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Public Health Forum 17 Heft 62 (2009) http://www.elsevier.de/phf
Pflanzen als Auslo¨ser allergischer Erkrankungen Franziska Rue¨ff Eine Allergie ist eine erworbene, krankmachende, immunologisch ¨ vermittelte Uberempfindlichkeit. Das bedeutet: eine Allergie gegen einen be-
stimmten Stoff tritt erst im Verlauf des Kontakts zu diesem Stoff auf. Ist ein Allergentra¨ger, z.B. eine Pflanze, in einer bestimmten Region nicht vorhanden, kann dort auch niemand gegen ihre Bestandteile allergisch werden das ko¨rpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) hat wesentlich die Funktion, Krankheiten abzuwehren. Bei einer allergischen Reaktion findet aber die Abwehrreaktion gegen einen u¨blicherweise nicht krankmachenden Stoff (z.B. Nahrungsmittel, Pollen oder Tierhaare) statt. Somit handelt es sich um eine Immunreaktion, die fu¨r den Organismus letztlich nicht hilfreich ist, sondern ihn vielmehr krank macht und daher unerwu¨nscht ist
Im Prinzip liegen Allergien keine anderen Mechanismen zugrunde, wie erwu¨nschten Immunleistungen, z.B. einer Immunita¨t gegen einen Erreger nach u¨berstandener Infektion oder Impfung. Je nach den beteiligten Immunvorga¨ngen kommt es zu unterschiedlichen Krankheitssymptomen. Dementsprechend werden unterschiedliche Allergietypen voneinander abgegrenzt (Tabelle 1), wobei hier nur von allergischen Soforttyp-Erkrankungen gesprochen wird.
Aus Tabelle 1 geht auch hervor, dass die bedeutsamsten Allergentra¨ger Tiere und Pflanzen sind. Eine gemeinsame chemische Struktur von Allergenen gibt es dabei nicht, so dass letztlich nicht vorhergesagt werden kann, ob ein Stoff ein bedeutsames Allergen darstellen ko¨nnte. Dies kann nur im Nachhinein, z.B. durch Reihenuntersuchungen, festgestellt werden, wenn sich erweist, dass ein Stoff bei vielen Personen zu Allergiekrankheiten fu¨hrt. Als Auslo¨ser allergischer Atemwegserkrankungen haben hierzulande bislang vor allem die Pollen von fru¨h blu¨henden Ba¨umen (Birke, Erle, Hasel) und von Gra¨sern bzw. Getreide Bedeutung, daneben Hausstaubmilben, Tierhaare und Schimmelpilze. Mo¨gliche Folgeerkrankungen einer u¨ber die Atemwege erworbenen allergischen Reaktionslage sind Nahrungsmittelallergien. So gibt es charakteristische Allergenverwandtschaften, z.B. zwischen Allergenen von Baumpollen und Haselnu¨ssen sowie Kern- und Steinobst. Viele Allergentra¨ger, z.B. Pollen, enthalten eine Vielzahl an potentiellen Allergenen, die sie bei Kontakt auf den menschlichen Organismus freisetzen. Meistens handelt es sich um Struktur- oder Abwehrproteine, die fu¨r die Pflanzenbiologie eine wichtige Rolle spielen. Mittlerweile gut belegt ist, dass unter ungu¨nstigen Umwelteinflu¨ssen die Allergenita¨t von Pflanzen zunimmt. Ein Kontakt von Pollen mit Dieselpartikeln fu¨hrt zum einen dazu, dass die Allergene leichter freigesetzt werden. Zum anderen regulieren Pflanzen unter Stress, z.B. Um-
weltbelastung, allergene Abwehrproteine hoch und sind dann allergenreicher. So ist eine Verbesserung der Luftqualita¨t eine wichtige Maßnahme zur Allergiepra¨vention. Da aber Allergiekrankheiten vom Allergenkontakt abha¨ngig sind, kommt der Allergenmeidung eine besondere Bedeutung zu: Wenn das Immunsystem nie mit einem bestimmten Allergen in Kontakt kommt, kann eine allergische Reaktionslage gar nicht entstehen. Und selbst wenn eine allergische Reaktionslage schon eingetreten ist, bleibt der Betroffene gesund, wenn es ihm nur gelingt, dem Allergen erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Besonders bei luftu¨bertragenen Allergenen wie Pollen sind aber die Mo¨glichkeiten der Individualpra¨vention begrenzt. Angesichts der Zunahme von Allergiekrankheiten stellt sich die Frage, welche Mo¨glichkeiten einer prima¨ren oder sekunda¨ren Pra¨vention von Allergiekrankheiten u¨berhaupt bestehen. Die Pollen der Beifußambrosie (syn. Ragweed, Ambrosia artemisiifolia) stellen in manchen geographischen Breiten – unter anderem in den USA – die wichtigsten u¨ber die Atemwege aufgenommenen Allergene dar und sind dort wesentlich fu¨r die Auslo¨sung von saisonalem Asthma, Heuschnupfen sowie allergischer Bindehautentzu¨ndung verantwortlich. Die Beifußambrosie ist in Europa nicht heimisch, wurde aber bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts u¨ber den Warentransport nach Europa eingeschleppt und verbreitet sich nun zunehmend.
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Tabelle 1: Allergische Reaktionsformen. Reaktionstyp nach Coombs und Gell
Bezeichnung
Auslo¨ser (Beispiele)
Mo¨gliche Krankheitssymptome (Beispiele)
I
Soforttyp
Pollen, Nahrungsmittel, Tierhaare, Hausstaubmilben, Insektengifte
Heuschnupfen, allergisches Asthma, Allergieschock
II
Zytotoxischer Typ
Medikamente
Akute Zersto¨rung von Blutzellen. Folge: Gerinnungssto¨rungen, Infektanfa¨lligkeit
III
Serumkrankheitsartiger Typ
Schimmelpilze
Fieber, allergische Alveolitis (Lungenentzu¨ndung)
IV
Spa¨ttyp
¨ le, Nickel, Duftstoffe, a¨therische O Medikamente, Konservierungsstoffe
Allergisches Kontaktekzem
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krankungen zu entfernen. Ob dieser Baum aber unbedingt in Wohnund Stadtgebieten angepflanzt werden muss, darf schon einmal hinterfragt werden. Etwas anders stellt sich die Situation bei der Beifußambrosie dar. Sie ist keine Nutzpflanze, sondern vielmehr ein unerwu¨nschter, zumindest nicht nu¨tzlicher Neophyt, dem eher die Rolle eines Unkraut zukommt. Die Sa’’ men kommen als Verunreinigung in Saatgut und im Vogelfutter vor. Aktuell wird somit von Landwirten und Vogelfreunden ein hochpotenter Allergentra¨ger ausgesa¨t. Eine weitere Verbreitung der Beifußambrosie hat sicher keine nu¨tzlichen, sondern nur sichere scha¨dliche Wirkungen. Hier ist die o¨ffentliche Hand gefragt, zum einen um die Bevo¨lkerung aufzukla¨ren. Auch ein Verbot von Beifußsamen-haltigem Vogelfutter und Saatgut ist zu fordern. Bereits bestehende Besta¨nde ’’
Eine vorla¨ufige Auswertung einer vom Bayerischen Umweltministerium gefo¨rderten Untersuchung zeigte, dass etwa 25% der wegen allergischer Atemwegserkrankungen untersuchten Patienten in Allergietests auch auf Beifußambrosie reagierten, d.h. sensibilisiert waren. Weiter wurde u¨berpru¨ft, ob durch einen relevanten Allergenkontakt an der Bindehaut der Augen Allergiebeschwerden ausgelo¨st werden. Dabei zeigt sich, dass mehr als die Ha¨lfte der Sensibilisierten auch mit Allergiesymptomen auf den Test reagierten. Somit ist es nur eine Frage der weiteren Verbreitung der Beifußambrosie, damit in nennenswerten Umfang dadurch verursachte Allergiekrankheiten zunehmen. Zwar wird niemand ernsthaft fordern, in Deutschland alle Birken abzuholzen, um einen ha¨ufigen Auslo¨ser allergischer Atemwegser-
Literatur siehe Literatur zum Schwer- punktthema. www.elsevier.de/phf-literatur doi:10.1016/j.phf.2009.01.013 Priv.-Doz. Dr. Franziska Rue¨ff Allergiezentrum der Klinik und Poliklinik fu¨r Dermatologie und Allergologie Klinikum der Universita¨t Mu¨nchen – Campus Innenstadt Ludwig-Maximilians-Universita¨t Mu¨nchen Frauenlobstraße 9-11 80337 Mu¨nchen Franziska.Rueff@med.uni muenchen.de
mu¨ssen eingeda¨mmt werden und mit rechtzeitigem Ausreißen oder Ma¨hen der Pflanze kann der Verbreitung der Pollen zusa¨tzlich entgegengewirkt werden.
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Einleitung Bei allergischen Reaktionen finden Abwehrreaktionen gegen u¨blicherweise nicht krankmachende Stoffe (z.B. Nahrungsmittel, Pollen oder Tierhaare) statt. Durch Allergenvermeidung kann verhindert werden, dass sich eine allergische Reaktionslage entwickelt, bzw. wenn eine solche bereits besteht, ko¨nnen durch Karenz Krankheitserscheinungen vermieden werden. Die Beifußambrosie ist eine eingeschleppte Pflanze mit hohem Allergenpotential, deren weitere Verbreitung ein Gesundheitsrisiko darstellt.
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