DoctorConsult – The Journal. Wissen für Klinik und Praxis 1 (2011) e229–e234
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Virale Myokarditis Hannes Reuter ∗
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i n f o
Article history: Received 23 July 2010 Accepted 30 November 2010 Available online 24 December 2010 Schlüsselwörter: Virale Myokarditis Dallas-Kriterien Dyspnoe Herzrhythmusstörungen plötzlicher Herztod Myokardbiopsie
z u s a m m e n f a s s u n g Die virale Myokarditis ist eine Virusinfektion des Herzmuskels, die meist im Rahmen von Infektionen der oberen Atemwege oder des Gastrointestinaltrakts auftreten kann. Die häufigsten Erreger sind heute Parvovirus B19, Entero-, Herpes- und Adenoviren. Aufgrund der geringen Sensitivität eines rein histologischen Nachweises der viralen Myokarditis nach den Dallas-Kriterien wird zur Diagnosesicherung in Myokardbiopsien der Nachweis viralen Genoms und eines veränderten Expressionsmusters zellspezifischer Oberflächenantigene durch moderne immunhistochemische und molekularbiologische Untersuchungstechniken gefordert. Die klinischen Zeichen einer Myokarditis sind auch im Akutstadium unspezifisch und reichen von genereller Abgeschlagenheit und Dyspnoe über Arrhythmien bis hin zu Angina-pectoris-ähnlicher Symptomatik. Aufgrund der hohen Spontanheilungstendenz beschränkt sich die Therapie meist auf körperliche Schonung und rein symptomorientierte Behandlung. Bei der chronischen Myokarditis mit nachweislicher Viruspersistenz zeigten erste kleinere Studien in diesen Fällen auch vielversprechende Therapieansätze mit Immunglobulinen oder -Interferon. © 2010 Published by Elsevier GmbH.
a b s t r a c t Keywords: Viral myocarditis Dallas criteria arrhythmias dyspnoea sudden cardiac death myocardial biopsy
Viral myocarditis is an infection of the myocardium, frequently associated with an infection of the upper respiratory or gastrointestinal tract. Currently, the most common pathogens include parvovirus B19, enteroviruses, herpesviruses and adenoviruses. Due to low sensitivity of the histological Dallas criteria the diagnosis of viral myocarditis nowadays requires that myocardial biopsies are classified based on criteria that rely on the quantification of viral genome and on modern immunhistochemical staining for specific surface antigens. Acute myocarditis may present with a variety of nonspecific clinical signs, ranging from dyspnoea and general exhaustion to arrhythmias and angina-pectoris-like symptoms. In these patients medical therapy is primarily supportive as the condition resolves spontaneously in most cases. First promising results from smaller trials suggest a clinical benefit from a specific therapy with intravenous immune globulin or interferon  in patients with viral persistence in chronic myocarditis. © 2010 Published by Elsevier GmbH.
1. Einleitung Entzündungen des Herzmuskels werden meist im Rahmen systemischer Erkrankungen wie Kollagenosen, Vaskulitiden und bakterieller oder viraler Infektionen beobachtet. Insbesondere bei chronischen Entzündungsprozessen kommt es durch Zelluntergänge, durch die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und schließlich auch durch Veränderungen im Proteinexpressionsmuster der Herzmuskelzelle selbst zur kontraktilen Dysfunktion mit Ausbildung einer dilatativen Kardiomyopathie.
Es ist anzunehmen, dass virale Infektionen mit Abstand die häufigsten Auslöser einer Myokarditis sind, aufgrund des meist inapparenten Krankheitsverlaufs ist deren genaue Inzidenz jedoch nicht bekannt. Aber auch asymptomatische Patienten haben ein erhöhtes Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden. Schätzungen aus Autopsiestudien zufolge ist bei ungeklärter Todesursache in bis zu 1% der Fälle eine asymptomatische Myokarditis nachzuweisen. In einer kürzlich publizierten retrospektiven Analyse zum plötzlichen Tod junger Sportler fand sich sogar in 6% der Fälle ursächlich eine Myokarditis [1]. 1.1. ICD-10
∗ Priv.-Doz. Dr. med. Hannes Reuter, Klinik III für Innere Medizin, Herzzentrum der Universität zu Köln, Kerpener Str. 62, D-50937 Köln, Tel.: 0221/47832410. E-mail address:
[email protected] 1879-4122/$ – see front matter © 2010 Published by Elsevier GmbH. doi:10.1016/j.dcjwkp.2010.11.005
I40.0 Infektiöse Myokarditis I41.1 Myokarditis bei anderenorts klassifizierten Viruskrankheiten
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I43.0 Kardiomyopathie bei anderenorts klassifizierten infektiösen Krankheiten 1.2. Synonyme Virusmyokarditis 1.3. Definition Durch Viren verursachter Entzündungsprozess im Herzen, der in unterschiedlichem Umfang die Kardiomyozyten, das interstitielle und das perivaskuläre Bindegewebe sowie koronare Arteriolen, Kapillaren und – selten – die großen epikardialen Herzkranzarterien einbezieht. 2. Ätiologie und Pathogenese 2.1. Ätiologie Theoretisch können alle humanpathogenen Viren auch den Herzmuskel befallen. Je nach Lokalisation unterscheidet man die reine Myokarditis von der Perikarditis oder der Perimyokarditis. Meist handelt es sich dabei um klinisch inapparent verlaufende Begleitinfektionen im Rahmen eines Infekts des Respirations- oder Gastrointestinaltrakts. In einer aktuellen Untersuchung an 172 Patienten mit Myokarditis und bioptisch gesicherter Virusinfektion konnten am häufigsten Parvovirus B19 (36,6%), Enteroviren (32,6%), humanes Herpesvirus 6 (10,5%) und Adenoviren (8,1%) nachgewiesen werden [2]. Die steigende Anzahl immuninkompetenter Patienten hat in den letzten Jahren zu einer Zunahme der Inzidenz von HIV- und Herpesviren-assoziierten Myokarditiden geführt. 2.2. Pathogenese Im Wesentlichen kann eine Myokarditis durch die drei folgenden Pathomechanismen erzeugt werden: Invasion der entsprechenden Erreger in das Myokard Produktion von herzmuskelschädigenden Agenzien immunologisch vermittelte myokardiale Schädigung. Dabei kann zum einen die direkte zellzerstörende Wirkung mancher Virusinfektionen zu einer Schädigung des Herzmuskels und damit zur Herzmuskelfehlfunktion führen. Andererseits konnte durch eine vorangegangene Virusinfektion, z.B. durch ein Antigenmimikry, eine Induktion eines Antigenprozesses induziert werden. So weisen das M-Protein in Streptokokken und das Coxsackie-B-Virus strukturell ähnliche Epitope wie das kardiale Myosin auf und kreuzreagierende Antikörper können durch dieses Antigenmimikry die Produktion von Autoantikörpern induzieren [3]. Auch ohne Viruspersistenz ist eine weitergehende Schädigung des Myokards somit wahrscheinlich möglich. Zur viralen Adsorption und nachfolgenden Penetration bindet das Virus an spezifische Rezeptoren an der Zelloberfläche. Ein solcher Rezeptor – auch als Coxsackie-und-Adenovirus-Rezeptor (CAR) bezeichnet – wurde im Bereich der Zellkontakte kardialer Myozyten nachgewiesen [4]. Als gemeinsame Bindungsstelle für Coxsackieviren und die Adenoviren 2 und 5 könnte dieser Rezeptor eine Erklärung für den häufigen Nachweis dieser beiden ansonsten grundsätzlich verschiedenen Virusarten bei der viralen Myokarditis des Menschen sein. Zumindest einige Serotypen der Coxsackieviren (B1, B2, B5, u.a.) benötigen für Infektion und Zytolyse wahrscheinlich auch weitere kardiale Oberflächenmarker als Ko-Rezeptoren, wie z.B. DAF (decay accelerating factor) oder CD55 [5].
Bei der akuten Virusmyokarditis lassen sich interstitiell, myozytar und/oder endozytär Immunglobulinablagerungen, Zytolysen sowie T-Lymphozyten, Makrophagen und eine vermehrte HLAKlasse-I- und HLA-Klasse-II-Expression nachweisen. Neben dem direkten Einfluss viraler Proteasen und der virusbedingten Zytolyse kommt es im Rahmen der begleitenden Inflammation zur Freisetzung von Zytokinen (z.B. IL-1, TNF), die ebenfalls zu einer Abnahme der kardialen Kontraktionskraft und zu einer Katecholaminrefraktärität führen können. Zytokine beeinflussen wahrscheinlich auch die Expression von matrixdegradierenden Enzymen (MMP) und deren Inhibitoren (TIMP). Eine Imbalance im MMP/TIMP-Profil stellt ebenfalls einen relevanten Faktor für die Entwicklung einer myokardialen Dysfunktion dar. In Abhängigkeit von bislang noch unbekannten genetischen Faktoren kommt es bei über 70% der Betroffenen spontan zu einer effektiven Viruselimination und folgenlosen Abheilung der Erkrankung. Der Übergang in eine chronische Myokarditis ist durch die Persistenz des Virus, eine virusinduzierte Immunantwort oder beides gekennzeichnet. Patienten mit einer chronischen Myokarditis weisen im histologischen Bild eine fortbestehende Entzündung und progrediente Fibrose auf und entwickeln meist im Verlauf von 2 bis 4 Jahren eine dilatative Kardiomyopathie (DCM). Neben der direkten virustoxischen Wirkung sind humorale und zelluläre Immunmechanismen im Langzeitverlauf pathogenetisch bedeutsamer für die Entwicklung einer DCM. In 40–50% der Patienten mit DCM konnte mithilfe der PCR enterovirale RNA nachgewiesen werden. Insbesondere bei Viren mit hoher Prävalenz gibt jedoch oft erst die quantitative Bestimmung der Viruslast in der Myokardbiopsie den Hinweis auf deren klinische Relevanz, wie eine jüngst veröffentlichte Untersuchung am Beispiel des Parvovirus B19 zeigte [6]. 3. Epidemiologie Da die Virusmyokarditis in den meisten Fällen inapparent verläuft, ist die Inzidenz dieser Erkrankung nicht bekannt. Eine erhöhte Inzidenz viraler Myokarditiden wurde bei Säuglingen und Kleinkindern beschrieben, allerdings unterscheiden sich diese Patienten von Erwachsenen auch durch schwerere, oft fulminante Krankheitsverläufe [7]. 4. Klinik Leitsymptome und klinische Zeichen Die klinischen Zeichen einer Myokarditis sind auch im Akutstadium meist unspezifisch und reichen von genereller Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und erhöhter Temperatur bis hin zu bradykarden und tachykarden Herzrhythmusstörungen. Von den 3055 Patienten, die mit Verdacht auf akute oder chronische Myokarditis im Rahmen der European Study of Epidemiology and Treatment of Inflammatory Heart Disease (ESETCID) untersucht wurden, klagten 72% über Dyspnoe, 32% über Brustschmerzen und 18% hatten Arrhythmien [8]. Auch Angina-pectoris-ähnliche Symptome kommen vor. Die Mehrzahl der Myokarditisfälle wird entweder zufällig oder gar nicht diagnostiziert, weil sie klinisch inapparent verlaufen. Nur bei einer geringen Zahl von Patienten kommt es zu klinischen Symptomen und bei einem noch geringeren Teil zu einem fulminanten Verlauf mit einem innerhalb von Stunden bis Tagen auftretenden progressiven Pumpversagen. Der schwere Verlauf der fulminanten Myokarditis erfordert meist eine intensivmedizinische Betreuung unter hoch dosierter Gabe von Katecholaminen und ggf. mechanischer Unterstützung der Pumpleistung des Herzens. Trotz des zunächst kritischen
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Zustands der Patienten mit fulminanter Myokarditis konnte für diese Patientengruppe unter aggressiven kreislaufstabilisierenden Maßnahmen eine gute Langzeitprognose mit einer signifikant geringeren Mortalität im Vergleich zur akuten nichtfulminanten Verlaufsform oder der Borderline-Myokarditis nachgewiesen werden [9]. 4.1. Klassifikationen Dallas-Kriterien: – Aktive Myokarditis: histologischer Nachweis entzündlicher Infiltrate im Myokard mit Nekrosen oder Degeneration benachbarter Zellen, jedoch ohne Hinweis auf Myokardischämie – Borderline-Myokarditis: histologischer Nachweis entzündlicher Infiltrate im Myokard ohne Nekrosen oder Degeneration benachbarter Zellen. Marburg-Klassifikation (WHF): – Akute Myokarditis: histopathologischer Nachweis von > 14 Leukozyten/mm2 , bestehend aus T-Lymphozyten (CD3) oder aktivierten T-Lymphozyten (CD45RO u.a.) im Myokard mit Nekrosen oder Zelldegeneration – Chronische Myokarditis: histopathologischer Nachweis von > 14 Leukozyten/mm2 (s.o.) im Myokard ohne Nekrosen oder Zelldegeneration – Keine Myokarditis: Keine zellulären Infiltrate oder < 14 Leukozyten/mm2 im Myokard – In zeitlichem Abstand kann in einer zweiten Biopsie zwischen einer persistierenden, abheilenden oder abgeheilten Myokarditis unterschieden werden. Da sich die Entzündung in aller Regel herdförmig ausbreitet, führt eine rein histopathologische Beurteilung der Myokardprobe anhand lokaler Biopsien häufig zu falsch-negativen Diagnosen (sampling error). Daher kommen bei der Diagnostik der Myokarditis heutzutage moderne molekularbiologische und immunhistochemische Verfahren zum Einsatz. 5. Diagnostik Körperliche Untersuchung: Bei der körperlichen Untersuchung dominieren die Tachykardie, häufig eine Arrhythmie sowie meist akzidenzielle Herzgeräusche. Bei Beteiligung des Perikards kann es zusätzlich zu einem Perikardreiben kommen; bei ausgeprägtem Perikarderguss kann dieses fehlen. Laborbefunde: – Eine typische diagnosesichernde Laborwertekonstellation für die Myokarditis gibt es nicht. – Bei allen viralen Infektionen kann eine Leukopenie auftreten. – Zudem kommt es zu unspezifischen Entzündungszeichen wie erhöhter BSG und CRP-Anstieg. – Anstiege der CK-MB und vor allem des kardialen Troponins deuten auf eine Myozytolyse hin und sind spezifische Zeichen einer Myokardbeteiligung bei vielleicht generell vorliegender grippaler Infektion. Entsprechend hoch ist die Spezifität (89%) des Troponin I für die Diagnose Myokarditis bei jedoch geringer Sensitivität (34%; [10]). In einer Untersuchung an 22 Patienten mit fulminanter Myokarditis war zudem der Anstieg des Interleukin-10 im Serum ein unabhängiger Vorhersagewert für einen schweren Krankheitsverlauf und eine erhöhte Mortalität [11]. – Virus-spezifische Antikörpertiter im Serum können nur Verdachtsdiagnosen erhärten, sie können weder den Ausschluss noch den Beweis einer erregerbedingten Myokarditis fuhren.
Abb. 1. Typisches EKG eines Patienten mit Myokarditis, bei dem sich die Hebungen der ST-Strecke ohne regionale Zuordnung sowohl über den Ableitungen der Vorderals auch der Hinterwand finden.
Elektrokardiogramm (EKG): – Neben tachykarden Herzrhythmusstörungen (atrial und ventrikulär) können im EKG bei Myokarditis auch AVBlockierungen I◦ –III◦ nachgewiesen werden. – ST-Streckenhebungen und andere Repolarisationsstörungen deuten vor allem dann auf eine Myokarditis, wenn sie sich ohne regionale Zuordnung gleichermaßen im Vorderwandund Hinterwandbereich finden (Abb. 1). – Das Auftreten von Q-Zacken oder eines Linksschenkelblocks ist mit einer höheren Mortalität oder Transplantationsrate verbunden [12]. – Insgesamt ist die Sensitivität des EKG bei Myokarditis ist mit 47% jedoch gering [13]. Rechts- und Linksherzkatheteruntersuchung: Eine invasive Diagnostik mit Rechts-und Linksherzkatheteruntersuchung sowie Koronarangiographie ist zur differenzialdiagnostischen Abklärung immer dann indiziert, wenn es sich um eine neu aufgetretene ungeklärte Herzinsuffizienz oder lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen mit dokumentierten VT, Kammerf-
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Tab. 1 Indikation zur Myokardbiopsie entsprechend der Empfehlungen der kardiologischen Fachgesellschaften AHA, ACC und ESC (nach [16]). Zeitraum Akute Herzinsuffizienz unklarer Genese < 2 Wochen > 2 Wochen
< 3 Monate
Chronische Herzinsuffizienz unklarer Genese > 3 Monate
Unabhängig von der Manifestationsdauer
Klinische Befunde
Indikationsklasse
Evidenzgrad
Fulminanter Verlauf Ventrikeldilatation Keine Rhythmusstörungen Ansprechen auf konservative Therapie Ventrikeldilatation Rhythmusstörungen AV-Block II-III Grades Kein Ansprechen auf Therapie
I IIb
B C
I
B
Ventrikeldilatation Rhythmusstörungen AV-Block II-III Grades Kein Ansprechen auf Therapie Ventrikeldilatation und fragliche allergische Ursache, Differenzialdiagnose Eosinophilie Verdacht auf antrazyklininduzierte Kardiomyopathie Verdacht auf myokardialen Tumor Unklare Restriktion Unklare Hypertrophie Verdacht auf arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie Unklare ventrikuläre Arrhythmie
IIa
C
IIa
C
IIa IIa IIa IIb IIb IIb
C C C C C C
limmern oder auch AV-Block höheren Grades handelt, aber auch bei Zustand nach reanimationspflichtigem Herz-KreislaufVersagen. Nuklearmedizinische Verfahren: Bei der nuklearmedizinischen Myokarditisdiagnostik wurden Indium-111-markierte Antimyosinantikörper zum direkten Nachweis von Myokardnekrosen entwickelt, während sich Gallium-67 in chronisch entzündlichen Geweben anreichert. Aufgrund mangelnder Spezifität und der mit ihr verbundenen Strahlenbelastung kommt diesen Verfahren heutzutage nur noch eine geringe Bedeutung zu. Kardiale Magnetresonanztomographie (CMR): – Mit der T2-gewichteten CMR-Technik, die für die Darstellung von Gewebeödemen optimiert ist, konnte für die Diagnose der akuten Myokarditis, die bioptisch verifiziert wurde, eine bis zu 100%ige Sensitivität und 90%ige Spezifität erreicht werden. – Moderne CMR-Verfahren eignen sich auch zur Verlaufsbeurteilung bei Patienten mit Myokarditis und können durch CMR-gesteuerte Myokardbiopsien den ,,sampling error“ für die histopathologische Beurteilung des Präparats wesentlich reduzieren [14]. Myokardbiopsie: – Bei Patienten mit dem klinischen Verdacht einer akuten Myokarditis besteht zunächst keine Notwendigkeit Myokardbiopsien zu entnehmen, da die Erkrankung eine gute Prognose hat und in ca. 80% der (diagnostizierten) Fälle folgenlos ausheilt. Zudem liegen bislang keine eindeutigen Daten vor, die den Nutzen einer frühzeitigen, spezifischen Therapie für den Krankheitsverlauf belegen. – Die Myokardbiopsie ist in den Händen eines erfahrenen Untersuchers eine sichere Methode mit einer Komplikationsrate zwischen 1,0 und 1,7% [15]. – Die kardiologischen Fachgesellschaften AHA, ACC und ESC empfehlen die Myokardbiopsie zur Diagnosesicherung bei fulminanten Verlaufsformen und bei Patienten, bei denen eine akute Herzinsuffizienz mit Ventrikeldilatation und/oder Rhythmusstörungen ohne erkennbare Ursache und ohne Ansprechen auf eine adäquate Therapie auftritt (Tab. 1 [16]). – Die Myokardbiopsien sollten neben der histologischen Klassifikation entsprechend der Dallas-Kriterien auch durch moderne immunhistochemische und molekularbiologische Untersuchungstechniken beurteilt werden.
6. Differenzialdiagnosen Generell kommen unter den Differenzialdiagnosen einer Myokarditis alle Erkrankungen in Betracht, die zu einer Herzinsuffizienz, als auch zu bradykarden oder tachykarden Herzrhythmusstörungen führen können. Liegen gleichzeitig Veränderungen der ST-Strecke oder T-Negativierungen vor, muss bis zum Beweis des Gegenteils von einem akuten Koronarsyndrom ausgegangen werden. Sind nicht-virale Infektionserreger in Betracht zu ziehen, sollten serologische Untersuchungen auf Chlamydien, Rickettsien, Borrelien, Brucellen, Korynebakterien und Toxoplasmose durchgeführt werden. Ein Sonderfall ist die Diphterie, da hier das Bakterientoxin das eigentliche schädigende Agens darstellt. Bei einer fulminant verlaufenden Myokarditis sollte frühzeitig die Indikation zur Myokardbiopsie gestellt werden, da hier differenzialdiagnostisch der Ausschluss einer akuten Riesenzellmyokarditis oder einer eosinophilen Myokarditis geführt werden muss. Dies ist von prognostischer und therapeutischer Relevanz, da diese Formen der Myokarditis frühzeitig immunsuppressiv behandelt werden müssen. Liegen keine Hinweise auf infektiöse Ursachen vor, sollte die kardiale Symptomatik Anlass geben, auch die Diagnostik einer Kollagenose und einer Sarkoidose zu berücksichtigen. 7. Therapie Wenn immer möglich, ist eine kausale Therapie anzustreben, dies ist aber meist nur dann möglich, wenn die infektiöse, toxische oder immunologische Ursache der Myokarditis bekannt ist. Eine gesicherte kausale Therapie mit dem Ziel der Viruselimination gibt es für die Virusmyokarditis nicht. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird es sich um eine symptomatische Therapie mit den folgenden Zielen handeln: Verbesserung der Herzfunktion (Herzinsuffizienztherapie) Einstellung der Arrhythmie sowie möglicherweise Überbrückung der Reizleitungsstörungen (antiarrhythmische Therapie, Schrittmachertherapie). Die Therapieoptionen bei viraler Myokarditis mit den aktuellen Empfehlungsgraden sind in Tabelle 2 zusammengefasst (modifiziert nach [17]).
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Tab. 2 Therapieoptionen bei viraler Myokarditis (modifiziert nach [17]). Therapie
Indikationsklasse
Evidenzgrad
Konventionelle Therapie bei Herzinsuffizienz Körperliche Schonung -Rezeptorenblocker ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonisten Aldosteronrezeptorantagonisten Diuretika Digitalis (Vorhofflimmern)
IIa I I I I I
A A A A A A
Prophylaxe kardialer Komplikationen Antiarrhythmische Therapie mit Amiodaron ICD (EF<35%) Linksventrikuläre Unterstützungssysteme Antikoagulation (Vorhofflimmern, EF<40%)
IIa IIa IIa I
A A B A
Kausale Therapieoptionen Immunglobuline Immunsuppressiva Antivirale Therapie mit -Interferon
IIb IIb IIa
B C B
ICD: implantierbarer Kardioverterdefibrillator, EF: Ejektionsfraktion.
Nichtsteroidale Antiphlogistika: Nichtsteroidale, antiinflammatorische Substanzen ebenso wie Ciclosporine sind während der Akutphase einer viralen Myokarditis (ca. 2 Wochen) kontraindiziert, da sie die myokardiale Zellschädigung begünstigen können. Immunglobuline: – Die Rationale für die Behandlung der akuten Myokarditis mit Immunglobulinen ergibt sich sowohl aus ihrer antiviralen als auch aus ihrer antiinflammatorischen Wirkung. – Die einzige publizierte Studie, die randomisiert und placebokontrolliert den Einfluss einer intravenösen Gabe von Gammaglobulinen bei neu aufgetretener DCM untersucht hat, konnte jedoch keinen Vorteil einer Behandlung mit Immunglobulinen hinsichtlich des ereignisfreien Überlebens oder einer Verbesserung der Auswurffraktion nachweisen [18]. Immunsuppressiva: – Ein Triggermechanismus für den chronischen Verlauf einer viralen Myokarditis könnte eine zelluläre und humorale Immunantwort sein, aufgrund derer Inflammation und myokardiale Schädigung perpetuieren. Vor diesem Hintergrund stellt die immunsuppressive Behandlung einer histologisch validierten autoreaktiven (virusnegativen) Myokarditis ein pathophysiologisch gut begründbares Therapiekonzept dar. – Die einzige bislang veröffentlichte randomisierte Doppelblindstudie an Patienten mit histologisch nachgewiesener Myokarditis und eingeschränkter Pumpfunktion zeigte keinen Nutzen einer Behandlung mit Ciclosporin/Azathioprin und Kortikosteroiden (Myocarditis Treatment Trial; [19]). – In der europäischen Studie über Epidemiologie und Therapie von entzündlichen Herzmuskelerkrankungen (ESETCID; [8]) werden Patienten mit akuter oder chronischer Myokarditis nach der Ätiologie der Erkrankung behandelt. Erste Zwischenergebnisse dieser Studie, die bislang nur in Form eines Abstracts vorliegen, zeigen bei autoreaktiver (virusnegativer) Myokarditis und eingeschränkter Pumpfunktion (EF < 45%), eine signifikant höhere Heilungsrate unter Azathioprin und Prednisolon im Vergleich zu Plazebo. – Zum jetzigen Zeitpunkt, bei bislang nicht eindeutigem Nachweis einer vorteilhaften Wirkung der immunsuppressiven Therapie bei chronischer Myokarditis, ist diese Behandlung nur bei selektionierten Patienten im Rahmen kontrollierter Studien in speziellen Zentren sinnvoll. Antivirale Therapie mit Ribavirin: Zum Einsatz antiviraler Substanzen für die Behandlung der akuten Myokarditis liegen nur
wenige Daten vor. In einer kleinen Fallstudie an drei Patienten mit Influenza-assoziierter fulminanter Myokarditis hatte Ribavirin keinen günstigen Einfluss auf den tödlichen klinischen Verlauf [20]. Antivirale Therapie mit -Interferon: – In einer Phase-II-Studie an 22 Patienten mit langjähriger DCM und positivem Nachweis enteroviralen (n = 14) und adenoviralen (n = 8) Genoms in der Myokardbiopsie zeigte sich unter einer Therapie mit -Interferon eine vollständige Viruselimination mit gleichzeitiger Abnahme der Ventrikeldimensionen und signifikanter Verbesserung der kardialen Pumpleistung [21]. – Im direkten Anschluss an diese Phase-II-Studie ist eine Phase-III-Studie sowohl in Europa als auch in den USA in Vorbereitung. Das Outcome dieser Studien muss abgewartet werden, bevor eine generelle Therapieempfehlung für -Interferon zur Behandlung der chronischen Myokarditis ausgesprochen werden kann. 8. Leitlinien 8.1. Leitlinien Nationale Versorgungsleitlinien: http://www. versorgungsleitlinien.de/themen Leitlinien der Canadian Cardiovascular Society: http://www. ccs.ca/consensus conferences/cc library e.aspx Leitlinien der Heart Failure Society of America: http://www. heartfailureguideline.org/index.cfm?id=23 Literaturverzeichnis [1] Maron BJ, Doerer JJ, Haas TS, Tierney DM, Mueller FO. Sudden deaths in young competitive athletes: analysis of 1866 deaths in the United States, 1980-2006. Circulation 2009;119:1085–92. [2] Kühl U, Pauschinger M, Seeberg D, Lassner D, Noutsias M, Poller W, et al. Viral persistence in the myocardium is associated with progressive cardiac dysfunction. Circulation 2005;112:1965–70. [3] Li Y, Heuser JS, Cunningham LC, Kosanke SD, Cunningham MW. Mimicry and antibody-mediated cell signaling in autoimmune myocarditis. J Immunol 2006;177:8234–40. [4] Bergelson JM, Cunningham JA, Drouguett G, Kurt-Jones EA, Krithivas A, Hong JS, et al. Isolation of a common receptor for Coxsackie B virus and adenoviruses types 2 and 5. Science 1997;275:1320–3. [5] Martino TA, Petric M, Brown M, Aitken K, Gauntt CJ, Richardson CD, et al. Cardiovirulent coxsackieviruses and the decay-accelerating factor (CD55) receptor. Virology 1998;244:302–14. [6] Bock CT, Klingel K, Kandolf R. Human pervovirus B19-associated myocarditis. N Engl J Med 2010;362:1248–9.
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