Cytokinin in den ,,grünen Inseln“ des Herbstlaubes1)

Cytokinin in den ,,grünen Inseln“ des Herbstlaubes1)

Flora, Abt. A, Ed. 159, S. 208-214 (19G8) Aus dem Akademie-Institut fiir Eiochemie der Pflanzen der DA Win HallejSaale Cytokinin in den "griinen Inse...

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Flora, Abt. A, Ed. 159, S. 208-214 (19G8) Aus dem Akademie-Institut fiir Eiochemie der Pflanzen der DA Win HallejSaale

Cytokinin in den "griinen Inseln" des Herbstlaubes 1 ) Von L. ENGELBRECHT Mit 2 Abbildungen

In der groBen Zahl der Arbeiten, die sich mit Insekten- oder Pilzbefall von Laubblattern befassen, findet sich iifter ein Hinweis darauf, daB im altern den Blatt solche befallenen Bezirke iiber lange Zeit ihr Chlorophyll erhalten kiinnen und dann z. B. als "griine Inseln" im herbstlich verfarbten Laub in Erscheinung treten. Solche Beobachtungen wurden bereits im vorigen Jahrhundert aufgezeichnet (4, 33, 34, 35). Da durch kiinstliche Infektion mit Sporen obligater Parasiten, z. B. Mehltau oder Rost, leicht "griine Inseln" an Getreide oder anderen Blattern hervorgerufen werden kiinnen, wurde ihr Stoffwechsel in den letzten Jahren oingehender untersucht. Die Autoren berichten iiber Chlorophyllerhaltung und -neubildung, iiber Starkeakkumulation und Atmungssteigerung (z. B. 1, 3, 9, 29, 36). Dariiber hinaus zeigt ein umfangreiches Versuchsmaterial eine Stimulation des N-Stoffwechsels mit erhiihter RNS- und EiweiBsynthese (2,9, 22, 25, 27, 31). Auch konnten einige Autoren Akkumulationen von organischen und anorganischen Substanzen und einen auf dieBefallsstellen gerichteten Transport beobachten (21, 26, 29, 32, 38). Als mindestens eine der Ursachen fiir dieseErscheinungen vermutete man den oft stark erhiihtenAuxingehalt der unter Mitwirkung des parasitischon Pilzes im Wirtsgewebe auftritt (5, 7, 13, 15, 16, 18, 37) und in einigenFallen als Folge einer Auxin-Oxidase-Vergiftung gedeutet wurde (17, 19, 20, 28). Seit der Auffindung endogener Cytokinine erscheint es jedoch wahrscheinlich, daB diese Hormongruppe auch hier cine wichtige Rolle spielt (3, 21, 30). Fur "griine Inseln", die durch Insektenbefall verursacht werden, finden wir im wesentlichen zwei Erklarungsmiiglichkeiten: 1. Durch Insektenspeichel oder durch die Larve (bzw. Larvenkot) wird eine biologisch wirksame Substanz abgegeben (6, 11, 12, 23). 2. Insekt oder Larve durchschneiden Blattnerven und verhindern an den entsprechen den Stell en den Nahrstoff-Abtransport aus den herbstlich vergilbten Blattern (10, 14, 23, 24). Da aIle bisher bekannten Stoffwechselvorgange in den "griinen Inseln" sich m iihelos durch Cytokininwirkung erklaren lieBen, sollte es das Ziel dieser Arbeit sein, verschiedene Typen solcher befallenen Blatter nebeneinander mit gleicher Methodik auf diese Hormongruppe hin zu untersuchen. 1) Herrn Prof. Dr. SODING, Hamburg, anliiBlich der 70. Wiederkehr seines Geburtstages gewidmet.

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Material A. Am 2. und 3. 11. 1967 wurden am Saaleufer in Halle Ahornblatter (Acer platanoides) gepfliickt, von denen einige bereits vergilbt waren und griine Inseln deutlich hervortreten lieEen (Abb. 1 A), die Unterseite war an dies en Stellen von Pilzhyphen iiberzogen. Andere Blatter waren noch v611ig griin, zeigten aber auf der Unterseite Infektionsstellen mit einem Durchmesser von 5-20 mm. Nach der vorliegenden Literatur konnen griine Inseln bei Ahorn durch Phyllaciinia guttata (4, 23) oder Uncinula aceris (34) verursacht sein. Die mycologische Untersuchung unseres Materials ergab eine Mischinfektion unter Beteiligung auch anderer Pilze, so daE das Phanomen noch nicht exakt einem bestimmten Pilz zugeordnet werden kann. Zur Analyse wurden verwendet: 1. Bezirke mit Pilzbefall aus griinen Blattern 2. Griine Inseln aus gelben Blattern 3. Griine Blatter ohne Pilzbefall B. Am 29. 9. und 5.10. wurden in einem Wiildchen bei Halle vergilbende Birkenbliitter (Betula pendula) yom Boden gesammelt, deren schwarze Befallsflecken von Nepticula argentipedella mit einer griinen Insel umgeben waren. Zur Untersuchung gelangten: 1. Griine Inseln einschlie13lich Larven 2. Griine Blatter yom Baum gepfliickt C. Am 29.10.1967 wurden im Thiiringer Wald von einem Pappelgebiisch (Populus tremula) vergilbte Blatter gepfliickt, deren Blattstiele dicht am Blattansatz durch Larven von Nepticula argyropeza verdickt waren. Gewohnlich war eine breite Zone urn einen oder auch zwei Nerven herum dunkelgriin geblieben. Wir untersuchten: 1. Griine Blatteile, meist ohne Larven, da diese gewohnlich noch im Blattstiellebten 2. Gelbe Blatteile derselben Blatter

Abb. 1. Herbstlich verfarbte Blatter A. Acer platanoides mit Pilzbefall B. Betula pendula mit Nepticula argentipedella (rechter unterer Quadrant griin) C. Populus tremula mit Nepticula argyropeza.

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Abb. 2 C Abb. 2. Kallustest von gereinigten und chromatographierten (n-Butanol: 25 % NH 40Hj4: 1) Extrakten griiner Inseln aus herbstlich verfiirbten Laubbliittern. Chromatogramme in 10 gleiche waagerechte Streifen geschnitten und mit dem Niihrmedium sterilisiert. Je 4 Kallusstiieke waren 28 d lang zusammen auf 20 ml Niihrmedium kultiviert. A. Ahornbliitter (je 1,6 g): 1. Bezirke mit Pilzbefall aus griinen Bliittern 2. Griine Inseln aus gelben Bliittern 3. Griine Kontrollbliitter vom Baum B. Birkenbliitter (je 2 g): 1. Griine Inseln einschlieBlieh Kokon 2. Griine Bliitter vom Baum C. Pappelbliitter (j e 2 g): 1. Griine Inseln 2. Gelbe Teile derselben Blatter. Reehts daneben: a) ohne Zusatz b) 0,03 mgjl Kinetin

Methoden Wir arbeiteten weitgehend naeh der von HEIDE und SKOOG (8) angegebenen Methode, die iiber folgende Schritte fiihrte: Extraktion des Blattgewebes mit 70 % Athanol, Reinigung iiber Dowex 50 H +, Ag-Fiillung und HCI-Extraktion, n-Butanol-Extraktion und aufsteigende Chromatographie in n-Butanol: 25 % NH40Hj4: 1. Von den Butanol- und H 2 0-Phasen wurden jeweils 1,6-2 g - bezogen auf urspriingliehes Frischgewieht - auf einen 8 em langen Streifen zur Chromatographie aufgetragen. Die 20 em lange Laufflaehe wurde wie iiblich in 10 gleiehe Hori-

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zontalstreifen geteilt, von denen jeder in 20 ml Niihrmedium nach LINSMAIER und SKOOG zweimal 30 Min. bei 100°C sterilisiert wurde. Der nun folgmde Kallustest erfolgte wie ublich mit Markgewebe von Nicotiana tabacum (Stamm Wisconsin 38).

Ergebnisse und Diskussion

Die griinen Inseln der untersuchten Ahorn-, Birken- undPappelblatter enthalten das Kalluswachstum fiirdernde Substanzen. Diese lie13en sich vom Kationenaustauscher mit 2 N NH4 0H eluieren,mit AgN0 3 fallen und bei pH 8 aus der wassrigen in die Butanolphase iiberfiihren. Wahrend die wassrigen Phasen praktisch inaktiv waren, ergaben die Butanolphasen in n-Butanol: NH40Hj4: 1 chromatographiert fiir die Ahornblatter (Al und 2) einen Rf-Wert von 0,5-0,7, fiir Birke (B 1) 0,4-0,6, fiir Pappel (Cl) 0,5-0,8. Die Unterschiede in den Rf-Werten sind miiglicherweise durch Konzentrationsunterschiede bedingt, so da13 es nicht ausgeschlossen ist, daB es sich in jedem Fall urn dieselbe Substanz handelt. Deutlich ist jedoch, da13 diese aktive Verbindung jeweils in den unbefallenen Kontrollblattern fehlt oder nur in Spuren vorhanden ist. Bei den PappelbHittern allerdings zeigt der Kallustest noch ein zweites Cytokinin an mit dem Rf-Wert 0,1-0,2, das auffallenderweise auch in den gelben Blatteilen in derselben hohen Konzentration auftritt wie in den "griinen Inseln". Bei Ahorn und Birke dagegen fehlt dieses zweite Cytokinin in den Kontrollblattern viillig, findet sich aber in geringen Mengen in dem befallenen Material. Da nur bei den Pappelbliittern die gelben Teile desselben Blattes als Kontrollen dienten, wahrend fiir Ahorn und Birke unbefallene griine Blatter gepfliickt wurden, besteht die Moglichkeit, daB es sich hier urn ein durch Insektenbefall entstandenes Cytokinin handelt, das innerhalb des Blattes transportabel ist und fiir die Chlorophyllerhaltung keine wesentliche Bedeutung hat. Es liiBt sich also nach der von HEIDE und SKOOG angegebenen Methode ein Cytokinin oder Cytokinin komplex nachweisen, den unbefallene griine Blatter nicht oder hiichstens in Spur en enthalten. Solch eine Substanz kann sowohl durch Pilzbefall (z. B. Ahorn) wie auch nach Itnsektenbefall auftreten. Da bei Birkenblattern das Parasitenei von N epticula argwtipedeZZa stets eindeutig in ein Interkostalfeld abgelegt wird und auch der daraufhin gebildete schwarze Kokon kaum je die Nervatur beeintrachtigen diirfte, war von vornherein anzunehmen, daB hier eine unter Einwirkung des Parasiten oder durch diesen selbst neu gebildete Substanz das Griinbleiben des umgebenden Blattbezirkes verursachen m iiBte. Anders bei den Pappelblattern! Hier erfolgt die Eiablage stets in den Blattstiel dicht am .Blattansatz, so daB ein Durchfressen der GefaBe durch die junge Larve ohne weiteres glaubhaft erscheint, und auch die Form der "griinen Inseln" entlang eines oder auch zweier Nerven wiirde die Miiglichkeit einer Nahrstoffstauung im

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vergilbten Blatt offenlassen. Der Nachweis des verhiiltnismaBig hohen Cytokiningehalts d iirfte jedoch klar dafUr sprechen, da13 auch bei den von N epticula argyropeza befallenen Pappelblattern eine unter dem EinfluB der Larve auftretende Substanz fUr die Chlorophyllerhaltung verantwortlich ist. Zusammenfassung In den durch Pilz- oder Insektenbefall gebildeten "griinen Inseln" herbstlich verfarbter Blatter wurde mit Hilfe des Kallustestes Cytokininaktivitat nachgewiesen. Untersucht wurden: 1. Blatter von Acer platanoides, deren Unterseite Pilzbefall zeigte, wahrscheinlich Uncinula aceris oder Phyllactinia guttata 2. Blatter von Betula pendula mit Larven von Nepticula argentipedella. 3. Blatter von Populus tremula nach Befall durch Nepticula argyropeza.

Summary t:sing the callus test, "green islands" of autumnal leaves, caused by fungi or insects, were found to contain cytokinin activity. We analysed: 1. Leaves of Acer platanoides infected by fungi, probably Uncinula aceris or Phyllactinia guttata 2. Leaves of Betula pendula with larvae of Neplicula argentipedella . 3. Leaves of Populus tremula after contamination with Neplicula argyropeza. Herrn Dr. K. NAUMANN aus dem Institut fiir Phytopathologie in Aschersleben danke ich fiir die wertvollen Diskussionen, Frau S. VORKEFELD flir die sorgfaltige Durchfiihrung der Kallusteste.

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Anschrift der Verfasserin: Dr. LISABETH ENGELBRECHT, Institut fiir Biochemie der Pflanzen

401 Halle, Weinbergweg.

Druckfehlerberichtigung

In der Literatur der Arbeit "Growth, productivity and compositional contents of bean (Vicia faha) seeds as affected by different night-temperatures" vonR. SAID, T. REGAZY and R. M. IMAM [Flora, Abt. A, 158, 576 (1967)] sind .Anderungen und Erganzungen erforderlich. Die richtigen Angaben lauten: DERAFOLS, W., 1953. An Inst. Aac. Invest. Agron (Madrid), 2 (1),3-52, d. BioI. Abs. 19440 (1954). ITO, K., and TAKEDA, T., 1963. Proc. Crop. Sci. Soc. Japan, 31, (3),272-275 (19G3), cf. Biolog. Abs. 30297 (1964). KURKI, L., and WITTWER, S. H., 1967. Maataloustieteellinen Aikakauskirja, 28, (4),223-228 d. BioI. Abs. 13755 (1960).

Verantwortlich fUr die Redaktion: Prof. Dr. K. Mothes, 401 Ralie/Saale; fUr den Anzeigenteil: DEWAGWerbung, Filiale Leipzig. 701 Leipzig. Friedrich·Ebert-Stralle 110, Rul: 27851; zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 3. Verlag: VEB Gustav Fischer Verlag, 69 Jena, Villengang 2, Rul: 24141,24142. Sat. und Druck: VEB Druckerei "Magnus Poser". Jena Printed in the German Democratic Republic. Liz.n.-Nr. 1073