Z. Immun.-Forsch. vol. 151, pp. 350-358 (1976)
Staatliches Institut fUr Immunpraparate und Nahrmedien (Direktor: MR Dr. med. habil. Dr. rer. nat. H. FRANZ) Berlin-DDR
Die Wirkungsweise von Protaminsulfat auf die Erythrozytenagglutination durch Rh-Antiseren Ursache der Zeitabhangigkeit Effect of Protamine Sulphate on Erythrocyte Agglutination by Anti-Rh Antisera Cause of Time-Dependence HARTMUT FRANZ, BRUNHILDE HAUSTEIN, KARIN GESKE, URSULA KUROPKA und UWE PFULLER Mit 1 Abbildung Eingegangen am 20. November 1975 . Angenommen in revidierter Fassung am 3. Februar 1976
Abstract The effect of protamine sulphate on Rh antisera causes agglutination also in saline milieu and is time.dependend. Synchronous to the serologically demon· strable decrease of the protamine concentration a normalization of the immunoelectrophoretic picture (especially of the albumin arc) and a decline of the precipitate formation by heparin occur. These effects are based on enzymatic degradation of protamine by a protaminolytic enzyme contained in human serum. This enzyme could not be inhibited by sodium fluoride, sodium azide, ammonium oxalate, EDTA or IX,IX'-dipyridyl to a serologically desired degree. The change of the behaviour with regard to agglutination of human erythrocytes in the system Rh antibody - protamine sulphate results primarily from blocking acid groups on the erythrocyte surface and not from chemical modification of IgG antibodies. In this system protamine sulphate leads to the formation of agglutinates but it does not represent an obligate constituent of the formed agglutinate.
In den Jahren 1952-1959 hat SPIELMANN tiber eine Reihe von Untersuchungen berichtet (1, 2, 3), die den EinfluB von Protaminsulfatlosungen auf die Wirkungsweise von Blutgruppentestseren zum Gegenstand hatten. Er konnte feststellen, daB der Zusatz von Protaminsulfat zu Anti-Rh-Seren eine spezifische Agglutination auch im KochsalzmiIieu ermoglicht. Bei der Durchftihrung eines derartigen Protamintests fiel jedoch von Anfang an eine starke Abnahme der Protaminwirkung mit der Zeit auf, die nach etwa 72 Stunden zu einem vollstandigen Verschwinden des protaminbedingten Effekts fiihrte. Es
Wirkungsweise von Protaminsulfat auf die Erythrozytenagglutination . 351
ist das Ziel dieser Mitteilung, angeregt durch die Arbeiten SPIELMANNS, zu zwei bisher noch offengebliebenen Fragen Stellung zu nehmen. In erster Linie solI die Ursache fUr die Zeitabhangigkeit der Protaminsulfatwirkung ermittelt werden. Dazu ist es erforderlich zu prufen, ob das Nachlassen der Protaminsulfatwirkung auf eine allmahlich erfolgende, stabile Bindung des Protaminpolykations an bestimmte Plasmaproteine oder auf einen anderen Mechanismus zuruckzufUhren ist. AuBerdem solI er6rtert werden, ob der primare, d. h. der fur die blutgruppenserologische Wirkung maBgebende Angriffspunkt des Protaminpolykations am Erythrozyten direkt oder am homologen Antik6rpermolekul zu suchen ist.
Methoden und Material Protaminsulfat Protamin (50 mgj5 ml) und Protamin forte (250 mgj5 ml) VEB Arzneimittelwerk Dresden. Erythrozyten Es wurden menschliche Erythrozyten (bis zu 3 Tage alt) mit den Antigenen A, B, D, E, K, Fyb in 5%igen Suspensionen in NaCI-Losung (0,9 gjl00 ml) bzw. in Supplement (AB-Mischserum, Dextran-Gelatine) verwendet. Seren Zur Verwendung kamen konglutinierende Seren der Spezifitaten Anti-D, Anti-E, Anti-Fyb und Anti-K sowie agglutinierende Blutgruppentestseren Anti-A, Anti-B und Anti-A + B aus dem Staatlichen Institut fiir Immunpraparate und Nahrmedien sowie eine IgG-Fraktion mit Anti-E-Spezifitat. 1 ml Testserum wurde mit 1 ml Protaminsulfat 50 mg/5 ml oder 0,2 ml Protaminsulfat forte 250 mg/5 ml gemischt und zentrifugiert. Yom Dberstand wurden Titer und Spezifitat sofort, 10 Minuten sowie 6, 12, 24, 48 und 72 Stunden nach Protaminsulfatzugabe iiberpriift. Dabei wurden von den SerumProtaminsulfat-Gemischen Titerreihen in NatriumchloridlOsung (0,9 gjl00 ml) hergestellt und gegen die homologen Erythrozyten sowie entsprechend negative Kontrollen im Plattentest angesetzt. Die Ansatze wurden 20 Minuten bei 20°C in feuchter Kammer aufbewahrt. Die Beurteilung erfolgte auf Agglutination/ Aggregation je nach Reaktionsstarke von ± bis + + + +. I mmunelektrophorese Ausfiihrung nach SCHEIDEGGER (4) unter Verwendung polyspezifischer AntiHumanseren sowie eines Anti-Humanalbumin-Serums des Staatlichen Instituts fiir Immunpraparate und Nahrmedien. Die immunelektrophoretischen Untersuchungen erfolgten stets in Verbindung mit gleichzeitiger serologischer Titerbestimmung 10 Minuten, 6, 12, 24, 48 und 72 Stunden nach Protaminsulfatzugabe zum Serum. Humanalbumin Eine 5%ige Humanalbuminlosung (Forschungsinstitut fiir Impfstoffe, Dessau) wurde mit 9 Teilen Natriumchlorid (0,9 gjlOO ml) verdiinnt und anschlie.6end mit gleichen Teilen Protaminsulfat (50 mg/5 ml) versetzt. Nach 10 Minuten, 6, 12, 24, 48 und 72 Stunden wurden Immunelektrophoresen angefertigt.
352 . H. FRANZ, B. HAUSTEIN, K. GESKE, U. KUROPKA und U. PFULLER
Fallung von Protamin mit Heparin Zu den oben beschriebenen, unterschiedlich alten Testserum-Protaminsulfat-Gemischen wurde tropfenweise eine Heparin16sung zugesetzt und festgestellt, ob sich ein Niederschlag bildet. Die Starke der Niederschlagsbildung wurde mit 0 (kein Niederschlag) bis (grobscholliger Niederschlag) bewertet. Anstelle von Heparin wurde den Testserum-Protaminsulfat-Gemischen auch eine wa13rige Suspension von CM-Sephadex G 50 zugesetzt, das CMSephadex-Gel abzentrifugiert und mit einer frischen Protaminsulfat16sung versetzt. Anschlie13end wurde die «Titerabnahme» der Protaminsulfatlasung gegeniiber Rh-Antiseren bestimmt.
+++ +
Dunnschichtchromatographie Die Auftrennung erfolgte an Kieselgel G, wobei als Laufmittel n-Butanol/ Eisessig/Wasser (Verhaltnis 4: 1: 1) diente. Die Laufstrecke betrug 10 cm. Zur Anfarbung diente die Ninhydrin-Reaktion. Zusatz von Enzyminhibitoren zu Protaminsulfat-Serumgemischen 1 %ige Lasung von Kadmiumchlorid (CdCla), Natriumazid (NaNa), Natriumfluorid (NaF) sowie 2%ige Lasung von Ammoniumoxalat [(NH4)aCa04] und oc,oc'-Dipyridyl (500 bzw. 1000 mg/ml) wurden mit einer 1 %igen Protaminsulfatlasung und mit humanen Blutgruppentestseren im Verhaltnis 1: 1: 1 gemischt. Nach 10 Minuten, 6, 12, 24, 48, 72 und 96 Stunden wurde der Titer dieser Gemische gegeniiber homologen Erythrozyten bestimmt.
H erstellung von N -(2 -Guanidinoathyl) -polyathylenimin Zur Gewinnung von Polyathylenimin wurden in einem 1-I-Kolben mit elektrischer Innenheizung 150 g frisch destilliertes Athylenimin und 350 ml destilliertes Wasser insgesamt 24 Stunden am Riickflu13 erhitzt. Das Erhitzen wurde 2mal iiber Nacht unterbrochen. Wir erhielten 480 g einer 30%igen, farblosen, viskasen, nahezu geruchlosen Lasung von Polyathylenimin. 100 g dieser Lasung wurden auf 80°C erwarmt und rasch unter Riihren zu 37 g S-Athyl-isothiuroniumbromid gegeben, das zuvor in einem 250-ml-Dreihalskolben mit 100 ml eiskalter Natronlauge iibergossen wurde. Sobald die Temperatur im Reaktionskolben 25°C erreicht hatte, wurde das Eisbad entfernt. Das sich sofort bildende Athylmercaptan wurde im Stickstoffstrom in 2 hintereinander geschaltete Waschflaschen mit je 100 ml Aceton geleitet und zum Zwecke einer quantitativen Bestimmung absorbiert. Es wurde 2 Stunden bei 26°C und 1 Stunde bei 50°C geriihrt. Nach dem Abkiihlen wurde die Lasung mit kalter 2 n HaSO. neutralisiert (pH 7,0) und noch 1 Stunde bei 30-40°C mit Stickstoff durchgespiilt. Wir erhielten 240 ml einer etwa 13%igen Lasung von N-(2-Guanidinoathyl)-polyathyleniminsulfat. Diese Lasung wurde im Verhaltnis 1: 1 bzw. 1: 10 zu menschlichen Blutgruppentestseren gegeben. Mit Heparinlasungen el'folgte eine kriiftige Niederschlagsbildung.
Ergebnisse Die Angaben von SPIELMANN iiber den EinfluB von Protaminsulfat auf
25
2
2
1
2
4
4
Anti-D
Anti-E
Anti-K
Anti-Fyb
Anti-A
Anti-B
Anti-A+B
4 Al
4B
20 D 10 d 3 Ee 3 ee 4Kk 1 kk 6 Fy (a+ b+) 1 Fy (a+ b-) 4AI
Blutmuster
*) PS = Protaminsulfat * *) Als Supplement wurde Dextran-Gelatine verwendet ***) Als Supplement wurde AB-Mischserum verwendet
Anzahl
Seren Spezifitat
1: 64 1: 1024 1: 2048 1: 4096 1: 32 1: 512 1: 2048 1: 4096 1: 32 1 : 16
1 : 32-1 : 128
1 : 2-1 : 128
1: 1: 1: 1: 1: 1: 1: 1: 1: 1:
64 1024 512 2048 8 256 1024 4096 16 8
Durchschnittliche Titer in 0,9%iger NaCl-Losung mit PS *) ohne PS
+ bis + + (Serum unverdiinnt***)
1: 32-1: 64***)
1: 512-1 : 1024**)
1: 32-1 : 1096**)
in Supplement ohne PS
Tab. 1. EinfluB von Protaminsulfat auf die Reaktionen (,konglutinierender» und ('agglutinierender» Antikorper im salinen Milieu.
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354 .
H. FRANZ,
B.
HAUSTEIN, K. GESKE,
1. Serel. Reaktion 2. Zusatz von Heparin
3. Vollserum +Anti-Alb.
4. Chromatogramm
U.
10'
6h
12h
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"',55t
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KUROPKA
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PFULLER
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Abb. 1. Zusammenstellung von Untersuchungsergebnissen, die die Abnahme der Protaminsulfatkonzentration in einem Vollserum in Abhangigkeit von der Zeit demonstrieren. 1. Ausgangstiter und Anzahl der Titerstufen (St) nach Verdiinnung in geometrischer Reihe (2n). 2. Starke der Niederschlagsbildung nach Heparinzusatz. 3. Immunelektrophoretische Veranderungen des Blutgruppentestserums unter Verwendung eines Anti-Humanalbumin-Serums. Der obere Bogen ist der AIbuminbogen im protaminsulfatfreien, der untere der AIbuminbogen in einem protaminsulfathaltigen Serum. 4. Starke der diinnschichtchromatographisch erfaJ3ten Argininfreisetzung. Aile 4 Reaktionstypen zeigen einen synchronen Verlauf.
dern bildet sich innerhalb von 72 Stunden zuriick. Nach dieser Zeit ist das immunelektrophoretische Bild im wesentlichen gleich dem vor Protaminsulfatzugabe. Wir konnten nachweisen (5), daB bei menschlichen Blutgruppentestseren diese «N ormalisierung» des elektrophoretischen Bildes zeitlich mit dem Abklingen der serologisch feststellbaren Protaminwirkung einhergeht (Abb. 1). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daB Protaminsulfatzugabe zu einer Humanalbuminlosung zwar zu der eben beschriebenen Verlagerung des Albuminbogens fiihrt, daB aber diese Veranderung im Gegensatz zu Vollseren iiber 6 Monate und langer stabil bleibt. Voraussetzung fiir diese Stabilitat ist allerdings, daB das System HumanalbuminfProtaminsulfat vor bakteriellen Kontaminationen geschiitzt wird. Bakteriell verunreinigte Humanalbuminproben zeigen haufig, in Abhangigkeit von der Keimart, den Effekt der «Normalisierung» des Albuminbogens nach unterschiedlicher Zeit. Der Zusatz von Heparin zu den gleichen, 10 Minuten, 6, 12, 24, 48, 72 Stunden bei Zimmertemperatur aufbewahrten Vollserum-Protaminsulfat-Losungen, wie sie auch fiir die oben beschriebenen immunelektrophoretischen Untersuchungen verwendet werden, ergab, daB die auftretende Niederschlagsmenge immer geringer wurde. Nach 48 bzw. 72 Stunden war keine Niederschlagsbildung mehr festzustellen. Anstelle von Heparin kann zur Eliminierung von freiem Protamin auch eine Suspension von CMSephadex in Wasser verwendet werden. In diesem FaIle ergab die anschlieBende Bestimmung des CM-Sephadex-gebundenen Protamins ebenfalls eine zeitliche Abnahme der Protaminkonzentration. Die
Wirkungsweise von Protaminsulfat auf die Erythrozytenagglutination . 355
papierchromatographische Untersuchung von Serum-ProtaminsulfatGemischen ergibt in Abhiingigkeit von der Zeit eine Argininfreisetzung, die nach etwa 72 Stun den abgeschlossen ist. Ein Vergleich der angewendeten Verfahren (Immunelektrophorese, Heparinzusatz, Diinnschichtchromatographie, serologischer Test mit Rh-Seren) ergab, daB die visuelle Beurteilung der nach Heparinzusatz entstandenen Niederschlagsmenge sehr einfach auszufiihren ist und iiber die aktuelle Protaminkonzentration im Rahmen der gestellten Anforderungen hinreichend informiert (Abb. I). Der Zusatz von N -(2-Guanidinoathyl)-polyathylenimin
f
-CH2-CH2-NH-CH2-CH2-Y-CH2-CH2-NH-
In
CH2-CH2-NH-C-NH2 II
NH fiihrt zu ahnlichen serologischen Resultaten, ohne daB diese zeitabhiingig sind. Dagegen fallt eine starkere Abhiingigkeit vom Alter der Erythrozyten auf. Zusatze von Kadmiumchlorid, Natriumazid, Ammoniumoxalat, N atriumftuorid, EDTA oder rx,rx' -Dipyridyl ergaben keine oder eine nur geringe zeitliche Verlangerung sowohl der serologischen als auch der immunelektrophoretisch und chromatographisch nachweisbaren Protaminsulfatwirkung. Diskussion
Das allmahliche N achlassen der serologisch festzustellenden Protaminaktivitat sowie die synchron dazu ablaufende Normalisierung des immunelektrophoretischen Bildes und das Verhalten gegeniiber Heparin16sungen weisen auf eine Abnahme der Protaminkonzentrationen im betrachteten System hin. Als Ursa chen dafiir waren Prazipitation des Protamins, die Bildung stabiler, 16slicher Komplexe oder ein Abbau des Protamins denkbar. Niederschlage treten bei der Bereitung der Gemische nicht oder nur in geringem MaBe auf. AuBerdem 16sten sich diese geringgradigen Niederschlage innerhalb von Ibis 2 Tagen wieder auf. Aus diesem Grunde kommt eine Protaminprazipitation als Ursache der Protaminkonzentrationsabnahme nicht in Betracht. Aherdings bewirkten Protaminsulfatlosungen eine Prazipitierung von ftuoreszenzmarkierten Seren, sofern sie einen bestimmten Markierungsgrad (proteingebundene Farbstoffmolekiile pro Antikorpermolekiil) iiberschreiten. Diese Reaktion, die auf der Anreicherung von sauren Gruppen im Antikorpermolekiil infolge der Markierung beruht, kann zur Fraktionierung FITC-markierter Antikorper
356 .
H. FRANZ,
B.
HAUSTEIN, K. GESKE,
U.
KUROPKA
und U.
PFULLER
verwendet werden (6). Auch fUr eine Bildung 16slicher Komplexe, die auf der Wechselwirkung Serumprotein-Protamin-Polykation beruht, ergaben sich keine Anhaltspunkte. Fiir diesen Fall ware eine Veranderung der Ladung von Serumproteinen und damit eine Modifizierung des elektrophoretischen Verhaltens zu fordern. Dagegen konnte nachgewiesen werden, daB nach 72 Stunden das immunelektrophoretische Bild dem des Ausgangsserums entspricht. AuBerdem ware anzunehmen, daB eventuell entstandene losliche Protamin-SerumproteinKomplexe auf Heparinzusatz unter Niederschlagsbildung zerstOrt werden wiirden. Daraus folgt, daB als Ursache fiir die Abnahme der Protaminkonzentration nur eine Protaminspaltung in Betracht kommt. Die diinnschichtchromatographischen Experimente weisen nach, daB im Zeitintervall von 48-72 Stunden in einem Serum-Protamingemisch eine Freisetzung von Arginin stattfindet. Arginin ist zu etwa 90% am Aufbau der Protamine beteiligt, wobei geringgradige Schwankungen in Abhangigkeit von der Fischart, aus deren Rogen das Protamin stammt, festgestellt wurden (7). Das bei der Protaminspaltung entstehende Arginin oder moglicherweise Protaminabbauprodukte von Oligopeptidcharakter zeigen nicht die typischen Protaminreaktionen. Ersteres hat SPIELMANN schon fiir serologische Reaktionen nachgewiesen (2). Die Spaltung des Protamins kann unter den gewahlten Versuchsbedingungen nur auf enzymatischem Wege erfolgen. 1931 beschrieben WALDSCHMITZ-LEITZ (8) eine Protaminase aus dem Pankreas, die wahrscheinlich mit der Carboxypeptidase B identisch ist. HAGEDORN berichtete 1938 (9) iiber protaminspaltende Eigenschaften von Serum. FANTL und EVERARD (10) fanden die Bluttransaminase bei einer Reihe von Tierarten. Eine Hemmung durch typische Proteaseinhibitoren konnten sie nicht feststellen. In Ubereinstimmung damit waren auch unsere Versuche, durch Enzyminhibitoren das protaminspaltende Enzym wirksam zu hemmen und damit die Verwendung von Protaminsulfat fiir die Routinediagnostik zu ermoglichen, bisher erfolglos. Da das protaminspaltende Enzym Zn++-Ionen enthalt, verwendeten wir fiir den Versuch einer Inhibition auch Cd++-Ionen und typische Komplexbildner wie a,a' -Dipyridyl und EDTA. Ebensowenig wie mit Ammoniumoxalat, Natriumfluorid oder Natriumazid gelang mit diesen Substanzen eine solche Hemmung des Protaminabbaus. Nach unseren Ergebnissen besitzen menschliche Erythrozyten keine protaminspaltende Aktivitat. Dagegen sind Bakterien in wechselndem MaBe zur Protaminolyse befahigt. Dariiber soIl an anderer Stelle berichtet werden. Die Synthese von N-(2-Guanidinoathyl)-polyathylenimin ergab ein Polykation, das dem Protamin beziiglich Polykationencharakter und N atur der Basizitat (Guanidinogruppen!) ahnlich ist. Infolgedessen ist auch die Wirkung auf Blutgruppentestseren vergleichbar.
Wirkungsweise von Protaminsulfat auf die Erythrozytenagglutination . 357
Dieses Polykation ist jedoch, ebenso wie etwa Polybren, kein Protein und wird demzufolge von Proteasen des menschlichen Serums nicht abgebaut. Daher ist seine Wirkung auf Rh-Antiseren nicht zeitabhangig wie die des Protaminsulfats. Die Beobachtung, daB fiir das von uns verwendete Humanalbumin keine protaminspaltende Wirkung nachgewiesen werden konnte, spricht dafiir, daB bei dem Fraktionierungsverfahren das protaminspaltende Enzym entweder vom Albumin abgetrennt oder aber inaktiviert wurde. Zu diesem Punkt sind unsere Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Unter Beriicksichtigung von Resultaten, die wir an anderer Stelle beschrieben haben (11, 12), kann gefolgert werden, daB die Erythrozyten-agglutinierende Wirkung von Protaminsulfat auf eine Bindung des Polykations an die Erythrozyten zuriickzufiihren ist. Dadurch erfolgt eine Blockierung von sauren Gruppen an der Erythrozytenoberflache (Neuramin-"bzw. Sialinsaure). Die elektrostatischen AbstoBungskrafte der Erythrozyten aufeinander werden dadurch herabgesetzt, die Annaherung wird infolgedessen erleichtert. Deshalb konnen auch IgG-Molekiile gegeniiber den homologen Antigenen auf jeweils 2 Erythrozyten bivalent wirksam werden. Aus unseren bisherigen Experimenten konnten keine Anhaltspunkte fiir eine chemische Modifizierung des Antikorpermolekiils durch Protaminsulfat als Ursache der Veranderung des serologischen Verhaltens gewonnen werden. Besonders muB darauf hingewiesen werden, daB sich Erythrozytenagglutinate, die mittels Rh-Antiseren und Protaminsulfat erhalten wurden, auf Heparinzusatz nicht wieder auflosen, wahrend (mnspezifische» Agglutinate aus Erythrozyten und ProtaminsulfatlOsungen hOherer Konzentrationen ohne Beteiligung spezifischer Antikorper auf Heparinzusatz wieder zerfallen. Wir ziehen daraus die SchluBfolgerung, daB unter dem EinfluB von Protaminsulfat auf die Erythrozytenoberflache auch IgG-Molekiile (sogenannte (
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Protaminsulfat als ein Supplement aufgefaBt werden, das durch ein in menschlichem Serum enthaltenes proteolytisches Enzym spaltbar ist. Literatur 1. SPIELMANN, W. 1954. Ober die Beeinflussung konglutinierender Anti-RhSeren durch verschiedene Chemikalien. Z. Immun.-Forsch. 111: 471. 2. SPIELMANN, W. 1956. Der Protamintest - eine neue empfindliche Methode zum Nachweis unvollstandiger Antikorper in NaCI-Milieu. Arbeiten aus dem Paul-Ehrlich-Institut, dem Georg-Speyer-Haus und dem Ferdinand-BlumInstitut, Frankfurt/M. 52: 48. 3. SPIELMANN, W. 1959. Der EinfluLl von Protamin und Heparin auf inkompIette Blutgruppenantikorper. Z. Immun.-Forsch. 116: 153. 4. SCHEIDEGGER, J. J .. 1955. Une micro-methode de l'immunoelectropherese. Int. Arch. Allergy 7: 103. 5. FRANZ, H., B. HAUSTEIN, U. KUROPKA und K. GESKE. 1974. Ober den Mechanismus der Reaktion von Protamimmlfat mit Blutgruppentestseren. Dtsch. Gesundh.-Wes. 29: H. 25, 1197. 6. MOHR, J., und H. FRANZ. Zur Reaktion von FITC-markierten Antikorpern mit Protaminsulfat. Bericht auf der 4. Arbeitstagung <,Markierte Antikorpeu, 22.-23. 5. 1975, Berlin (im Druck). 7. ANDO, T., M. YAMASAKI und K. SUZUKI. 1973. Protamines. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York. 8. WALDSCHMIDT-LEITZ, E., F. ZIEGLER, A. SmrAFFNER und L. WElL. 1931. iller die Struktur der Protamine. I. Protaminase und die Produkte ihrer Einwirkung auf Clupein und Salmin. Z. Physioi. Chern. 196: 220. 9. HAGEDORN, H. C. 1938. On the Protamine-Splitting Properties of BloodSerum. Scand. Arch. Physioi. 80: 157. 10. FANTL, P., and B. EVERARD. 1950. The Action of Protamine on Blood Plasma. Aust. J. expo BioI. med. Sci. 28: 253. 11. FRANZ, H., B. HAUSTEIN und U. KUROPKA. 1974. Dextrangel-Ionenaustauscherpartikel als Modellsubstanzen fUr die Wirkung von Polykationen auf Humanerythrozyten. Dtsch. Gesundh.-Wes. 29: H. 17, 798. 12. FRANZ, H., B. HAUSTEIN und U. KUROPKA. 1974. Ober den Wirkungsmechanismus des Protamin-Polykations auf <'sensibilisierte» Humanerythrozyten. Dtsch. Gesunuh.-Wes. 29: H. 48,2296. 13. HUMMEL, K. 1951/52. Ober die Wirkungsweise der Konglutinationsteste zum Nachweis inkompletter Agglutinine. ZbI. Bakt. 157: 176. MR Dr. Dr. H. FRANZ, Staatliches Institut fUr Immunpraparate und Nahrmedien, Klement-Gottwald-Allee 317-321, DDR-112 Berlin.