Flora Bd. 150, H.1, S. 117-127 (1961) (Institut fiir Biochemie der Pflanzen HallejSaale der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin)
Untersuchungen fiber den Zusammenhang zwischen N ukleinsaure- und EiweiBstofl'wechsel in grfinen BHittern 2. Mitteilung Von
R. W ollgiehn 1 ) Mit 2 Abbildungen im Text (Eingegangen am 15. August 1960)
In frtiheren Mitteilungen (MOTHES, BOTTGER und WOLLGIEHN 1958, BOTTGER und WOLLGIEHN 1958) berichteten wir, daB die Bewurzelung isolierter Blatter von NicoMana rustica zu einem anhaltenden Spreitenwachstum fUhrt, das mit einer starken EiweiB- und Nukleinsauresynthese verbunden ist. Dabei bleibt tiber lange Zeit (125 Tage) nicht nur das Verhaltnis von· Ribonukleinsaure zum EiweiB vollig konstant - eine Ersclieinung, die an tierischen Objekten und an Mikroorganismen vielfach beobachtet wurde - sondern bemerkenswerterweise folgt auch die Vermehrung der Desoxyribonukleinsaure stochiometrisch dem starken Anstieg des Proteins. Werden an der Pflanze durch N-Mangel oder Altern fast vollig vergilbte untere Blatter von Nicotiana tabacum zum Wiederergrtinen gebracht, so steigt nur die RNS weitgehend parallel zum sich stark vermehrenden Protein an, wahrend der DNS-Gehalt konstant bleibt oder nur sehr wenig zunimmt. Da die beiden Versuche mit verschiedenen, Arten von Nicotiana durchgeftihrt worden waren, solI mit der vorliegenden Arbeit die Frage gekliirt werden, ob der Stoffwechse~ der DNS in Blattern durch den unterschiedlichen Entwicklungszustand oder eine Artsp.ezifitat bestimmt wird. Nach den erstmals von HOAGLAND, ZAMECNIK und STEPHENSON (1957) durchgeftihrten Untersuchungen kommt im wasserloslichen Teil des Cytoplasmas eine niedermolekulare RNS vor, die sogenannte "lOsliche" RNS, welche aktivierte Aminosauren einbaut und deren Incorporation in die Proteine der Mikrosomen veranlaBt. Die ungewohnlich starke EiweiB- und Nukleinsauresynthese der Blattstecklinge veranlaBte uns zu prtifen, ob die neue gebildete RNS vollstandig in die Zellpartikel eingebaut wird oder ob eventuell der Anteil der "lOslichen" RNS an 1) Meinem sehr verehrten Lehrer, Herm Prof. Dr. K. MOTHES zUm 60. Geburtstag in Dankbarkeit gewidmet.
118
H. W OLLGIEHN
der Gesamt- RNS in den Blattstecklingen gegeniiber normal wachsenden Blattern erhOht ist. Gleiehzeitig wurde eine grobe Fraktionierung der Homogenate vorgenommen, urn die Verteilung von Nukleinsauren und Protein auf die versehiedenen Zellpartikel von Blattern und Blattstecklingen zu untersuchen. Es soll ferner tiber Versuche berichtet werden, bei denen durch selektive Hemmung die gegenseitige Abhangigkeit von DNS, RNS und Protein in bewurzelten Blattsteeklingcn geprtift wurde, da die schnelle parallele Zunahme der drei Fraktionen dil'Res Objekt fiir solche Versuche als besonders geeignet erscheinen laBt. Methoden Die Extraktion der Nukleinsauren aus den Blattern crfolgte naeh einer leieht variierten Methode von HOLDEN (1952), die wiederum eine speziell fiir Blattmaterial ausgearbeitete Abwandlung der Methode von OGUR und ROSEN (1950) ist. Naeh Extraktion der saurelosliehen Fraktion mit 0,2 n HCI0 4 und der AlkoholAther (3: 1)-1Osliehen Fraktion wird die RNS bei Zimmertemperatur (18-20° C) in .18 Stunden mit ],6 n HCI0 4 und die DNS bei 37° C zweimal iiber Naeht mit 1,6 n HC10 4 extrahiert. (Genaue Angabcn s. BOTTGER und WOLLGIEHN ]958.) Die NS-Mengen wurden durch Phosphatbestimmung nach ALLEN (1940) und spektrophotometriseh dureh Absorption bei 260 m,u ermittelt. Die DNS wurde anJ3erdem mit der Diphenylamin-Reaktion auf Desoxyribose bestimmt (BURTON ] 956). Die in dieser Arbeit angegebenen NS-Werte wurden aussehlie13lich durch Phosphatbestimmung erhalten. Die Werte der anderen Bestimmungen wichen jedoch nieht wesentlieh von den Phosphat-Werten ab, jedoch sind die durch UV-Absorption ermitteltcn NS-Mengen stets etwas groBer als die durch P-Bestimmung erhaltenen Werte. Die Reinheit der beiden NS-Fraktionen wurde durch papierchromatographischen Nachweis von Uracil und Thymin iiberpriift (WYATT 1951). Der EiweiJ3-Stiekstoff wurde im Geweberiiekstand naeh Extraktion aller Phosphatfraktionen nach KJELDAHL bestimmt. Ergebnisse
1. N icotiana J'ludim: Wiederergriinungsversuehe bei Blattern an der Pflanze Bei altcn Pflanzen von N icotianamsticn tritt infolgc natiirlichen Alterns odpr dureh N-Mangel eine starke Vergilbung der unteren Blatter ein, was mit einer Abnahme des Nukleinsaure- und EiweiBgehaltes verbunden ist. 801che Blatter konnen innerhalb kurzer Zeit zur volligen Wiederergriinung gebracht werden, wenn man dureh Absehneiden aller iibrigen Blatter und der Vcgetationspunkte die Konkurrenz der jungen Organe beseitigt (MOTHES und BAUDISCH 1958). Von diesen Bliittern wurde jeweils cine Halfte im vergilbten, die andere Halfte im wiederergriinten Zustand auf den Nukleinsaure- und Ei,veiI3gehalt hin untcr-
Untersuchungen iiber den Zusammenhang usw.
119
sucht. Aus Tabelle 1 geht hervor, daB die Wiederergriinung mit einer starken EiweiB- und RNS-Zunahme verbunden ist, wahrend der DNS-Gehalt relativ wenig ansteigt. Die EiweiBzunahme ist m einigen Fallen groBer als die RNSZunahme, so daB der Quotient RNS: EiweiB' bei der Wiederergriinung fallt, wahrend er in anderen Fallen ansteigt; hier ist die RNS-Zunahme groBer. Diese Verhaltnisse entsprechen vollig den friiheren Befunden an Nicotiana tabacum. 2. N icoliana tabac1.tm: Blattstecklinge
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Von jungen Pflanzen von Nicotiana tabacum, "Virgin Gold", wurden gleichaltrige, nahezu ausgewachsene Blatter abgeschnitten und nach eintagiger Behandlung der Stiele mit p-Indolylbuttersaure (1 mg/100 ml) m Leitungswasser zum Bewurzeln gebracht. Die bewurzelten Blatter wurden dann in KulturgefaBe mit einer Nahr!Osung nach Zinzadse I (Konzentration 1 : 4, Stick stoff 1 : 2) iibergefiihrt. Es setzt nun sofort ein iiberaus intensives Wachstum ein, das 1m Gegensatz zu den Stecklingen von N icotiana rustica unter unseren Bedingungen bereits nach etwa 40 Tagen abgeschlossen ist; dann setzen bereits starke Abbauvorgange em. In Tabelle 2 und Abb. 1 a und b ist die Zunahme von Frischgewicht, Trockengewicht, der verschiedenen P-Fraktionen und des EiweiBgehaltes im Verlauf der Entwicklung der Blattstecklinge wiedergegeben. Sowohl der EiweiB-Gehalt als auch der RNS-Gehalt steig en in 38 Tagen auf
Tabelle 2
J,24 28,6
170 530 170 730 150 1120 190 1510
2,4 4,8
2,8 8,6
2,3 10,1
2,7 12,9
0 18
0 25
0 30
0 38
3
,:1
5
6
8
7
3,76 35,4
170 330
2,4 3,3
0 12
190 1790
2,G 14,7
0
5G
160 1830
2,5
14,7
0
46 4,24 23,G
4,1 32,3
3,68 30,0
3,81 17,9
7,~)8
3,67
3,96 4,47
2
190 280
2,0 2,0
0 6
Protein-N in mg
1
Trockengewicht in mg
Frischgewicht in g
Versnchsdaner in Tagen
Xr.
189 2G80
157 2460
225 2670
206 2590
215 2370
205 1700
195 593
236 258
SiiurelOs!. P in }'
G9 G70
51i G10
58 587
69 J79
66 498
68 257
56 124
51
7±
93 G81
98 764
101 825
114 782
105 676
87 427
88 280
101 131
Alk. -_\th.RNS-P lOs!. P in y in y
24 35
42 53
37 243
62 263
36 211
39 171
40 149
22 29
23 27
27 23
28 24
28 23
23 24
25 29
45 45
41 100
y RNS-P pro mg Protein-N
DNS-P in J)
8,7 10,3
9,2
15,7
9,5 5,9
9,0 5,3
11,0 4,9
11,0 5,6
11,5 6,6
11,5 10,2
j' DNS-P pro mg Protein-N
Nicotiana labacum, "l'irgin Gold", Blattstecklinge: Die Kontrollhiilften wurden nnmittelhar nach der Bewurzelung, die Yersnchshiilften zn den angegebenen Zeitpnnkten analysiert (s. Abb. 1 nnd 2)
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121
Untersuchungen tiber den Zusammenhang usw.
Frischgewicht I
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Trockengewicht
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30 38
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6 12 18 2530
b
38
46Tage56
Abb.1. Nicotiana tabacum "Virgin Gold" (Blattstecklinge): a Entwicklung des Frisch- und Trockengewichts in einer Halbspreite; b Zunahme von EiweiB-N, RNS-P und DNS-P in einer Halbspreite.
122
R.
V{OLLGIEHN
etwa das Achtfache des Ausgangswertes an, wobei die Zunahme beider Fraktionen jedoch nicht gleichmaBig crfolgt. Zunachst nimmt der RNS-Gehalt schneller als der EiweiBgehalt ZU, das RNS: EiweiB-Verhaltnis steigt somit an, um dann jedoch wieder auf den Ausgangswert abzufallen. 1m weiteren Verlauf der Entwicklung ergibt sich dann eine weitgehcnde Parallelitat im Anstieg beider Fraktionen. Bei der DNS sind die Verhaltnisse ahnlich. Zunachst steigt der DNS-Gehalt langsamer als der EiweiB-Gehalt, nimmt dann jedoch vollig parallel zum EiweiB und zur RNS zu. Das DNS: EiweiBverhaltnis bleibt somit ebenfalls tiber langcre Zeit konstant (Abb. 2).
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130
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12
18
25
30
38
4.6 rage 56
Abb. 2. Nicotiana iabacl1m "Yirgin Gold" (Blattstecklinge): Das Nuklrinsiiure: Eiweillverhiiltnis wiihrend des Wachstums.
Diese Ergebnisse entsprechen damit im wescntlichen den Befunden an Bluttstecklingen an Nicotiana rust1:ca (BOTTGER u. WOI.LGIEHN 1958). 3. Die Verteilung von Nukleinsauren und Protein innerhalb der Zelle Die Fraktionierung der Homogenate wurde nach den in der Literatur bcschriebenen Vcrfahren vorgenommen (.MCCLENDO~ 1952, JAGENDORF und WILDMAN 1954, LINDNER, KIRKPATRICK und 'VEEKS 1956, S~llLLIE 19Q6, Ts'O und SATO 1959). 40 g Blatter wurden in 80 ml einer 0,5 m SaccharoselOsung bei 4 0 C schonend homogenisiert, ohne auf eine vollstandige Zerstorung des Gewebes Wert zu legcn. Das Homogenat wurde durch eine dicke Lage Glaswolle filtriert. Aus dem Filtrat, als "Gesamthomogenat" bezeichnet, wurden durch Zentrifugation die vier folgenden Fraktionen gewonncn:
123
Untersuchungen liber den Zusammenhang usw.
1. Bei 3200 X g (12 Min.) wurde der Hauptteil der Chloroplasten und der Zellkerne abgetrennt ("Chloroplasternraktion"). 2. Bei 20000 X g wurden die Mitochondrien, Kernbruchstiicke und Chloroplastenbruchstiicke abzentrifugiert ("Mitochondriernraktion"). 3. Bei 110000 X g (90 Min.) wurden in der Ultrazentrifuge (Modell PHYWE 1958) die Mikrosomen gewonnen ("Mikrosomenfraktion "). 4. Aus dem Uberstehenden der dritten Fraktion wurde durch Saurefallung die "liisliche" Fraktion der EiweiJ3e und der RNS gewonnen. Es ist offensichtlich, daJ3 cs sich keineswegs um vollig saubere Fraktionen handelt, was bei Blattmaterial nur sehr schwer zu erreichen sein diirfte. Die einzelnen Fraktionen stellen nur eine starke Anreicherung der jeweiligen Hauptkomponente dar. Die Ergebnisse der Fraktionierung mit der Verteilung von Protein, RNS und DNS auf die vier Homogenatfraktionen von normalen Blattern undBlattstecklingen von Nicotiana Tu,stica sind in Tabelle 3 zusammengefaJ3t. TabeUe 3a
Nicoliana ruslica, Blatter: Die Verteilung von RNS, DNS und Protein auf vier Homogenatfraktionen
Fraktion
Protein-N RNS-P DNS-P in mg in y in y
Protein-N RNS-P in % in %
RNS-P DNS-P pro mg in % Protein-N
"Chloroplastenfraktion" (3200 x g) .
15,7
378
132
32
34
61
24
"Mitochondrienfraktion" (20000 x g) .
8,4
397
72
17
36
33
47
"Mikrosomenfraktion" (110000 x g) .
5,1
253
13
10
23
6
50
"Liisliche Fraktion"
20,0
82
41
7
" Gesamthomogenat"
49,2
1110
4 22
fiber 60% der DNS ist in der "Chloroplastenfraktion' , enthalten, der Rest findet sich vor allem in der "Mitochondrienfraktion", was auf eine Verunreinigung dieser Fraktion durch Kernbruchstiicke zuriickzufiihren ist. Die an RNS reichste Fraktion der Blattstecklinge ist die "Mikrosomenfraktion", wahrend die beiden groben Partikelfraktionen etwa gleich viel RNS enthalten. Bei den normalen Blattern ist die "Mikrosomenfraktion" im Verhaltnis zu den beiden anderen Partikelfraktionen bedeutend RNS-armer als bei den Stecklingen. Der Anteil der "loslichen" RNS an der Gesamt-RNS ist in beiden Homogenaten ahnlich; die Werte der normalen Blatter liegen jedoch immer unter denen der Blattstecklinge.
124
R. W OLLGIEHN Tabelle 3b "Vicotiana rustica, Blattstecklinge: Die Verteilung von RNS, DNS und Protein auf vier Homogenatfraktionen
Protein-N RNS-P DNS-P in mg in y in y
Fraktion
RNS-P DNS-P pro mg in % Protein-N
Protein-N RNS-P in % in %
"Chloroplastenfraktion' ,
11,5
246
154
30
25
63
21
7,0
223
76
18
23
31
32
3,4
403
15
9
41
6
119
"Losliche" Fraktion
16,9
102
43
11
" Gcsamthomogenat"
38,8
974
(3200 x g) . "Mitochondrienfraktion" (20000
X
g)
"Mikrosomenfraktion"
(110000 x g) .
6
245
25
In der Verteilung der Eiwei13e hestehen keine Unterschiede. In beiden Homogenaten ist die "lOsliche" Fraktion die eiwei13reichste, deshalb
ist das RNS: Eiwei13verhaltnis dieser Fraktion extrem niedrig, wahrend der auffallendste Unterschied im NS: Eiwei13verhaltnis in der "Mikrosomenfraktion" liegt mit einem sehr hohen Wert bei den Blattstecklingen. 4. N ictoiana tabacum, "Virgin Gold": Hemmstoffversuche Von 3 Wochen alten Blattstecklingen von N icotiana tabacnm, "Virgin Gold", wurde jeweils eine Halfte entlang der Mittelrippe abgeschnitten und auf den Nukleinsaure- und Eiwei13-Gehalt untersucht (Zeitpunkt A). Die Versuchshiilften wurden taglich einmal mit einer Hemmstofflosung bespriiht. Folgende Hemmstoffe in Konzentrationen 300 y jml wurden verwendet: Thiouracil, Bromuracil und 5-DLMethyltryptophan. Am 8. Tag (Zeitpunkt B) wurden die Versuchshiilften analysiert. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 4. Tabelle 4 Nicoliana tabacttm "Virgin Gold", Blattstecklinge: Die gegenseitige Ahhiingigkeit yon RNS und Protein (s. Text)
RNS-P in y DNS-P in y Protein- N in mg RNS-Zunahme in % . DNS-Zunahme in % . l'rotein-Zunahme in %.
D~S,
Kontrolle
Thiouracil
Bromuraeil
Methyltryptophan
A
B
A
A
B
A
B
395 130 8,0
636 198 14,3
484 184 11,3
842 220 22,5
469 148 8,5
738 209 10,3
61 52 78
B
437 393 157 166 9,5 9,9 -10 5
4
70 19 87
57 41 12
Untersuchungen tiber den ·Zusammenhang usw.
125
Thiouracil, ein Antagonist des Uracils, verursachte eine vollstandige Hemmung der RNS- und der EiweiBsynthese; Eine einheitliche Wirkung auf die DNS-Synthese konnte nicht erzielt werden. Wahrend die DNS in einigen Fallen deutlich zunahm, war in anderen Versuchen auch ihre Synthese vollig gehemmt. Bromuracil, ein Antagonist des Thymins, verursacht eine deutliche Herabsetzung der DNS-Synthese, wahrend die RNS-und EiweiB-Synthese nicht beeinfluBt werden. Methyltryptophan setzt selektiv die EiweiBsynthese sehr stark herab, die Synthese der beiden Nukleinsauren wird kaum beeinfluBt. Diskussion
Die vorliegenden Ergebnisse tiber den Zusammenhang zwischen Nukleinsaureund EiweiBstoffwechsel in Blattern bestatigen unsere frtiheren Befunde an anderen Objekten (BOTTGER und WOLLGIEHN 1958). Sowohl in vergilbten Blattern, die durch eine geeignete Behandlung an der Pflanze zum Wiederergrtinen gebracht werden, als auch in bewurzelten Blattstecklingen ist die starke EiweiBsynthese mit einer etwa gleich groBen RNS-Zunahme verbunden. Gleiche Verhaltnisse sind an tierischen Objekten und Mikroorganismen, aber auch an hoheren Pflanzen (OSAWA und OOTA 1953, OOTA und OSAWA 1954a und b, JENSEN 1955 und 1958, HEYES und BROWN 1956) wiederholt gefunden worden. Es sind jedoch auch Falle bekannt, bei denen unter nattirlichen Bedingungen die EiweiBsynthese nicht mit einer gleichzeitigen RNS-Zunahme verbunden ist (LORENZEN und RUPPEL 1960, WOLLGIEHN 1960), was jedoch zu den Vorstellungen von der Matrizenfunktion der RNS nicht im Widerspruch steht. Das Ergebnis der Gesamtanalysen tiber den gleichmaBigen Anstieg von RNS und Protein bei der Entwicklung der Blattstecklinge machte es wahrscheinlich, daB es sich hier um die Bildung bestandiger Nukleoproteidkomplexe handelt. Die Befunde tiber die Verteilung von RNS und Protein innerhalb der Zelle, ebenso wie die UnregelmaBigkeit im Kurvenverlauf von RNS und Protein am Anfang der Entwicklung der Blattstecklinge, deuten jedoch darauf hin, daB die Verhiiltnisse komplizierter sind. Wahrend sich an der prozentualen Verteilung des EiweiBes auf die einzelnen Homogenatfraktionen bei der Entwicklung der Blattstec~inge nichts andert, was bedeutet, daB die EiweiBe gleichmaBig in aile Fraktionen eingebaut werden, wird die RNS offenbar nicht in gleichem MaBe in alle Fraktionen eingebaut. Ihre Zunahme in der "Mikrosomenfraktion" ist weitaus starker als in den anderen Fraktionen, was zu einem bedeutenden Anstieg des RNS: EiweiBverhiiltnisses innerhalb dieser Fraktion ftihrt. Es muB jedoch betont werden, daB diese Befunde wegen der bereits erwahnten methodischen Schwierigkeiten nicht als endgtiltig angesehen werden konnen.
126
R.
WOLLGIEHN
Del' Anteil del' fur die Proteinsynthese bedeutungsvollen "liislichen" RNS an del' Gesamt-RNS ist in Blattstecklingen etwas hoher als in Blattern. Beide Werte liegen im Bereich der fUr diese Fraktion in del' Literatur angegebenen Werte. Unscre fruher aufgeworfene Frage (BOTTGER und WOLLGIEHN 1958), ob die Zunahme der DNS in Blattstecklingen artbedingt ist, ist negativ zu beantworten. Beim Wiederergrilnen der Blatter von Nicotiana TusMca verhiilt sich die DNS ebenso wie im entsprechenden Versuch an Nicotiana tabacum: Der DNS-Gehalt nimmt im Vergleich zur RNS und zum Prutein nur in sehr geringem MaBe zu. Dagegen fanden wir eine vollige Parallelitat im Anstieg von DNS und EiweiB beim Wachs tum del' Blattstecklinge von N icotiann tabacum. Es verhalten sich also die Blattstecklinge von N. Tttsticn und N. talmC'um prinzipiell gleich, wie sich auch die an der Pflanze ergriinenden Blatter beider Arten gleich und damit andel'S als die Blattstecklinge verhalten. Dieses Verhalten del' DNS ware dann nicht von besonderem Interesse, wenn das Wachstum del' Blattstecklinge mit Zellteilungen verbunden ware. Die Blattstecklinge wachsen jedoch lediglich durch VergroBerung der Zellen. Kernteilungen oder KernvergroBerungen haben wir nie beobachtet, so daB die Moglichkeit endomitotischer Chromosomenvermehrungen nicht bestatigt werden konnte. Diese Frage bedarf noch sorgfaltiger Untersuchungen. Ebenso muB noch geklart werden, ob die Chloroplasten, die sich in Blattstecklingen uberaus stark vermehren, den DNS-Gehalt der Zelle wesentlich beeinflussen. Die Vorstellungen yom ausschlie13lichen V orkommen del' D NS im Zellkern konnen gewiB noch nicht als endgiiltig angesehen werden. Neuere Untersuchungen von CHEYEN 1960, CI:IEYEN und BENFIELD 1960 und CIU;Y EN und DE~BY 1960 machen das Vorkommen von DNS auBerhalb des Zellkerns zumindest im meristematischen Gewebe durchaus wahrscheinlich. Einen genaueren Einblick in die gegenseitige Abhiingigkeit von Nukleinsaureund EiweiBstoffwechsel als rein quantitatiYe Analysen geben die Versuche Uber die selektive Hemmung del' Ei,veW- bzw. NS-Synthese. Unsere Ergebnisse bestatigen zahlreiche Befunde in del' Literatur (BRACHET 1954, 1955. 195G a und b; Elm 1949; HESS 1959; HOHN 1954; KESSLER 1956; KESSLER, SWIl{SKI und T,\HORI 1958; . WEBSTER 1956 und 1957; WEBSTER und JOHNSON 1955 uncI zahlreiche Arbeiten an tierischen Objekten und Mikroorganismen). Wahrend die D NS. zumindest Was ihre quantitati yen Veranderungen betrifft, unabhiingig ist - wird ihre Nettosynthese gehemmt, laufl'll RNS- und EiweiBstoffwechsel offenbar ungehindert weiter - stehen RNS und EiweiJ3synthese in einem unmittelbaren Zusammenhang. Wahrend jedoch die S~'nthese vun RNS ohne eine gleichzeitige Synthese von EiweiB ablaufen kann, wird die EiweiJ3s~'nthese vcrhindert, wenn die RNS-Synthese gehemmt ist.
Untersuchungen tiber den Zusammenhang usw.
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Zusammenfassung
1. Bei del' WiederergrUnung vergilbter Blatter von NicotianCl rustica folgt dip RNS weitgehend dem sieh stark vermehrpndpn Protein, wahrend del' DNS-Gehalt nm wenig ansteigt. ~. Das Waehstum bewurzelter Blattsteeklinge von Nicotiana tabacum ist mit Plnpr weitgehenden ParaIlelitat im Anstieg von RNS, DNS und Protein verbunden. ])iese Besonderheiten im DNS-Stoffweehsel sind vom Entwieklungszustand del' Blatter bestimmt und nieht artspezifisch. 3. Wahl' end die Inkorporation von Protein beim Wachstum der Blattstecklinge in aIle Fraktionen der Blatthomogenate gleichmaBig erfolgt, wird die RNS in verstarktem MaBe in der "Mikrosomenfraktion" angereichert. Del' Anteil del' "lOslichen" RNS an der Gesamt-RNS steigt wahrend der Entwicklung del' Blatt~tecklinge nul' leicht an. 4. In Blattstecklingen bestehen deutliche Beziehungen zwischen del' RNS- und del' Proteinsynthese. Eine Hemmung der RNS-Synthese fUhrt zu einem Stillstand del' Proteinzunahme, wahrend del' RNS-Gehalt auch dann ansteigen kann, wenn die Proteinsynthese gehemmt ist. Eine Hemmung del' DNS-Synthese beeinfluBt die RNS- und die Protein-Zunahme nicht. Auch beeinfluBt eine Hemmung der ProteinSynthese kaum die Zunahme der DNS. Literatur ALLE:,\, R. J. L., 1940. Biochem. J. 34, 858. - BEH, A., 1949. Experientia 0, 455. - BOTTGER, 1., U. WOLLGIEHN, R., 1958. Flora 146, 301. - BltACHET, J., 1954. Nature 114, 876.--Ders., 1956a. Biochim. Biophys. Acta 19, 583. --- Ders., 1956b. Exper. Cell. Res. 10, 255.-BUHTON, K., 1956. Biochem. J. 62, 313. - CHEYEN, .T., 1960. Exp. CelL Res. 20, 150. - Ders., and BENFIELD, A. H., 1960. Exp. Cell. Res. 20, 172. --- Ders., and DENBY, E., 1960. Exp. Cell. Hes. 20,'182. - HESS, D., 1959. Planta 04,74. - HEYES, J. K., and BROWN, R., 1956. In MILTlIOHPE, F. L., Growth of Leaves, London. - HOllN, K., 1954. Naturwiss. 41, 536. - HOLDEN, M., 1952. 'Biochem. J. 01, 433. - HO.\GL\ND, 1\T. B., ZAMECNIK, P. C., and STEPHENSON, 1\1. L., 1!l57. Biochim. Biophys. Acta 24,215. - JAGENDORF, A. T., and WILDMAN, S. G.; 1954. Plant PhysioL 29, 270. - JENSEN, W. A., 1956. Exp. Cell. Res. 111, 222. -- D ers., 1958. Exp. Cell. Res. 14, 575. - KESSLER, B., 1956. Nature 178, 1337. - ners., SWIRSKI, E., and TAHORI, A. S., IH58. Nature 181, 1595. - LINDNER, R C., KIRKPAT){[CK, I-I. C., and WEEKS, T. E., 1956. Plant. Physiol. 31, 1. - LO){ENZEN, H., U. RUPPEL, K., 1960. Phtnt,L 54, 394. - MCCLENDON, .I. H., 1952. Plant. PhysioL 29, 448. -- MOTHES, K., n. B.\UDlSCH, W., 1958. Flora 146,221. !Jers., BOTTGEH, J., n. WOLLGIEHN, H., 1958. Naturwiss. 45, 316. --- OmTR, l\L, and ROSEN, G., 1950. Arch. Biochem. 20, 262. - 00'1'.\, S., and OS.\WA, S., 1954a. Biochim. Biophys. Acta 15, 1Ii2. - Dies., 1954b. Experientia 10,245. - OSAWA, S., and OOTA, S., 1953. Experientia 9,96.-SmLLIE, R :\1., 1956. Austr. J. BioI. Sci. 9, 339. ,- Ts'o, P. O. P., and SATO, C. S., 1959. Exp. Cell. Res. 17, 227. - WEBSTEH, G. C., 1956. Fed. Proc. 1r., 380. - Ders., 1957. J. BioL Chem. 229,535. -- Ders., u. JOHNSOX, 1\1. P., 1955 . .T. BioI. Chem. 217, G41. -, WOLLGIEHN, R., 1960. Flora 149, 479. - WY,\TT, G. R, 1951. Biochem . .T. 48, 58-t Anschrift des Verfassers: Dipl.-Biol. R. WOLLGlEHN, HallejSaalc, Am Kirchtor 1.