Einfluß einer Kälteabhärtung auf den Gehalt an löslichen Nukleinsäure-Bausteinen bei Weizensorten verschiedener Winterfestigkeit

Einfluß einer Kälteabhärtung auf den Gehalt an löslichen Nukleinsäure-Bausteinen bei Weizensorten verschiedener Winterfestigkeit

Flora, Abt. A, Bd. 160, S. 234-252 (1969) Aus dem Institut fur Botanik der Padagogischen Hochschule Potsdam und dem Institut fUr Kulturpflanzenforschu...

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Flora, Abt. A, Bd. 160, S. 234-252 (1969) Aus dem Institut fur Botanik der Padagogischen Hochschule Potsdam und dem Institut fUr Kulturpflanzenforschung Gatersleben, Abt. Okologische Pflanzenphysioiogie in Potsdam

Ein£luB einer Kalteabhartung auf den Gehalt an loslichen Nukleinsaure-Bausteinen bei Weizensorten verschiedener Winterfestigkeit Von ROLF RAMMELT und WOLFGANG R. MULLER-STOLL Mit 8 Abbiidungen (Eingegangen am 10. Februar 1969)

I. Einleitung In neuerer Zeit mehren sich die Angaben tiber mogliche Zusammenhange zwischen der Widerstandsfahigkeit der Pflanzen gegentiber ungtinstigen Klimafaktoren und ihrem Energiestoffwechsel. Einige Autoren schlieBen aus den Ergebnissen ihrer Versuche, daB die Nukleotide und Nukleinsauren ftir die Temperatur- Resistenz der Pflanzen Bedeutung haben konnen (LEWIS 1956, KESSLER 1961, WEST 1962, BIGLOV 1964, JUNG et al. 1967b, TRUNOVA 1968). Bei Untersuchungen tiber den Zusammenhang zwischen dem Grad der Winterfestigkeit von Weizenkeimlingen und ihrem Nukleotid-Stoffwechsel fan den wir sortenspezifische Konzentrationsunterschiede bei den Purin- und Pyrimidin-Derivaten (RAMMELT 1967 a, RAMMELT und MULLER-STOLL 1968); die Gehalte an diesen Verbindungen in nicht abgeharteten Keimlingen von gleichem Entwicklungszustand zeigten Beziehungen zu dem Grad der Winterfestigkeit der einzelnen Sorten. Die bei dies en Experimenten verwendeten Sorten sind zwar potentiell (genotypisch) frostresistent, ihre Keimlinge waren aber nicht abgehartet worden und besaBen deshalb nur eine geringe aktuelle Frostharte. In der vorliegenden Mitteilung wird tiber Versuche mit abgeharteten Keimpflanzen von Weizensorten berichtet. Dabei wurde die Frage nach den Veranderungen der Konzentration einiger aus den Keimlingen extrahierter und identifizierter Purin- und Pyrimidin-Verbindungen wahrend einerAbhartungsperiode bei niederer Temperatur bis zu ihrem AbschluB naher verfolgt. Parallel dazu wurde auch der Resistenzgrad der abgeharteten Keimlinge getestet. II. Material und Methoden Als Versuchsobjekte verwendeten wir Karyopsen der Sommerweizensorten ,Koga' und ,Remo' sowie der Wintersorten ,Qualitas', ,Dankowska' und ,Minhardi'. Die Anzucht der Keim-

EinfluB einer Kalteabhartung usw.

235

linge, die Gewinnung der Koleoptilen- und Wurzelhomogenate, die Extraktion, die papierchromatographische Trennung der Extrakte, die Identifizierung der getrennten Purin- und PyrimidinVerbindungen sowie deren quantitative Bestimmung erfolgte nach den von uns schon fruher mitgeteilten Methoden (BERGMANN et al. 1967, RAMMELT 1968b). Die Kalteabhartung von 2 Tage alten, bei 22 DC im Dunkeln angezogenen Keimlingen wurde bei ± 0,5 DC in einer Klimakammer durchgefuhrt und bis zu 20 Tagen fortgesetzt. Wahrend dieser Zeit wurden in Abstanden von jeweils 5 Tagen Keimlinge zur Untersuchung auf ihren Gehalt an loslichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen entnommen. Die durch Abhartung induzierte erhi.ihte Frostresistenz der Objekte wurde jeweils durch Frostbelastung in einem Gefrierschrank bestimmt, wie es bereits RAMMELT und MULLER-STOLL (1968) angegeben haben; wegen der groBeren Frostharte wurden jedoch tiefere Belastungstemperaturen gewahlt. Uber die bei dies en Versuchen erzielten Ergebnisse soll in einer spateren Mitteilung naher berichtet werden.

°

III. Ergebnisse

1. Gesamtextinktion der Extrakte Purin- und Pyrimidin-Derivate haben Absorptionsmaxima im UV-Bereich, aber auch Flavonoide, die in Weizenkeimlingen reichlich vorkommen, absorbieren bei ahnlichen Wellenlangen. Zwischen der optischen Dichte von Keimlingsextrakten, gemessen bei 260 nm, und der Winterfestigkeit hatte sich eine positive Korrelation ergeben (RAMMELT und MULLER-STOLL 1968). Daher wurde zunachst versucht, durch Bestimmung der Gesamtextinktion vor der chromatographischen Auftrennung Anhaltspunkte tiber den Gehalt an UV-absorbierenden Substanzen nach einer Kaltebehandlung zu gewinnen. 0,05 ml Extrakt wurden mit 5 ml Aqua bidest. verdtinnt; die Extinktion dieser Losung wurde am Spektralphotometer gemessen. Bei allen Sorten ergab sich ein Anstieg der Extinktionswerte in Extrakten aus Koleoptilen und Keimlingswurzeln bis zum 5. Tag der KaIteeinwirkung; danach tra t ein nahezu linearer Abfall bis zum 20. Tag ein (Abb. 1). In den Koleoptilen der Sommersorten erhohten sich dabei die Mengen der UV-absorbierenden Substanzen starker als bei den Winterweizen; bereits yom 5. Tag an waren die Werte flir erst ere groBer als die der Winterweizen, wahrend zu Beginn der Behandlung umgekehrte Verhaltnisse bestanden. Ftir die Veranderung der Gesamtextinktion im Verlaufe der Abhartung sind mehrere Deutungen moglich. Entweder verschieben sich die Gehalte an Purin- und Pyrimidin-Derivaten in gleicher Weise wie die Konzentration aller UV-absorbierenden Verbindungen oder sie nehmen bis zum Ende der Abhartung zu; doch wtirden dann diese Anstiege durch den AbfaH einer anderen Extraktkomponente tiberdeckt. Die zweite Moglichkeit konnte bestatigt werden, nachdem die Extinktion einer nicht naher identifizierten Flavonoid-Verbindung nach der chromatographischen Extrakttrennung ermittelt wurde. Bei allen Weizensorten zeigte wahrend der Klateeinwirkung die Gesamtextinktion sowohl in den Wurzeln als auch in den Koleoptilen ahnliche Veranderungen wie die Konzentration deR Flavonoids, welche im VerI auf der Kalte16*

236

ROLF RAMMELT und WOLFGANG R. MULLER-STOLL

0,6

I---f---~.,-------j

0,4 !H-----+------=a

0,6 1 - - - - - - 'Da nkowska'

I---_ _ _'Minhardi'

q21---------+------~

o

5

10

~ Koleoptilen

5

15 ~

10

15

.

A-4 Ketmwurzeln

Abb.1. Veranderung der Gesamtextinktion der Primiirextrakte und der Extinktion einer Flavonoid-Komponente nach chromatographischer Abtrennung in Koleoptilen und Wurzeln der Keimlinge von jeweils zwei Sorten von Sommer- und Winterweizen wahrend einer 20tagigen Abhartung bei °C. Bestimmung der Gesamt-Extinktion in 0,05 ml Extrakt, des Flavonoides in 0,3 ml Chromatogramm-Eluat; leere Symbole = Gesamt-Extinktion der Extrakte vor Chromatographie, volle Symbole = Werte fiir das Flavonoid nach Chromatographie.

°

behandlung abnahm (Abb.1). Die Rohe der Gesamtextinktion nach Abhartung wird also in erster Linie durch Flavonoide bestimmt, die somit die Veranderungen des Spiegels der 16slichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen iiberdecken. Die optische Dichte der Extrakte laBt deshalb in diesem Fane keine Aussagen iiber den Gehalt an den untersuchten Stoff en zu. Dariiber kann erst eine quantitative Erfassung der Einzelkomponenten durch Papierchromatographie AufschluB geben. 2. Anderungen der Konzentration der loslichen Purin- und PyrimidinVerbindungen wahrend der Abhartung Insgesamt wurden 19 Purin- und Pyrimidin-Derivate identifiziert, die zur quantitativen Bestimmung in die vier Stoffgruppen Tri- und Diphosphate, Mono-

237

EinfluB einer KiiJteabhartung usw.

phosphate, Riboside und Basen zusammengefaBt wurden, was durch Addition der entsprechenden Extinktionswerte geschah (vgl. BERGMANN et al. 1967). Um in Vorversuchen die Wirkung schwachen Lichtes auf den Gehalt an den untersuchten Verbindungen und auf die Frosthiirte bei der Winterweizensorte ,Qualitas' zu prtifen, wurden Abhiirtungsversuche im Dunkeln und bei einer jeweils 12sttindigen Belichtung mit 700 Lux durchgefiihrt. Die Konzentrationen aIIer nachgewiesenen Komponenten aus Wurzel- und Koleoptilextrakten verandern sich durch die Kaltebehandlung in charakteristischer Weise. 0.25 ...-----,----,------r--..., [260

0,15

A

B 20

0

5

10

15 Toge 20

0'45,....----,-----r--,---, [260

1 D 15 Tage 20 Abb. 2. Konzentrationsanderungen der Nukleotide in den Keimiingsorganen des Winterweizens ,Qualitas' wahrend einer 20tagigen Abhartung bei 0 °C im Licht (leere Symbole) und im Dunkeln (volle Symbole). A = Nukleosid-Di- und -Triphosphate in Koleoptilen, B = dgl. in Keimwurzeln, C = Nukleosid-Monophosphate in Koleoptilen, D = dgl. in Keimwurzeln.

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ROLF RAMMELT

und

WOLFGANG

R.

MULLER-STOLL

Bei allen vier Stoffgruppen zeigte sich ein deutlicher Anstieg der Purin- und Pyrimidin- Derivate im Verlaufe einer 20tagigen Abhiirtung, unabhangig davon, ob die Keimlinge wahrend der KaIteeinwirkung belichtet oder im Dunkeln gehalten wurden. Fiir die Koleoptilen und Wurzeln der Keimlinge ist die Konzentrationszunahme der Nukleotide, Riboside und Basen bei beiden Behandlungsvarianten statistisch gesichert; die Signifikanzanalyse wurde mit dem t-Test nachPATAu(1943) durchgefUhrt. Vergleicht man nach jeweils gleicher Dauer der Kalteeinwirkung die gemessenen Extinktionswerte aus den Versuchen mit Licht- und Dunkelabhartung miteinander, so erge ben sich fUr die Koleoptilen fiir aIle Stoffgruppen keine signifikanten Unterschiede (Abb. 2A und C sowie Abb. 3A und C). In den Wurzeln sind die Gehalte der Mononukleotide, Riboside und Basen gegen Ende der Abhiirtungsphase nach Dunkelexposition der Keimlinge etwas hoher als nach Belichtung (Abb. 2D und Abb. 3B und D). Aus diesem Grunde wurde bei weiteren Untersuchungen mit anderen Sorten nur noch in der Dunkelheit abgehiirtet, da auch unter diesen Bedingungen die Keimlinge, je nach Abhiirtungsdauer und Abhartungstemperatur, eine betrachtliche Frostresistenz erwerben. Temperaturbelastungsversuche mit abgeharteten Keimlingen haben ergeben, daB die unter kontrollierten Bedingungen vorgenommene Kaltebehandlung sowohl bei den verwendeten Sorten von Winter- als auch von Sommerwei zen zu einer erhohten Widerstandsfahigkeit gegeniiber Frost fiihrt. Die Anreicherung von lOslichen Nukleinsaure-Bausteinen bei niederen Temperaturen ist also nachweislich mit einem Anstieg der aktuellen Frostresistenz verbunden. Die fUr unterschiedlich winterfeste Sommer- und Winters orten im Verlaufe der Abhartung gefundenen Konzentrationsveranderungen der freien Purin- und Pyrimidin -Verbindungen werden etwas ausfUhrlicher dargestellt. Die mit Koleoptilen erhaltenen Ergebnisse veranschaulicht Abb.4. Fiir beide Sorten von Sommerweizen ergab sich bis zum 15. Tage der Behandlung fiir aIle vier Stoffgruppen ein deutlicher Anstieg ihrer Konzentration. Bis zum Ende der Abhartungsperiode stieg nur bei ,Koga' der Gehalt an Basen signifikant an, wahrend fUr die iibrigen Verbindungen bei beiden Sorten keine Anderungen mehr eintraten. In den abgehiirteten Keimlingen der Winterweizen vollzog sich die Konzentrationserhohung in analoger Weise. Die 'friund Diphosphate stiegen bis zum 15. Tage an. Fiir die Monophosphate ergaben sich bei den beiden hoch resistenten Winterweizen bis zum 5. Tage gegeniiber den ungeharteten Kontrollen keine Anderungen; danach war aber ein Anstieg nachweisbar. Die Basen wurden im Verlaufe der gesamten Behandlungsperiode angereichert, wahren d die Zunahme der Riboside im Vergleich zu den anderen drei Stoffgruppen am ger ingsten war. 1m Verlaufe der Kaltebehandlung ergaben die gemessenen Extinktionen fUr die Monophosphate und Riboside immer, fiir die Tri- und Diphosphate sowie Basen zumindest bis zum 10. Abhartungstage bei der resistentesten Sorte ,Minhardi' gegeniiber den anderen Winterweizen mit geringerer Resistenz die hochsten Werte.

239

EinfluB einer Kiilteabhiirtung usw.

0,301----1-----+----f------l

B

A 0250~----~5----1~0----1~5----J20

~0~--~--~----1~5-T<-ag-e~ro

[260

0.451----+---I---f------l

0.40 I----+----+--~j

c 0,30 0

5

10

15

D 20

0

5

10

15Tage 20

Abb. 3. Konzentrationsiinderungen der Riboside und Purin- und Pyrimidinbasen in den Keimlingsorganen des Winterweizens ,Qualitas' wahrend einer 20tagigen Abhartung bei 0 °0 im Licht (leere Symbole) und im Dunkeln (volle Symbole). A = Riboside in Koleoptilen, B = dgl. in Keimwurzeln, o = Basen in Koleoptilen, D = dgl. in Keimwurzeln.

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ROLF RAMMELT und WOLFGANG R. MULLER-STOLL

In den Wurzeln wurde bei allen Sorten eine Erhohung des Tri- und DiphosphatSpiegels bis zum 20. Tage festgestellt; nur bei ,Minhardi' blieb diese am Ende der Abhartung aus (Abb.5). Die Konzentration der Monophosphate wurde bei den Sommerweizen wahrend der gesamten Abhartungszeit gesteigert. Bei den Winterweizen zeigten diese Verbindungen ein anderes Verhalten. Bei ,Qualitas' war der Anstieg zunachst nur gering, bei ,Minhardi' und ,Dankowska' verzogerte er sich sogar bis zum 5. bzw. 10. Behandlungstag. Gegen Ende der Abhartung erfoIgte meist keine signifikante Anderung des Monophosphatgehaltes mehr (Abb. 5). In den WurzeIn der Sommerweizen-Keimlinge zeigten die Riboside einen gesicherten Anstieg. ,Minhardi'IieB diese Anreicherung nur bis zum 10. Tag, ,Dankowska' erst gegen Ende der Kalteeinwirkung erkennen. Die Gehalte an Basen erhohten sich in den Keimwurzeln stetig. Die Konzentrationsanderungen der nach chromatographischer Trennung identifizierten Purin- und Pyrimidin-Verbindungen in den Wurzeln der Som~5rl----'---~

£260

O'351----~Y--+--~

0,15

I---~-r-I-------l

10

~ Tri-u.Diphosphate

~Riboside

~

~Basen

Monophosphate

15

20d

Abb. 4. Konzentrationsanderungen der Wslichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen, in 4 Gruppen zusammengefaBt, in den Koleoptilen von Keimlingen versehiedener Weizensorten wahrend einer 20tagigen Abhartung bei O°C. Links Sommerweizen ,Koga' (leere Symbole) und ,Remo' (volle Symbole), reehts Winterweizen ,Minhardi' (leere Symbole) und ,Dankowska' (volle Symbole.)

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EinfluB einer Kalteabhartung usw.

mersorte ,Remo' wahrend der Abhartung und die Ergebnisse der statistischen Sicherung des Anstieges sind in Tabelle 1 dargestellt (tiber die Signifikanzprlifung vgl. auch- BERGMANN et a1.1967, Tabelle 4). Nach 10, vielfach schon nach 5 Abhartungstagen sind aIle Differenzen im Gehalt der untersuchten Substanzen gegenliber den nicht abgeharteten Kontrollen sehr gut gesichert. Bei Monophosphaten und Ribosiden zeigte ,Minhardi' wiederum bis zum 15. Tag im Vergleich mit den anderen Sort en die hOchsten Gehalte. Insgesamt waren die Werte flir Tri- und Diphosphate sowie Riboside bei allen Winterweizen bis zur Mitte der Kalteperiode gegenliber den Sommerweizen hOher; danach wurden zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede mehr festgestellt. Die Monophosphate ergaben indessen wahrend der ganzen Dauer der Behandlung bei den Winters orten hOhere Werte. Der Gehalt an Basen war bei Beginn der Abhartung zunachst gegenliber den Sommers orten erhOht, aber bereits nach 5 Tagen war kein eindeutiger Unterschied mehr vorhanden. Wohl lagen die Gehalte bei ,Minhardi' stan dig tiber den en von ,Remo', ,Qualitas' und ,Dankowska', wurden aber von den Werten flir ,Koga' libertroffen; bei dieser Sorte fiel ein steiler Basenanstieg bis zum 5. Tag auf.

o,1Br---~~---n~~-+----,

Tri-u. Diphosphate 5

0--0 'Koga'

15

0-0 'Remo'

10

~

15

20d

'Dankowska'

.6----6 'Minhardi'

o.

Abb. Konzentrationsanderungen der Nukleotide, getrennt in Di- und Triphosphate und Monophosphate, in den Keimlingswurzeln von zwei Sommerweizen- und drei Winterweizen-Sorten wahrend einer 20tiigigen Kalteabhartung bei 0 °0.

I\!)

fI:>.

I\!)

Tabelle 1 Konzentration der Purin- und Pyrimidin - Ver bind ungen sowie s ta tis tis che Sicherung ihres Anstieges (unten) wahrend einer Kalteabhartung in den Keimlingswurzeln der Sommerweizensorte ,Remo'. + = hohe, ± = schwache, - = keine Signifikanz; fiir die Purin- und Pyrimidin-Verbindungen werden die in der Literatur iiblichen Abkiirzungen benutzt. ~

0 I:"'

Konzentration der getrennten Verbindungen, angegeben durch die Extinktionswerte bei 260 nm

":1

Abhartung in Tagen

UTP UDP ATP

O

0,062

5 10

0,073 0,098

15 20

ADP

GMP UMP IMP

OMP

AMP

GR

AR

IR UR OR

G Hx U

0

A

:-~

~

to

I:"'

>'l

>::

;:;

0,077

0,070

0,077

0,135

0,075

0,112

0,086

0,094

0,078 0,089

0,085 0,137

0,141 0,152

0,085 0,100

0,159 0,145

0,088

0,080

0,087 0,123

0,095

0,104 0,126

0,099

0,092

0,127

0,100

0,135

0,169

0,128

0,168

0,109

0,159

0,107

0,086

0,117

0,119

0,132

0,167

0,139

0,169

0,121

0,170

0,051 0,063

~

P-

:
:-~

<;)

~

is:

q: I:"' I:"'

P- Werte fiir die Konzentrationsdifferenzen, berechnet nach PATAU (1943)

-

to

0- 5

0,0002+

0,0002+

0,0004+

0,0025+

0,0027+

0,03

0,0006+

0,0002+

0,1

0,0003+

5-10

0,0002+

0,0002+

0,0002+

0,005 ±

0,0002+

0,0027+

0,0002+

0,0002+

0,018

0,0002+

0,0016+ >0,3 0,016 0,0033±

0,001 +

0,0002+

0,0002+

0,0027+

0,006 ±

<0,0002+

0,0002 +

<0,0002+

10-15 15-20

>0,1 0,0005+

>0,1

0,0002+ > 0,1

>0,1

0,0015+

>0,1

'"

W >'l 0 I:"' I:"'

243

EinfluB einer KiiJteabhiirtun.g usw.

Beim Vergleich von Sommer- mit Winterweizen konnte festgestellt werden, daB fUr die Mehrzahl der Purin- und Pyrimidin-Verbindungen von Beginn bis etwa zur Mitte der Abhartungsperiode die Extinktionswerte bei den Winterweizen deutlieh hoher waren, wohingegen sich am Ende der Abhartung fUr aIle Sorten ein nahezu gleichcr Gehalt ergab. Der prozentuale Anstieg der analysierten Substanzen gegenuber den Ausgangswerten bei jeder Sorte vor Behandlungsbeginn (nicht abgehartete KontroIlen) ist somit bei den Winterweizen durchweg geringer als bei den kalteempfindlichen Sommerweizen. Diesen Befund veranschaulichen Abb. 6 fUr Kolcoptilcn und Abb. 7 und 8 fUr die Nukleotide in Wurzeln. Die Riboside und Basen verhalten sich ganz entsprechend. AIle vier Stoffgruppen zeichnen sich in beiden Organen der Keimlinge von Sommerweizen durch einen relativen Anstieg der Gehalte an den untersuchten Verbindungen aus, der hoher ist als bei den drei Sorten von Winterweizen. Diese Ullterschiede werden z. T. schon nach dem 5., auf jeden Fall aber nach dem 10. Behandlungstag erkellllbar. Bei dem fur die Abhartungsversuche verwendeten Weizensortiment besteht somit eine deutliche Beziehung zwischen der prozentualen KOllzentrationszunahme der gesamten lOslichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen 200

°10

Riboside

Tri-u, Diphospha te

175

150

125 100

o I111111 111111 111111 111111 111111 012J1i.

1;'Sr 150

01234-

01234

01:234-

"1

125

1

100

~

o II III

~J

J] rrnll

'Remo' 'Qualitas' 'Dank.'

01234-

01234-

01234-

01234-

Basen

150

125~

I 100r

II 111111 I II " I II I I II I I I I II 01234- 012:[4- 01234- 01234- 01234-

'Koga'

II III I 111111 111111 111111

%

Monophosphate

1

01111111 01234-

01234-

'Minhardi'

~ ~ ArffIll

II I I 111111 01111111 111111 111111 II0123401234'Koga'

01234

01234-

0123'1-

Remc'

'Qua/ltas' 'Dank.' 'Minhardi'

Abb. 6. Prozentuale Anderungen der Gehalte an lOslichen Purin- und Pyrimidin- Verbindungen, in 4 Gruppen zusammengefaBt, in den Koleoptilen der an.gegebenen Sorten von Sommer- und Winterweizen nach 5, 10, 15 und 20 Tagen Kiiltebehandlung der Keimlin.ge bei 0 °0 (= 1, 2, 3, 4), bezogen auf die Gehalte der Kontrollen ohne Kiilte (= 0), diese 100 % gesetzt. Die Sorten sind von links nach reehts nach zunehmender Winter£estigkeit geordnet.

244

ROLF RAMMELT und WOLFGANG R. MULLER-STOLL

180 %

o 'Rel'lJo' , QUQ/'

IIQs'

'0 QI1k: '11'

I I1 i) QrQi'

Abb. 7. Prozentualer Anstieg der Konzentration der Nukleosid-Di- und Triphosphate in den Keimlingswurzeln von 5 Weizensorten in Abhangigkeit von der Dauer der Kalteabhartung bei 0 °0 und der Winterfestigkeit der einzelnen Sorten (s. Abb. 6), jeweils bezogen auf die Konzentration der unbehandelten Objekte (0 d = 100%).

1 80 0/0

180

%

16 0

160

140

140

120

120 10 0

0

0

Abb.8. Prozentualer Anstieg der Konzentration der Nukleosid-Monophosphate in den Keimlingswurzeln von 5 Weizensorten in Abhangigkeit von der Dauer der Abhartung bei 0 °0 und der Winterfestigkeit der einzelnen Sorten (s. Abb. 6), jeweils bezogen auf die Konzentration der unbehandelten Objekte (0 d = 100 %).

EinfluB einer Kiilteabhiirtung usw.

245

und der Frostresistenz der Sorten. Die kaJteempfindlichen Sommerweizen zeichnen sich durch den hochsten relativen Gehaltsanstieg aus, die resistenteste Sorte ,Minhardi' hingegen durch den geringsten. Unter KalteeinfluB wurde der hOchste Anstieg bei Tri- und Diphosphaten beobachtet, deren Relativwerte die der Monophosphate und Basen iibertrafen. Die beiden letzten Stoffgruppen unterschieden sich in ihrer relativen Zunahme nicht wesentlich voneinander. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Basen, die in den Wurzeln von ,Koga' die Werte der Tri- und Diphosphate iiberstiegen. Am wenigsten wurden die Riboside angereichert; ihr Anstieg war bei den drei Winterweizen-Sorten in beiden Organ en gering, bei ,Minhardi' kaum statistisch gesichert. IV. Diskussion

1m Verlauf der Abhartung werden bestimmte protoplasmatische Eigenschaften und Stoffwechselvorgange der Pflanzen verandert; abgehartete Objekte zeigen vielfach eine erhohte Aktivitat in bestimmten Stoffwechselbereichen (LEVITT 1956, 1958, BIEBL 1962, ULLRICH 1962, BORZHKOVSKAJA et al. 1967) trotz erhohter Viskositat des Protoplasmas. Dieser Widerspruch kann nach HENCKEL (1964) nur verstanden werden, wenn der Energiespiegel der Zellen beriicksichtigt wird. Dieser laBt sich durch den Gehalt an energiereichen Nukleotiden yom Typ des ATP charakterisieren. Bei unseren Versuchen mit Kalteabhartung konnte in den Wurzeln und Koleoptilen von Weizenkeimlingen fiir Nukleotide, Riboside und Purin- bzw. Pyrimidinbasen ein signifikanter Anstieg der Konzentration bis zum 15. Tage der Kaltebehandlung beobachtet werden, der bei den Tri- und Diphosphaten am groBten war. Nach 20 Tagen sind bei allen Weizensorten, unabhangig yom Grade ihrer Winterfestigkeit, flir aIle Stoffgruppen keine nennenswerten Unterschiede im absoluten Gehalt der untersuchten Verbindungen mehr nachweis bar. Betrachtet man aber den relativen Stoffanstieg, d. h. die prozentuale Zunahme im Verlaufe der Abhartung gegeniiber nicht abgeharteten Keimlingen, so ist dieser fiir aIle Stoffgruppen bei den kalteempfindlichen Sommerweizen groBer als bei den Winterweizen. Das steht mit Befunden von VAKLINOVA und SALCHEVA (1963) sowie von BORZHKOVSKAJA et al. (1967) im Einklang, die unter Abhartungsbedingungen bei wenig winterharten Weizensorten eine hohe Einbaurate von 32P-Phosphat in ATP und RNS beobachteten. Wahrend der Abhartung fan den auch SALCHEVA et al. (1966) bei der von ihnen untersuchten empfindlichsten Sorte eine besonderes stark radioaktive Nukleinsaurefraktion. Der relative Anstieg des Gehaltes an liislichen Purin- und Pyrimidin-Verb in dungen verhiilt sich nach unseren Ergebnissen zum Grad der Winterfestigkeit der untersuchten Sorten umgekehrt proportional. Offenbar ist die Ausbildung eines bestimmten, bei den einzelnen Sorten aber jeweils verschiedenen Grades der Abhartung durch einen bestimmten Spiegel an liislichen Nukleinsaure-Bausteinen charakterisiert, nach

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ROLF RAMMELT

und

WOLFGANG R. MULLER-STOLL

des sen Erreichen kein weiterer Anstieg mehr stattfindet. Dieses Niveau scheint bei Winter- und Sommerweizen trotz erheblicher Unterschiede in der Abhartungsfahigkeit annahernd gleich zu sein, weil sich etwa am 15. Tage der Abhartung bei 0 °C die vorher vorhandenen Unterschiede ausgleichen. Die KonzentrationserhOhung ist dabei bei den Sommerweizen notwendigerweise gro./3er, da ihr Gehalt an den untersuchten Substanzen vor der Abhartung erheblich unter demjenigen der Winterweizen liegt. Hierzu mu./3 noch gesagt werden, da./3 nach den bisherigen Ergebnissen bei Erreichen des Maximums im Anstieg der lOslichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen bei vielen Sorten, besonders bei Winterweizen, das Maximum der moglichen Frostharte noch nicht erreicht ist. Danach ist anzunehmen, da./3 die Frostharte durch einen Komplex von Faktoren bedingt wird, von den en die hier untersuchte Erscheinung nur eine unter mehreren sein dtirfte. Die Anreicherung von Purin- und Pyrimidin-Verbindungen, besonders von Nukleotiden, im Zusammenhang mit einer Kaltebehandlung ist eine Erscheinung, die schon mehrfach bei verschiedenen Pflanzen festgestellt wurde. LEWIS (1956) vermutet, da./3 der Unterschied zwischen kalteempfindlichen und kalteresistenten Pflanzen durch deren ATP-Vorrat bestimmt wird. Nach MULLER-STOLL und GRASER (1958) sowie GRASER (1965) wird in Maiskeimlingen durch Kaltebehandlung die Bildung der Komponenten des Adenylsaure-Systems gefordert. Auch verschiedene andere Autoren fan den bei weiteren Arten nach Kultur bei niederen Temperaturen erhohte Mengen an energiereichen Nukleotiden gegentiber den bei normalen Temperaturen angezogenen Kontrollpflanzen (DADYKIN und IVANovA1962 beiRaps undZuckerrtiben, NECHAYEVA 1964 bei Rettich, Zuckerrtiben und Chlorella pyrenoidosa, TRUNOVA 1968 bei Winterweizen). LI et al. (1966) stellten bei Cornus stolonifera ebenfalls enge Beziehungen zwischen dem Gehalt an Phosphorverbindungen und der Frostresistenz fest. Von besonderem Interesse sind einige Befunde tiber die Phosphataufnahme durch winterharte Pflanzen bei negativen Temp eraturen , weil das Phosphat offen bar zu einer Erhohung der Frostresistenz ftihrt. Unter solchen Bedingungen kann noch ein intensiver Einbau von 32p durch Weizenpflanzen stattfinden (RASUMOV et al. 1958, VLASJUK et al. 1959 zit. bei BIGLOV 1964, VAKLINOVA und SALCHEVA 1963, BORZHKOVSKAJA et al. 1967). BIGLOV (1964) untersuchte die Phosphat-Inkorporation bei Wintergetreide in Abhangigkeit von einer Kalteabhartung; danach werden Aufnahme und Umsatz des Phosphates auch bei Temperaturen unterhalb O°C nicht unterbrochen. In jungen Pflanzen, die eine hohe Frostbestandigkeit erwerben konnen, ist die Abhartung mit einer intensiven 32P-Aufnahme verbunden, dieses Phosphat soll zu einer verstarkten Synthese von ATP ftihren. Nach VLASJUK et al. (1966) sind frostresistente Sorten in der Lage, auch bei niederer Temperatur die Bildung energiereicher Phosphat-Verbindungen aufrecht zu erhalten und besonders ATP in den Bestockungsknoten anzureichern. BIGLOV (1964) nimmt an, da./3 die Widerstandsfahigkeit der Pflanzen gegen Frost von der Fahigkeit zur Synthese energiereicher Phos-

EinfluB einer Kiilteabhiirtung usw.

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phate abhiingt und diese den AbhiirtungsprozeB beeinflussen. Nach TRUNOVA (1968) sind diese Nukleotide wahrscheinlich fur die Erhaltung einer lebensfahigen Protoplasmastruktur in den Zellen eines gefrorenen Gewebes erforderlich. In neuerer Zeit wird in der Entkoppelung der ATP-Synthese yom Elektronentransport im Bereich des Energiestoffwechsels eine Ursache fUr die Frostschiidigung nicht resistenter Pflanzen gesehen. Eine irreversible Inaktivierung der oxydativen und photosynthetischen Phosphorylierung solI dazu fUhren, daB die Zellen fUr den Bedarf ihres Stoffwechsels nicht genugend ATP bilden, was primar auf eine Schiidigung des Mechanismus der ATP-Bildung in gefrorenem Zustand zuruckgefuhrt wird (HEBER und SANTARIUS 1964, HEBER 1967, SANTARIUS 1967). Da ATP der EnergieDonator fUr anabolische Prozesse ist, muB ein Mangel infolge Verlust bzw. Entkoppelung der Synthese durch Frost notwendigerweise zum Zusammenbruch des Stoffwechsels und damit zum Zelltod fUhren. Bei frostresistenten Weizenpflanzen erfolgt offenbar, im Gegensatz zu weniger resistenten, eine solche Entkoppelung der Phosphorylierung erst bei tieferen Temperaturen (VLASJUK et al. 1966, TRUNOVA 1968). Bei nur maBig resistenten Getreidesorten fan den BORZHKOVSKAJA und KHRABROVA (1966) bei -10°C einen auffallenden Unterschied zwischen der noch relativ hohen Stoffwechselintensitat und der stark gehemmten ATP-Synthese; bei frostfesten Sorten wurde diese Erscheinung nicht festgestellt. Wenn also der Verlust der ATP-Synthese zum Tode nicht resistenter Pflanzen fUhrt, so kann die von uns gefundene Anreicherung der Nukleosid-Di- und -Triphosphate durchaus mit einer Erhiihung der Frostresistenz zusammenhangen. Eine solche Beziehung konnte durch Gefrierversuche durch VLASJUK et al. (1966) festgestellt und durch eigene Experimente bestatigt werden. DaB umgekehrt eine Beeinflussung der Resistenz durch Phosphatgaben miiglich ist, wissen wir durch die Untersuchungen von ERMOLAJEVA (1956), JUNG und SMITH (1959) und IVANOVA (1965); danach bewirkt eine Phosphat-Dungung eine Erhiihung der Frostresistenz bzw. eine Kompensation der Frostschiiden. KESSLER (1961) erzielte mit einer Adenin-Behandlung eine griiBere Austrocknungsresistenz seiner Objekte. Eine Behandlung von Luzerne mit Purin- und Pyrimidinbasen liiste nach JUNG (1962) und JUNG et al. (1965) mit zeitlichen Unterschieden und in Abhangigkeit von den herrschenden AuBenbedingungen und der angewandten Konzentration einen Anstieg der Frostresistenz gegenuber unbespruhten, aber sonst unter gleichen Bedingungen kultivierten Kontrollpflanzen aus. Die Synthese-Raten der Nukleinsauren sind unter Abhiirtungsbedingungen erhiiht. WEST (1962) sowie KESSLER und FRANK-TrsHEL (1962) fanden bei Durreeinwirkung eine Anreicherung der RNS in Blattern von Zea mays lind Olea europaea. SIMINOVICH (1963) stellte dasselbe nach Frostabhiirtung im Rindengewebe von Robinia pseudoacacia und TRUNOVA (1968) bei Weizen fest. Thermophile Bakterien zeigten eine erhiihte Hitzeresistenz proportional zum Anstieg des RNS-Gehaltes; dabei sollen Proteine, an Nukleinsauren gebunden, sich gegen thermische Denaturie-

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rung als widerstandsfahiger erwiesen haben als reines Protein (OPARIN und EVREINOVA zit. nach HENCKEL 1964). Moglicherweise kommt neben den energiereichen Nukleotiden auch den Nukleoproteiden Bedeutung flir die Resistenz-Eigenschaften abgeharteter Pflanzen zu. Eine mit Dehydratation des Protoplasm as verbundene Zunahme des RNS-Gehaltes unter Diirreeinwirkung flihrte zur Synthese einer RNS mit veranderter Zusammensetzung; sie ist nach KESSLER und FRANK-TISHEL (1962) reicher an Guanin (G) und Cytosin (C). Die Struktur solcher RNS solI stabiler sein; die genannten Verfasser meinen, daB die Resistenz gegen Diirre und Frosteinwirkung von der Fahigkeit abhiingen konnte, bei Belastung G+C-reiche RNS zu synthetisieren. Die erhohten Gehalte an Nukleoproteiden und RNS, die bei abgehiirteten Pflanzen mehrfach gefunden wurden (vgl. JEREMIAS 1956, PAULI und ZECH 1964, JUNG et al. 1967 a, b, SHIH et al. 1967), konnen bis zu einem gewissell Grad die Resistenz gegen klimatische Einfliisse erklaren, wei I die Protein-Nukleinsaure-Komplexe gegen Dehydratation offenbar weniger empfindlich sind und weniger leicht denaturieren. Die RNS scheint danach an der Ausbildung der veranderten Protoplasm a-Eigenschaften im Verlauf der Abhiirtung beteiligt zu sein. Nach den bisher vorliegenden Angaben kann man sich die nachstehend skizzierte Vorstellung iiber den AbhiirtungsprozeB machen. Durch Abhiirtung verandern sich bestimmte Protoplasma-Eigenschaften, woran einige Metaboliten wie Kohlenhydrate, Aminosauren, Lipoide u. a. wenigstens indirekt beteiligt sein konnen. Diese Vorgange werden von einer Veranderung des Energie- Niveaus der Zellen infolge ATPSynthese und Konzentrationserhohung energiereicher Verbindungen begleitet oder beruhen sogar auf diesen. Eine ausreichende ATP-Synthese bei Frosttemperaturen bildet die Grundlage fiir weitere anabolische Prozesse und konnte eine primare Ursache flir die Frostbestandigkeit abgehiirteter Pflanzen sein. Mit der Anreicherung von Nukleotiden scheint die Bildung von Nukleinsauren eines besonderen Typs gekoppelt zu sein, die mit Proteinen Verbindungen eingehen. In dieser komplexen Bindung an Nukleinsauren erlangen die Proteine moglicherweise eine groBere Stabilitat gegen schiidigende Klimaeinfliisse, indem ihre Bestandigkeit gegen Dehydratation und thermische Denaturierung erhoht wird. Von diesen Komplexen kann bei gleichzeitig ablaufender ATP-Synthese eine Aktivierung gewisser Stoffwechselprozesse ausgehen, wobei Verbindungen gebildet werden, welche bei Belastung der Zellen eine Schutzwirkung gegen Frost, Austrocknung oder Hitze ausiiben. In dies em Sinne sind wahrscheinlich einige teilweise schon in alteren Arbeiten beschriebene Feststellungen an resistenten Pflanzen zu verstehen. 1m FaIle der Frostresistenz kommt es, wie wir durch zahlreiche Untersuchungen wissen, vor aHem auf die Stabilitat der Protoplasma-Oberflache an. Somit ist es wahrscheinlich, daB bei Abhiirtung der Zellen spezifische Strukturen in den auBeren Plasmagrenzschichten aufgebaut werden. Einer Lipoid-Anreicherung ist daher Bedeutung fiir die Eisbestandigkeit zugeschrieben worden (ZIRM et al. 1956, JERK\IlAS

EinfluB einer KiiJteabhartung usw.

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1956, TARANOVA 1960, LYONS et al. 1964). Es ist unwahrscheinIich, daB sich bei der Abhartung auBer einer Vermehrung des Lipoidanteils an den Plasmagrenzschichten keine weiteren Veranderungen abspielen. Moglicherweise bilden die Lipoide zusammen mit den genannten RNS-Komplexen ein spezifisches System, dessen Eigenschaften aber noch nicht bekannt sind. Obwohl iiber die biochemischen Verhaltnisse in resistenten Zellen zahlreiche Befunde vorliegen, wissen wir iiber ihren strukturellen Zustand noch fast gar nichts. Es muB das Ziel kunftiger Forschungen sein, die Beziehungen zwischen stofflichen und strukturellen Besonderheiten des abgeharteten Protoplasmas aufzuklaren. Vorlaufig laBt sich noch nicht ubersehen, inwieweit die gegeilwartigen Vorstellungen iiber die Bedeutung der Nukleotide und Nukleinsauren fur den Abhartungsvorgang zutreffend sind. Mit der Klarung dieser Frage durfte indessen ein wesentlicher Fortschritt fur das Verstandnis des Mechanismus der ResistenzInduktion (Abhartung) erreicht werden.

Zusammenfassung 1m Veri auf einer Kalteabhartung bei 0 °0 wurden quantitative Bestimmungen der at hanolliislichen Purin- und Pyrimidin-Verbindungen in den Keimlingen von Weizensortenmit verschiedener Winterfestigkeit durchgefiihrt. Wahrend der Kalteeinwirkung, die maximal bis zu 20 Tagen dauerte, steigen sowohl im Dunkeln als auch bei Belichtung in Koleoptilen und Keimlingswurzeln die Gehalte an diesen Substanzen etwa bis zum 15. Tag deutlich an und bleiben danach weitgehend konstant. Am starksten wird die Konzentration der energiereichen NukleosidDi- und -Triphosphate erhiiht, am wenigsten diejenige der Riboside. Bei den relativ kalteempfindlichen, aber dennoch bis zu einem gewissen Grad abhartbaren Sommerweizen ist der prozentuale Konzentrationsanstieg am griiBten; bei den gepriiften Sorten von Winterweizen nimmt der relative Anstieg der Konzentration der untersuchten Substanzen bis zu der Sorte mit der griiBten Resistenz immer mehr abo Danach verhalt sich der relative Konzentrationsanstieg umgekehrt proportional zum Grad der Winterfestigkeit der Sorten. Die Mengenzunahme der untersuchten Verbindungen wahrend der Kaltebehandlung ist mit einer deutlichen Erhiihung der Frostresistenz der Weizenkeimlinge verbunden. Zwischen beiden Erscheinungen bestehen enge Beziehungen. Die Frage der physiologischen Grundlagen der Abhartung wird im Zusammenhang mit Ergebnissen, die auch bei anderen Objekten vornehmlich in den letzten Jahren gewonnen wurden, diskutiert. Nach den gegenwartigen Kenntnissen scheinen dabei Nukleotide, Xukleinsauren und komplexe Nukleoproteid-Verbindungen von besonderer Bedeutung zu sein.

Summary During cold hardening process at 0 °0 quantitative estimations of concentration changes of purine and pyrimidine derivatives soluble in ethanol from seedlings of wheat varieties belonging to different winter hardiness types were carried out. In the course of cold treatment (duration up to 20 days in maximum) in coleoptiles and seedling roots the contents of substances investigated distinctly increase in most cases until the 15 th day as well in the darkness as in the light. Later on the concentration values were found more or less constant. Oompounds with high 17

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energy bonds, i. e. nucleoside di- and triphosphates, show the strongest concentration rise, the ribosides the smallest one. In spring wheats, which are relatively sensitive against frost injury but can be hardened up to some degree, the relative increase of the substances investigated is the highest. In varieties of winter wheat the relative increase is diminished down to the variety of highest winter hardiness. Therefore between the relative concentration rise and the degree of winter hardiness of the different varieties the relation is inversely proportional. The increase of the content of purine and pyrimidine compounds during cold treatment is connected to a distinct increase of frost resistance of wheat seedlings. There are narrow relations between both phenomena. The problem of hardening is discussed with consideration of the results obtained also in other objects mostly during the last years. Hereby nucleotides, nucleic acids and complex nucleoproteide compounds seem to be of special importance, so far as our present knowledge permits a statement.

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