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Schwerpunkt III
Wettbewerb zwischen Krankenh¨ausern – aus der Sicht eines Krankenhaustr¨agers Joachim Bovelet ¨ Gesundheit GmbH, Berlin Vivantes Netzwerk fur
Zusammenfassung Der Wettbewerb ist intensiv, der Kostendruck enorm. Vivantes wird auf die Marktsituation offensiv reagieren, um sich erfolgreich auf dem Markt zu ¨ positionieren. Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit werden auf der Basis des kommunalen Versorgungsauftrags erfolgen, ¨ darf es nicht geben. In Zeiten knapper eine Verschlechterung der Qualitat
Kassen setzt Vivantes die begrenzten Mittel sorgsam und gezielt an den ¨ Stellen ein, wo sie den großten Nutzen entfalten. Durch sinnvolle Konzentrierung der Leistungen, effektive Strukturen und eine zielgerichtete Verzahnung der Prozesse wird Vivantes seine ehrgeizigen Unternehmensziele erreichen.
¨ ¨ Schlusselw orter: ¨ Unternehmensstruktur, Leistungsdifferenzierung, Tragerschaft, Qualitatstransparenz, Kundenorientierung, Krankenhauswettbewerb ¨
Legal and ethical limitations of competition in healthcare from a hospital owner’s perspective Summary Competition is tough and the cost pressure enormous. Vivantes will actively meet the challenges of the market to gain a strong market position. All measures to improve competitiveness will be taken on the basis of the communal mandate to provide prioritised medical care; quality standards need to be maintained. In times of tight budgets Vivantes uses
the limited funds carefully and focuses on using them wherever they will be most beneficial. Vivantes will achieve its ambitious business objectives by concentrating services sensibly, using efficient structures and focussing on interlocking processes.
Key words: organisational structure, service differentiation, ownership, quality transparency, customer orientation, inter-hospital competition
¨ Veranderung durch Wettbewerb Der Berliner Krankenhaus-Sektor ist seit Jahren einem spezifischen Strukturwandel ausgesetzt. Dieser beschleunigt
sich infolge der Effekte gesetzgeberi¨ scher Veranderungen beispielsweise durch das Auslaufen der Konvergenzphase im Zusammenhang mit der Einfuhrung ¨ DRG-basierter Fallpauschalen, der Umsetzung des EuGH-Urteils zur Arbeitszeit aber auch durch die
¨ neuen Gestaltungsmoglichkeiten des ¨ SGB V. Viele Krankenhauser reagieren mit Leistungsanpassungen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Die deutliche Senkung der Pflegetage, der Verweildauer oder auch der Betten¨ Kapazitaten sind nur einige der zahlrei-
Korrespondenzadresse: Joachim Bovelet, Vorsitzender der Geschaftsf ¨ uhrung, ¨ Vivantes Netzwerk fur ¨ Gesundheit GmbH, Oranienburger Straße 285, 13 437 Berlin.
E-Mail:
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ARTICLE IN PRESS ¨ wird aller Einwohner der Stadt. Erganzt der klassische Krankenhausbetrieb durch ein großes Rehabilitationszentrum, einen ambulanten Pflegedienst und 12 Senioreneinrichtungen. Die Ausbildung des Vivantes eigenen aber zum Teil auch des Berliner Nachwuchses in der Kranken- und Altenpflege, als Operations-Assistent (OTA) oder fur ¨ den Beruf der Hebamme, wird vom Vivantes eigenen Bildungs-Institut ¨ (IbBG) durchgefuhrt. Das Spektrum des Unternehmens wird durch Tochtergesellschaften fur ¨ Dienstleistungsberei¨ che erganzt. Vivantes ist mit dieser ¨ Struktur und Wertschopfungskette breit aufgestellt. Entscheidendes Merkmal dabei ist, das Vivantes einem kommunalen Versorgungsauftrag, das heißt faktisch auch einer umfassenden gesellschaftlichen Verpflichtung, nachkommt (Abb. 1). Steht die Erfullung dieses Versorgungs¨ auftrages nicht diametral den auch fur ¨ Vivantes geltenden Wettbewerbs-Bedingungen auf dem Gesundheitsmarkt gegenuber? Ist es nicht ein Wider¨ spruch in sich, gewinnorientiert agieren zu wollen und gleichzeitig ein Allround-Versorger sein zu wollen? ’’ Vivantes stellt sich der Herausforde¨ rung, trotz verscharften Wettbewerbsbedingungen eine umfassende Versorgung fur ¨ eine große zunehmend alternde Metropole anzubieten, auf der ¨ Grundlage ausfuhrlicher demografi’’
chen Auswirkungen, die bei gleichzeitiger Steigerung der Fallzahlen kontinuierlich zu beobachten sind. ¨ ein verstarkter ¨ Ware Wettbewerb die richtige Antwort auf gestiegene Kosten und Beitragssatze? ¨ Diese Verdichtung der Prozesse und gleichzeitige Verlagerung von statio¨ naren Leistungen in den ambulanten Sektor haben zur Folge, dass von erheblichen Fallzahlsteigerungen im statio¨ Bereich nicht generell ausgegannaren gen werden kann. Der strategischen ¨ Positionierung einzelner Hauser kommt ¨ damit eine immer großere Bedeutung ¨ zu. Viele Krankenhauser haben ihre Hausaufgaben gemacht: das schließt ’’ strategische Standortbestimmungen und entsprechende Maßnahmen ein. Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese Bemuhungen ¨ ausreichen, um die kommenden Jahre zu uberleben. ¨ Parallel zu diesen Entwicklungen sind ¨ ¨ Veranderungen der Tragerschaft von ¨ Krankenhausern keine Seltenheit mehr. ¨ Gehorten im Jahr 1991 noch 46 Pro¨ ¨ zent aller Krankenhauser der offentlichen Hand, so sind im Jahr 2008 ¨ nur noch 32 Prozent aller Hauser in ¨ ¨ offentlicher Tragerschaft. Der Anteil privater und freigemeinnutziger ¨ Kran¨ ¨ inzwischen ca. 30 kenhauser betragt Prozent. Die Gesamtzahl aller Kliniken ist im selben Zeitraum um 13 Prozent zuruckgegangen. ¨ Vivantes ist allerdings nicht der Auffassung, dass es per se ein Wettbewerbsnachteil ist, unter kom¨ munaler Tragerschaft zu stehen.
¨ scher und morbiditatsbezogener Analysen. Fur ¨ die heutige Vivantes Netzwerk fur ¨ Gesundheit GmbH wurden 2001 zehn ¨ ¨ bis dahin eigenstandige stadtische ¨ Krankenh¨auser unterschiedlicher Große ¨ fusioniert. Das grundsatzliche medizini¨ sche Spektrum der einzelnen Hauser ist ¨ ein großtenteils historisch gewachsenes. ¨ ¨ Ausgewahlte Hauser konnten auf eine ¨ uber ¨ 100-jahrige medizinische Tradition in der Berliner Patientenversorgung schauen. Notwendige medizinische Leistungs-Differenzierungen einzelner Standorte zu initiieren erfordert somit anspruchsvolle und komplexe Prozesse. In Zeiten finanziell restriktiver Bedingungen muss jedoch der Handlungsspielraum des Unternehmens auf allen Ebenen deutlich umfassender als in der Vergangenheit genutzt werden – in enger Abstimmung mit der Gesundheitspolitik. Neben der medizinischen Leistungsdifferenzierung legt Vivantes ein weiteres ¨ Augenmerk auf die Gebaudestruktur ¨ der Standorte. Diese Gebaudestrukturen und der Zustand der Standorte fordern in den kommenden Jahren Instandhaltungs- und Investitionsauf¨ wendungen, um die Gebaudesubstanz zu erhalten und eine Krankenversor¨ gung anbieten zu konnen, die den Erwartungen der Patienten entspricht. Fur ¨ weitere Effizienzsteigerungen bedarf es ¨ um jedoch neuer Gebaudestrukturen
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Stellung von Vivantes auf dem Berliner Gesundheitsmarkt Heute sichert Vivantes an neun Standorten ein Drittel der Krankenversor¨ gung in den somatischen Facher des Berliner Ballungsgebietes. Die Versorgungspalette reicht von der kiezna’’ hen Grund- und Regelversorgung bis ¨ ¨ zu Hausern der hochsten Versorgungsstufe. Vivantes hat 2008 uber ¨ 194.000 ¨ be(2007:189.279) Patienten stationar handelt. Auf dem Gebiet der psychiatrischen Versorgung ist Vivantes ¨ großter Anbieter in Berlin und sichert die Versorgung fur ¨ nahezu 50 Prozent ’’
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Abb. 1. Wettbewerb in Berlin: Netzwerk Vivantes. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 649–652 www.elsevier.de/zefq
ARTICLE IN PRESS ¨ Vivantes nachhaltig wettbewerbsfahig zu machen.
Positionierung von Vivantes im Jahr 2008 Erfolgsfaktoren im Krankenhaus sind ¨ Fur Wirtschaftlichkeit und Qualitat. ¨ Vivantes stehen diese beiden Faktoren in keinem Widerspruch. Das Unternehmen hat seit seiner Grundung ¨ im Jahre 2001 umfassende Sanierungsarbeiten erfolgreich abgeschlossen. Die guten Ergebnisse bei der Zentralisierung der Verwaltung und der medizinischen Servicebereiche, gleichzeitiger Senkung von Personal- und Sachkosten sind auch deshalb bemerkenswert, weil sie ohne Einschnitte in der Versorgungs¨ erreicht wurden (Abb. 2). qualitat Die Straffung der Strukturen in der Verwaltung, (IT, der Bereich Personal, der Finanzbereich aber auch das Labor und die Apotheken) brachte den Vivantes Mitarbeitern deutlich verbesserte Ar¨ beitsablaufe. Entscheidend jedoch ¨ wirkten die Veranderungen sich in der Patientenversorgung aus. Eindrucksvoller Beleg fur ¨ die erfolgreiche Umstrukturierung sind die seit Jahren sehr positiven Ergebnisse in den kontinuierlich durchgefuhrten ¨ Patientenbefragungen ¨ in allen neun Vivantes Hausern. Transparent und nachvollziehbar spiegeln sich die medizinischen Ergebnisse im ¨ Vivantes Qualitatsbericht fur ¨ die Berli-
¨ ner Bevolkerung und Mitbewerber am Markt wider. Ziel von Vivantes bleibt es, ¨ kontiPatientennutzen und Qualitat ¨ nuierlich zu steigern. Dabei stehen fur Vivantes, als integriertem Gesundheitsdienstleister, Patientensicherheit, Kun¨ denorientierung und Qualitatstransparenz im Focus. Die Maßnahmen zur Umstrukturierung und Kosteneinsparung fuhrten ¨ trotz einer kontinuierlichen Budgetabsenkung zu positiven Betriebsergebnissen seit dem Jahr 2004. Ungeachtet dieser erfolgreichen Maßnahmen ist fur ¨ die Sicherung eines langfristigen Unternehmenserfolgs die Weiterverfolgung der konsequenten Ausrichtung auf die me¨ und die Weiterentdizinische Qualitat wicklung des medizinischen Leistungs¨ spektrums unerlasslich.
Weitere Strukturanpassungen bis zum Jahr 2015 Die bisherigen Sanierungsmaßnahmen haben die Betriebsstrukturen noch nicht nachhaltig optimiert. Weitere einschneidende Maßnahmen werden not¨ der einzelnen wendig sein. Die Große Kliniken ist durch Bettenabbau bei nahezu konstanter Anzahl gesunken, die ¨ liegt desdurchschnittliche Klinikgroße halb weit unter optimalen Einheits¨ großen. Die durchschnittliche Stations-
¨ ¨ große ist in der aktuellen Gebaudestrukturen sehr klein. Die Betriebs¨ flachen sind doppelt so hoch wie in optimierten Krankenhausneubauten, ¨ die Flachenkennzahlen beschreiben einen deutlichen Handlungsbedarf. Zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist eine differenzierte Strukturbereinigung notwendig. Detaillierte Analysen der Einflussfakto¨ ren auf die kunftige Ergebniserwartung ergeben fur ¨ Vivantes nachstehendes Bild: Fur ¨ die folgenden Jahre ist mit weiteren negativen Effekten zu rechnen, denen strategisch begegnet werden muss. ¨ Großtenteils sind das Rahmenbedin¨ gungen, mit denen alle Krankenhauser ¨ konfrontiert sein werden. Dazu zahlen Personal- und Sachkostensteigerungen, die sinkende Vergutung ¨ fur ¨ Krankenhausleistungen, fixe Budgets – eine unklare Finanzierung von Mehrleistungen ab dem Jahr 2009, der Sanierungsbeitrag fur ¨ die Krankenkassen und Mehr¨ wertsteuererhohungen. Ebenso wer¨ infolge der den die sinkenden Erlose ¨ Basisfallwertanpassung wahrend der DRG-Konvergenzphase, ungenugende ¨ Kostentransparenz gegenuber ¨ Krankenkassen und ein weiterer Ruckzug ¨ ¨ der (kommunalen) Trager aus der Krankenhausfinanzierung weitere reglementierende Faktoren fur ¨ alle Kran¨ sein. Wie bei vielen anderen kenhauser auch bleibt das Problem der zunehmenden Instandhaltungsaufwendun¨ ¨ gen zu losen – und der Gebaudestrukturen an den einzelnen Standorten, die ¨ die Einfuhrung ¨ moderner zeitgemaßer Formen der Krankenversorgung erschweren.
Zukunftssicherung durch strukturelle Weiterentwicklung der Vivantes Kliniken
¨ – kein Widerspruch. Abb. 2. BU: Wirtschaftlichkeit und Qualitat Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 649–652 www.elsevier.de/zefq
Auf der Basis umfangreicher Wettbewerbs- und Potenzialanalysen ermittelt ¨ HandVivantes jetzt seinen prazisen lungsbedarf fur ¨ jeden seiner Standorte in Berlin, der fur ¨ die Erreichung der gesteckten Unternehmensziele notwendig ist.
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Abb. 3. Einzugsgebietsanalysen – Vivantes Gesamt 2007.
Strukturanpassungen: Ausgangsfragen Wo stehen wir heute?
Welchen Versorgungsanteil haben wir in Berlin? Wie wird sich die Soziodemographie der Stadt entwickeln? Wie wird sich der medizinische Versorgungsbedarf entwickeln?
Dabei fließen u.a. Erkenntnisse soziodemographischer Betrachtungen, Wanderungsbewegungen innerhalb Berlins und Kaufkraftverteilungen ebenso mit ein
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wie Analysen und Hochrechungen zu ¨ Krankenhausfallen auf Stadtbezirksebene (Abb. 3). Was bedeuten diese Ergebnisse fur ¨ Vivantes? Alle erhobenen Daten munden ¨ in die ¨ Entwicklung eines zukunftsfahigen und abgestuften Versorgungskonzeptes un¨ ter Ausnutzung der regionalen Prasenz der einzelnen Vivantes Standorte in den Stadtbezirken einerseits und unter Nutzung regionaler Verbundvorteile andererseits. Die beschriebenen Struktur¨ schwachen in den Kliniken werden bei¨ spielsweise durch Vergroßerung der Einheiten und Bildung innovativer Organisationsstrukturen behoben wer¨ den. Dadurch konnen Synergien besser genutzt, Doppelvorhaltungen minimiert und Ressourcen flexibler einge-
setzt werden. Vivantes wird das Profil ¨ der bestehenden Standorte scharfen, ungeachtet dieser stringenten Konzentrierung und der differenzierten Abstu¨ fung des stationaren Angebotes der einzelnen Standorte wird es auch um ¨ den Ausbau von erganzenden komple¨ mentaren Leistungsfeldern gehen. Das Leistungsportfolio des Unternehmens ¨ soll dabei nicht eingeschrankt werden sondern passend, zum jeweiligen Standort und dem zukunftigen ¨ Versorgungscharakter des Hauses angeglichen werden. Insgesamt gilt es Strukturen zu schaffen, die den bestehenden Investitions- und Instandhaltungsbedarf fur ¨ die vorhandene Bausubstanz reduzieren. Die Entwicklung eines Investiti¨ onskonzeptes erganzt die Planungen.
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