' wissenschaftlichen Botanik" (1842/43) als Markstein. Del' damit neu erwachte Mechanismus erhielt starken Auftrieb durch DARWINS Selektionstheorie (1859, 1868), mit welcher KANTS Bedenken gegentiber einem ktinftig moglichen "NEWTON del' Biologie" berichtigt wurden. Nicht weniger wichtig als das schier untibersteigbare Gebirge del' theoretischen Auseinandersetzungen (z. B. N. HARTMANN 1950) ist fUr die Beurteilung des Mechanismus-Vitalismus-Streites del' empirische Arbeitserfolg del' beiden Richtungen. Hierzu kann man wohl mit Recht sagen, daB die tatsachlichen Erfolge del' biologischen Forschung tiberall mit rein mechanistischen Methoden erzielt worden sind, wenn auch entscheidende Impulse und Fragestellungen von del' Vorstellung einer zweckvollen Harmonie del' Welt und des Lebens ausgegangen sein mogen (GRADMANN 1930). Auf dies em Wege sind, seit WOHLER 1828 den Harnstoff auBerhalb des Organismus synthetisierte, immer mehr biologische Prozesse einer rein mechanit-.tischen Deutung zuganglich geworden. Eine Dbersteigerung des Vitalismus ist del' "Holism us" (SMUTS 1927; MEYERABlCH 1934, 1935; dagegen z. B. BUNNING 1935; RENSCH 1968), welcher, entgegengesetzt del' uns gelaufigen Richtung, das Leben als beherrschende Schicht del' WeI t betrachtet und aus ihm das anorganische Gerchehen ableiten will (N. HARTMANN 1949, 1950). 1m extremen Beispiel ist dann del' Sprung einer Katze nicht gemaB den physikalischen Fallgesetzen zu analysieren, sondern umgekehrt sind diese als Spezialfall des biologi8chen Katzensprungs zu behandeln. 1m wesentlichen ist das eine Rtickkehr zur idealistischen Naturphilm,ophie von SCHELLING und OKEN unter
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Betonung der "Ganzheit" sowohl des Organismus in sich als auch mit seiner Umwelt. So z. B.: "Die Wirklichkeit kennt keinen Gegensatz von Organismus und Umwelt, sondern nur beide zusammen" (FRIEDERICRS 1930). Die Okologie wird verstanden als "die oberste Synthese der gesamten Naturwissenschaften zur Wissenschaft von der Natur" (FRIEDERIORS 1934, ahnlich TRIENEMANN 1956). Mit dieser Verwasserung des Inhaltes geht Hand in Hand die der Methodik, was schlieBlich zu Aussagen fiihrt wie: "tIber allem Beweis steht das Erie ben der Einheit der Natur" (FRIEDERIORS 1934). Weiter noch als dE'r Holismus geht die aus der tierischen Verhaltensforschung abgeleitete Ansicht von TRURE VON UEXKULL (GRASSI und UEXKULL 1950). Ais einziges Erkenntnisprinzip der Biologie betrachtet sie die "Kategorie der Handlung", welche besagt, "daB es auBerhalb einer Handlung weder ein Subjekt noch ein Objekt geben kann". Nur die Handlung, in der wir selbst direkt oder nachahmend mits pie len, ist erforsch bare Wirklichkeit im "Schauspiel" der N a turwissenschaften, auch der Physik und Chemie, die lediglich als Hilfswissenschaften der Biologie betrachtet werden. Das ist aber nicht die Meinung von JAKOB VON UEXKULL (1913), des Pioniers der tierischen Umweltforschung. Er vertritt eine "KANT-biologische" Auffassung und legt der subjektiven Welt des Organismus das Wirken der physikalisch-chemischen Welt zugrunde, das nicht durch ein teleologisches Prinzip gesteuert wird, sondern nach innerem Gesetz "planmaBig" ablauft. Noch scharfer lehnt L. VON BERTALANFFY (1949) den Vitalismus abo Er sieht die spezifische Aufgabe der biologischen Forschung in der "organismischen Ganzhei t" der Organism en als einem Gesichtspunkt, welcher das kausale und statistische Denken der Physik und Chemie tiberlagert und damit das Leben eine "Stufe" tiber das anorganische Geschehen stellt (N. HARTMANN 1940). Angesichts der heute sich vollziehenden Annaherung zwischen Biologie einerseits und Chemie/Physik andererseits bleibt aber die Frage offen, ob diesem Stufenunterschied prinzipielle Bedeutung zukommt. Wenn BERTALANFFY definiert (S. 123): "Stufenbau der Organisation einerseits, der Charakter als offene Systeme andererseits sind zwei grundlegende Prinzipien der lebenden Natur" , so ist damit nichts anderes ausgedrtickt als was unsere beiden Prinzipien der "Konstitution der Materie" und, als FlieBgleichgewichte der offenen Systeme, des "Gleichgewichts der Krafte" besagen. BERTALANFFY spricht denn auch von einem mit dem Fortschritt der Wisl"enschaften wohl moglichen "biologischen Mechanis m us" als einer "Synthese der beiden Wissenschaftsgebiete" (S. 151). Wenn so der Vitalismus trotz aller Vernunftgrtinde und Erfahrungen auch bei ernst zu nehmenden Forschern weiterlebt und ausufert, muB das wohl einen tiefer liegenden Grund haben. Wir sehen ihn in dem Konflikt, mit dem jede ernste "Weltanschauung" zu kampfen hat: dem mystischen Geftihl eines Einsseins mit dem All des Kosmos, des "tat twam asi", "das bist auch du", der alten indischen Philosophie auf der einen Seite, der realen Forderung, in der Vielheit einer in Gut und Bose zerspaltenen Welt zu wirken, auf der anderen. In jeder philosophischen Weltanschauung stehen so Mythos und Logos einander gegentiber (z. B. JASPERS 1922;
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SCHWEITZER 1935), und es mag begreiflicherweise schwer sein, bei diesem Dilemma im einzelnen Fall eine kompromiBlose Entscheidung zu treffen. DaB diese aber im Fall der Naturwissenschaft nur auf der Seite des Logos liegen kann, ist klar. Was hier vom Mythos filr uns bleibt, das "Staunen" des Kindes und des Forschers hat schon ARISTOTELES in den Sa tz gefaBt: "L1HI 7:0 {}avftaCSlV
or av{}ewnol ije~aV7:o qJlAoaoqJsiv"
"Mit dem Staunen begann filr die Menschen die Wissenschaft".
III. Riick- und Ausblick 1m Rtickblick auf das von uns entworfene biologische Viererschema wird man zunachst die Frage nach seiner praktischen An wend barkeit stellen. Dazu kann ich auf meinen "GrundriB der Botanik" (1952) verweisen sowie auf die in dieser Zeitschrift publizierten "Prinzipien der Flechtensymbiose" (1975). Dann haben wir uns mit einigen Ansichten auseinanderzusetzen, die zur Konzeption des Viererschemas in Widerspruch stehen. Sie betreffen in der Hauptsache die" Gestalt - Funktion "-Achse des Viererschemas, deren Polaritat in den ftir uns erkennbaren Eigenschaften des Objektes begrtindet ist. Der Streit geht um die wissenschaftliche Bewertung von Gestalt- und Funktionsforschung, also Morphologie und Physiologie. Auf die Unterbewertung des Gestaltpro blems durch Degradierung der Morphologie zur bloB en Hilfswissenschaft haben wir schon hingewiesen (S. 22). Als Gegner der typologi~ch-vergleichenden Morphologie TROLLS (1937) erklart z. B. W. ZIMMERMANN (1930, 1937) diese filr rein "subjektive" Spekulation und erkennt als "objektive" Wissenschaft nur die phylogenetische Betrachtung der Pflanzengestalt an. Das erscheint, ganz abgesehen von der logisch-methodologischen Unhaltbarkeit, schon dann als schiefer Standpunkt, wenn man an die Leistungen eines LINNE, CUVIER oder GOETHE denkt. Auf der andern Seite liegt eine fehlgehende Uberbewertung der Gestaltwissenschaft bei BLASIUS (1961, 1962, 1973) vor. Er bentitzt die Objektachse zu einer Gliederung der biologischen Wissenschaften polarisiert in: "Naturphilosophisuhe Lehre = Gestalt- oder Wesenforschung" "Naturwissenschaftliche Lehre = Ursachenforschung" Die Gestalt- oder Wesenforschung wird definiert als "Ordnung nach Urbildern" in einem "biozentrischen Denken, das zur Erkenntnis des "Allebens des Kosmos" und zur "Sinndeutung des Lebens" filhrt, wahrend die Ursachenforschung "logozentrisches Denken" ist und nur "Kenntnisse" tiber die Trennung von toter und lebender Materie in Form von "Naturgesetzen" vermittelt. Die Morphologie des Gestaltpols wird so zum "Ganzheitsdenken" des "Wesens des Lebens", wahrend die Physiologie nur "Systemdenken" ist, das durch "Zerstbrung des lebendigen Zusammenhanges" abstrakte Gesetze formuliert (BLASIUS 1965). Das ist unter Vermengung von Objekt- und Subjektachse eine holistische Ausdeutung, von der schon oben die Rede war (S. 41).
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Wir iiberschreiten jetzt die Grenzen der Biologie und fragen nach der Giiltigkeit des Viererschemas in den iibrigen Naturwissenschaften, vor allem Chemie und Physik. Es bedarf wohl keiner langen AusfUhrungen, urn die Frage zu bejahen. Man braucht nur daran zu erinnern, daB von alters her zu der iiberwiegend funktionalexperimentellen Chemie und Physik auch rein gestaltliche Gebiete wieKristallographie und Strukturlehre gehoren (TROLL und WOLF 1940). Es handelt sich also auch bei dies en sog. exakten Wis!!enschaften urn ein Viererschema, in dem nur die Schwerpunkte verlagert sind. Umgekehrt liegt der Fall bei ur&priingli
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tisch", wofiir die "Dogmatik" del' Theologie ein Beispiel ist. "Wirklich" besagt, daB es sich dabei lediglich um die Ordnung eines Tatbestandes handelt, ohne damit nach ursachlichen Zusammenhangen zu suchen. Das geschieht vielmehr beim "Erklaren", d. h. beim "kritischen" Forschen nach "geE.etzmaBigen" normativen Beziehungen. Diese& Gebiet des Erklarens wird in den Geisteswisselli~chaften alf' "Philosophie" bezeichnet; Religionsphilosophie, Rechtsphilosophie usw. (S. 23). "Del' Dogmatiker will einen konkreten Sinn interpretieren, an des sen Wahrheit er glaubt, '" die Absicht des Rechtsphilosophen usw. geht auf eine absolute und radikale Rechtfertigung" (S. 22/23). Man sieht, das "Erklaren" del' Geisteswissenschaften ist aquivalent del' Physiologie in del' Biologie. Diesel' objektiven Achse stcht auch bei ROTHACKER eine subjektive gegeniiber. Die beiden bisher besprochenen Wege des Begreifens und Erklarens gingen auf die "Einheit" del' Natur, wofiir ROTHACKER, dem ldeenbegriff PLATONS folgend, auch die Bezeichnung "Wahrheit" beniitzt. Diesel' steht die" Wirklichkeit" einer individualisierten "Mannigfaltigkeit" del' wahrnehmbaren Welt gegeniiber. Damit ist die von ROTHACKER als "generalisierend - indi vid ualisierend" bezeichnete subjektive Achse gewonnen, die wir im Viererschema aquivalent "Einheit Mannigfaltigkeit" nennen, welche Bezeichnung iibrigens auch ROTHACKER beniitzt. Mit del' subjektiven Achse treten zu den beiden bisher besprochenen "Wahrheitsgebieten" del' "Dogmatik" und del' "Kritik" die beiden "Wirklichkeitsgebiete" del' "historischen Wirklichkeit" und ihrer "Gesetze" (S. 25/26). Damit ist gemeint die saubere und vollstandige Darstellung des Sachverhaltes und del' ihn bedingenden "notwendigen" Zusammenhange, in del' Biologie also Taxonomie und Okologie. Schema del' Geisteswissenschaften (nach Anga ben bei ROTHACKER) Einheit (Wahrheit) Kritisch:
Dogmatisch: Begreifen (typologisch)
Ursachlicher Zusammenhang ( P hysiologie )
ldeale Typen ( ]}1 orphologie)
Gesetzlich:
Historisch: Darlegung von Tatbestanden ('l'axonomie)
Erklaren (ursachlich)
Ursachlicher Zusammenhang im Tatbestand ( (j kologie )
Mannigfaltigkei t (WirkIichkeit) Wenn ich nun beistehend versuche die Konzeption ROTHACKERS in einem Schema nach Art del' bisherigen zusammenzufassen, so bin ich nicht sichel', in jedem Fall ROTHACKER ganz richtig verstanden zu haben; ich mochte nur zeigen, daB es moglich
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iE.t, auch das "Chaos" der Geisteswissenschaften in einem dem unseren adaquaten Viererschema zu bandigen. ROTHACKER selbst meint dazu, daB die zweifellos vorhanden en Verschiedenheiten zwischen Natur- und Geisteswissenschaften weniger in Unterschieden der logischen und methodologischen Grundlagen liegen, als vielmehr in den unterschiedlichen Schwerpunkten, welche aus den Impulsen zweier personlichkeitsbedingter Weltanschauungen resultieren. "Der Geisteswissenschaftler will "verstehen" (und nicht nur "erklaren" oder "begreifen"), weil er sich fUr das Korrelat des Verstehens: die Berlihrung von Sache und Geist primar interessiert. Die anderen Betrachtungsweisen werden dadurch nicht grundsatzlich falsch, sondern entfallen als weltanschaulich nicht relevant" (S. 145). Und weiter: "Der Exaktheitsunterschied der Natur- und GeisteswiE.senschaften beruht ganz vornehmlich darauf, daB die Arbeit der ersteren nicht nur auf die "Tatsachen", sondern zugleich auf eine (relativ) konstant bleibende Fragestellung, d. h. genau besehen wissenschaftliche Fragestellung und weltanschauliche Interessenrichtung gegrlindet ist, wahrend die Geisteswissenschaften tief in den WiderE.treit der Interessenrichtungen verl'>trickt sind. Auf diesem Widerstreit der Interefsen beruht ihre Relativitat. Innerhalb konstanter Fragestellungen sind sie grundsatzlich der groBten Exaktheit fahig" (S. 145). Weit liber das wissenschaftliche Interesse hinausgehend ist die Beziehung des Viererschemas zu dem heute so aktuell gewordenen Existenzproblem der Menschheit. Man kann dieses vom biologischen Standpunkt aus so formulieren: Durch die Entwicklung der Technik und des medizinischen Fortschrittes wird in immer mehr beschleunigter Folge einerseit~ die Harmonie des okologischen Gleichgewichtes zerstort, und explodiert andererseits die menschliche Bevolkerungszahl der Erde. Die Selbstregulation der Natur wird dadurch immer starker beeintrachtigt, und es ist, wenn das nicht zur Katastrophe werden soIl, ein gezieltes Eingreifen des Homo sapiens unerlaBlich. Ein solcher Schritt kann nur Erfolg versprechen, wenn die wissenschaftliche Forschung die Gesamtheit der natii.rlichen Zusammenhange kennt oder wenigstens in der Lage ist, entstandene Schwierigkeiten sofort aufzuklaren. Voraussetzung dafUr aber ist, liber das ganze Feld liberhaupt moglicher Erkenntnis zu verfUgen. Flir die Erflillung dieser universalen Forderung gibt die Universalitat des Viererschemas einige Hoffnung. Was sagte KANT (vgl. S. 20P "Denn mehr gibt es nicht reine Verstandesbegriffe, die die Natur der Dinge betreffen konnen. Unter die 4 K.la.ssen derselben, die der GroJ3e, der Qualitat, der Relation und endlich der Modalitat, mussen sich auch aIle Bestimmungen des allgemeinen Begriffs einer Materie uoorhaupt, mithin auch alles, was a priori von ihr gedacht, was in der mathematischen Konstruktion dargestellt, oder in der Erfahrung als bestimmter Gegenstand derselben gegeben werden mag, bringen lassen. Mehr ist hier nicht zu tun, zu entdecken oder hinzuzusetzen, sondern allenfaUs, wo in der Deutlichkeit oder Grundlichkeit gafehlt sein mochte, es besser zu machen" (M. A. N., Vorrede).
Zusammenfassung Ein "Viererschema" dar Biologie wird entwickelt, welches Morphologie, Physiologie, Taxonomie und Okologie als die 4 grundsatzlichan Disziplinan aufzeigt. Es ist charakterisiart durch 2 polare Achsen, von denen die eine, "Gestalt-Funktion", den Gegensatz von Morphologie/Taxonomie ge-
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geniiber PhysiologiejOkologie reprasentiert, die andere, "Einheit-Mannigfaltigkeit", den von MorphologiejPhysiologie gegeniiber TaxonomiejOkologie (Abb. 1). In diesem System erscheint, in der Sprache der Existentialphilosophie HEIDEGGERS, die Okologie als Wissenschaft der "DaseinserhellWIg". Samtliche moglichen Teil-, Sammel- WId Grenzgebiet-Wissenschaften lassen sich in das Viererschema integrieren (Abb. 2). Erkenntnistheoretisch geht daS Viererschema auf das Kantsche Kategorienschema in Form der 4 kosmologischen Ideen zuriick. Es ist auch logisch begriindet (Abb. 4) WId ist aquivalent dem "vierfachen MethodengefUge der Induktion" von M. HARTMANN (Abb. 5). Psychologisch liegen der Polaritat "Gestalt-FWlktion" die C. G. Jungschen "FWIktionstypen" , d. h. EmpfindWIgs- WId Denktypus, zugrunde, der Polaritat "Einheit-Mannigfaltigkeit" die "EinstellWIgstypen", d. h. introvertiert und extravertiert (Abb. 6). Das wird an den Personlichkeiten von GOETHE, HA.LES, LINNE WId SPRENGEL demonstriert. 1m weiteren werden die Prinzipien der Biologie behandelt. Als solche gelten seit der altesten jonischen Naturphilosophie Materie und BewegWIg. Heute prazisieren wir: "Konstituierte Materie" und "harmonisches Gleichgewicht der Krafte". Ein teleologisches Prinzip hat fUr die Biologie nur heuristischen Wert. BemerkWIgen iiber die BewertWIgen der Objekt-Subjekt-Achse, den Giiltigkeitsbereich und die ZukWIftsbedeutung des Viererschemas beschlieJ3en die Arbeit.
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