(ArbeitsstelJe fiir Biochemie der Pflanzen Halle/SaaJe der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin)
KURZE MITTEILUNGEN Untersuchungen tiber den Zusammenhang zwischen N ucleinsaure- und EiweiBstoffwechsel in reifenden Samen Von
R. W ollgiehn 1) Mit 2 Abbildungen im Text (Eingegangen am 20. Oktober 1959)
Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Nucleinsaureund dem Eiwei13stoffwechsel ist in den letzten Jahren immer wieder untersucht worden. Die grundlegenden Befunde von CASPERSSON (1941) und BRACHET (1942), nach denen Zellen mit einer starken Eiwei13synthese auch einen hohen Nucleinsauregehalt aufweisen, sind spater auch an hiiheren Pflanzen wiederholt iiberpriift worden (OSA WA und OOTA 1953; OOTA und OSAWA 1954a und b; REYES und BROWN 1956; JENSEN 1955 und 1958; MOTHES, BOTTGER und WOLLGIEHN 1958; BOTTGER und WOLLGIEHN 1958). In friiheren Untersuchungen hatten wir beim Wachstum bewurzelter Blattstecklinge von Nicotiana rustica und beim Wiederergriinen vergilbter Blatter von Nicotiana tabacum eine parallele Zunahme von Ribonucleinsaure (RNS) und Eiwei13 festgestellt, bei den Blattstecklingen sogar eine Proportionalitat zwischen Desoxyribonucleinsaure (DNS)- und Eiwei13Gehalt (MOTHES, BOTTGER und W OLLGIEHN 1958; BOTTGER und W OLLGIEHN 1958). Als ein besonders gut geeignetes Objekt zum Studium der Eiwei13synthese haben sich reifende Sam en erwiesen. Innerhalb weniger W ochen synthetisieren sie weitaus griiBere Mengen EiweiB als irgendein anderes Organ der Pflanzen (Zusammenfassung der alter en Literatur bei McKEE 1958; ferner RYDE1954; McKEE, ROBERTSON und LEE 1955; LANTZ, GOUGH und CAMPBELL 1958; RAACKE 1957a, b und c; ROWAN und TURNER 1957). 1) Herrn Prof. Dr. K. MOTHES danke ich fiir die Anregung und Unterstiitzung dieser Arbeit.
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R. W OLLGlEHX
Es schien uns deshalb von Interesse zu prufen, ob diese starke EiweiBsynthese mit einer entsprechenden Nucleinsaure-Synthese verbunden ist.
Methoden Die Nucleinsauren wurden nach einer gering variierten Methode von HOLDEN (1952) aus den Samen extrahiert. Anstelle der n HC10 4 verwendeten wir eine 1,6 n HC10 4 zur Extraktion der RNS und DNS (ausfiihrliche Beschreibung der Methode s. BOTTGER und WOLLGIEHN 1958). Die NSMengen wurden durch Phosphatbestimmung und spektrophotometrisch durch Absorption bei 260 mfl ermittelt. Der EiweiBstickstoff wurde im Geweberuckstand nach Extraktion der Phosphatfraktionen nach KJELDAHL ermittelt. Ergebnisse Von Pisum sativum (Sorte DSG "Maiperle")- und Phaseolus vulgaris (Sorte DSG "Granda II")-Pflanzen wurden vom Zeitpunkt kurz nach der 800
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fntWlcklungsstadien
Abb.1. Pisum saiivum und Phaseolus vulgaris: Zunahme von Eiweil.l-N, RNS-P und DNS-P wahrend der Entwicklung der Samen (je 100 Stiick).
Elute bis zum Beginn der Samenreife in Abstanden von wenigen Tagen Sam en geerntet. Lediglich die ersten Stadien wurden gemeinsam an einem Tag entnommen und nach GroBe und Gewicht sortiert. Mindestens 100 Samen von jedem Entwicklungsstadium wurden sofort nach der Ernte analysiert. Die Ergebnisse zeigen die Tabellen I und II und Abb. 1. In den untersuchten Zeitraumen stieg der absolute EiweiJ3gehalt der Erbsensamen auf etwa das 200fache und der Bohnensamen auf etwa das lOOfache an. Der RNS- und der DNS-Gehalt der Samen nehmen wahrend
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1,4 5,7 11,8 27,2 42,7 54,0 63,3 70,0 80,0 48,6
1 2
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jIB.7. 19. 7. R 19.7. 4 21. 7. 5 24.7. 6 26.8. 7 28.7. 8 1. 8. 9 5.8. 10 110.8.
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0,59 2,31 6,25 22,8 40,5 45,2 51,8 55,6 61,6 45,3
Frisch-
1
15 . 6. 17.6. 19.6. ' 22.6. 29 . 6. 2. 7.
1
10.6. 10.6. 10.6. 13.6.
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1 2 3 4 5 6 7 H
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Frisch.£; g.r';.a ,Datum gewicht '" ~ ~ in h0~~ 00 I
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Trockengewicht in g
I
0,71 2,16 5,10 21,1 36,5 42,3 54,7 66,1 98,0 !J4,7 11,2 11,5 11.6
11,1
0,15 0,40 0,80 2,86 fi,95 7,83
Saurelos. Aile Ath. P lOs. P in mg in mg
I
1
RNS-P
0,24 1,03 2,12 5,52 10,0 15,5 21,7 25,0 32,9 31,4 2,61 6,74 13,5 28,7 52,7 75,0 103,0 138,0 172,0 181,0 0,33 1,14 2,39 5,26 9,85 11,2 13,5 13,5 15,0 14,4
Trocken-I saurelOs'l Alk. Ath. gewicht P l
24,8 19,3 13,6 7,4 12,2 18,6 21,2 22,4 28,9 1B,5
]n~
0, 64 0,95 1,29 3,01 8,79 11,62 12,73 13,45 13,03 10,77
III
31,4 24,2 22,9 23,2 25,4 24,5 22,1 24,8 20,7 23,6
gewicht
DNS-P
1
159,0 135,0 109,0 94,5 73,0 50.3 38,4 28,4 18,3 16,5 1
3950 2590 1480 691 956 935 816 622 ?i28 326
79,4 87,9 89,0 73,5 54,5 36,9 29,4 21,6 19,7 17,9
I in l'
RNS-P
0,04 0,21 0,33 0,80 2,03 2,53 3,01 3,22 3,10 3,14 I
1
nNS-p
14,7 20,7 28,2 25,0 16,7 10,9 9,1 6,7 4,4 4,!l
371 ?i67 383 185 221 204 193 149 125 95
2490 2160 2030 1700 1390 901 650 536 484 423
0,10 0,33 0,65 1,70 3,25 3,23 3,62 3,89 4,41 4,16
13,1 13,5 13,4 13,3 12,8 8,54 7,53 6,25 6,48 5,60
207 167 155 131 132
3~5
412 323 307 308
in y in l' . in Y pro g pro g mg ~ro mg Trocken- in mg I pro mg TrockenElweiB-N gewicht EiweiU-N gewicht 0,61 2,16 4,32 9,40 13,9 14,0 14,1 13,4 14,9 13,3
i;rom~ I. Trocken-
EiweiLl-N
7,64 24,6 48,5 128,0 254,0 379,0 480,0 620,0 681,0 743,0
in
I
in y in mg in l' I in y in l' I pro g pro g pro g in mg pro mg in mg: pro mg TrockenTrockenTrocken'EiweiLl·N EiweiB-N gewicht gewicht gewicht
Tabelle 2
2,88 7,03 11,8 32,2 121,5 231,0 332,3 483,0 714,0 646,0
in mg
I
i
EiweiLl-N
l'haseolus vulyaris (Sorte "Granda II"): Reifende Samen (100 Stuck).
0,12 0,37 0.87 4,35 9,18 12,4 15,6 21,6 24,7 RR,O
Tabelle 1 Pisum sativum (Sorte "Maiperle"): Reifende Samen (100 Stuck).
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R. WOLLGIEHN
der Entwicklung ebenfalls stark zu. Die Hochstwerte wurden jedoch bereits langere Zeit vor der Reife der Samen nahezu erreicht, so daLl bei fast gleiehbleibendem Nucleinsauregehalt Frischgewicht, Trockengewicht, EiweiB-N und auch saurelOslicher Phosphor noch sehr stark zunehmen. Lediglich der Alkohol-Ather lOsliche P verhalt sich den NS ahnlich. Der Quotient RNS: Eiweif3 sinkt bei den Erbsen wahrend der ganzen Entwicklung stark ab, bei den Bohnen steigt er wahrend der ersten Entwicklungsstadien leicht an, urn dann ebenfalls stark abzunehmen (Abb. 2). Das DNS: EiweiBverhaltnis dagegen bleibt bei Phaseolus vulg. zunachst ungefahr konstant, DNS und EiweiLl nehmen also parallel zu, erst nach AhschluLl der DNSZunahme sinkt er stark ab. 750
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- l'isum satlVum 30 --- Phaseolus vulgaris
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Pisum salivum
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 W
7 2 3 •
5 6
7
8 9 70
EntwickIungssto.dien
Abb. 2. Pisum salivmn uncl Phaseo!us vulgaris: Das NS: EiweiB- Verhaltnis wahrencl cler Entwicklung cler Samen.
Bei Pisum sativum dagegen steigt das DNS: Eiweif3verhaltnis wahrend der friihen Entwicklungsstadien der Samen stark an, fallt dann jedoch bis zum Ende der Entwicklung stark ab (Abb. 2). Ebenso wie der EiweiBstoffwechsel ist auch der Nucleinsaurestoffwechsel reifender Samen wiederholt untersucht worden, wobei stets eine starke NS-Zunahme wahrend der Entwicklvng der Samen beobachtet wurde (MARTOS 1956; SEMENENKO 1957; LI DIN CHO und BELOSERSKI 1958). LI DIN CHO und BELOSERSKI (1958) fan den bereits, daLl die NSSynthese in Weizenkornern nicht bis zur Vollreife anhalt. Unsere Ergebnisse bestatigen diese Befunde. Im besonderen Hinblick auf das Verhaltnis von Nucleinsaure- und EiweiBsynthese ergibt sich, daB nicht in jedem Fall eine starke EiweiBzunahme von einem entsprechenden NS- oder zumindest RNS-Anstieg begleitet sein muLl. Wahrend hei der Entwicklung der Blatt-
Untersuchungen tiber den Zusammenhang usw.
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stccklinge das fast stochiometrische Verhaltnis der NS- und EiweiJ3zunahme auf die Bildung bestandiger Nucleoproteidkomplexe hindeutet (BOTTGER und W OLLGIEHN 1958), ist die Synthese der Reserveeiweif3e nach Beendigung der eigentlichen Entwicklung der Samen nicht quantitativ mit dem Nucleinsaurestoffwechsel verbunden, was jedoch eine Matrizenfunktion der RNS auch bei diesen Prozessen nicht ausschlieBt.
Literatur BOTTGER, 1., U. WOLLGIEHN, R., 1958. Flora 146, 302. - BRACHET, J., 1942. Arch. BioI. 53, 207. - CASPERSSON, T., 1941. ~aturwiss. 29, 33. - HEYES, J. K., and BROWN, R, 1956. In: F. L. MILTHROPE: Growth of Leaves. London. - HOLDEN, M., 1952. Biochem. J. 60, 53. - HYDE, T. G., 1954. Proc. Roy. Soc. Edinburgh Sect. B 65,299. - JENSEN, W. A., 1955. Exper. Cell. Res. 10, 222. - Ders., 1958. Exper. Cell. Res. 14, 575. - LANTZ, E. M., GOUGH, H. W., and CAMPBELL, A. M., 1958. J. agric. Food. Chern. 6, 58. - LI DIN CHO U. BELOSEHSKI, A. ~., 1958. ;'\achr. Mosk. Univ. Ser. BioI., Bodenkde., Gel. Geogr. 13, 15 (russ.) (zitiert nach: Chern. Zbl. 130, 6853 [1959]). - MAHTOS, L., 1956. Naturwiss. 43,399. - Mc KEE, H. S., ROBEHTi50N, R X., and LEE, J. B., 1955. Austr. J. BioI. Sci. 8, 137. - McKEE, H. S., 1958. Nitrogen metabolism of seedlings. In: Handbuch der Pflanzenphysiologie. - MOTHES, K., BOTTGER, 1., U. WOLLGIEHN, R, 195R. :'Iaturwiss. 45, 316. - OOL\, S., and OSAW.\, S., 1954. Biochim. Biophys. Acta 1Ii, 162. - Dies., 1954. Experientia 10, 254. - OSAWA, S., and OOTA, S., 1953. Experientia 9, 96: - RUCKE, I. D., 1957. Biochem J. 66, 101, 110 u. 113. - ROWAN, K. S., and TURNEH, H. D., 1957. Austral J. BioI. Sci. 10,414. SEMENENKO, G. T., 1957. Fisiol. Rastenii 4, 333 (russ.).
Anschrift des Verfassers: Halle/Saale, Am Kirchtor 1.
Dipl.-Biologe
REINHOLD
WOLLGIEHN,
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