Quartärgeomorphologische untersuchungen im Nordteil der “Tunesischen dorsale”

Quartärgeomorphologische untersuchungen im Nordteil der “Tunesischen dorsale”

CATENA Vol. 7,383 405 Braunschweig 1980 QUART~RGEOMORPHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM NORDTEIL DER "TUNESISCHEN DORSALE" Gerhard Bartels & Solveig St...

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CATENA

Vol. 7,383 405

Braunschweig 1980

QUART~RGEOMORPHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM NORDTEIL DER "TUNESISCHEN DORSALE"

Gerhard Bartels & Solveig Steinmann, K61n

SUMMARY Seven Quaternary profiles from the Mediterranean region of northern Tunisia are described and their geomorphological significance assessed. Fifteen radiocarbon datings permit the field observations to be arranged in a chronosequence. The results indicate that the Late Pleistocene period witnessed the production and displacement of coarse debris, a process extending down to low altitudes. Until now, however, the only evidence for this has been found in the vicinity of steep slopes or rock walls. The coarse sediments partly overlie slope deposits derived from reddish soils; to some extent they contain fine reddish pedogenic material, and in part they are covered by it. In the Holocene, the displacement of fine alluvial sediments alternated several times with the formation of humic horizons. Anthropogenic influences on landscape evolution must be admitted as a possibility as from at least three thousand years ago. The aeolian sands of the Late Pleistocene and Middle Holocene are correlated with regressions of high sea levels. ZUSAMMENFASSUNG Aus dem mediterranen Norden Tunesiens werden sieben Quart~irprofile beschrieben und geomorphologisch ausgewertet. 15 Radiocarbondaten gestatten eine zeitliche Einordnung der Befunde. Danach kam es im Jungpleistoz~in bis in die Tieflagen hinein zur Produkffon und Verlagerung von Grobschutt. Belege dafiir fanden sich jedoch bislang nur im Bereich steiler H~inge und W~inde. Die Grobsedimente fiberlagem z.T. r6tliche Bodensedimente, teils enthalten sie r6tliches pedogenes Feinmaterial, teils werden sie davon fiberdeckt. Im Holozfin wechselten mehrfach Feinsedimentverlagerung und Humusbodenbildung einander ab. Mit anthropogenem Einflug aufdie Geomorphodynamik mug seit mindestens drei Jahrtausenden gerechnet werden. Jungpleistoz~ine bzw. mittelholoz~ine Flugsande werden mit Regressionen von MeeresspiegelhochsNnden korreliert. RESUME Sept profils quatemaires du nord de la Tunisi~ont d6crits et 6tudi6s d'un point de vue geomorphologique. Quinze examens au Carbone '" permettent de dater les 6chantillons. Selon ces donn6es, des materiaux grossiers furent transport6s au P16istoc6ne r6centjusque dans les r6gions basses. Jusqu'ici ils ne sont connus qu'aux abords de pentes abruptes ou de parois rocheuses. Ces d6bris peuvent recouvrir des s6diments rouge~tres aliment6s par des sols, comprendre des s6diments fins rouge~tre de m~rne orgine ou ~tre recouverts par ces demiers. A l'Holoc6ne alternent ~ plusieurs reprises accumulation de s6diments fins et formation

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de sols humiques. Une infuence anthropique sur la g6omorphodynamique est admise depuis trois mill~naires pour le moins. En outre, il est possible d%tablir une corr61ation entre sables 6oliens du P16istoc~ne supetieur et de l'Holocene moyen et regressions du niveau matin. 1.

EINLEITUNG

Der mediterrane Raum wurde lange Zeit als Gebiet angesehen, in das sich die mitteleuroNiische Geh61zflora w/ihrend der kaltzeitlichen Abkfihlung zurfickzog (u.a. BUDEL 1949, 1951, zuletzt WILHELMY 1974, 163). Die sfidliche Mittelmeerkfiste sollte nach diesen Vorstellungen yon immergrfinen Hartlaubgeh61zen besiedelt worden sein. Pollenanalytische Untersuchungen von BONATYI (1962), MENENDEZ AMOR & FLORSCHL)TZ (1964) sowie v.d. HAMMEN, WIJMSTRA & v.d. MOLEN (1965) 1) aus der n6rdlichen und westlichen Mediterranfiis zeigenjedoch, dab die W~ilderwenigstens dort und zumindest w/ihrend einzelner Phasen der letzten Kaltzeit sehr stark aufgelichtet wurden oder ganz verschwanden. Sollte dieses auch ffir das sfidliche Mittelmeergebiet gelten, dann mfigte man in Nordafrika mit einer st/irkeren kaltzeitlichen Hangabtragung rechnen. Ffir die nordaftikanischen Hochgebirge ist nie bezweifelt worden, dab in Lagen fiber 2000 m w~hrend der letzten Kaltzeit in periglazialem Milieu groge Schuttmengen bewegt wurden (DRESCH 1941, BUDEL 1952, MENSCHING 1953, 1955). Die Flugstufe tier niedrigeren Berg- und Hiigell/inder sollte jedoch in der Regel'durch eine ausgesprochen schwache Morphodynamik gekennzeichnet sein (vgl. B[JDEL 1949, MENSCHING 1953; s. auch die andersartigen Vorstellungen von ROHDENBURG & SABELBERG 1969). Die grol3e Verbreitung yon quart~iren Fugfl~ichen mit ihren Grobsedimenten in Zentral- und Sfidtunesien (COQUE 1962, GIESSNER 1964) zwingt jedoch zu der Annahme, dag auch in relativ geringer Meeresh6he viel grobk6miges Lockermatetial produziert und transportiert wurde. Die FuBfl/ichen liegen in H6hen zwischen 100 und 1000 m und die zugeh6rigen Gebirgsk/imme erheben sich nut im Dj. Chambi auf mehr als 1500 m. Auch in Nordtunesien mug die Hangabtragung w~ihrend der letzten Kaltzeit zeitweilig gegenfiber naturnahen holoz/inen Bedingungen verst~rkt gewesen sein. Hieraufweisen die von GUILLIEN & RONDEAU (1966) erw~ihnten Schuttmassen und die yon FREGIEN (1971) in den Tglern des Kroumirberglandes beobachteten Schotterterrassen hin. Ffir die zeitliche Einordnung dieser Sedimente fehlten jedoch bislang exakte Belege. Jfingste Arbeiten von BROSCHE & MOLLE (1975), BROSCHE, MOLLE & SCHULZ (1976), MOLLE & BROSCHE (1976), MOLLE (1979) aus Nord-, Zentral- und Sfidtunesien haben jedoch neue Beobachtungen geliefert und diese durch radiometrische Altersangaben erg/inzt. Daher erscheint es aul3erordentlich reizvoll, auf der Basis dieser Erkenntnisse, der Frage der jungquart/iren Geomorphodynamik in den Tieflagen Nordafrikas nachzugehen. Zugleich bietet sich eine M6glichkeit, die Gfiltigkeit der yon ROHDENBURG & SABELBERG (1973), ROHDENBURG (1977) und SABELBERG (1978) ffir das westliche Mittelmeergebiet entwickelte Stratigraphie in Yunesien zu fiberprfifen. In dieser Arbeit werden Grob- und Feinsedimente sowie fossile B6den aus dem Nordtell der "Tunesischen Dorsale" beschrieben und morphogenetisch ausgewertet. Ihre stratigraphischen Beziehungen zu Strandlinien und Dfinensanden und ffinfzehn 14C-Daten (Tabelle 1)2)gestatten eine Diskussion fiber das Alter der repr~sentierten Verlagerungs- und Sta1) Vgl. auch H.J. BEUG (1968). 2) Die Radiocarbondaten verdanken wir Herrn Prof. Dr. M.A. GEYI-Iund Mitarbeitem (Nieders/ichsisches Landesamt for Bodenfoschung, Hannover).

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bilit~tsphasen. Die beschriebenen Aufschlfisse befinden sich teils unterhalb yon hohen und langen Hangen mit fiber 30 ° Neigung - in diesen Fallen dominieren Grobsedimente - teils liegen sie in flacherem Relief und schneiden vorwiegend Feinsedimente an.

2. STANDORTE MIT STARKER HANGABTRAGUNG UND DOMINANZ VON GROBSEDIMENTEN 2.1.

DAS PROFIL HAMMAM LIF

Wir beginnen mit den Profilen aus Bereichen steileren Reliefs und wahlen als Ausgangspunkt den Dj. Bou Komine (s. Fig. 1). Dieser besteht in seinem Kern aus Jurakalken, die Sedimente der Kreidezeit- ebenfalls Kalksteine durchragen. Ein relativ niedriger Gipfel (223 m) auf der Nordwestseite der Gruppe ffihrt den Namen Dj. Rorouf. Am Nordful3 dieses Berges werden am westlichen Ortseingang yon H a m m a m Lifdurch einen sfidlich der StraBe Tunis - Grombalia gelegenen Schuttabbau fiber 25 m machtige Hangsedimente aufgeschlossen. 3) Die Hangsedimente sind an eine ca. 70 ° steile, etwa 45 m hohe Felswand gelagert (Fig. 2, Photo 1), die vor ihrer Bedeckung mit den quartaren Sedimenten den 30-35 ° steilen Hang des Dj. Rorouf (links auBerhalb tier Fig. 2) begrenzte. Die Basis des Aufschlusses reicht ca. 1 m unter das Niveau der Ktistenebene herab, die sich in einer Breite von ca. 1 km nach NNE erstreckt. Die Kfistenebene erreicht in der Nahe des Aufschlusses eine H6he von etwa 5 m (fiber Meeresniveau). Als alteste Schicht sind Flugsande (1) aufgeschlossen, die in ihrem unteren Teil (la) durch Kalk schwach verbacken sind. Die Verbackung erfaBt nicht das ganze Sediment, sondem konzentriert sich auf wurzelahnliche, vorwiegend senkrechte Bahnen. An der Oberkante des nicht verbackenen Teiles (lb) wurden Landschneckengehause gesammelt, die ein 14C-Alter von 24 750 _+ 535 Jahren B.P. ergaben (H.LIF 1, Hv 8953). Uber dem altesten Flugsand folgt zun~ichst ein Grobschutt (2), dessen kantige Komponenten bis 60 cm Durchmesser erreichen. Der Schutt ist fast ungeschichtet. Grobe B16cke treten vor allem am AuBenrand dieses Paketes auf(2a). Lediglich einzelne Platten (2b) sind ca. 5 m weiter fiber die Oberflache des altesten Flugsandes hangabwarts geglitten. Der Grobschutt (2) kann daher als Sturzschutt, die Ansammlung von B16cken (2a) als Sturzsortiemng gedeutet werden. Der Sturzschutt wird von einem zweiten Flugsandpaket (3) fiberdeckt, das in Form eines v611ig ungeregelten Gerfistes durchgehend zementiert ist. Bestimmte Richtungen der Kalkverlagerung und -ausfallung sind nicht zu erkennen. Da die Zementierung zwar das gesamte Sediment (3) durchsetzt, abet nicht in den altesten Flugsand hineindringt, dfirften die Schichten (1 a) und (3) in verschiedenen Phasen verkittet worden sein. Zwischen der Aufwehung des altesten Flugsandes (1) und des Sandes (3) dtirfte also mindestens ein kleiner Hiatus liegen. Der Winkel zwischen der Oberflache des verbackenen Hugsandes (3) und der Felswand wird von einem weiteren Sturzschutt (4) ausgeffillt. Uber diesem folgt ein ca. 10 m machtiges 3) M6glicherweise ist dieser Aufschlul3 mit dem von GUILLIEN & RONDEAU ( 1966, 263) in einer kurzen Bemerkung erw~ihnten identisch. Die Beschaffenheit der AufschluBwand dtirfte sich seit 1966 natfirlich ver~indert haben. Zwischen 1972 und 1977 wurde die westliche Aufschlul3wand um einige Dekameter zuriickverlegt.

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Tab. 1: RADIOCARBONDATIERUNGEN Lokalit~t

Proben-Nr.

Labor-Nr.

Material

Hv 8945 Hv 8946

14C-Modellalter (Jahre vor 1950) 3 230 + 340 340 + 145

Korba

EG 1 EG 2

Beni Khalled

B.KHAL 1 B.KHAL 2 B.KHAL 3

Hv 8947 Hv 8948 Hv 8949

6 510 + 9 785 + 5 415 +

255 95 510

Sc Sc H

Dj. Bou Komine

B.KOR 3 B.KOR2 B.KOR 1

Hv 8950 Hv 8951 Hv 8952

17 250 _+ 220 980 25 075 + 875 17 920 + 455

Sc Sc Sc

Hammam Lif

H.LIF 1 H.LIF2 H.LIF3 H.LIF4

Hv 8953 Hv 8954 Hv 8955 Hv 8956

24 4 4 27

Oued el Kebir

KEB 1 KEB 2

Dj. Ressas

D.RESS 1

HK = Holzkohle,

Sc = Molluskengeh/iuse,

750 890 940 300

HK HK

+ + + +

535 155 400 1400 12oo

Sc Sc H Sc

Hv 8957 Hv 8958

535 + 1 555 +

80 210

HK HK

Hv 8959

5 520 +

87O 785

K

H = Humins/iuren, K = Knochen

Fig. 1: Arbeitsgebiet. Lageskizze der Lokalitliten

Schuttpaket, das vor allem im oberen Teil (5a und d) deutlich geschichtet ist. Die Schichtung wird nicht n u t durch eingeschaltete Feinsedimentlagen (6 und 8) hervorgerufen, sondem auch die G r o b k o m p o n e n t e n bilden d o n n e Decken mit unterschiedlicher K6mung. In den Grobsedimentlagen sind die Steine meist in eine schluffig-feinsandige Matrix eingebettet. Die Schichtung und die wesentlich gr6gere Transportweite deuten an, dab sich der Ha-

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Fig. 2: Hammam Lif, Dj. Rorouf. Akkumulation von Grobmaterial fiber Flugsanden am Fuge eines fossilen Kliffs. (Erl~iuterung im Text).

bitus der Schuttverlagerung gegeniJber den Paketen (2) und (4) ge/indert haben mug. Im unteren Teil des Paketes diJrfte eine mehr solifluktions~ihnliche Verlagerung vorgeherrscht haben, w~ihrend im oberen Teil (5d) auch SpiJlprozesse beteiligt waren. Von der Oberkante der Feinsandlage (6) wurden Landschneckengehiiuse geborgen, die ein 14C-Alter von 27 300 + 1400 -1200 Jahren B.P. lieferten. (H.LIF 4, Hv 8956). Die eingeschalteten Feinmateriallagen unterscheiden sich vor allem in der K6mung. Die I_age (6) besteht aus einem schwach lehmigen Feinsand, w/ihrend die h6heren Feinmaterialschichten lehmig entwickelt sind und keinen Sand enthalten. Ihre kr/iftig r6tlichbraune Farbe und der h6here Tongehalt weisen aufdeutliche Bodenbildungsprozesse hin. Das lehmige Feinmaterial ist schichtig bis plattig, besitzt also uniJbersehbare Anzeichen einer Umlagerung. Es stellt ein Bodensediment dar. Der zugeh6rige r6tliche Boden konnte im Profil Hammam Lifjedoch nicht gefunden werden. Er muB dort vollst~ndig abgetragen worden sein. Verfolgt man die Feinsedimentlagen (8) senkrecht zur Ebene der Fig. 2 nach Westen und entfernt sich dabei vom Fu6 des Steilhanges, dann schlie6en sie sich zu einem m/ichtigen Paket (Schicht 3 in Fig. 3) zusammen, in dem die Lagen des Kalkschuttes allm/ihlich ausdiJnnen. Die 14C-Daten H.LIF 1 (Hv 8953) und H.LIF 4 (Hv 8956) gestatten eine Einordnung

8~rn

Photo 1: Hammam Lif, Dj. Rorouf. Fu/3 eines fossilen Kliffs (links im Bild). Kalkzementierte Flugsande, ~berlagert von m~chtigen letztkaltzeitlichen Grobsedimenten.

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Fig. 3: Hammam Lif, Dj. Rorouf. R6tliche Feinsedimente, verzahnt mit Schuttlagen;jfingere Dfinensande und fossile Humusb6den. (Erl/iuterung im Text. Westliche Fortsetzung des in Fig. 2 dargestellten Aufschlusses).

der Schichten (2), (3), (4) und (5a) in den Zeitraum yon etwa 25 000 bis 28 000 Jahren B. P. 4). Der Flugsand (3) und die Schuttpakete (2), (4) und (5a) geh6ren damit zweifelsfrei in die letzte Kaltzeit und zwar in deren jfingeren Tell. Verfestigte Flugsande, wie die Schichten (la) und (3), treten unweit der Sfidkfiste des Golfes von Tunis verbreitet auf. Sie bilden einen ehemaligen Dfinengfirtel, der sich vom Fug des Dj. Bou Kornine bis fiber Soliman hinaus zum Dj. Bou Korbous erstreckt. Die verkitteten Flugsande fiberlagem westlich Soliman marine Litoralsande, die ebenfalls verbacken sin& Die Litoralsedimente werden yon GROSSE (1969) mit einer aufder Sfidseite der Halbinsel Cap Bon auftretenden Strandlinie parallelisiert, deren Ablagerungen Strombus bubonius (LMK) enthalten. Auch dort werden die Strandsedimente Niufig von verbackenen Flugsanden fiberdeckt. Die Strandlinie liegt in H6hen yon 5-15 m fiber Meeresniveau. GROSSE bezeichnet sie als "Tyrrhenien r6cent" und deutet sie als Ergebnis eines Meeresspiegelhochstandes der Eemwarmzeit. Neue Gesichtspunkte f'tir die zeitliche Einordnung der Strandsedimente haben sich w~ihrend unserer Gel~indearbeiten nicht ergeben. Wichtig erscheint unsjedoch, dag die meist verbackenen Flugsande stets aufden Strandsedimenten abgelagert wurden. Sie wurden also erst nach dem Hochstand des Meeresspiegels in einer regressiven Phase angeweht. Vermutlich gab der sinkende Meeresspiegel ein Ausblasungsgebiet frei, das die Deflation erm6glichte. Der Kontakt zwischen den verfestigten Flugsanden und den Strandablagerungen des "Tyrrhenien r6cent" bietet auBerdem eine Erkl/irung ffir die fiber 40 m hohe Felswand, 4) Landschneckengehiiusegestatten keine sehr exakte Datierung. AufUngenauigkeiten, die von dem datierten Material abhangen, deutet auch die Altersinversion hin (vgL GEYH 1971).

2

3

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gegen die die Hangsedimente am Dj. Roroufgeschfittet wurden. Die Unterschneidung des 30-35 ° steilen Hanges, die zur Bildung der 70 ° steilen Felswand ffihrte, dfiffte auf marine Abrasion zurfickzuffihren sein. Ein Rug kann den Hangfug des Dj. Rorouf hier nicht unterschnitten haben, denn die Schwemmebene des welter westlich gelegenen Oued Miliane erstreckt sich nicht bis in diesen Bereich. Die Felswand stellt also ein begrabenes Kiiff dar. Unseres Erachtens l/igt sich jedoch nicht entscheiden, ob der Flugsand (Schicht 1 in Fig. 2) unter sp/itinterglazialen, frtihkaltzeitlichen oder mittelwfirmzeitlichen Bedingungen aufgeweht wurde. Ebensowenig kOnnen wit bestimmen, ob die letzte marine Abrasion noch w~ihrend der Eemwarmzeit oder bei einem altwfirmzeitlichen Hochstand desMeeresspiegels stattfand.

2.2.

DAS PROFIL CHALET VERT (DJ. BOU KORNINE)

Die Hangsedimente, die das Kliff bedecken, setzen eine relativ kNiftige Schuttverlagerung an den benachbarten H/ingen voraus. Folglich mfiBten dort Wanderschuttdecken auftreten. Diese Vermutung wird in dem Tal best/itigt, alas den Dj. Roroufvon dem 576 m hohen Hauptgipfel des Dj. Bou Komine trennt. Aufder Ostseite dieses Tales liegt ein Hotel (Chalet Vert), bei dem ein nicht asphaltierter Forstweg beginnt. An der B6schung dieses Weges sind bis zur ersten Serpentine auf einer Strecke von etwa einem Kilometer verbreitet Wanderschuttdecken aufgeschlossen. Teilweise liegt Kalkschutt fiber Mergeln und Schluffsteinen. Die Schuttdecke besteht also eindeutig aus ortsfremdem Material. Die Liingsachsen ihrer Grobkomponenten sind tiberwiegend in Richtung des Hanggef~illes orientiert, so dab die Schuttbewegung solifluktions~hnlich erfolgt sein mug. Gegenw/irtig sind keine nennenswerten Anzeichen einer Schuttverlagerung zu beobachten. Da die H/inge des Dj. Bou Komine erst in jfingster Zeit aufgeforstet wurden (vgl. GIESSNER 1964), ist eine anthropogene Hangabtragung zwar theoretisch m6glich. Diese Abtragung dfirfte alas Profil des naturnahen holoziinen Bodens gr6gtenteils beseitigt haben. Der Wanderschutt stammt jedoch zweifelsfrei nicht aus dem Jungholoz/in. Belege ffir ein gr6geres Alter sind: (1.) Reste eines r6tlich-braunen Bodens, die sich an einem Punkt noch erhalten haben, (2.) eine oder mehrere Kalklamellen, die den Kalkschutt durchziehen und (3.) zwei 14C-Daten. An einer Stelle wurden dem Wanderschutt Schneckengeh/iuse entnommen, und zwarje eine Probe fiber und unter einer Kalkkruste. Dabei ergab sich eine inverse Altersfolge: B.KOR 2 (Hv 8951) fiber der Kalkkruste 25 075 +980 -875 Jahre B.P. und B.KOR 1 (Hv 8952) unter der Kalkkruste 17 920 + 455 Jahre B.P. Seitlich (nach Sfiden) geht der Wanderschutt in einen Schwemmschutt fiber, der in einer Hangmulde transportiert worden sein mug und an der ersten scharfen Wegbiegung oberhalb Chalet Vert yon einer jungen Hangrunse zerschnitten wird (Photo 2). Sowohl an der Wegb6schung in der N~he dieser Runse als auch unterhalb des Forstweges ist der Schwemmschutt in einer M~ichtigkeit von 3-6 m aufgeschlossen. Der Schutt besteht tiberwiegend aus kantigem bis kantengerundetem Grobmaterial in feink6miger Matrix und weist eine undeutliche Schichtung auf(Photo 3). Auch aus diesem Schwemmschutt wurden Schneckengeh/iuse gesammelt. Sie ergaben ein 14C-Alter von 17 250 + 220 Jahren B.P. (B.KOR 3, Hv 8950). Da Schneckengeh~use h/iufig keine sehr exakten Daten liefem, m6chten wir die Altersangaben nur als ungef~ihre Datierung aufgefagt wissen. Ein holoz~nes Alter des Wanderschuttes und des Schwemmschuttes ist jedoch in jedem Falle auszuschliegen. Alle Daten sprechen hier - wie bei dem Profil Hammam L i f - ffir ein kaltzeitliches Alter des Schuttes

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Photo 2: Dj. Bou Kornine. Letztkaltzeitliche Grobsedimente kommen in Bereichen steileren Reliefs verbreitet vor. Hier Schwemmschutt, tier in einer Hangmulde transportiert und nachtriiglich durch eine Rinne (rechts im Bild) zerschnitten wurde. Photo 3: Dj. Bou Kornine. Letztkaltzeitlicher Schwemmschutt. Kantiges Grobmaterial, eingebettet in Matrix aus r6tlichem Feinsediment.

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und gestatten eine Einordnung in das jfingere Wfirm/Soltanien. Damit kann die starke Verlagerung von Grobmaterial, die schon bei d e m Profil H a m m a m Lif erschlossen wurde, in den jfingeren Teil der letzten Kaltzeit eingeordnet werden. Die Schuttverlagerung beschrinkte sich natfirlich nicht nur a u f d e n 6stlichen Hang des genannten Tales. Auch in den Steinbrfichen a m ostexponierten Gegenhang sind flichenhaft verbreitete Schuttdecken aufgeschlossen.

2.3.

DAS PROFIL PETIT RESSAS 5)

Ein weiteres Profil mit starker D o m i n a n z von Grobmaterial wurde a m F u I des Dj. Ressas aufgenommen (Fig. 4). Der A u f s c h l u l liegt unterhalb des n6rdlichen Teiles der westexponierten Felswand. Er ist fiber den Weg zu erreichen, der die kolonialzeitliche Farm mit der Erzwische verband. Die Felswand reicht bis knapp 500 m aufwirts. Sie ist 70-80 ° steil. Ihr Fu8 wird von einem tiber 12 m m i c h t i g e n Schutt bedeckt, der v611ig ungeschichtet ist. Die G r o b k o m p o n e n t e n sind ausschliellich kantig. Neben relativ groSen B16cken von fiber 1

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Dj. Ressas. Michtige Grobmaterialakkumulation am Fule einer Steilwand.

5) Der Dj. Ressas wurde u.a. von GIESSNER (1964) beschrieben.

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m Durchmesser kommen auch Steine von wenigen cm Kantenl~inge vor. Die Grobkomponenten sind in ein lehmiges, stark r6tlich gef~irbtes Feinmaterial eingebettet. Stratigraphische Leithorizonte oder Unstetigkeiten, die eine Ver~inderung der Abtragungsbedingungen anzeigen, treten in dem aufgeschlossenen Teil des Sediments nicht auf. Der Schutt ist oberfl~ichlich in einer M~ichtigkeit von mehreren dm durch Kalk zementiert. In 12 m Enfernung von dem begrabenen Ful3 der Wand wurde aus 4 m Tiefe der Knochen eines Equiden zusammen mit anderen Wlrbeltierknochen geborgen 6). Dieser Knochen lieferte ein 14C-Alter von 5 520 + 870 -785 Jahren B.P. (D.RESS 1, Hv 8959). Diese Datierung wi.irde for ein holoz~ines Alter sprechen, wenn die 14C-Alter von Knochen verl~ifSlich w~iren. Nach Auskunft von Herrn Prof. Dr. GEYH ist damit zu rechnen, dab ein Teil des Kollagens nach der Fossilierung des Knochens aus seiner Substanz gel6st wurde. Dadurch k6nnte eine wesentliche "VerjiJngung" eingetreten sein. Fi.ir ein wesentlich gr6fSeres Alter k6nnte unseres Erachtens auch die oberfl~ichliche Zementierung und die Durchsetzung mit r6tlichem Feinmaterial sprechen. Letzteres setzt die Bildung r6tlicher B6den voraus, die - soweit Belege vorliegen-jfingstenfalls im Altholoz~in vor sich gegangen sein kann (SABELBERG 1978, ROHDENBURG 1977). Gegenw~irtig sti.irzen zwar vereinzelt B16cke aus der Wand, die dann auf dem verbackenen Schutt liegen bleiben, z.T. bis in junge Kerben rollen. Im groBen und ganzen wird die Felswand augenblicklichjedoch kaum riJckverlagert. Eine Schuttverlagerung tiber die reine Sturz- und Rollbewegung hinaus ist nicht zu belegen. Als der m~ichtige Kalkschutt entstand, wurde das Grobmaterial zwar weiter ins Vorland hinaustransportiert, die Verlagerung beschr~,nkte sichjedoch im wesentlichen aufkleine T~ilchert. Aufden Ri.icken zwischen den T~ilchen dfinnt der Schutt relativ rasch aus. Die H~inge unterhalb der Nordspitze des Dj. Ressas sind sogar weitgehend frei von Schutt. Die M~ichtigkeit des Schuttes iJberrascht nicht, selbst wenn man ['dr das gesamte Paket lediglich ein jungpleistoz~ines Alter annimmt, denn die schuttliefernde Wand erreicht immerhin eine relative H6he von knapp 200 m. Sie l~il~tsich mit der gleichen Neigung, die sie subafirisch aufweist, unter den Schutt verfolgen. Ein begrabener Haldenhang ist nicht aufgeschlossen. Die Prozesse, im wesentlichen Verwitterung und Sturzbewegung, haben also lediglich den FuB einer sehr hohen Steilwand begraben.

3. 3.1.

STANDORTE MIT FEINSEDIMENTAKKUMULATION BENI KHALLED

Die StraBe Grombalia - Korba iJberquert 3,6 km vor dem Ortseingang von Beni Khalled ein zum Zeitpunkt der Gel/indearbeiten trockenes Gerinnebett, das mindestens teilweise kiJnstlich angelegt oder begradigt ist. Im Bereich des Gerinnebettes ist eine durch zwei fossile B6den untergliederte Feinsediment-Serie aufgeschlossen (Fig. 5). Bei knapp 4 m Gesamtm~ichtigkeit sind in der Schichtenfolge zwei sehr unregelm~iBig verlaufende, stellenweise das Oued querende Erosionsniveaus ausgebildet (Photo 4). Das untere der beiden StiJfchen ist knapp 1,5 m hoch und halt sich an eine 35 cm m/ichtige, feste Kalkzementation in Feinsanden. Diese Kalkzementation hat einen 20 cm m~ichti6) Die Bestimmung iJbernahm freundlicherweise Herr Dr. G. GEIGER (Veterin~.r-AnatomischesInstitut, Universitat GieBen). Es handelt sich um den Fesselbeinknochen eines mittelgroBen Equiden bzw. einen Molaren, der wahrscheinlich von einem erwachsenen Rind stammt.

394

BARTELS & STEINMANN 0

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Fig. 5: BeniKhalled. Fluviale Feinsedimente, fossile Humusbbden und pedogene Kalkanreicherung in Gerinnebett.

gen, grau-schwarzen fossilen humosen Boden vor der Abtragung geschtitzt. SeinAtrHorizont ist in lehmigem Sand entwickelt, als CCa schlieSen sich nach unten 20 cm Kalkverkittung in Sanden an. Als basale Schicht sind gelblich-weiSe fluviale Sande aufgeschlossen. Aus dem Ah-Horizont wurden Mollusken radiometrisch datiert; die Probe B.KHAL 2 (Hv 8948) ergab ein 14C-Alter yon 9 785 + 95 Jahren B.P. Drei bzw. vier Jahrtausende jtinger sind zwei 14C-Daten, B.KHAL 3 (Hv 8949) und B.KHAL 1 (Hv 8947), die beide aus einem schwarzen Humushorizont 40 cm unter der Oberkante des zweiten Erosionsniveaus stammen. Die beiden Daten sind auch aus methodischen Grtinden wichtig, da Kohlenstoff von zwei unterschiedlichen organogenen Substanzen datiert wurde. Das Probenmaterial von B.KHAL 1 sind Molluskenschalen mit einem Alter von 6 510 + 255 Jahren B.P., w/ihrend es sich bei tier Probe B.KHAL 3 um ein Humins/iurepriiparat mit einem Alter von 5 415 + 510 Jahren B.P. handelt. Nach den bisherigen Erfahrungen ist diese Altersfolge - Molluskenprobe filter als Humusprobe eines und desselben Bodens - sinnvoll und daft als Hinweis auf die Zuverl/issigkeit der Radiocarbondaten gewertet werden. Der Boden (Photo 5) ist in sandigem Lehm entwickelt und yon subpolyedrischer-krtimeliger Struktur. Im C-Horizont, einem 95 cm m/ichtigen hellgrauen Paket aus sandigem Lehm, kam es zu einer schwachen, nicht veffestigten Anreicherung yon pedogenem Kalk. Den Boden tiberlagem bis zur Oberkante der Terrasse 40 cm grau-braunes Bodensediment, alas leicht bindig ist und Schnecken enth/ilt. Als jtingste Schicht der Feinmaterial-Boden-Abfolge bei Beni Khalled wurden 120 cm sehr wahrscheinlich anthropogenes Abspiilsediment abgelagert. Es ist ein Bodensediment von lehmig-feinsandiger Textur und hellbrauner Farbe, in dem bereits im unteren Abschnitt Keramikscherben auftreten und an dessen Oberfl/iche die derzeit unter Grasvegetation ablaufende Bodenbildung dutch eine leichte grau-braune F/irbung zu erkennen ist.

QUART,g~RGEOMORPHOLOGIE "TUNESISCHE DORSALE"

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Photo 4: Beni Khalled. Erosionsstiifchen ausgebildet in holoziinen Feinsedimenten mit fossilen Humusb6den. Kalkzementation fluvialer Sande (Mittelgrund) schtitzt altholoz/inen Humusboden (Pfeil) vor Abtragung.

Photo 5: Beni Khalled. Mittelholoz/~ner Humusboden aus fluvialen Feinsedimenten, tiberlagert vonlehmig-humosemBodensediment.

396 3.2.

BARTELS & STEINMANN HAMMAM LIF (DJEBEL ROROUF)

Die oben (Kap. 2.1.) beschriebene letztkaltzeitliche Schutthalde am Dj. Roroufgeht im westlichen Teil des Aufschlusses mit zunehmender Entfemung vom fossilen Kliffmehr und mehr in reine Feinmaterialschichten fiber, die intensiv rotbraun gef'~irbt sind und einen hohen Tongehalt besitzen. Dieses r6tliche, lehmige Feinsediment ist das Substrat einer kr~iftigen humosen Bodenbildung (Fig. 3), die mit Hilfe eines Humins/iure-14C-Datums - H.LIF 3 (Hv 8955) mit einem Alter von 4 940 _+ 400 Jahren B.P. - ins mittlere Holoz~in gestellt werden kann. Es ist nach unseren Beobachtungen nicht auszuschliefSen, dal3 zwischen der Sedimentation des r6tlichen Feinmaterials und der mittelholoz~inen Bodenbildung ein zeitlicher Hiatus klafft. Die Oberkante des Sediments, an der die Bodenbildung ansetzte, kann durchaus auf sp~itere Abtragungsvorgfinge zurfickgehen. Das wfirde erkl/iren, warum an dieser Stelle prozel3geschichtliche Informationen ffir das ~iltere Holoz~in fehlen. Ebenfalls ins Mittelholoz~in geh6ren nicht kalkverkittete Flugsande, die den Humusboden fiberlagemd aufden Ful3 der Schutthalde heraufziehen. Die zeitliche Einordnung erm6glicht ein Radiocarbondatum vonder Oberkante tier ~iolischen Sedimente. Hier hat sich im Anschlul3 an die Aufwehung ein schwacher Humusboden entwickelt, in dem sich zahlreiche Mollusken fanden. Die Schneckengeh~iuse (H.LIF 2, Hv 8954) lieferten ein laC-Alter von 4 890 + 155 Jahren B.P. 7). Der mittelholoz~ine Flugsand l~il3tsich bis an einen Dfinengfirtel verfolgen, der sich an der Kfiste entlang bis zum Dj. Bou Korbous erstreckt. Die Dfinen sind in tier Regel bewachsen und kaum noch in Weiterbildung begriffen. Sie werden von GROSSE (1969) sowie von GUILLIEN & RONDEAU (1966) ins Flandrien gestellt. Sie dfirften allerdings bereits in die regressive Phase dieser eustatischen Meeresspiegelschwankung geh6ren, da nur in dieser Zeit ausreichende Ausblasungsfl~,chen zur Verffigung standen. BROSCHE, MOLLE & SCHULZ (1976, 150 ft.) berichten fiber ~iolische Aktivi~t im Zeitraum von ca. 5 000 B.P. bis 300 B.P. in der Region von Tabarka (Nordtunesien). Dabei soil es sich um mehrfache, durch Bodenbildung unterbrochene Ablagerung gehandelt haben. Auch wir konnten im Arbeitsgebiet Anzeichen ffir jfingere als mittelholoz~ine ~iolische Aktivitat beobachten (vgl. Kap. 3.3.). ROHDENBURG (1977, 226) berichtet fiber Kfistendfinen, die j finger sind als 4 800 Jahre und bringt sie mit der Regression vom Meeresspiegelhochstand des Mittel-Rharbien Marokkos in Verbindung, zudem konnte er ffir die Zeit nach dieser Regressionsphase noch mehrmals ~iolische Geomorphodynamik nachweisen. Uber den Flugsanden tritt als jfingste Schicht ein rotbraunes, lehmig-sandiges Kolluvium auf, das von kleinst~ickigem Schutt durchsetzt ist. Stellenweise ist das Sediment deutlich geschichtet - wechsellagernd Feinmaterial / Schuttlagen. Wegen seiner Farbe (Eisenfreisetzung) und des verh~iltnism~il3ig hohen Tongehaltes l~il3t sich das Feinmaterial als Bodensediment deuten. Der kleinstfickige Schutt wurde also nach einer kr~iftigen Boden7) Ein Vergleich der beiden 14C-Daten zeigt einen recht geringen Altersunterschied, auch wenn man die Mutungsintervalle berticksichtigt. Allerdings gestatten beide Daten keine auf wenige Jahrhunderte genaue zeitliche Einordnung. Denn es wurde Kohlenstoff von unterschiedlichen organischen Substanzen datiert. Dabei kann nicht genau festgestellt werden, wann die Humusbodenbildung endete und erstmals Flugsand abgelagert wurde, und es ist nicht zu erkennen, ob das Mollusken-Datum evtl. "zu alt" ausf~illt (vgl. dazu GEYH 1970, 1971). Die vorstehenden Uberlegungen bewegen sich bereits in einer zeitlichen Dimension, in der die radiometrischen Befunde aus methodischen Grfinden keine gesicherten Aussagen mehr zulassen. Davon unberi.ihrt bleibt die generelle Einordnung ins mittlere Holoz~in.

QUART.g.RGEOMORPHOLOGIE "TUNESISCHE DORSALE"

397

bildung abgetragen. Er kann z.T. bis in die N/ihe van kleinen, 1/2 - 1 m tiefen Hangrunsen verfolgt werden, in denen Sptilspuren gegenw/irtig andauemde Abtragung belegen. Da der Hang des Dj. Roroufim Bereich der kleinen Runsen seiner Vegetation bis aufeine schtittere Garigue beraubt ist, dfirfte diesejtingste Abtragung durch anthropogene Einwirkungen ausgel6st woden sein. Zu dieser Schlugfolgerung veranlassen auch Keramikfunde in den korrelaten Sedimenten.

3.3.

OUED EL KEBIR

Die dritte Lokalitfit mit junger Feinmaterialablagemng liegt am Unterlauf des Oued el Kebir kurz vat dem Ortseingang van Beni Khiar an tier Ktistenstrage van Nabeul nach Korba. Hier verzahnen sich fluviale und/iolische Sedimente (Fig. 6), die wahl dutch die N~ihe zur Ktiste zu erkl~iren sind. Auch an dieser Stelle sind dutch die Erosion eines Oued mehrere Meter m/ichtige holoz/ine Sedimente aufgeschlossen. Ungef'~ihr in der Mitte werden sie dutch eine ausgepr~igte humose Bodenbildung untergliedert. Der Ah-Horizont (220-235 cm Tiefe) ist in stark lehmigem Sand ausgebildet und hat ein krtimeliges-subpolyedrisches Gef'tige. Ebenfalls noch deutlichen Tongehalt und dazu eine leichte br~iunliche Verf~irbung zeigen die unter dem A-Horizont folgenden ca. 35 cm, beide Merkmale sprechen f'tir beginnende Bv-Horizontentwicklung. Bevor sich tier Baden bildete, wurden mindestens 2 m fluviale Sedimente abgelagert: an der Profilbasis helle Sande, dartiber (bis ca. 4,00 m) lehmiger, br/iunlicher Sand, van 4,00 m bis 2,70 m in geringer M~ichtigkeit wechseUagernde Schichten van Feinsand, Grobsand und Kies. Der fossile Ah-Horizont enthiilt Mollusken, Keramik und reichlich Holzkohle, die ein 14C-Alter van 1 555 + 210 Jahren B.P. ergab (KEB 2, Hv

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Fig. 6: Oued el Kebir. Fluviale Sedimente, Dtinensande und f0ssiler B0den in Gerinnebett.

398

BARTELS & STEINMANN

W~ihrend der untere Profilabschnitt ganz klar durch fluviale Prozesse bestimmt ist, zeigt der obere Profilabschnitt ffir den Zeitraum nach tier Bodenbildung einen stfirkeren EinfluB /iolischer Prozesse an. Als allerjfingstes Sediment lagem an der Oberfl~iche - abseits des Gerinnebettes auch geomorphologisch erkennbar 1-2 m Dtinensande. Sie sind ausgepr~igt kreuzschichtig, wie es ffir ungest6rte/iolische Sande charakteristisch ist. Ebenfalls prim/it /iolischen Ursprungs dtirften die unter den Oberfl/ichendfinen aufgeschlossenen Sande sein. Sie wurden jedoch nachtr~iglich fluvial umlagelt, denn sie sind nicht mehr kreuzschichtig, hin und wieder treten feine Steine und andererseits auch etwas lehmigere Partien auf. Ein solches lehmiges, etwas dunkleres Sandband markiert fiber etwa 20 m die Grenze zwischen den/iolischen und den sekund~r umgelagerten Sanden. Dem lehmigen Sandband wurde eine Holzkohlenprobe (KEB 1, Hv 8957) zur radiometrischen Altersbestimmung entnommen. Sie ergab 535 + 80 Jahre B.P. als Mindestalter ffir den Beginn tier subrezenten Dfinenbildung.

3.4.

STRASSENAUFSCHLUSS ZWISCHEN GROMBALIA UND CRETEVILLE

Feinsedimente sind auch im Hohlweg einer neuen Strage (vermutlich Autobahn Tunis - Kairouan) in der N/ihe des Passes zwischen Grombalia und Cr6t6ville aufgeschlossen (Fig. 7). Der Hohlweg schneidet in etwa 100 m Meeresh6he einen flachen Rficken an, der yon den Ausl/iufern des Dj. Ressas mit ca. 4-8 ° nach NNE abf~illt. Im 6stlichen Teil des Aufschlusses liegt - ca. 50 m aul3erhalb der Abbildung - ein T/ilchen, alas den angeschnittenen Rficken vom n/ichsten, 6stlich benachbarten trennt. Oberhalb der AufschluBwand schlieBt sich in sfidlicher Richtung (hangaufw~lts) Kulturland an. Die Feinsedimente bestehen fast ausschlieglich aus kalkhaltigen Feinsanden (Schichten 1, 2 und 6). Da sich ihre Herkunft fluvial nicht erkl/iren l/iBt, muB es sich um/iolisch herantransportiertes Material handeln. Lokal (Schicht 4) sind die Sande fluvial umgelagert. Sie enthalten dann etwas Grobmaterial yon Feinkiesgr6Be. Im gesamten Profil sind fluviale Prozesse jedoch nut schwach repr/isentiert. Kn6tchenf'6rmige Kalkkonkretionen in den Schichten (2), (4) und (6) deuten aufeine lebhafte Kalkumf'~illung hin. Lediglich tier basale Tell (1) der Flugsande ist frei von Konkretionen und Verkittungen. Drei B6den bzw. Bodenrelikte treten in dem Profil auf: ein stark r6tlich gef~irbtes Bodenmatefial, das nicht ganz frei yon Verlagerungsanzeichen ist (4), ein kr/iftiger Humushorizont (5) und Reste eines Bodens, der aus einem Humushorizont (7a) und einem nut schwach entwickelten dunkelbraunen B-Horizont besteht. Unter dem obersten Boden (7) folgt stets eine meist aus mehreren kamellen bestehende Kalkkruste. Unter dem humosen Boden (5) ist dagegen im gesamten Aufschlug keine gebiindelte Kalkanreicherung festzustellen. Der Boden (7) wurde soweit abgetragen, dab er nur dolt erhalten blieb, wo die bodenbildenden Prozesse tiefer in das Substrat hineingegriffen hatten. Reste des Humushorizontes (7a) sind nur noch yon Meter 100 bis 104 zu beobachten. Teilweise ist das gesamte Bodenprofil bis aufdie Kalkkruste abger~iumt. Die Oberfl/iche wird von der Schicht (8) gebildet, die sich durch einen h6heren Gehalt an Steinen und eine Beimengung yon pedogen fiberpr/igtem Material von den unterlagernden sandigen Feinsedimenten unterscheidet. AuBerdem enth/ilt sie Reste yon Keramik. Sie erweist sich dadurch als jungholoz~ines, mit groBer Wahrscheinlichkeit anthropogenes Sediment. Radiometrische Daten liegen yon diesem Profil nicht vor. Auff~illig ist jedoch, dab die

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BARTELS & STEINMANN

Abfolge tier B6den der des Profiles Hammam Lif stark ~ihnelt: zuunterst r6tliche B6den, meist umlagert, und imjfingeren Teil des Profils dunkle, humose B6den. Im Profil Hamroam Lif ergab der ~ilteste humose Boden ein 14C-Alter von 4 940 _+ 400 Jahren B.P.

3.5.

GULLY VOR KORBA

An der StraBe von Menzel bou Zelfa nach Korba sind h/iufig Spuren frischer linearer Bodenerosion zu beobachten. Verzweigte Gullysysteme haben sich in Lockersedimente eingeschnitten, bevorzugt in den Tiefenlinien eines sehr sanft muldenf6rmigen Reliefs. Der Aufbau der Lockersedimente kann in den steilen Gullyw~inden untersucht werden. Wir w~ihlen als Beispiel eine Kerbschlucht 13,5 km westlich Korba, weil sich hier durch zwei holzkohlet'tihrende AufschluBpartien die M6glichkeit zur Datierung bietet. Die Kerbschlucht ist an der untersuchten Stelle 4,50 m tief, wobei der unterste Meter in anstehende, wasserstauende Mergel eingeschnitten ist. Uber den Mergeln lagern hier 3,50 m Feinsediment (Fig. 8, Photo 6). Es ist durch einen schwachen Humusgehalt gr/iulich gef~irbt und hat eine lehmig-sandige Textur. In etwa 180 cm Tiefe unter der Oberkante ist ein schwarz gef~irbter Ah-Horizont entwickelt, aus dem Holzkohle (EG 1, Hv 8945) datiert wurde; sie ergab ein Alter yon 3 230 + 340 Jahren B.P. Eine weitere Holzkohlenprobe (EG 2, Hv 8946) wurde einem humosen, grau-braunen Bodensediment entnommen, das unmittelbar auf dem fossilen Humusboden liegt. Das Alter der Probe - 340 + 145 Jahre B.P. - fiel wesentlich jtinger aus als das der tieferen Probe. Bemerkenswert an dieser Lokalit/it ist schlieBlich, dab in der gesamten Abfolge (abgesehen von den anstehenden Mergeln) Keramikscherben zu finden sind. Mit anthropogenera EinfluB ist also bereits vor mehr als 3000 Jahren zu rechnen. Diese Tatsachen wird man bei prozeB- (und klima-)geschichtlichen SchluBfolgerungen berticksichtigen mtissen.

4.

PROZESSGESCHICHTE

Die Zahl der in dieser Arbeit ausgewerteten Aufschltisse ist nicht sehr groB. Sie konzentrieren sich jedoch auf ein relativ kleines Gebiet, so dab sie zusammen mit hier nicht beschriebenen Beobachtungen eine gewisse Repr/isentativit~it for den Nordteil der "Tunesischen Dorsale" gew~ihrleisten. Zusammenfassend lassen sich folgende prozessuale Tendenzen ableiten:

4.1.

){LTERE FLUGSANDE

Adtere Flugsande treten im Profil Hammam Lif als tiefstes Sediment auf. Sie lassen sich zudem an der Nord- und Stidktiste der Halbinsel Cap Bon, teilweise auch in ihrem Inneren feststellen. Sie besitzen mindestens ein Alter von 27 000 Jahren, denn die jtingeren Schichten (6)in Fig. 2 lieferten ein 14C-Datum von 27 300 + 1400 -1200 Jahren B.P. Sie liegen auf marinen Sedimenten des "Tyrrhenien r6cent", geh6ren damit in das spate Eem bis mittlere Wtirm. Sie k6nnten folglich einen relativ langen Zeitraum repr~isentieren. Ihre Entstehung ist jedoch an ktistennahe Standorte gebunden, so dab sie keinen Beleg For erh6hte Aridit/it liefern. Vermutlich sind sie in einer oder mehreren regressiven Phasen des Meeres angeweht worden.

QUART'ARGEOMORPHOLOGIE "TUNESISCHE DORSALE"

401

Photo 6: Gully westlich Korba. Kerbschluchten eingeschnitten in jungholoziine Feinsedimente. Pfeil: fossiler Humusboden.

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Fig. 8: Gullywestlich Korba. Fluviale Feinsedimente und fossiler Humusboden.

402

BARTELS & STEINMANN

4.2. DIE VERLAGERUNG VON GROBSCHUTTAN HOHEN STEILH~d'qGEN LIND -W~qDEN Zwischen etwa 28 000 und 17 000 Jahren B.P. wurde an bloB liegendem Fels nicht nur Grobmaterial durch mechanische Verwitterung produziert, sondem auch verlagert. Als Abtragungsprozesse kommen solifluktions~ihnliche Massenverlagerung, Sturz und Schwemmprozesse in Frage. DaB die Temperaturen w~ihrend dieses Zeitraumes gegentiber den heutigen Bedingungen niedriger waren, wird allgemein f0r das Mittelmeergebiet angenommen (s. u.a. VERGNAUD-GRAZZINI & HERMAN-ROSENBERG 1969, BROSCHE 1971). Eine Depression der Jahresmitteltemperatur um 5-10°CwiJrdejedoch allein nicht ausreichen, um die Schuttproduktion und die forcierte Abtragung zu erkl/iren. Eine Depression des Temperaturmittels von Grombalia (1901-1960: 17,7°C) 8) in dieser Gr6Benordnung wfirde gerade submediterrane bis mitteleuropfiische Verh~iltnisse ergeben, die keinesfalls eine derartige Schuttproduktion gestatten, vor allem nicht, wenn das Gestein durch Boden und Vegetation gegen den unmittelbaren atmosph~irischen EinfluB abgeschirmt ist (s. GEIGER 1961, 70 f.). M6glicherweise lagen die Minima tiefer, und die Schwankungen waren gr6ger, oder die Fr6ste traten h~iufiger auf. Vermutlich wurde die Wirksamkeit der Lufttemperaturen dadurch erh6ht, dab die Vegetation sehr stark aufgelichtet war. Die fl~ichenhaften jungpleistoz~inen Verlagerungsprozesse sind jedenfalls weder bei der gegenw~irtigen natumahen Vegetation noch unter temperiert-humiden Laubw~ildern vorstellbar. Unterhalb steiler Felsw~inde (Dj. Ressas) wurden natiJrlich sehr groBe Schuttmengen akkumuliert 9). Auf niedrigen Kuppen beispielsweise am NE-FuI3 des Dj. Bou Komine konnte dagegen aller Schutt abger~iumt werden, der von der mechanischen Verwitterung bereitgestellt wurde, so daB der feste Fels vielfach die Oberfl~iche bildet.

4.3.

DIE BILDUNG ROTLICHER BI3DEN

R6tliches Bodenmaterial taucht h~iufiger in jungpleistoz~inen Profilabschnitten der n6rdlichen "Dorsale" auf. Relativ eng 1/il3t sich die Bildung r6tlicher B6den im Profil Hammam Lif eingrenzen (Fig. 2 und 3). Die r6tlichen Bodensedimente im westlichen Teil der AufschluBwand wurden von einem dunklen humosen Boden (Horizont 4 in Fig. 3) fiberdeckt, der ein 14C-Alter von 4 940 + 400 Jahren B.P. lieferte. Zu diesem Zeitpunkt war die Bildung r6tlicher B6den am Dj. Rorouf ganz sicher abgeschlossen. Stellt man auBerdem in Rechnung, dab das r6tliche Bodensediment (3 in Fig. 3) durch die Abtragung und Umlagerung eines r6tlichen Bodens entstanden ist, dann f~illtauch das Mittlere Holoz~in als Bildungszeitraum de facto aus. Da sich das r6tliche Bodensediment in seinem unteren Teil mit demjungpleistoz~inen Schutt (1 in Fig. 3) verzahnt, muB die Bildung der r6tlichen B6den bereits im Jungpleistoz~in begonnen haben. Auch die Feinsandlage (6 in Fig. 2) ist stark r6tlich geRirbt, so dab pedogene Prozesse mit/ihnlicher Tendenz innerhalb des Jungpleistoz~ins auch vor 27 000 B.P. belegt sind. 8) MENSCHING (1979). 9) Das 14C-Datumvon 5 520 + 870 -785 Jahre B.P. deutet nur das Mindestalter des Schuttes an. Nach unseren Vorstellungen besitzt der Schutt unterhalb des Petit Ressas ebenfalls jungpleistoz~ines Alter.

QUART~RGEOMORPHOLOGIE "TUNESISCHE DORSAI.E"

403

In die gleiche Richtung weisen die Beobachtungen vom Dj. Bou Kornine oberhalb von Chalet Vert. Sowohl der Wanderschutt als auch der Schwemmschutt enthalten r6tliches Feinmaterial, das folglich bereits frfiher als ca. 20 000 B.P. gebildet worden sein muB. Der r6tliche parautochthone Boden (3 in Fig. 7) l~iBtsich nur durch AnalogieschluB zeitlich einordnen. Der Kalkschutt am FuB des Dj. Ressas hat mindestens ein Alter von 5 520 + 870 -785 Jahren B.P. Das beigemengte r6tliche Bodenmaterial muB folglich/alter sein. In den anderen Profilen, die den Zeitraum der letzten 9 000 Jahre repr~isentieren, tauchen keine r6tlichen B6den oder Bodensedimente auf. Die Entwicklung r6tlicher B6den diJrfte demnach bereits im Jungpleistoz/in begonnen haben und vermutlich bereits im Altholoz~in ihr Ende gefunden haben.

4.4.

FLUVIALER TRANSPORT VON FEINSEDIMENTEN

Abseits der H/inge und der Hangfugbereiche konnten wir im Nordteil der "Dorsale" kein Grobmaterial beobachten. Das muB aber nicht bedeuten, dab entlang gr6gerer Gerinne nicht doch w~ihrend des Jungpleistoz~ins Grobmaterial verfrachtet wurde (s. z.B. die von FREGIEN (1971) und sp/iter yon BROSCHE, MOLLE & SCHULZ (1976) beschriebenen Terrassen an der Nordktiste bei Tabarka und alas vereinzelt yon GROSSE (1969) auf Cap Bon beobachtete Grobmaterial). Generell dominierte jedoch auf Flachh/ingen und in den Ebenen der Feinmaterialtransport. Im HangfuBbereich 1/iBt sich vielfach ein lJbergang von gr6beren zu feineren Komgr6Ben feststellen (z.B. im Profil Hammam Lif, westlicher Teil; auch am Oued el Kebir treten fiber kiesftihrenden Sanden ger611freie Sande auf). Bei diesem Feinmaterial handelt es sich ausschlieBlich um Spfilsedimente oder Hochflutabs/itze, die meist eine leichte Schichtung aufweisen. Dort, wo Zeitmarken vorhanden sind, lassen sich die Feinsedimente ausnahmslos in das Holoz/in einordnen (Hammam Lif, Oued el Kebir, Beni Khalled, Gully bei Korba). Auch hier mug wieder einschr/inkend betont werden, daB die Ablagerung von Feinsedimenten an anderer Stelle bereits im Jungpleistoz/in begonnen haben kann, allerdings fanden wir daftir keinen zeitlichen Beleg. Die Dominanz feiner Komgr6Ben im Holoz~in deutet an, dab von den H/ingen kaum noch Grobmaterial herabtransportiert wurde, da sich die Vegetationsdecke weitgehend geschlossen hatte.

4.5.

~)NGERE FLUGSANDE

Im Profil Hammam Lif (Fig. 3, Schicht 5), im StraBenaufschluB zwischen Grombalia und Cr6t6ville (Fig. 7) und am Oued el Kebir (Fig. 6) findet man Flugsande, deren Anwehung sich in das Mittel- bis Jungholoz~in stellen l/iBt. Die kfistennah gelegenen Vorkommen k6nnen das Ergebnis einer postflandrischen Regression sein. Das 14C-Alter von 4 890 + 155 Jahren B.P. von Schneckengeh/iusen aus diesen Sanden in Hammam Lif (H.LIF 2, Hv 8954)spricht ffir diese Deutung. Ein Teil dieses Sandes k6nnte aus den KiJstendfinen landeinw/irts verblasen worden sein. Noch heute l~iBtsich bei starken Nordwestwinden ein Sandtransport fiber die Halbinsel Cap Bon hinweg von Grombalia nach Nabeul beobachten.

404 4.6.

BARTELS & STEINMANN DER EINFLUSS DES MENSCHEN AUF DIE FORMUNGSPROZESSE

Heute steht auger Frage, dab die natiirliche Vegetation Nordtunesiens sp~itestens seit der R6merzeit in starkem Mage dutch Holznutzung, Waldweide und Brand gesch/idigt wurde. Ebensowenig wird bestritten, dab diese ScNidigung geomorphologische Konsequenzen hatte. Die Gegenwart des wirtschaftenden Menschen ist in unseren Profilen mehrfach dutch Keramik belegt (Hammam Lif, Oued el Kebir, Beni Khalled). In dem Gully-System vor Korba lieferte die Holzkohle fiber den ~iltesten Scherben ein 14C-Alter von 3 230 + 340 Jahren B.P. (EG 1, Hv 8945). Daraus folgt, dab man auch in ph6nizischer, evtl. sogar in pr~iph6nizischer Zeit mit einer anthropogenen St6rung des Naturhaushaltes rechnen mug. Von diesem Zeitpunkt an lassen sich klimatisch bedingte und anthropogene Abtragung kaum noch voneinander trennen.

4.7.

VERGLEICH MIT ERGEBNISSEN ANDERER AUTOREN

In jtingerer Zeit wurden mehrfach sehr vielgestaltige Quart~irprofile (aus Spanien, Marokko und Tunesien) publiziert, deren Straten nicht selten radiometrisch datiert werden konnten (ROHDENBURG & SABELBERG 1973, ROHDENBURG 1977, SABELBERG 1978, MOLLE 1979). In diesen Profilen konnten zwar meistens wesentlich mehr Sedimentlagen und fossile B6den ausgegliedert werden als in unserem Arbeitsgebiet, aber in der Grundtendenz stimmen unsere Beobachtungen mit denen der o.g. Autoren recht gut tiberein: Grobmaterialien treten vorwiegend in den tieferen Profilabschnitten des Jungpleistoz/ins auf. Jungpleistoz/ine Grobmaterialverlagerung ist entgegen den eingangs (Kap. 1) umrissenen/ilteren Vostellungen auch in den Tieflagen Nordafrikas nachzuweisen. Ob auch auf flacheren Reliefabschnitten der Tieflagen Grobmaterial bewegt wurde, ist im Arbeitsgebier bisher nicht zu belegen, da korrelate Sedimente - vergleichbar z.B. der "Hauptakkumulation" yon MOLLE & BROSCHE (1976) in Zentraltunesien - in unseren Profilen nicht auftreten. Rote B6den wurden z.T. schon vor dem Grobmaterialtransport gebildet. Sie entwickelten sichjedoch auch noch nach dem Ende der intensiven Hangabtragung. DiejiJngeren Profilabschnitte (Holoz/in) sind dagegen durch Feinsedimente und zwischengeschaltete Humushorizonte gekennzeichnet. Es zeichnet sich ab, dab mit einem Niufigeren Wechsel von Phasen mit Sedimentation und Phasen mit Bodenbildung gerechnet werden mug, als dies frtihere Untersuchungen in Tunesien nahelegten. In der Tendenz weisen unsere Befunde auf einen ~ihnlich differenzierten Verlauf des Holoz~ins hin wie ihn ROHDENBURG (1977) Rir das westliche Mittelmeergebiet beschreibt.

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Q U A R T ~ R G E O M O R P H O L O G I E "TUNESISCHE DORSALE"

405

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