Unerwünschte Effekte, Nebenwirkungen und Behandlungsfehler in der Psychotherapie

Unerwünschte Effekte, Nebenwirkungen und Behandlungsfehler in der Psychotherapie

ARTICLE IN PRESS www.elsevier.de/zefq Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 102 (2008) 558–562 Schwerpunkt IV Unerwu¨nschte Effekte, Neben...

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ARTICLE IN PRESS

www.elsevier.de/zefq Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 102 (2008) 558–562

Schwerpunkt IV

Unerwu¨nschte Effekte, Nebenwirkungen und Behandlungsfehler in der Psychotherapie Barbara Lieberei, Michael Linden Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charite´ Universita¨tsmedizin Berlin und der Abt. Verhaltenstherapie und Psychosomatik, Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow/Berlin

Zusammenfassung Es gibt umfangreiche empirische Belege fu¨r die therapeutische Wirkung von Psychotherapie. Eine systematische empirische Forschung zu unerwu¨nschten Wirkungen fehlt jedoch weitgehend. Nebenwirkungen und insbesondere Behandlungsfehler in der Psychotherapie sind ein Sonderproblem insofern als sie z.B. stets aus perso¨nlich zu verantwortenden Handlungen des Therapeuten entstehen. Auch gestaltet sich in der Psychotherapie die Unterscheidung zwischen allgemeinen negativen Lebensentwicklungen, unvermeidlichen Krankheitsfehlentwicklungen, uner-

wu¨nschten Effekten oder therapeutischen Wirkungen besonders schwierig. In der Psychotherapie kommt es zu unerwu¨nschten Effekten (UE) bevorzugt im Zusammenhang mit diagnostischen Fehlern, einem falschen Therapiefokus, durch falsches technisches Vorgehen, durch therapieinha¨rente Sensitivierungsprozesse und durch inada¨quate Beziehungsgestaltung. Aus all diesen Kategorien werden Beispiele und kurze Falldarstellungen aus dem psychotherapeutischen Alltag dargestellt sowie Schlussfolgerungen fu¨r ein verbessertes Nebenwirkungsmanagement gezogen.

Schlu¨sselwo¨rter: Psychotherapie, unerwu¨nschte Effekte, Nebenwirkungen, Behandlungsfehler

Adverse Effects, Side Effects and Medical Malpractice in Psychotherapy Summary There is ample proof for the efficacy of psychotherapy but no systematic research on unwanted effects. Cases of malpractice represent a special problem as they always result from a therapist’s inadequate behaviour. Furthermore, it is especially difficult in psychotherapy to distinguish between negative life events, unavoidable and undesirable developments of the disease, side effects of psychotherapy and positive treatment effects.

In psychotherapy unwanted effects (UEs) can occur in the context of diagnostic problems, selection of the wrong treatment focus, technically inadequate interventions, sensitization processes, or inadequate development of a therapeutic alliance. Examples and case vignettes will be presented for these types of UEs and conclusions will be drawn as to how UE management can be improved.

Key words: psychotherapy, unwanted effects, side effects, medical malpractice

Korrespondenzadresse: Dr. med. Barbara Lieberei, Reha-Zentrum Seehof, Abt. Verhaltenstherapie und Psychosomatik, Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow.

Tel.: 03328-345-639; fax: 03328-345-555. E-Mail: [email protected] (B. Lieberei).

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Psychotherapie wird von vielen Menschen als Therapieform angesehen, die Gutes bewirkt und keine Risiken in sich tra¨gt. Grundsa¨tzlich gilt jedoch auch fu¨r die Psychotherapie, so wie fu¨r alle anderen Bereiche der Medizin, dass mit zunehmender Differenziertheit und Wirksamkeit auch die Gefahr von unerwu¨nschten Effekten (UE) ansteigt. Was wirkt, kann auch schaden. Dass Psychotherapie wirkt, also positive Effekte hat bzw. besser ist als Nicht-Behandlung, ist durch die Psychotherapieforschung der letzten Jahrzehnte vielfach empirisch belegt worden [1,2]. In den Wirksamkeitsstudien werden in aller Regel jedoch keine Daten zu UE berichtet, so dass der Forschungsstand zu Misserfolgen, Nebenwirkungen oder gar Therapiescha¨den in der Psychotherapie unbefriedigend ist. Soweit Negativfolgen von Psychotherapie diskutiert werden, geschieht dies vor allem im Kontext kriminellen Therapeutenverhaltens wie z.B. bei sexuellen U¨bergriffen [3]. Das eigentliche Problem von UE im Verlauf einer Psychotherapiebehandlung ist hingegen auf kasuistische Berichte begrenzt und wenig systematisch bearbeitet [4–7]. Ein Grund hierfu¨r ist, dass Nebenwirkungen und insbesondere Behandlungsfehler in der Psychotherapie unter mehrfachen Gesichtspunkten ein Sonderproblem darstellen. Zum Einen gilt, dass Psychotherapienebenwirkungen, anders als Arzneimittelnebenwirkungen, stets aus perso¨nlich zu verantwortenden Handlungen des Therapeuten erwachsen. Unter psychologischer Sicht kommt daher bei Psychotherapienebenwirkungen immer auch ein perso¨nliches Scheitern zum Tragen, bzw. aus juristischer Sicht nicht nur eine Haftpflicht sondern immer auch eine Straf-

rechtsproblematik. Therapeuten erleben Behandlungsfehler und Nebenwirkungen nicht selten als bedrohlich oder narzisstisch kra¨nkend, so dass eine Neigung besteht, Fehlentwicklungen wenig zu thematisieren, zu tabuisieren, umzuinterpretieren und external zu begru¨nden ( der Patient war schuld ). Zum Zweiten’’ gilt, dass es bereits in der Pharmakotherapie gelegentlich schwierig ist, zwischen Haupt- und Nebenwirkungen zu unterscheiden, wie das Beispiel der Sedierung zeigt. In der Psychotherapie gestaltet sich die Unterscheidung zwischen unerwu¨nschten Effekten, unvermeidlicher Krankheitsfehlentwicklung und Nebenwirkungen noch um ein Vielfaches schwieriger. Wie ist zu kla¨ren, ob beispielsweise eine Scheidung wa¨hrend einer Psychotherapie ein von der Behandlung vo¨llig unabha¨ngiges u¨bliches Lebensereignis ist, eine Nebenwirkung oder eine Hauptwirkung der Psychotherapie? Zum Dritten gibt es in der Psychotherapie sehr unterschiedliche und ha¨ufig auch individualisierte Therapieansa¨tze mit oft nur begrenzter Festlegung von Verfahrensstandards, was die Feststellung eines falschen Vorgehens und ’’ die Beschreibung von Nebenwirkungen erschwert. Versucht man sich dem Thema der UE in der Psychotherapie systematisch zu na¨hern, dann lassen sich mehrere Risikotypen voneinander abgrenzen: UE durch Fehldiagnosen, UE durch falschen Therapiefokus, UE durch falsches therapeutisches Vorgehen, UE auf Grund von Sensitivierungsprozessen oder UE wegen inada¨quater Beziehungsgestaltung. Im Folgenden sollen beispielhaft zu allen diesen Kategorien Beispiele und kurze Falldarstellungen aus dem psychotherapeutischen Alltag gegeben werden. ’’

Das Sonderproblem der Psychotherapie-UE

UE durch unzureichende oder fehlerhafte Diagnostik Es ist ein integraler Bestandteil jeder Psychotherapie, eine vertiefte Diagnostik durchzufu¨hren, wozu sowohl die psychodynamische oder verhaltensanalytische Diagnostik, die Beschreibung der Perso¨nlichkeit, der psychopathologische Befund und auch der somatische Befund geho¨ren. Kommt es hier zu Fehlern, kann dies zu Negativfolgen fu¨r den Patienten fu¨hren (Tabelle 1). Dabei ist zu beru¨cksichtigen, dass alle Therapeuten einen Bias dahingehend haben, dass sie ein Problem zuna¨chst unter der Perspektive ihres engeren Fachgebiets sehen [8]. Psychotherapeuten sind also in der Gefahr jegliche Problematik im Rahmen ihrer psychologischen Konzepte zu interpretieren. In gleicher Weise kann es auch zu Fehlbehandlungen kommen, weil Therapeuten eigene psychodynamische diagnostische Vorlieben haben. Ein Beispiel wa¨re die Suche nach sexuellen Traumata in der Behandlungsvorgeschichte. So kann es vorkommen, dass Patienten im Rahmen einer Psychotherapie die Sicherheit gewinnen, als Kind sexuell missbraucht worden zu sein, ohne dass es dafu¨r konkrete Erinnerungen gibt [9,10].

UE durch falschen Therapiefokus Psychotherapie wird definiert u¨ber sog. Schulen oder Psychotherapieverfahren wie beispielsweise die Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie. Auf deren Hintergrund gibt es des Weiteren sto¨rungsspezifische Empfehlungen wie beispielsweise, dass bei der Behandlung depressiver Sto¨rungen die Modifikation dysfunktionaler Kognition indiziert ist

Tabelle 1. UE wegen unzureichender Diagnostik. Ein 55 Jahre alter Patient klagt u¨ber Schlafsto¨rungen, U¨berforderungsgefu¨hle, Erscho¨pfung und Konzentrationsprobleme. Er meint, seine Arbeit sei ihm zu viel und die Arbeitsbelastung zu hoch, weshalb er sich krank schreiben la¨sst. Es erfolgt eine fast einja¨hrige Psychotherapie und schließlich auch die Einleitung einer stationa¨ren psychosomatischen Rehabilitation. Dort fallen eine erhebliche Affektinkontinenz und kognitive Defizite auf, so dass wegen des Verdachts auf ein organisches Psychosyndrom ein cMRT durchgefu¨hrt und eine Multiinfarktdemenz diagnostiziert wird. Der Patient ha¨tte fru¨her gezielt behandelt werden ko¨nnen, wenn seine organisch bedingten Leistungs- und Affektsto¨rungen nicht psychologisch fehlinterpretiert und eine sorgfa¨ltige Diagnostik durchgefu¨hrt worden wa¨re.

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ARTICLE IN PRESS Tabelle 2. Falscher Therapiefokus. Der 50 Jahre alte Patient kennt seit Jahren rezidivierende depressive Episoden. Es wird schließlich im Rahmen eines solchen Erkrankungsrezidivs eine Psychotherapie aufgenommen. Der Patient meint, seine Frau nicht mehr lieben zu ko¨nnen und sich von der Arbeit vo¨llig u¨berlastet zu fu¨hlen. Der Fokus der Psychotherapie wird auf die Lo¨sung der bestehenden Lebensprobleme gelegt. Es wird ihm nahegelegt, dass er sein Leben a¨ndern muss und seine ’’ Ambivalenz durch klare Entscheidungen lo¨sen soll. Daraufhin hat er sich schließlich nach 28 Jahren von seiner Ehefrau getrennt. Nach Ru¨ckbildung ’’ der Depression wurde jedoch klar, dass die Ehe nicht das Problem gewesen war. Seine (Ex-) Ehefrau war nun aber nicht mehr bereit, die Trennung ru¨ckga¨ngig zu machen. ’’ ’’

Tabelle 3. Falsche Technik. Die Patientin leidet seit 18 Jahren unter einer schweren Angsterkrankung mit Panikzusta¨nden vor allem in Situationen, wo sie zu Fuß unterwegs ist, mit Angst vor Schwindel und Umkippen . Seit Jahren zeigt sie ein erhebliches Vermeidungsverhalten und bewa¨ltigt Wege außerhalb der Wohnung fast ’’ nur noch in Begleitung. Sie hat eine ambulante Verhaltenstherapie von 50 Stunden absolviert mit dem Fokus auf Expositionsu¨bungen in gefu¨rchteten Situationen, ha¨ufig auch in therapeutischer Begleitung (z.B. Weg allein durch einen leeren Park bewa¨ltigen, wo die Therapeutin am anderen Ende wartet). Die Patientin hat das als gewagte Mutprobe erlebt mit hoher ko¨rperlicher Belastung und deutlich versta¨rktem Angsterleben und deshalb die Therapie abgebrochen, da sie ’’ die U¨bungen als erheblich a¨ngstigend erlebt habe und die Angst als zunehmend unkontrollierbar. Der Bericht der Patientin zeigt, dass die Therapeutin technisch falsch vorgegangen ist und eine Stimulusexposition durchgefu¨hrt hat, mit dem Ergebnis, dass die Angst zugenommen hat und die Patientin ’’ danach auch nicht mehr bereit war, sich einer neuen Therapie zu stellen ( das tue ich mir nicht mehr any! ). ’’ ’’

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und bei Angsterkrankungen Expositionsverfahren. Dennoch ist Psychotherapie stets an den einzelnen Patienten zu adaptieren. Es ist die Entscheidung des Therapeuten ob er im konkreten Fall eines depressiven Patienten sich eher auf interaktionelle Probleme konzentriert oder am Selbstbild ansetzt. Ein Beispiel fu¨r eine hieraus resultierende Fehlbehandlungen ist die Fokussierung der therapeutischen Bemu¨hungen auf ein externes Problem (z.B. Ehekrise, Arbeitsplatzkonflikt) statt auf die psychische Grunderkrankung (z.B. generalisierte Angsterkrankung). Dies kann dann nicht nur den Behandlungserfolg gefa¨hrden sondern sogar noch zur Pathologisierung von Alltagsereignissen fu¨hren. Wie der in Tabelle 2 geschilderte Fall zeigt, kann dadurch ein Lebenspartner oder eine Lebenssituation fa¨lschlicherweise als Krankheitsursache angeschuldigt werden und es kann zu irreversiblen Lebensentscheidungen wie Trennung vom Lebenspartner oder Ku¨ndigung eines sicheren Arbeitsplatzes kommen, die den Patienten in der Folge dann schwer beeintra¨chtigen.

technischem Vorgehen ist oft nur sehr gering. In der Psychotherapie kommt es darauf an, geeignete therapeutische Interventionen sto¨rungsgerecht und zum richtigen Zeitpunkt technisch korrekt durchzufu¨hren. Viele Methodenfehler erschließen sich nur in der direkten Beobachtung durch andere Experten, wie dies beispielsweise in Supervisionen der Fall ist. Ob es zu einer Relativierung dysfunktionaler Kognitionen oder einer Verha¨rtung dysfunktionaler Einstellungen kommt, ha¨ngt davon ab, ob der Therapeut korrekt Verbalisierungen i.S. des sokratischen Dialogs eingesetzt hat oder ob er sich in konfrontierende Disputationen hat hineinziehen lassen. Ob eine Expositionsbehandlung bei einer Angsterkrankung zu einer Angstversta¨rkung oder einer Angstminderung fu¨hrt, ha¨ngt davon ab, ob der Therapeut eine Reaktionsoder eine Stimulusexposition durchfu¨hrt, was fu¨r einen Laien identisch aussieht (Tabelle 3).

UE durch falsche Durchfu¨hrung von Therapieinterventionen

Ein besonders schwieriges Problem im Rahmen von Psychotherapie sind Sensitivierungsprozesse. Sie sind eine nahezu unvermeidliche Nebenwirkung. Zu jeder Psychotherapie geho¨rt, dass mit dem Patienten ausfu¨hrlich u¨ber

Der Unterschied zwischen richtigem und falschem psychotherapeutisch-

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UE durch Sensitivierungsprozesse

schwierige Probleme gesprochen werden muss. Wie fu¨r jedermann nachvollziehbar ist, fu¨hrt alleine schon das Reden u¨ber eigene Probleme und die Erinnerung an schwierige Erlebnisse zu einer Stimmungsbelastung. In einer Studie von Poepel [11] wurden Probanden angehalten, sich selbstwertbedrohliche Situationen in Gedanken vorzustellen. Eine Ha¨lfte wurde dann gebeten, sich nach dieser Stressvisualisierung abzulenken und ko¨rperlich zu beta¨tigen, wa¨hrend die andere Ha¨lfte gebeten wurde, sich weiterhin mit der angesprochenen Situation zu befassen. In dieser problemorientierten Gruppe nahm die Negativstimmung weiter deutlich zu, im Gegensatz zur Kontrollgruppe, wo es zu einer Stimmungsbesserung kam. Bezogen auf ein psychotherapeutisches Setting bedeutet dies, dass nicht selbstversta¨ndlich davon ausgegangen werden kann, dass das Ansprechen von Problemen in der Psychotherapie und das Fokussieren auf schwierige Lebenssituationen dazu fu¨hrt, dass es einem Patienten besser geht, sondern dass im Gegenteil zu erwarten ist, dass es ihm affektiv dadurch schlechter gehen kann als zuvor. Tabelle 4 schildert einen Fall, in dem hierdurch eine schwerwiegende psychische Erkrankung u¨berhaupt erst ausgelo¨st wurde. Dies ist nach der vorliegenden Literatur in sog. Debriefing-Interventionen, d.h. psychotherapeutischer Betreuung

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ARTICLE IN PRESS Tabelle 4. Sensitivierung. Die 42 Jahre alte Patientin zeigte eine unauffa¨llige biographische und psychische Entwicklung, bis vor 18 Monaten mehrere Kollegen ihrer Abteilung durch einen to¨dlichen PKW-Verkehrsunfall umkamen. Sie selbst war weder Zeuge des Unfalls noch unmittelbar beteiligt oder betroffen. In der Folge wurde u¨ber den Arbeitgeber und Betriebsarzt eine psychotherapeutische Betreuung ( Debriefing-Gruppe ¼ Nachbereitungsgruppe) aller Mitarbeiter ’’ der Abteilung organisiert, bei der in Gruppen der Unfallhergang minutio¨s nachbesprochen wurde und ein Austausch des damit verbunden emotionalen Erlebens angeregt wurde. In der Folge erlebte die Patientin zunehmend sich aufdra¨ngende innere Bilder und Phantasien vom Unfallhergang und damit einhergehend Anspannung und U¨bererregung. Sie entwickelte schließlich das Vollbild einer Posttraumatischen Belastungssto¨rung mit langdauernder Arbeitsunfa¨higkeit wegen Vermeidung jeden Kontakts zur Arbeitsstelle und schließlich sogar Vermeidung, das eigene Haus zu verlassen. ’’

unmittelbar nach einem Katastrophenerleben, offenbar eher die Regel denn die Ausnahme [12].

UE durch Beziehungsmissbrauch Eine Psychotherapie ist ohne eine enge perso¨nliche Beziehung zwischen Patient und Therapeut nicht vorstellbar. Diese wird sogar als Voraussetzung des Therapieerfolgs angesehen [13,14]. Der Therapeut ist dabei allerdings unvermeidlich in einer dem Patienten u¨berlegenen Position. Er kennt perso¨nliche Details des Patienten, der selbst nichts u¨ber die perso¨nliche Spha¨re des Therapeuten weiß. Der Therapeut hat das Fachwissen, er kann u¨ber den Ablauf der Therapie entscheiden, er weiß auch, wie man Einfluss nimmt auf das Denken und Erleben des Gegenu¨bers. Wegen dieser Dominanzposition des Therapeuten ist Psychotherapie eine gesetzlich reglementierte Behandlungsform, die eine spezielle Ausbildung und eine Approbation als Arzt oder Psychologischer Psychotherapeut zur Voraussetzung hat. Daher ist ein sexueller Kontakt mit einem Patienten auch ein sexueller Missbrauch und kriminelles Vergehen i.S. von Unzucht mit Abha¨ngigen [3]. Es gibt jedoch auch weniger auffa¨llige Formen des psychischen Missbrauchs von Patienten durch Therapeuten. Dazu geho¨rt beispielsweise das missbra¨uchliche Ausagieren der eigenen Bindungsbedu¨rftigkeit des Therapeuten, das missbra¨uchliche Ausagieren von eigenen Dominanzkonflikten oder der narzisstische Missbrauch [3]. Zu dieser letzten Form geho¨rt auch die U¨berbewertung des eigenen Behandlungsverfahrens unter Ausblendung alternativer, im konkreten Einzelfall ggf.

gu¨nstigerer Behandlungsmo¨glichkeiten. Es ist evident, dass alle diese Formen interaktionellen Fehlverhaltens Negativfolgen fu¨r den Patienten haben ko¨nnen, von der Versta¨rkung der Psychopathologie bis zur Unterlassung beno¨tigter Behandlungen.

Schlussfolgerungen und Fazit fu¨r die Praxis Die vorgenannten U¨berlegungen zeigen, dass Psychotherapie nicht risikofrei ist und auf vielfache Weise Negativfolgen haben kann. Eine intensivere wissenschaftliche Untersuchung von unerwu¨nschten Effekten, Nebenwirkungen und Behandlungsfehlern in der Psychotherapie ist dringend erforderlich. Grundsa¨tzlich lassen sich die folgenden Empfehlungen zur Vermeidung, Erkennung und Bewa¨ltigung unerwu¨nschter Effekte in der Psychotherapie geben:  Alle Beteiligten, d.h. jeder Therapeut, Patient und Kostentra¨ger, sollten sich stets bewusst sein, dass jede Psychotherapie die wirkt, auch unerwu¨nschte Effekte (UE) haben muss. Selbst bei Nichtwirksamkeit kann es dennoch immer noch zu UE kommen.  Jeder Therapeut, ob Psychotherapeut oder Pharmakotherapeut, muss eine Sensibilita¨t fu¨r UE haben.  Bei der Therapieplanung und -durchfu¨hrung ist die Vermeidung von UE mindestens so wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als das Erreichen von Therapiezielen. Daher ist in der Psychotherapie, analog zur Pharmakotherapie, ein UE-geleitetes Vorgehen erforderlich.  Psychotherapeuten sollten sich bewusst sein, dass sie innere Widersta¨nde gegen die Wahrnehmung

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von UE haben und dass sie in der Gefahr sind, aus UE negatives Patientenverhalten zu machen (z.B. Widerstand), positive Therapiewirkungen abzuleiten (z.B. Scheidung) oder UE ganz zu ignorieren. Wer keine Nebenwirkungen sieht, hat sie u¨bersehen.  Die Frage nach UE in der Psychotherapie sollte regelma¨ßiger Bestandteil von Supervisionen, Intervisionen und der therapeutischen Selbstreflexion sein.  Ein wichtiger Teil der Ausbildung sollte darin bestehen Psychotherapeuten zu vermitteln wie man UE erkennt, beschreibt, klassifiziert und verhindert.

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