Wettbewerb als Steuerungsform im Gesundheitswesen

Wettbewerb als Steuerungsform im Gesundheitswesen

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Wettbewerb als Steuerungsform im Gesundheitswesen Friedrich Breyer Beim Thema ,,Wettbewerb im Gesundheitswesen’’ scheiden sich die € Geister. Wa¨hrend Okonomen dem Wettbewerb auch in diesem Bereich eine positive Rolle zuweisen (so schon € Cassel, 1987), sind Nicht-Okonomen und vor allem Politiker ha¨ufig skeptisch bis ablehnend (so etwa Gerlinger und Negt in dieser Ausgabe). Zum einen wird ein Wert an sich darin gesehen, dass es einen Lebensbereich gibt, der der ,,kalten Logik des Marktes’’ entzogen ist. Zum anderen wird auf die strukturelle Unterlegenheit des Patienten gegenu¨ber dem Arzt verwiesen, die sich nicht als gleichberechtigte Marktpartner gegenu¨bertreten ko¨nnten, zumal wenn sich ersterer in einer lebensbedrohlichen Situation befinde. Dass die Arzt-Patient-Beziehung keine typische Marktkonstellation ist, heißt aber noch nicht, dass dem Wettbewerb als Steuerungsform im Gesundheitswesen u¨berhaupt keine sinnvolle Rolle zukommt. Zu fragen ist vielmehr, an welchen Stellen des Dreiecks zwischen Versicherten/Patienten, Leistungserbringern und Krankenversicherung Wettbewerb eine Funktion hat und ob es sich prima¨r um Preis- oder um Qualita¨tswettbewerb handeln soll. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass jeder Wettbewerb einer Ordnung bedarf. Selbst in der Beziehung zwischen Patienten und Leistungserbringern spielt der Wettbewerb unweigerlich eine wichtige Rolle, und zwar prima¨r als Qualita¨tswettbewerb: Einen als unfa¨hig erkannten Arzt wird der Patient nicht erneut aufsuchen. Auch wenn die Wartezeit zu lang oder das Personal unfreundlich ist, wird er sich nach Alternativen umsehen.

Wichtiger noch ist der Kassenwettbewerb in der GKV, bei dem die Wettbewerbsordnung (einheitlicher Leistungskatalog, Diskriminierungsverbot, Kontrahierungszwang und morbidita¨tsorientierter Risikostrukturausgleich) dafu¨r sorgt, dass zwischen den beteiligten Kassen ein intensiver Preiswettbewerb herrscht. Versicherte sind durch die gesetzlichen Vorgaben vor Qualita¨tsma¨ngeln geschu¨tzt und ko¨nnen sich darauf konzentrieren, die Kasse mit dem niedrigsten Beitrag zu finden. Der Kassenwettbewerb ist keineswegs ein Selbstzweck, sondern dient als Hebel fu¨r Wettbewerb unter den Leistungsanbietern. Um ihren Beitragssatz niedrig zu halten, beno¨tigen die Kassen allerdings Vertragsfreiheit, so dass sie versuchen ko¨nnen, Leistungen kostengu¨nstig einzukaufen (durch selektives Kontrahieren, innovative Versorgungs- und Vergu¨tungsmodelle, Abschluss von Rabattvertra¨gen, sonstiges Kostenmanagement). Einzige Einschra¨nkung durch die Wettbewerbsordnung wa¨re die Verpflichtung, eine fla¨chendeckende Versorgung ihrer Versicherten sicherzustellen. Wa¨re den Krankenkassen die Vertragsfreiheit gegeben, so wu¨rde dadurch ein Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern ausgelo¨st, durch den mo¨g¨ berkapazita¨ten aufgedeckt und liche U unwirtschaftliche Strukturen beseitigt wu¨rden. So hat Deutschland im internationalen Vergleich zu viele, zu kleine und zu wenig spezialisierte Krankenha¨user, die nicht nur teuer sind, sondern aus Mangel an Erfahrung auch eine suboptimale medizinische Qualita¨t liefern. Der Vertragswettbewerb wu¨rde diese Strukturen bereinigen, da nur noch die Krankenha¨user

Vertra¨ge erhielten, die fu¨r die Versorgung tatsa¨chlich beno¨tigt werden und eine Mindestqualita¨t erreichen. Soweit die Theorie des Wettbewerbs. Jede Theorie bedarf jedoch einer em¨ berpru¨fung: Funktionieren pirischen U die Ma¨rkte im Gesundheitswesen wirklich nach diesem Modell? Und wenn nicht, liegt das am abweichenden Verhalten der Akteure oder an Ma¨ngeln in der Wettbewerbsordnung? Der 1996 eingefu¨hrte Kassenwettbewerb hat durchaus funktioniert: Es hat erhebliche Wanderungen von Versicherten zu gu¨nstigeren Kassen gegeben (Tamm u.a. 2007). Auch nach Einrichtung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 haben die Zusatzbeitra¨ge, die ab Anfang 2010 erhoben wurden, einen intensiven Kassenwettbewerb ausgelo¨st: Die Wechselrate war 6-mal ho¨her als zuvor (Schmitz und Ziebarth, 2011), Kassen mit Zusatzbeitra¨gen (City-BKK, BKK Heilberufe) mussten schließen oder fusionieren. Kassen, die Geld ausschu¨tteten, konnten ihre Mitgliederzahl steigern. Andererseits ist die Vertragsfreiheit nach wie vor stark eingeschra¨nkt: Selektives Kontrahieren ist den Krankenkassen nur in Teilbereichen erlaubt, na¨mlich im Rahmen der Integrierten Versorgung sowie bei Hausarzt- und Facharztvertra¨gen, aber auch hier nur mit hohen Hu¨rden. Insbesondere mu¨ssen sich die Kassen mit den Kassena¨rztlichen Vereinigungen u¨ber die Bereinigung der Gesamtvergu¨tung einigen, was schwierig sein kann, wenn die Bereinigung morbidita¨tsbezogen erfolgen soll. Im stationa¨ren Bereich gilt der Kollektivvertrag nach wie vor uneingeschra¨nkt, d.h. alle in einem Bundesland agierenden Krankenkassen mu¨ssen mit allen

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(Plan-)Krankenha¨usern des Landes einen einheitlichen Versorgungs- und Vergu¨tungsvertrag schließen. Ferner sind die Vergu¨tungsformen im stationa¨ren Bereich vom Gesetzgeber bis ins Detail geregelt, so dass der Wettbewerb seine Rolle als Entdeckungsverfahren nicht spielen kann. Es findet lediglich eine Konkurrenz um Fallzahlen statt. Schließlich hat die Erho¨hung des allgemeinen Beitragssatzes im Jahr 2011 die Finanzsituation der Krankenkassen saniert und damit den Wettbewerb lahmgelegt: Nur wenige Kassen schu¨tten Geld an Versicherte aus. Alle anderen unterscheiden sich nicht im Beitrag, so dass der Preiswettbewerb ruht. Dies wiederum ist eine

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Folge der Wettbewerbsordnung der GKV, die nur o¨ffentlich-rechtliche Ko¨rperschaften ohne Gewinnmotiv zula¨sst, so dass ein Interesse an Wirtschaftlichkeit nur so lange besteht, wie sich eine Kasse in der Verlustzone befindet oder zumindest die Gefahr besteht, dass dies eintritt. Daraus la¨sst sich aber ablesen, welche Voraussetzungen der Gesetzgeber schaffen muss, damit der Wettbewerb im Gesundheitswesen seine heilsamen Wirkungen hinsichtlich Qualita¨t und Wirtschaftlichkeit entfalten kann: Zum einen du¨rfen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen nicht kostendeckend sein. Die Notwendigkeit einer Unterdeckung ist bei der Festlegung des allgemeinen

Beitragssatzes und des Bundeszuschusses zu beru¨cksichtigen. Zum anderen mu¨ssen die Kassen deutlich mehr Handlungsparameter zur Vertragsgestaltung erhalten, insbesondere im stationa¨ren Bereich. Der korrespondierende Autor erkla¨rt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Literatur siehe Literatur zum Schwerpunktthema. http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2013.09.002 Prof. Dr. Friedrich Breyer Universita¨t Konstanz FB Wirtschaftswissenschaften Fach 135 78457 Konstanz [email protected]

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Einleitung Der Wettbewerb im Gesundheitswesen ist kein Selbstzweck, sondern dient der Verbesserung der Versorgung der Versicherten. Im Rahmen der GKV sollte er in einem Preiswettbewerb zwischen Krankenkassen und einem Preis- und Qualita¨tswettbewerb der Leistungsanbieter um Vertra¨ge mit den Kassen bestehen. Der Staat muss aber die Rahmenbedingungen dafu¨r schaffen. Momentan sind diese nicht erfu¨llt, da die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu hoch und die Freira¨ume zur Vertragsgestaltung zu gering sind. Summary Competition in the health care system is not a goal of its own but shall serve the quality and efficiency of health care provision for the population. It should consist of price competition among insurers and price and quality competition among health care providers in their quest for contracts with insurers. The regulatory framework has to be defined by the legislator. Right now, these conditions are violated in Germany because the allocations from the health insurance fund are too high and freedom to contract with providers too small. Schlu¨sselwo¨rter: Preiswettbewerb = Price competition, Qualita¨tswettbewerb = Quality competition, Wettbewerbsordnung = Regulatory framework, Kassenwettbewerb = Sickness fund competition, Gesundheitsfonds = Health insurance fund

Literaturverzeichnis Cassel D. Mo¨glichkeiten und Grenzen des Wettbewerbs im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Expertise im Auftrag des Bundesministers fu¨r Arbeit und Sozialordnung, Forschungsbericht 149 zur Gesundheits-

forschung, Hrsg.: Der Bundesminister fu¨r Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1987. Schmitz H, Ziebarth NR. In Absolute or Relative Terms? How Framing Prices Affects the Consumer Price Sensitivity of Health Plan Choice, IZA Disc Paper No. 6241, Dec. 2011.

Tamm M, Tauchmann H, Wasem J, Greß S. Elasticities of market shares and social health insurance choice in Germany: A dynamic panel data approach. Health Economics 2007;16:243–56.

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