Flora(1984) 175:111-115
J ahresgang des Chlorophyllgehaltes in den BHittern von M ercurialis perennis L. WOLF-ULRICH KRIEBITZSCH Systematisch-Geobotanisches Institut der Universitat Gottingen, BRD
Seasonal Course of Chlorophyll Content in Leaves of M ercurialis perennis L. Summary On a research area in a limestone beech forest near Gottingen (FRG) chlorophyll content in the leaves of Mercurialis perennis was analyzed during the vegetation period in 1982. The chlorophyll content strongly varied during the season. The chlorophyll content in leaves which were placed in a plexiglas gas exchange chamber for several days and those which were grown outside the chamber didn't differ significantly during the season.
l. Fragestellung Fiir Untersuchungen des C0 2 -Gaswechsels von Pflanzen am natiirlichen "\-Vuchsort werden ganze Pflanzen oder Pflanzenteile fiir mehrere Tage in Assimilationskiivetten eingeschlossen. Diese Kiivetten bestehen herkommlicher Weise aus Plexiglas, das fiir UV-Strahlung undurchlassig ist. Untersuchungen von BoGENRIEDER & KLEIN (1980) haben jedoch gezeigt, daB bei C0 2 -Gaswechseluntersuchungen der AusschluB von UV-Strahlung die Photosyntheseleistung von Pflanzen beeinflussen kann. Kurzfristiger UV-AusschluB fiihrt zu einer Erhohung der Photosynthese-Aktivitat, mehrtagiger UV-AusschluB kann dagegen den C0 2 -Gaswechsel von Pflanzen drastisch reduzieren. Damit einher geht eine Verringerung der Chlorophyllgehalte in den Blattern der unter UV-AusschluB wachsenden Pflanzen. Allerdings gilt dieser Befund nur fiir Rumex alpinus, eine Art, die am natiirlichen Wuchsort einem UV-reichen Strahlungsklima ausgesetzt ist. Der Chlorophyllgehalt in den Blattern von Lactuca sativa andert sich dagegen auch unter UV-AusschluB iiber die 7tagige Versuchsdauer nicht. Auch die Photosyntheseleistung von Pflanzen dieser Art, die mit und ohne UV-Strahlung wachsen, ist nicht signifikant voneinander zu unterscheiden. Damit muB von Art zu Art mit einer unterschiedlichen Reaktion der Pflanzen auf die veranderte spektrale Zusammensetzung innerhalb der Plexiglaskiivette gerechnet werden. Dabei scheint der Chlorophyllgehalt der Blatter ein guter Indikator fiir Storungen des C0 2 -Gaswechsels bei UV-AusschluB zu sein. Wahrend der Vegetationsperiode 1982 wurde der C0 2 -Gaswechsel von Mercurialis perennis in einem Kalkbuchenwald in der Nahe von Gottingen verfolgt. Ein Vergleich der Chlorophyllgehalte in den Blat tern der Pflanzen, die 3 -14 Tage in der Gaswechselkiivette eingespannt waren bzw. von Pflanzen, die in unmittelbarer Nahe der Gaswechselkiivette wuchsen, sollte zeigen, inwieweit fiir Mercurialis mit ii.hnlichen Storungen des C0 2 -Gaswechsels zu rechnen ist, wie sie von BoGENRIEDER & KLEIN (1980) fiir Rumex alpinus beschrieben werden. Die parallelen Chlorophyll-Bestimmungen wurden iiber die gesamte Vegetationsperiode von Mercurialis durchgefiihrt, urn auch eine eventuell unterschiedliche Wirkung des UV-Ausschlusses bei verschiedenen phii.nologischen Zustanden der Pflanzen zu beriicksichtigen.
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2. Material und Methoden Die Untersuchungen wurden vom 13. 4. bis zum 8. 11. 1982 auf einer Probefliiche im Bereich des Gottinger W aides (Vegetationsbeschreibung bei DrERSCHKE & SoNG 1982) durchgefi.ihrt, in der Mercurialis perennis in dichten Bestiinden auftritt. Es wurden jeweils ein bis zwei Pflanzen in die Assimilationskiivetten eingespannt, so dal3 4-12 Blatter fUr die Gaswechselmessungen bzw. fur die Chlorophyllanalysen zur Verfiigung standen. Die Verweildauer der Pflanzen in der Kuvette betrug am Anfang der Vegetationsperiode 3- 4 Tage, nach dem vollstiindigen Austrieb des Pflanzenbestandes wurden in 1-2w6chigem Rhythmus neue Pflanzen in die Kuvette einge· spannt. Die Chlorophyllanalysen erfolgten am Ende der Mel3periode getrennt fUr jedes Blatt, urn die Streuung in den verschiedenen Bliittern einer Pflanze zu beriicksichtigen. Parallel hierzu wurden die Chlorophyllgehalte in den Bliittern einer entsprechenden Anzahl von Pflanzen analysiert, die in der Niihe der Gaswechselkuvette wuchsen. Die Chlorophyllgehalte der Einzelbliitter innerhalb und aul3erhalb der Kuvette werden jeweils gemittelt und einander gegeniibergestellt. Als Mal3 fUr die Streuung der Mittelwerte wird ihr Vertrauensbereich bei 5 %iger Irrtumswahrscheinlichkeit berechnet. Fur die Chlorophyllbestimmung wird in der Blattmitte ein schmaler Blattstreifen entnommen und sein Frischgewicht bestimmt. Anschliel3end wird er in kleine Stucke zerteilt, urn eine vollstiindige Extraktion des Chlorophylls zu erreichen. Das restliche Blatt wird ebenfalls gewogen und dann bei 105 °C 24 h getrocknet, urn tiber das Verhiiltnis Blattfrischgewicht zu Blatttrockengewicht den Chlorophyllgehalt dfls Blattstreifens auf das Blatttrockengewicht beziehen zu konnen. Die Extraktion des Chlorophylls erfolgt nach einer Methode von BoGER (1964) in Methanol bei 60 °C im W asserbad. Anschliel3end wird die Extinktion der Extrakte an einem Spektralphotometer (Bausch und Lomb, Spektronic 100) bei 650 und 665 nm gemessen. Die Gehalte von Chlorophyll a, b und dem Gesamtchlorophyll (a + b) werden mit Gleichungen von SMITH & BENITEZ (1955) berechnet.
3. Ergebnisse und Diskussion 3.1 J ahresgang der Chlorophyllgehalte In Abb. 1 ist der Jahresgang der trockengewichtsbezogenen Gehalte von Chlorophyll a, Chlorophyll b, Chlorophyll (a + b) sowie des VerhiiJtnisses von Chlorophyll afb in den Bliittern von Mercurialis perennis innerhalb und auBerhalb der Gaswechselkiivette dargestellt. Die Kurve ist im August unterbrochen, da aufgrund der Trockenheit des Sommers 1982 der bis dahin untersuchte Mercurialis-Bestand einzog. Die Untersuchungen wurden in einem etwa 100m entfernten Pflanzenbestand fortgefiihrt, der bis zu den ersten Frosten Anfang November iiberdauerte. Im weiteren wird der Jahresgang der Chlorophyllgehalte exemplarisch anhand des Gesamtchlorophylls besprochen und nur aufBesonderheiten der iibrigen Fraktionen hingewiesen. Wiihrend der Austriebsphase von Mercurialis ist ein fiir Schattenpflanzen niedriger Chlorophyllgehalt in den Blattern zu beobachten, der in den ersten Wochen der Vegetationsperiode geringfiigig zwischen 7 und 8 mg Chi (a + b)/g Tr.-Gew. schwankt. Mit einsetzender Belaubung der Baumschicht Anfang Mai und vor allem nach Vollendung des Kronenschlusses urn den 18.5. setzt ein rascher Anstieg des Gesamtchlorophyllgehaltes ein. Bis zum 3.6. verdoppeln sich die Werte und erreichen ein Maximum bei 16-17 mg Chi (a+ b)/g Tr.-Gew. Entsprechend hohe Chlorophyllgehalte geben auch MASAROVICOVA & ELIAS (1980) fiir Mercurialis und eine Reihe weiterer Krautschichtarten aus einem Eichen-Hainbuchenwald in der CSSR an, wobei hier die Untersuchungen an zwei Terminen im Juli und August durchgefiihrt wurden. Aus Abb. 1 ist zu entnehmen, daB der Anstieg des Gesamtchlorophylls vor allem auf eine iiberproportionale Zunahme von Chlorophyll b zuriickzufiihren ist. Daher sinkt das Verhaltnis von Chi afb von anfanglichen W erten zwischen 2 und 2,5 auf Werte urn 1 ab. Der Anstieg des Gesamtchlorophylls wie auch die Abnahme des
J ahresgang des Chlorophyllgehaltes Chl a/b
reich t, in nzen ngen der rieb ngelatt, erzu anatter ellt. ahr-
2.ot 1,0i ~,_rT~~~-,--~~--~r-~~~_,~-,-,--~~----~,---r---~)
mgChl a glr.-Gew.
12,0 10,0 8,0 6,0
men ollgen enen. nol toro-
mgChl b gfr:-Gew.
8.0 6,0
TEZ
4,0 2.0
mg Chlla+bl g Tr.-Gew.
oyll lnie e-
18.0
l
16.0 14.0 12.0 10,0
d o-
r r . n -
113
Mercurialis perennis
8,0 114.
30.4. 25.5. 214. 13.5.
11.6.
28.6.
12.7.
28.7.
12.8.
20.9:
8.11.1982
Abb. 1. Jahresgang der Gehalte an Gesamtchlorophyll (mg Chi a + b/g Tr.-Gew.), an Chlorophyll a (mg Chi a/g Tr.-Gew.) und Chlorophyll b (mg Chi b/g Tr.-Gew.) sowie des Verhaltnisses Chlorophyll a/b in den Blattern von Mercurialis perennis innerhalb (X - X) und au13erhalb ( 0- -0) der Gaswechselkiivette. (Weitere Erlauterungen im Text.) ,). Kronenschlul3 der Baumschicht.
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Quotienten Chi afb wahrend und nach dem KronenschluB der Baume ist eine typische Anpassung von schattentoleranten Pflanzen an die sich verschlechternden Lichtbedingungen im Waldesschatten. Vergleichende Untersuchungen von BJORKMAN & HoLMGREN (1963) im Gewachshaus an Klonen von Solidago virgaurea-Pflanzen, die an exponierten bzw. beschatteten Standorten entnommen wurden, zeigten, daB die Chlorophyllgehalte in den Blattern der schattentoleranten Pflanzen bei guter Licht-
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versorgung stets niedriger sind als bei eingeschrankter Lichtversorgung. Das V erhaltnis Chl afb ist dabei immer in den Blattern der stark belichteten Pflanzen am hochsten. Ab Mitte Juli sinkt der Gesamtchlorophyllgehalt langsam ab, hervorgerufen vor allem durch eine Abnahme von Chl b. Dies ftihrt zu einem Anstieg des Quotienten Chl afb. Der Wechsel der Untersuchungsflache am 26.8. (s. o.) hat dabei keinen EinfluB auf den Verlauf des J ahresganges. Vor allem bei Vernachlassigung des Chlorophyllgehaltes am 12.8., der bereits an stark geschadigten Pflanzen bestimmt wurde, gehen die Kurven nahtlos ineinander tiber. Die Verringerung des Gesamtchlorophyllgehaltes verbunden mit dem Anstieg des Quotienten Chl a/b kann auf die Verbesserung des Lichtklimas ftir die Krautschicht zurtickgeftihrt werden, da die Trockenheit in diesem Jahr zu einem relativ frtihen Vergilben und Laubfall in der Sonnenkrane der Baumschicht fiihrt.
3.2
Vergleich der Chlorophyllgehalte inner- und auBerhalb der Gaswechselktivette
Bereits aus Abb. 1 wird deutlich, daB sich die Chlorophyllgehalte der Blatter innerhalb und auBerhalb der Plexiglasktivette nur geringfiigig unterscheiden. Die Konfidenzintervalle der Mittelwerte tiberlappen sich zu den einzelnen Probenahmeterminen nahezu immer. Damit ist bereits angedeutet, daB die Mittelwertsunterschiede, die zudem nicht gerichtet sind, nicht signifikant sind. Auch die Berechnung einer einfach klassifizierten Varianzanalyse nach MuDRA (1958) bestatigt diese Annahme (Tabelle 1). Da der gefundene F-Wert noch nicht einmal den Grenzwert fiir P = 5% erreicht, sind die Varianzen der heiden Stichproben als homogen zu betrachten. Damit ertibrigt sich ein Mittelwertstest ftir die einzelnen Probenahmetermine. Die Differenzen der W ertepaare mtissen als zufallig angesehen werden. Es kann davon ausgegangen werden, daB der UV-AusschluB in der Gaswechselktivette tiber die gesamte Vegetationsperiode keinen EinfluB auf den Chlorophyllgehalt in den Blattern der Versuchspflanze hat. Damit ist zu erwarten, daB, wie BoGENRIEDER & KLEIN (1980) an Lactuca sativa zeigten, das veranderte Strahlungsspektrum m der Plexiglasktivette den C0 2 -Gaswechsel von Mercurialis nicht beeintrachtigt. 'l'abelle 1. Tafel der Varianzanalyse(MunRA 1958) zurTrennung derVariabilitatsursachen, die sich einerseits durch die Unterschiede im Chlorophyllgehalt der Blatter innerhalb und au13erhalb der Kiivette und andererseits durch die Variabilitat im Jahresgang ergeben V ariabilitatsursachen
SQ
FG
SQ Behandlung SQ Zeit SQ Insgesamt
7,04 3062,50 3069.54
269 270
MQ
F
F(P = 95%)
7,04 11,38
0,597
3,84
4. Zusammenfassung Uber die Vegetationsperiode 1982 wurde der Chlorophyllgehalt in den Blattern von Mercurialis perennis auf einer Probeflache im Gottinger Wald verfolgt. Es ergab sich eine jahreszeitliche Variabilitat der Chlorophyllgehalte. Ein Vergleich der Gehalte in Blattern von Pflanzen, die fiir mehrere Tage in einer Gaswechselkiivette eingeschlossen waren, mit denen von Blattern, die dem normalen standortlichen Strahlungsspektrum ausgesetzt waren, fiihrte zu keinen signifikanten Unterschieden.
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5. Literatur BoGER, P. (1964): Das Strukturproteid aus Chloroplasten einzelliger Griinalgen und seine Beziehung zum Chlorophyll. Flora 154: 174-211. BoGENRIEDER, A., & KLEIN, R. (1980): BeeinfluJ3t der UV-AusschluJ3 das Ergebnis von Photosynthesemessungen mit GaswechselmeJ3anlagen? Ein Beitrag zum Kiivettenproblem. Flora 169: 510-523. BJoRKMAN, 0., & HoLMGREN, P. (1963): Adaptability of the photosynthetic apparatus to light intensity in ecotypes from exposed and shaded habitats. Physiol. Plant 16: 889-914. DIERSCHKE, H., & SONG, Y. (1982): Vegetationsgliederung und kleinrii.umige Horizontalstruktur eines submontanen Kalkbuchenwaldes. In: DIERSCHKE, H. (Red.): Struktur und Dynamik von Wii.ldern. Vaduz. - MASAROVICOVA, E., & ELIAS, P. (1980): Chlorophyll in Oak-Hornbeam forest. Photosynthetica 14: 580-588. MUDRA, A. (1958): Statistische Methoden fiir landwirtschaftliche Versuche. Berlin/Hamburg. SMITH, J. H. C., & BENITEZ, A. (1955): Analysis in plant materials. In: PAECH, H., & TRACEY• M. V. (Red.): Moderne Methoden der Pflanzenanalyse 4: 142-195. Eingegangen am 19. 7. 1983 Anschrift des Verfassers: Dr. WoLF-ULRICH KRIEBITZSCH, Systematisch-Geobotanisches Institut, Untere Karspiile 2, D - 3400 Gottingen.
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