Zukunftsfähige Qualifikations- und Kompetenzprofile für Ärzte in Deutschland – Ergebnisse einer empirischen Studie

Zukunftsfähige Qualifikations- und Kompetenzprofile für Ärzte in Deutschland – Ergebnisse einer empirischen Studie

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Public Health Forum 20 Heft 77 (2012) www.journals.elsevier.de/pubhef

€hige Qualifikations- und Kompetenzprofile fu €r Zukunftsfa € Arzte in Deutschland – Ergebnisse einer empirischen Studie Michaela Evans und Josef Hilbert Reichen die heutigen Ausbildungsga¨nge und Studienangebote fu¨r Humanmediziner aus, um den Anforderungen der Zukunft gerecht werden zu ko¨nnen? Auf welche Aspekte, Qualifikationen und Kompetenzen sollte in Zukunft mehr Gewicht gelegt werden, damit Mediziner ihren Beitrag fu¨r mehr Gesundheit und Lebensqualita¨t, fu¨r mehr Wirtschaftlichkeit, weniger Verschwendung und eine nachhaltige Entwicklung im Gesundheitswesen leisten ko¨nnen? Dies waren die Fragen, zur deren Beantwortung die Initiative Gesundheitswirtschaft (IGW) das Institut Arbeit und Technik (IAT) mit einer Studie beauftragte. Ziel der Studie war aufzuzeigen, wo sich bereits heute neue und vera¨nderte Qualifikations- und Kompetenzanforderungen an Mediziner abzeichnen. Zudem wurde untersucht, wo eine Weiterentwicklung der Qualifizierungslandschaft fu¨r Mediziner sinnvoll sein ko¨nnte. Die Studie stu¨tzte sich auf mehrere Quellen: die Analyse einschla¨giger Vero¨ffentlichungen, eine Systematisierung des Reformgeschehens in deutschen Modell- und Reformstudienga¨ngen, eine explorative Stellenanzeigenanalyse sowie auf qualitative Experteninterviews. Zwischenerkenntnisse der Arbeit wurden im Rahmen eines Delphi-Verfahrens mit Experten kritisch diskutiert und inhaltlich konkretisiert. Im Mittelpunkt stand nicht das idealtypische Design einer neuen Medizinerausbildung sondern die Frage, ob es in der Praxis Kompetenzanforderungen gibt, die in den einschla¨gigen Reformdebatten (z.B. Busch, 2011; BVMD, 2010; Go¨pel, 2010; Jacob und Heinz, 2010;

Lancet Kommission, 2010; Wintermantel, 2010; Bergner, 2009) nicht oder nicht hinreichend aufgegriffen werden. Zentrale Ergebnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen:  Das Berufsbild des Mediziners stellt bereits heute a¨ußerst hybride Anforderungen und muss unterschiedliche Referenzsysteme integrieren: Neben fachlichen Leistungen spielen Sozialkompetenz, Kommunikationsfa¨higkeit, interdisziplina¨re Teamorientierung, Patientenorientierung sowie Fragen der Wirtschaftlichkeit in den Stellenanzeigen eine bedeutende Rolle. Mediziner werden nicht nur als Fachexperten, sondern auch als empathische Fu¨hrungskra¨fte, Gescha¨ftsfeldentwickler und Innovationsmanager adressiert. Die Weiterentwicklung organisationsinterner Strukturen und Leistungsprozesse geho¨rt ebenso hierzu wie das Engagement in der Entwicklung regionaler datenbasierter Versorgungslo¨sungen.  Die Entwicklung tragfa¨higer neuer Versorgungslo¨sungen erfordert den Umgang mit multiprofessionellen und transdisziplina¨ren Arbeitszusammenha¨ngen: Hierfu¨r ist der Dialog mit anderen Gesundheits(fach)berufen unerla¨sslich. Interprofessionelle Zusammenarbeit kann durch gemeinsames Lernen, verbesserte Kommunikationsfa¨higkeit sowie durch Team- und Fu¨hrungskompetenzen gesta¨rkt werden. Die Herausforderung besteht darin, dass aus Medizinern, die heute oft hochkompetente ,,Einzelka¨mpfer‘‘ sind,

patientenorientierte, orchestrierungsfa¨hige Dienstleister, teamfa¨hige Kollegen und empathische Fu¨hrungskra¨fte werden.  Innovationslandschaft Medizinerausbildung – Die Richtung stimmt, die Konturen sind noch sehr kaleidoskopisch: Zentrale Anforderungen sind in den Modell- und Reformstudienga¨ngen in der Medizin in Deutschland aufgegriffen worden. Insbesondere Inhalte wie Patientenorientierung, Kommunikation, Evidenzbasierung, Gesundheitso¨konomie und Gesundheitssystemwissen sowie Ethik wurden akzentuiert. Kompetenzbildung und Problemlo¨sungsfa¨higkeit wurden in Verknu¨pfung mit neuen Lehr- und Lernmethoden gesta¨rkt. Allerdings ist die Modernisierung noch zaghaft und es fehlt an einer Integration dieser Ansa¨tze. Als defizita¨r erweist sich zudem die Vermittlung von Kompetenzen zur Gestaltung von Versorgungslo¨sungen.  Eine zukunftsfa¨hige Ausbildung fu¨r Mediziner sollte das Orientierungswissen u¨ber zuku¨nftige Berufsrollen ausbauen: Gefordert ist hierbei nicht zuletzt die Verknu¨pfung akademischer Qualita¨t in Forschung und Versorgung mit den konkreten Anforderungen des Berufsfeldes. Hierzu geho¨rt auch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Arbeitsfeld des niedergelassenen Mediziners. Die unterschiedlichen Berufsrollen und Referenzsysteme – der Arzt als Professional, Forscher, Arbeitnehmer, selbsta¨ndiger Unternehmer – sollten sta¨rker thematisiert werden.

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Die Erneuerung des Gesundheitswesens erfa¨hrt letztlich in tragfa¨higen Versorgungslo¨sungen vor Ort ihre Konkretisierung. Die bislang noch weitgehend ungenutzten Ressourcen ¨ rzte fu¨r mehr Qualita¨t und Pader A tientenorientierung sollten hierfu¨r fruchtbar gemacht werden. Dies erfordert ein besseres Zusammenspiel der Gesundheitsprofessionen, wobei die notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen fru¨hzeitig erlernt werden mu¨ssen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Versta¨ndnis und die Integration weiterer Orientierungen in das professionelle Handeln der Mediziner zuku¨nftig unumga¨nglich sein werden. In der Praxis werden bereits

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entsprechende Fa¨higkeiten einer strukturierteren Medizin eingefordert. Ein intensiver Austausch daru¨ber, wie insbesondere die Fa¨higkeiten zur interprofessionellen Zusammenarbeit und zum Design von Versorgungslo¨¨ rzteausbildung in sungen in der A Deutschland verankert werden ko¨nnen, ist dringend notwendig. Allerdings: weder darf das hochverdichtete Studium inhaltlich weiter u¨berfrachtet werden, noch sollte eine nachholende Kompetenzerweiterung ausschließlich Privatvergnu¨gen interessierter ¨ rzte sein. Ein wichtiger Schritt la¨ge A in einer bundesweiten Implementierung von Lernzielkatalogen mit entsprechenden Kompetenzfestlegungen

sowie in der Festlegung von verbindlichen nationalen Durchfu¨hrungs- und (auf Outcome zu u¨berpru¨fende) Definitionskatalogen zur Weiter- und Fortbildung. Die korrespondierende Autorin erkla¨rt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Literatur siehe Literatur zum Schwerpunktthema. http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2012.09.008 Michaela Evans Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfa¨lischen Hochschule Munscheidstr. 14 45886 Gelsenkirchen [email protected]

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Einleitung Die Modernisierung des Gesundheitssystems sowie der Ruf nach mehr Innovation, Qualita¨t und Wirtschaftlichkeit ¨ rzten. Zahlreiche Universita¨ten erfordern in der Praxis neue und erweitere Qualifiaktionen und Kompetenzen von A haben mit der Reform ihrer Studienga¨nge der Humanmedizin begonnen. Weitere Reformen sind vor allem in den Feldern Versorgungs- und Innovationsmanagament, transprofessionelles Lernen sowie Fu¨hrung notwendig. Summary The ongoing modernisation of the german health care system, challenges in the fields of innovation, quality and economic efficiency at the organisational level as well as new requirements for professional development lead to new and modified skills and qualifications. Numerous universities in Germany offer reformed courses to study medicine. However a further development of skills and qualifications for physicians, considering innovation management, interprofessional education and leadership, is necessary. Schlu¨sselwo¨rter: ¨ rzteausbildung = physicians, Kompetenz- und Qualifikationsentwicklung = skills Humanmedizin = Human Medicine, A and qualifications, Innovationsmanagement = innovation management, interprofessionelles Lernen = interprofessional education

Literaturverzeichnis Bergner T. Arzt sein. Die 7 Prinzipien fu¨r Erfolg. In: Effektivita¨t und Lebensqualita¨t. Stuttgart: Schattauer; 2009. Busch HP. Das Profil des Chefarztes im Wandel. In: Arzt und Krankenhaus 9/2011. Melsungen: Bibliomed-Medizinische Verlagsgesellschaft mbH; 2011. p. 270. bvmd – Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland: Modellstudienga¨nge in der Medizin. Positionspapier (online). (Zitierdatum 13.9.2011) Bonn: abrufbar unter:

http://bvmd.de/fileadmin/intern_alle/Positionspapiere/2010/2010-10-31_Positionspapier_Modellstudiengaenge.pdf Go¨pel E. Weiter so?! Medizinische Fakulta¨ten in der Sackgasse. In: Dr. med. Mabuse, 187, September/Oktober 2010, Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag, p. 31. Jacob R, Heinz A. Berufsmonitoring Medizinstudenten: Bundesweite Befragung 2010 Pressegespra¨ch Berlin 20.9.2010, Foliensatz (online). (Zitierdatum: 13.9.2011). Abrufbar unter: http://www.kbv.de/publikationen/37141. html

Lancet Kommission, Herausgeber. Health Professionals fu¨r das neue Jahrhundert - die Bildung vera¨ndern, um die Gesundheitssysteme in einer interdependenten Welt zu sta¨rken. 2010, Deutsche Fassung (online), (Zitierdatum: 25.10.2011) abrufbar unter: http://www. careum.ch/lancet-report Wintermantel M. Fu¨r ein Europa¨isches Medizinstudium. In: Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Medizinstudium, quo vadis? Auf dem ¨ rzteausbildung, Weg zu einer europa¨ischen A Bonn; 2010. p. 8–11.

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