Fuß & Sprunggelenk 9 (2011) 235—240
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AKTUELLE KONZEPTE
Vorschlag eines Konsensus zur operativen Therapie der Charcot-Arthropathie Ein Beitrag der AG Charcot der Gesellschaft für Fußchirurgie e.V. (GFFC) German consensus on operative treatment of charcot neuroarthropathy A proposal by the charcot task force of the association for foot surgery (GFFC) Ralph Springfeld 1,∗, Armin Koller 2, Beiträge von Gerald Engels 3, Raimund Fiedler 2, Ernst Orthner 4, Stefan Schrinner 5, Alexander Sikorski 6 Clinic Dr. Guth, Hamburg, Germany Mathias-Hospital Rheine, Germany 3 Surgical Group Practice, Cologne, Germany 4 Foot Center Klagenfurt, Austria 5 Hospital South, Nürnberg, Germany 6 Malteser Foot Department, Rheinbach, Germany 1 2
SCHLÜSSELWÖRTER
Zusammenfassung
Diabetische Fußdeformität; Charcot-Fuß; Neuropathie; Angiopathie
Es gibt zahlreiche nationale und internationale Leitlinien zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Die Kapitel über die Charcot-Arthropathie (DNOAP—Diabetische Neuroosteoarthropathie) behandeln im Wesentlichen Diagnostik und konservative Therapie. Chirurgische Gesichtspunkte werden, wenn überhaupt, nur in kurzen Passagen abgehandelt. Der Internationale Konsensus, präsentiert durch die International Working Group on the Diabetic Foot (Sektion der International Diabetes Federation) nimmt zu diesem Thema keine Stellung. Aus diesem Grunde haben einige deutsche und österreichische Fußchirurgen, die häufig und spezialisiert CharcotArthropathien behandeln, ein Konsensus-Statement zur chirurgischen Therapie der Charcot-Neuro-Osteo-Arthropathie erarbeitet. Zahlreiche, auch sehr kontroverse Auffassungen und Erfahrungen wurden berücksichtigt. Der Konsensus-Versuch ist von wissenschaftlicher Evidenz weit entfernt. Er stellt die Parameter dar,
KEY WORDS Diabetic foot deformity; Charcot foot; neuropathy; angiopathy
∗
Korrespondenzadresse. E-Mail:
[email protected] (R. Springfeld).
doi:10.1016/j.fuspru.2011.09.007
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R. Springfeld et al. zu denen gleiche oder sehr ähnliche Auffassungen bestehen, beinhaltet aber ebenso noch bestehende kontroverse Ansichten. Der wissenschaftliche Austausch zu dieser sehr komplikationsträchtigen Entität des diabetischen Fußsyndroms soll gefördert werden.
Summary There are a number of national guidelines on the diabetic foot, but the chapter on Charcot neuroarthropathy first of all covers diagnosis and conservative therapy. Surgical aspects, if ever present, are treated in a rather short paragraph. The International Consensus, presented by the International Working Group on the Diabetic Foot (a consultative section of the International Diabetes Federation), does not offer anything on this topic. For that reason a group of German and Austrian foot surgeons, all of them operating Charcot feet frequently, elaborated a consensus statement on operative treatment of Charcot neuroarthropathy despite plenty of still existing diverging opinions. The following proposal is far from scientific evidence, but may be the basis for an ongoing discussion.
Genese der Charcot-Arthropathie Die Charcot-Arthropathie ist klinisch eine Neuropathie-bedingte Zerstörung der Knochen und Gelenke an Fuß und Sprunggelenk. Die distale Polyneuropathie, egal welcher Genese, ist die kausale Ursache der Charcot-Arthropathie. Als Hauptursache für die Entwicklung einer distalen symmetrischen Neuropathie gilt der Diabetes mellitus, was aber nicht bedeutet, dass für die Charcot-Arthropathie diese Stoffwechselerkrankung Bedingung sein muss. Die Neuropathie kann unterschiedliche afferente und efferente Nerven betreffen: a) sensible Neuropathie mit Interaktion mit dem RANK- L/OPG System(receptor activator nuclear transcription factor kappa B/ osteoprotegerin) als mögliche Ursache für eine enthemmte Inflammationsreaktion nach Bagatelltrauma oder repetitivem Stress, b) autonome Neuropathie mit Störung der Gefäßregulation und Öffnung von arteriovenösen (A/V)Shunts als mögliche Ursache für Osteopenie, c) motorische Neuropathie mit funktionellen Störungen der intrinsischen Fußmuskulatur und folglichen Gangbildstörungen und Fehlbelastungen als Ursache für statische und dynamische Mehrbelastung. Eine vielschichtige Ursachenkaskade aus Neuropathie, repetitiven Traumata, Hypervaskularisation und molekularbiologischen Veränderungen des Knochenstoffwechsels können bei fehlendem schützendem Schmerzempfinden (loss of protective sensation) die dramatische Schädigung auslösen. Prädilektionsstellen für Charcot-Deformitäten
entsprechen den Schädigungs-Lokalisationen des nicht neuropathischen Fußes. Die Neuropathie ist die Grundlage der Pathogenese des Charcot-Fußes. Für ca. 80% der Neuropathien gilt der Diabetes mellitus (D.m.) als Ursache. Der additive Effekt aus D.m. in Kombination mit den Neurotoxinen C2 H5 OH und Nikotin ist nicht untersucht, aber sicher in einem hohen Prozentsatz anzunehmen. Ischämische und idiopathische Neuropathien sind in kleinem Prozentsatz vertreten. Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) muss in die klinisch wichtigen Entitäten aufgeteilt werden: -
25% Angiopathie, 25% Angiopathie/Neuropathie, 50% Neuropathie, 5% Charcot Arthropathie.
Aktuell publizierte Zahlen der AOK für das Jahr 2007 legen eine Inzidenz von Charcot-Arthropathien bei Diabetikern von ca. 7/1000 nahe. Daraus würden sich schätzungsweise 6.000 Neuerkrankungen pro Jahr ergeben. Stuck et.al. (2008) gehen von einer Häufigkeit von 0,12% Charcot-Erkrankungen pro Jahr in der Gesamtpopulation der Patienten mit D.m. aus. Das Auftreten von Adipositas und Polyneuropathie erhöht diesen Anteil. Aus diesen Zahlen würde sich eine Erkrankungshäufigkeit von 8.500 Neuerkrankungen pro Jahr für Deutschland ergeben. Die AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft geht von einer Häufigkeit von etwa 10% DNOAP bei Patienten mit DFS aus. Die Charcot-Arthropathie kann im lebenslangen Verlauf in bis zu 30% der Fälle mit gleichzeitiger relevanter peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) kombiniert sein. Mischbilder aus
Vorschlag eines Konsensus zur operativen Therapie der Charcot-Arthropathie Charcot-Deformität und Makroangiopathie sind möglich. Die Komplexität des Krankheitsbildes kann nur unterschätzt werden. Metaanalysen zeigen Überlebenswahrscheinlichkeiten für Charcot-Patienten zwischen 30 und 50% im 5-Jahresverlauf. Die Charcot-Erkrankung ist einer malignen, lebensbegrenzenden und damit bei Diagnosestellung einer lebensverändernden Erkrankung gleichzusetzen.
Einteilung der Charcot-Arthropathie Die Einteilung der Charcot-Arthropathie erfolgt nach der Lokalisation des Gelenkbefalls und dem zeitlichen Verlauf der Erkrankung. Für die Lokalisation hat sich die Einteilung nach Sanders [3] eingebürgert. Die Sanders-Klassifikation ist wegen vieler Grenzfälle und möglichem Befall mehrerer Gelenkreihen problematisch, eine praxisnähere Alternative besteht noch nicht. Sie erlaubt eine radiologische Zuordnung, die mit dem klinischen Bild nicht immer korreliert, so dass dieser Klassifikation zuzuordnende OP-Empfehlungen nicht ausgesprochen werden können. Die zweite gebräuchliche Einteilung, die Eichenholtz-Klassifikation, beschreibt den zeitlichen Verlauf von Gelenkzerfall und Reparationsprozessen. Sie ist eine rein radiologischdeskriptive (Entwicklungs-, Koaleszenz- und Rekonstruktionsstadium) Einteilung. Heute ist das Entstehungsstadium besser erfassbar. MRT und Szintigraphie zeigen Knochenödem bzw.-umbauaktivität, bevor radiologische Veränderungen sichtbar werden. Dies korreliert mit dem Beginn der klinischen Symptome. Die Einteilung als Stadium ,,I‘‘ wie von Eckhardt und Lobmann [1] vorgeschlagen, halten wir für unglücklich, da international im Wesentlichen die Eichenholtz-Klassifikation angewendet wird. Der Eichenholtz-Klassifikation ein Stadium ,,0‘‘ voranzustellen, wäre ebenso problematisch. Aus klinischer Sicht handelt es sich um den Beginn der Erkrankung und nicht um ein ,,Prodromalstadium‘‘. Aus diesem Grunde halten wir die Bezeichnung Stadium ,,0‘‘ für ungeeignet. Die Dramatik des unbehandelten Krankheitsbildes könnte unterschätzt werden. Als praxisnahe Alternative sehen wir die Unterteilung des Stadium I in die Stadien IA und IB. Stadium IA kennzeichnet den Krankheitsbeginn mit Entzündungszeichen und bone bruise im MRT und/oder Umbauaktivität in der Szintigraphie. Im Stadium IB werden zusätzlich die typischen radiologischen Veränderungen sichtbar. Das zur Klassifikation des DFS übliche San Antonio Wound Classification System (I- III und A, B, C,
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D) sollte um die Kategorie E: Dialyse ergänzt werden. Für die Charcot-Arthropathie ist dieses System nur zur Beurteilung bestehender Ulzerationen geeignet. Die ossären Destruktionen werden nicht ausreichend abgebildet. Eine unscharfe Abbildung eines Charcot-Fußes mit Ulkus ist vorprogrammiert.
Diagnostik der Charcot-Arthopathie Anamnese, Klinik (Neurologie!) und Nativröntgenbild (Charcot-Status: Vor- und Mittelfuß ap, ganzer Fuß seitlich und oberes Sprunggelenk ap) sind zur Diagnosestellung ausreichend. Das Ausmaß des Knochenmark-Ödems und die befallenen Knochen können heute mit dem MRT sicher erfasst werden. Bei klinischem Verdacht auf ein Stadium ,,IA‘‘ ohne Röntgenveränderungen müssen ein MRT und/oder eine nuklearmedizinische Untersuchung erfolgen. Es ist nicht geklärt, in wie weit ein nachweisbarer ,,bone bruise‘‘ bei Patienten mit Polyneuropathie (PNP) auf die Entwicklung einer Charcot-Arthropathie hinweist oder diese begünstigt. Möglicherweise ergibt sich aus der MRTBildgebung im Verlauf ein Kriterium zur Steuerung der Wieder-Belastung einer betroffenen Extremität. Die Differentialdiagnose von CharcotOsteoarthropathie und Osteomyelitis ist unverändert schwierig und nur in etwa drei Viertel der Fälle bei konsequenter Nutzung klinischer und bildgebender Technik möglich. Dem PET-CT wird hier möglicherweise eine Bedeutung zukommen. Der Keimnachweis bei bestehenden Ulzerationen sollte mittels Abstrich aus der Tiefe der Ulzeration oder besser aus dem Knochen erfolgen. Idealerweise soll die Keim-Typisierung vor der stationären Krankenhaus-Aufnahme erfolgen. Die Isolation und Behandlung von MRSA(Methicillin resistenter Staphylokokkus aureus) u. ä. Keime stellen ein ernstes Problem dar. Eine Labordiagnostik ist zur Unterscheidung zwischen einer akuten Charcot-Arthropathie und einer Osteomyelitis mit Abszedierung wenig geeignet. Creaktives Protein (CRP) und Leukozyten sind in der Akutphase — auch ohne nachweisbaren Infekt — immer erhöht. Auf Grund der Multimorbidität der Patienten ist ein Gefäßstatus bei der Aufnahmeuntersuchung unerlässlich. Tastbare Fußpulse sind ein guter klinischer Parameter, reichen jedoch zur Sicherung der Durchblutung der unteren Extremität nicht aus. Die optimale Blutzucker-Einstellung ist selbstverständliche Bedingung jedweder erfolgreicher Therapie.
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Therapiegrundsätze der Charcot-Arthropatie Die Therapie des Charcot-Fußes ist primär und prinzipiell zunächst konservativ. Bei einem deformierten, aber plantigradem und stabil im Hilfsmittel belastbarem Fuß ohne Progredienz der Deformität ist die Therapie primär in einer 2-Schalen-Orthese oder einem Total Contact Cast (TTC) möglich. Der TCC, die 2-Schalen-Orthese und individuelle AFO (ankle foot orthosis) haben ein unterschiedliches Risiko-Nutzen-Profil. Die Auswahl obliegt einzig dem behandelnden Arzt. Die Schäden durch unsachgemäße Hilfsmittel können immens sein, daher sind wirtschaftliche Aspekte als zweitrangig zu werten. Bei der orthetischen Behandlung nach Abklingen der akut-entzündlichen Phase mit Totalentlastung kommt es vor allem auf eine rigide dreidimensionale Ruhigstellung des Fußes einschließlich Aufhebung der Tibiarotation an und nicht nur ausschließlich auf eine Entlastung. In der akuten Phase sind Entlastung (im Rollstuhl) und eine stationäre Aufnahme für ein Staging sinnvoll. Diese Zeit kann sinnvoll zur Schulung der Patienten genutzt werden. Primär ist die Dauer dieser Phase mit ca. sechs bis acht Wochen zu schätzen. Die Belastungssteigerung erfolgt nach klinischen Parametern. Der Rückgang von Schwellung, Rötung, Überwärmung und des Ödems ist das Kriterium, evtl. wird ein MRT durchgeführt. Eine frühe Wieder- bzw. Auflastung sollte angestrebt werden, um einer zusätzlichen Inaktivitätsatrophie des Knochens vorzubeugen. Schrittlänge und Ganggeschwindigkeit in der Orthese sollten reduziert werden. Teilbelastung ist bei Patienten mit Polyneuropathie nicht praktikabel. Die Belastungssteuerung kann alternativ durch eine zeitliche Limitierung der Belastung gesteuert werden. Kenntnisse im orthopädischen Schuh- und Einlagenbau sind für alle Behandler zwingend. Die Vermittlung von Kenntnissen der Technischen Orthopädie muss insbesondere unter den Bedingungen der geltenden Weiterbildungsordnung intensiviert werden. Eine zentrumsorientierte Behandlung der Charcot-Patienten sollte angestrebt werden. Grundsätzlich muss dringend von einer primär operativen Behandlung durch unerfahrene Behandler gewarnt werden, da häufig die falsche Differentialdiagnose ,,Phlegmone‘‘ zu einer katastrophalen und nicht mehr reversiblen Entwicklung führt, die nicht selten in einer Majoramputation endet. Die Anpassung der konservativen und operativen Therapie an das Unvermögen der neuropathischen Patienten, eine befallene Extremität zu entlasten,
R. Springfeld et al. wird die entscheidende Herausforderung in der Therapie der Charcot-Patienten werden. Der stets drohende Verlust der ,,Leibesinsel‘‘ Fuß [2] muss zu einem Umdenken der Behandler führen: Nicht immer sind nur die Patienten ,,non compliant‘‘!
Grundsätze der operative Therapie des Charcot-Fußes Bei Charcot-Arthropathie mit akuter Luxation und/oder signifikanter Instabilität ist die geschlossene Reposition und Retention im Gips oder dem Fixateur externe als alleinige Maßnahme dauerhaft meist wirkungslos. Eine operative Stabilisierung im Sinne einer auch temporären perkutan durchgeführten Arthrodese der betroffenen Gelenke ist sinnvoll. Das anatomische 2-Säulen-Modell und die Biomechanik des Fußes müssen bei allen Rekonstruktionen berücksichtigt werden. Die notwendige Fixation auch der lateralen Säule sollte in jedem Fall geprüft werden. Operative Korrekturen bei absehbar schlechtem konservativem Ergebnis sollten möglichst früh nach Abklingen der akuten Phase erfolgen. Drohende Perforationen oder abgeheilte Ulzerationen mit hohem Rezidivrisiko durch ,, Druck von innen‘‘ sollten rechtzeitig operativ angegangen werden. Ulzerationen sind nicht zwingend ein Hinderungsgrund für die operative Korrektur. Unterschieden werden müssen Ulzera mit Infektion und/oder Osteomyelitis und besiedelte/kontaminierte Ulzera ohne Infektionszeichen. Letztere stellen keine Kontraindikation für einen korrigierenden Eingriff dar. Infizierte Charcot-Arthropathien stellen den ,,GAU‘‘ schlechthin dar. Infizierte Charcotfüße unterliegen den Kriterien der septischen Chirurgie. Sie müssen gesondert gesehen werden. Bei instabilen, infizierten Situationen sind radikales Débridement, bedarfsorientierte Ruhigstellung im Fixateur externe und testgerechte antiinfektiöse Therapie Grundsatz. Auch Amputationen können bei vitaler Gefährdung notwendig werden. Diese Amputationen, ob ,,äußerlich‘‘ oder ,,innerlich‘‘, müssen biomechanischen Prinzipien folgen und eine spätere orthopädietechnische Versorgung berücksichtigen und zulassen können. Häufig werden klinisch Exostosen beschrieben; dies ist im pathologisch- anatomischen Sinne inkorrekt. Da es sich in der Regel aber um dislozierte Fußwurzelknochen oder Teile derselben handelt, wäre die Bezeichnung Pseudo-Exostosen besser. Die operative Korrektur sollte nach Möglichkeit die Reposition des Fußes in allen drei Raumebenen erzielen. Diese Korrekturen werden subtraktiv
Vorschlag eines Konsensus zur operativen Therapie der Charcot-Arthropathie und nicht additiv durchgeführt. Die Korrektur eines vertikalen Talus ist unverzichtbar. Allogene Spongiosa oder Knochenersatzmaterial sind nicht empfehlenswert, autogene Spongiosa ist nicht zwingend erforderlich. Eine Kompression der Arthrodesen sollte nur bei guten Knochenverhältnissen angestrebt werden. Der EquinusKomponente des Rückfußes sollte durch eine Achillessehnenverlängerung begegnet werden. Die intramuskuläre Verlängerung des M. triceps surae bei positivem Silverskjöld-Zeichen kann großzügig gestellt werden. Perkutane Verfahren sind möglich, bedürfen aber einer konsequenten Ruhigstellung z. B. im Total Contact Cast (TCC) für sechs Wochen. Vollständige Tenotomien der Achillessehne sollten wegen der Möglichkeit der Überkorrektur und damit Entwicklung eines Hackenfußes vermieden werden. Die Phase der Totalentlastung des operierten Fußes sollte zur Vermeidung einer Inaktivitätsosteoporose möglichst kurz (6—8 Wochen) sein. Zur Beurteilung der postoperativen Fusion ist das CT dem Nativröntgenbild überlegen. Knöcherne Durchbauung erlaubt Belastung. Mittels CT kann die Entlastungszeit individueller gestaltet und möglicherweise verkürzt werden. Allen Operateuren muss bei der Planung und Durchführung der Rekonstruktion bewusst sein, dass Charcot-Patienten in der Regel nicht teilbelasten können.
Operative Therapie der Charcot-Deformitäten Weder die Eichenholtz- noch die SandersKlassifikation erlauben eine klare Zuordnung von Operationsverfahren. Aus praktischen Gründen wird im Folgenden dennoch die Sanders-Einteilung gewählt.
SANDERS I Es findet sich der Befall der Phalangen der Zehen und der distalen Metatarsalia (candy stick deformity). Der Verlauf ist anders als bei den übrigen Charcot-Lokalisationen. Deshalb wird dieser Typ in der Klassifikation z.B. von Brodsky nicht berücksichtigt. Unter den Patienten mit Sanders-I-Deformität findet sich ein hoher Anteil von pAVK-Patienten. Hier sei nochmals auf die zwingend erforderliche Gefäß-Diagnostik hingewiesen. Die Therapie erfolgt, wenn möglich, konservativ durch Entlastung über einen Schuh-Einlagenbau. Es kann eine regionale Entlastung in allen Wagner-
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Stadien auch vorübergehend punktuell erfolgen. Ein Nachteil gegenüber dem TCC besteht nicht. Falls eine operative Intervention notwendig wird, sind ein Débridement der Ulzeration, die Resektion von Knochenvorsprüngen und PseudoExostosen sowie die Korrektur von Gelenkfehlstellungen durch korrigierende Weichteileingriffe erforderlich. Innere Amputationen müssen sinnvoll gegen Strahlresektionen abgewogen werden.
SANDERS II Die Arthropathie befällt laut Definition die LisfrancGelenkreihe. Übergänge zur Articulatio innominatum und zum Os naviculare sind möglich. Der Befall der lateralen Säule kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Ein Mischbild des Sanders-Stadiums II-III ist häufig. Die Befalls- und Schädigungsmuster sind deshalb sehr different. Typische klinische Zerstörungsmuster zeichnen sich nicht ab. Pseudo-Exostosen bzw. luxierte Fußwurzelknochen können von medial oder lateral reseziert werden. Der beste Zugang ist der jeweilige Fußaußenrand. Voraussetzung dafür ist die Stabilität der Fußwurzel. Die Deviation bei einem Lisfranc-Befall kann mit zwei- oder dreidimensionalen Keilentnahmen reorientiert werden. Ohne Befall der lateralen Säule ist eine rein mediale Fusion möglich. Andernfalls ist — anders als in der Traumatologie — auch die laterale Säule zu stabilisieren. Zur Fixation eignen sich interne und externe Stabilisatoren. Hinsichtlich der besten Fixationsmethode besteht Dissens. Konsens besteht hingegen hinsichtlich einer ,,Überfixation‘‘. Es wird mehr Stabilität als in der Traumatologie üblich benötigt. Pes-equinus-Stellungen mit Vor- und Mittelfußüberlastungen sollten mit einer Achillessehnenverlängerung adressiert werden. Befundabhänig sind vollständige (Z-Plastik) oder intramuskuläre Teilverlängerungen möglich. Da durch die Operation als ,,Trauma‘‘ für den Fuß die Entwicklung oder das Aufflammen einer Charcot-Reaktion möglich ist, bedarf es einer postoperativen Ruhigstellung im Cast oder einer Orthese.
SANDERS III Klassisch ist das Chopart-Gelenk betroffen. Da auch hier ein Übergreifen auf den Mittelfuß möglich ist, kann die Sanders-Klassifikation oftmals nicht scharf verwendet werden. Wegen der wichtigen biomechanischen Funktion des Talo-Navikularen Gelenkkomplexes sind diese Destruktionsformen besonders schwerwiegend. Die
240 Dislokation des Talus als Talus verticalis und die Luxation des Cuboids nach plantar stellen eine Herausforderung an Reposition und Fixation dar. Der die Reposition hemmende Einfluss der verkürzten Achillessehne sei nochmals betont. Nach der Reposition sollen die knöchernen Fusionen medial und lateral erfolgen. Die Einbeziehung auch des nicht befallenen subtalaren Gelenks in die Arthrodese erscheint sinnvoll, um Rotationskräfte aus dem Unterschenkel auf den Talus zu minimieren. Zum Längenausgleich der medialen und lateralen Säule sollten subtraktive Arthrodesen angewandt werden. Ähnlich dem Sanders-II-Stadium sind interne oder externe Fixierung möglich. Gelegentlich müssen interne mit externen Stabilisierungen kombiniert werden, um eine ausreichende Stabilität zu erzielen.
Sanders IV Definitionsgemäß handelt es sich um den Befall des oberen Sprunggelenks (OSG) und des Subtalargelenkes. Ein Übergreifen auf den Talus ist möglich. Ein besonderes Problem entsteht durch den Stabilitätsverlust des OSG mit Fehlstellung in der Frontalebene. Mit den üblichen Regeln einer Dreipunktabstützung bei konservativer Therapie ist bei neuropathischen Patienten Vorsicht geboten. Ulzerationen der Malleolen sind die häufige Folge. Chirurgisch wird die tibio-talare Arthrodese, wenn möglich mit großen Kontaktflächen, angestrebt. Die Astragalektomie ist bei rigiden Deformitäten eine gute Option. Die dadurch erzielte Weichteilentlastung zur Korrektur der Deformität ist hilfreich. Die dann angestrebte Tibio-calcaneareFusion oder straffe Pseudarthrosen bedürfen langer Stabilisierungszeiten in einer Orthese mit axialer Lasteinleitung (bis 12 Monate). Fixateur externe oder intramedullärer Arthrodese-Nagel, aber auch stabile Plattensysteme sind Fixationsoptionen.
Sanders V Der Befall des Fersenbeins führt zu einem Stabilitätsverlust. Diese Form ist selten. Solange wie möglich sollte die konservative Behandlung genutzt werden. Diese ist jedoch ineffektiv bei kontinuierlicher Fragmentdislokation durch Zug der Achillessehne. Stabile 2-Schalenorthesen bis zum Ausheilen der Aktivität sind nötig. Behandlungszeiten von bis zu 12 Monaten sind möglich. Der
R. Springfeld et al. Achsverlust stellt ein Problem dar. Insbesondere sind Abweichungen in der Frontalebene kaum zu kompensieren. Achskorrekturen mit dem Fixateur externe oder dem intramedullären Nagel stellen eine Option zur Reorientierung dar.
Schlussbemerkung Diese Zusammenfassung stellt nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, sondern den Versuch, aus der vorhandenen Literatur, den persönlichen Erfahrungen und der praktisch-klinischen Tätigkeit der Autoren einen tragfähigen gemeinsamen Konsensus zu entwickeln. Einem Einzelkämpfer allein wird dies auf Grund der Komplexität des Krankheitsbildes kaum gelingen. Es handelt sich jedoch um eine wenig evidenzbasierte Zusammenfassung. Ursache hierfür sind die nur wenigen Studien zu operativen Verfahren bei Charcot-Füßen, die 100 Patienten übersteigen. Studien, die den Anforderungen höher als Level IV entsprechen würden, gibt es nicht. Wir wünschen uns eine lebhafte Diskussion zu dieser Thematik. Es sollte gelingen, ein Konzept zu erarbeiten, dass die Operationen der CharcotNeuro-Arthropathie aus dem Erfahrungshorizont einiger weniger auf eine breitere und wissenschaftlichere Basis zu stellen. Eine neue praxisorientierte Klassifikation der Charcot-Arthropathie analog zum TNM- Schema bei Tumorerkrankungen wird eine wichtige Aufgabe für die nahe Zukunft sein. R. Springfeld, Hamburg A. Koller, Rheine G. Engels, Köln R. Fiedler, Rheine E. Orthner, Klagenfurt S. Schrinner, Nürnberg A. Sikorski, Rheinbach
Literatur [1] A. Eckhardt, R. Lobmann, Der diabetische Fuß: Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie, Springer, Berlin Heidelberg, 2005. [2] A. Risse, Phänomenologie und Diabetologie in Leib und Gefühl, Akademie- Verlag, Berlin, 1995. [3] L.J. Sanders, R.G. Frykberg, Charcot Neuroarthropathy of the Foot: Evaluation: Techniques and Nonsurgical Management, in: Levin and O‘Neal‘s The Diabetic Foot, sixth edition, Mosby, Philadelphia, 2008.