Zbl. Bakt. Hyg. A 259, 359-366 (1985)
Gnotobiotische Untersuchungen an SPF-Mausen im Rahmen einer Studie zur Tumorentwicklung im Kolon nach Cholezystektomie Gnotobiotic Investigation of SPF Mice within a Study of Tumour Formation in the Colon after Cholecystectomy
ELSA HARALAMBIE, K. LITTMANN, R. EDENHARDER und G. LINZENMEIER Aus dem Institut fur Med. Mikrobiologie (Prof. Dr. G. Linzenmeier), Abt. fur Allgemeine Chirurgie (Prof. Dr. F. W. Eigler) des Universitatsklinikurn Essen und dem Hygiene-Institut (Prof. Dr. J. Borneff) der Universitat Mainz
Eingegangen am 10. September 1984 . Angenommen am 20. Dezember 1984
Summary The relation between cholecystectomy and colon carcinogenesis has not been fully elucidated. As bacteria may be involved in the carcinogenic process, we investigated the effect of cholecystectomy and dimethylhydrazine (DMH) administration to SPF NMRI mice with regard to tumour genesis and bacterial colonisation of the intestine. It results from this study that cholecystectomy does not influence tumour genesis and that 6-7 months post operationem and DMH administration tumours and bacteria originally not found in the animals develop: clostridia, eubacteria spec. which cannot be differentiated and E. lentum. Theses changes appear in group II of mice (laparotomy and DMH) and group III (cholecystectomy and DMH), but not in group I (controls). From the results of this study we cannot conclude whether the tumours or the new bacteria appeared first. Biochemical investigations of C. innocuum, C. paraputrificum and C. tertium indicated that these bacteria metabolised bile acids by a specific metabolic step only but not produced carcinogenic substances themselves. If bacteria are involved in tumorgenesis, different species may be involved producing a carcinogenic environment by metabolic chain reactions. We know of such a bacterial collaboration in anaerobic infections.
Zusammenfassung Eine Cholezystektomie beeinflufSt nicht die Kolontumorgenese in SPF-NMRI Mausen, Die Verabreichung von Dimethylhydrazin (DMH) fiihrt zur Entstehung von Kolontumoren und zur Veranderung der Darmbesiedlung. Nach 6 bis 7 Monaten kommen neben den Tumoren auch Bakterien auf, die zuvor bei den Tieren nicht nachweisbar waren: Clostridien der sogenannten NDC-Gruppe, nicht einzuordnende Eubakterien und 3 Monate nach Ope21 Zbl. Bakt. Hyg. A 259/3
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ration auch E. lentum. C. innocuum, C. tertium und C. paraputrificum fiihren bestimmte Schritte im Gallensaurestoffwechsel aus, ohne jedoch selbst Krebs bildende Stoffe zu erzeugen. Weitere Untersuchungen miissen zeigen, ob das gemeinsame Auftreten von Stammen mehrerer Bakterien-Spezies nach Art einer metabolischen Kettenreaktion solche Stoffe erzeugen. Zwischen der Cholezystektomie und der Entstehung von Kolonkarzinomen scheinen noch nicht eindeutig geklarte Wechselbeziehungen zu bestehen. Eine retrospektive Untersuchung an 333 Obduzierten zeigte eine signifikant hohere Rate von Kolonkarzinomen bei Cholezystektomierten im Vergleich zu der Kontrollgruppe (24,9 % / 15,3 %) (14). Nach eigenen (L.) retrospektiven Untersuchungen an 443 Patienten mit Kolonkarzinom traten bei Patienten, die Gallensteine hatten bzw. cholezystektomiert waren, die Karzinome signifikant haufiger im Kolon als im Rekto-Sigmoid auf (Rechtsverschiebung) (10). In einer prospektiven historischen Studie an 573 Patienten, die im Durchschnitt 15 Jahre vorher wegen Steinbildung cholezystektomiert worden waren, zeigte sich gegeniiber einer altersentsprechenden Kontrollgruppe kein erhohtes Risiko (10). Diese Untersuchung wurde von Linos u. Mitarb. prinzipiell bestatigt (7), wenngleich diese fur Frauen ein etwas hoheres Risiko fanden. Da dieses Thema weiterhin kontrovers diskutiert wird, sind tierexperimentelle Modelle zur Beantwortung dieser Frage herangezogen worden. 1m Tierexperiment zeigt sich, dag die meisten Untersucher keinen Promotoreffekt fur das kolorektale Karzinom durch die Cholezystektomie bei der Maus erkennen konnten (9, 13, 14). Werner u. Mitarb. wiesen jedoch einen solchen Effekt nach (15). Die Frage, ob durch die Kanzerisierung mit DMH (Dimethylhydrazin) bestimmte typische Darmkeimveranderungen auftreten, d. h. Keime, die aus Gallensaure arornatische Verbindungen erzeugen konnen, ist bisher nicht untersucht worden. Dieser Frage soll in der nachfolgenden Studie experimentell nachgegangen werden irn Hinblick auf mogliche Veriinderungen der bakteriellen Darmbesiedlung spezifiziert pathogenfreier (SPF) Tiere, zumal den Darrnbakterien von einigen Autoren (1, 3, 5) eine Rolle in der Entwicklung des Kolonkarzinoms zugewiesen wurde. Dabei handelt es sich urn die sogenannten NDC (steroid nucleus dehydrogenating clostridia) (1), die auch in einer eigenen Untersuchung (4) von uns fruher in Stuhlproben an Kolonkarzinom erkrankter Personen signifikant deutlicher nachgewiesen worden waren. Es handelt sich dabei urn einen auffallend grogeren Anteil an C. innocuum, C. paraputrificum und C. tertium. Diese der NDC-Gruppe angehorigen Clostridien wurden deshalb in vitro auf einige metabolische Fahigkeiten im Gallensiiurestoffwechsel untersucht.
Material und Methoden Es wurden NMRI-Miiuse und Cs6B1 6 Mause mit einem Gewicht von 20 g fur die Cholecystektomie-Experimenteverwendet (9): diese SPF-Tiere wurden vom Zentralinstitut fiir Versuchstierzucht GmbH in Hannover bezogen. ]e 59 Stuhlproben von 18 NMRI-Mausen und 86 Stuhlproben von Cs6B1 6 Mausen wurden in 2 ml Thioglykolat-Bouillon eingewogen, homogenisiert und dann bis zu einer Verdiinnung von 10-7 angesetzt. Die bakteriologische Verarbeitung erfolgte gernaf friiheren
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Untersuchungen von Stuhlproben zur quantitativen Bestimmung aerober und anaerober Keime (8). Urn die normale bakterielle Besiedlung des Darmes der eingesetzten Tiere kennen zu lernen, wurden iiber einen langeren Zeitraum Stuhlproben zunachst unbehandelter Tiere untersucht (Tab. 1). AnschlieBend wurden fiir diese Fragestellungen die NMRI-Mause verwendet, da nur diese keinen Besatz von Clostridien (Tab. 2) boten im Gegensatz zur Normalbesiedlung mit Clostridien bei den Cs6B I6 Mausen. Folgende Gruppen mit je 20 Tieren wurden miteinander verglichen: I II 1lI
Einfache Laparotomie Laparotomie und Behandlung mit DMH Cholezystektomie und DMH.
Nur den Tieren in den Gruppen II und III wurde 3 Wochen nach der Operation einmal wochentlich iiber 12 Wochen 25 mg DMH-Base/kg Korpergewichr subkutan in Atherkurznarkose injiziert, so daB insgesamt eine Dosis von 300 mg DMH-Base/kg gegeben wurde . Die bakterio logische Untersuchu ng dieser Tiere wurde zunachst monatlich, ab dem 7. Monat nach der Oper ation wochentlich vorgenommen (Tab. 3). Nach 43 Wochen wurden die verbliebenen Tiere getotet, der Dickdarm entfernt, anternesenterial eroffnet und makroskopisch sichtbare Tumoren protokolliert und histologisch untersucht. Fiir die biochemischen Untersuchungen wurden 9 Stamrne von andernorts isolierten C. innocuum, 13 Starnme von C. paraputrificum und 6 Starnrne von C. tertium eingesetzt. Als Substrate verwendeten wir folgende Gallensauren: Cholsaure, Chenodesoxycholsaure, 3 a-Hydroxy, 7-keto-, 3, 12-Diketo- und 3-keto, 7a, 12 a-dihydroxy-5 ~-cholansaure.
Ergebnisse In der bakteriologischen Vorstudie von 59 Stuhlproben der NMRI-Mause waren Laktobazillen und Enterokokken als residente aerobe Keime in hoher Zahl vorhanden (Tab. 1). E. coli ist bei diesen Tieren im Gegensatz zu den C s6Bl6-M ausen nicht nachweisbar, dagegen stets Proteus. Die Besiedl ung mit Clostridien ist bei den Cs6Bl6 Mausen deutlich, sie fehlt bei den NMRI-Mausen (T ab. 2). In der eigendichen Studie Tabelle 1. Residente aerobe und anaerobe bakterielle Darmbesiedlung in zwei spezifiziert pathogenfreien (SPF) Mausestamrnen: I = NMRI-; II = Cs6BL6-M ausen
Spezies
NMRl; Kol/g Faeces
C56BL 6; Kol/g Faeces
Laktobazillen Enteroko kken E. coli Proteus S. aureus
107_10 10
108_ 1010 107- 10 11 106_ 1010 105_108 104_10 7
anaerob: Eubakterien Bifidobakterien Bacteroides Clostridia
107_ 10 10
106-10 8 104-10 8 107_10 10 108_10 11 109_10 11
Kol = colony forming units
108_10 10 108_10 10 108_10 11 108_10 9
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Tabelle 2. Nachgewiesen Bakterien-Species in SPF-Mausen: I = NMRI- und II = Cs6B1 6Mausen
Species
NMRI
Escherichia coli Proteus mirabilis Pro vulgaris Pro morganii Pro rettgeri
+
Klebsiella pneumoniae
(+)
Pseudomonas Lactobacillus fermentum 1. minutus 1. brevis 1. rogosae 1. delbruckii 1. plantarum 1. acidopbilus
+
Bacteroides ruminicola
B. capillosus
B. vulgatus B. corrodens B. tethaiotaomicron B. pneumosintes B. furcosus Clostridium perfringens C. carnis C. aminovalericum C. formiaceticum C. clostridiiforme C. beijerinckii
+ + +
Cs6Bl6
+ + + + + + +
t
+ + + + + (+) + + + +
+ + + + + +
wurden nur NMRI-Miiuse eingesetzt, die nach den zunachst nur monatlich erfolgten Untersuchungen von Clostridien frei waren. Ab 6. bis 7. Monat post operationem traten Clostridien auf, ebenso grampositive Anaerobier, die grob als Eubakterien einzuordnen waren, sich aber nach keinem der bekannten Schemata, auch desjenigen von Holdeman u. Moore in eine bestimmte Eubakteriumspezies einordnen liei~en (Tab. 3). Eine Tumorbildung war bei 10 von 20 Tieren der Gruppe 2 nachweisbar, eben so in der cholezystektomierten und DMH-behandelten Gruppe III in 9 von den 16 verb liebenen Tieren. Das Aufkommen von Tumoren und neuen Bakterienarten in den einzelnen Tiergruppen wird in Tab. 4 vorgestellt. Es ist kein sicherer Zusammenhang zu den bakteriologischen Befunden zu erkennen. Die metabolischen Untersuchungen erbrachten folgendes: Aile Stiimme von C. innocuum besaBen als einzige gallensiiuretransformierende Aktivitiit eine stereospezifische 3~-Hydroxysteroiddehydrogenase. Das Reaktionsgleichgewicht lag fast vollig auf der Seite der reduzierten Form: eine 3~-Ketogruppe wurde stets vollstiindig reduziert, wahrend die 3~-Hydroxylgruppe in 3~, 12a-Dihydroxycholansiiure nur in Spuren oxidiert
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Tabelle 3. Zeit und Anzahl der Tiere mit neuer bakterieller Besiedlung nach Behandlung mit DMH Gruppe I
Gruppe II
Gruppe III
Bacteroides Bifidobacterium Eubakterien Clostridien weitere nicht diff· Eubakt. Bacteroides Bifidobacterium Eubakterien Clostridien andere Eubakterien Bacteroides Bifidobacterium Eubakterien Clostridien andere Eubakterien Monate
= = nachweisbar;
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
............. .. ............. ..
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = 0
••••••••••••••
0
••••••••••••••
n n n n n
= 17/17 = 17/17 = 17/17 = 0/17 = 0/17
20/20 20/20 20/20 10/20 8/20
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
n n n n n
= = = = =
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
............... ...............
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
= = = = =
n n n n n
= 16/16 = 16/16 = 16/16 = 5/16 = 9/16
12 1 2 3 4 5 6
7/7 14/7 21/7 8
............... ...............
.... nicht nachweisbar.
wurde. Bei C. paraputrificum waren wieder alle Stamrne aktiv, besallen aber dieses Mal 3a-, 3~- und 12~-dehydrogenierendeAktivitaten, Hinsichtlich der Reduktion der 12Ketogruppe konnte keine Substratspezifitat beobachtet werden. Die 12~-Hydroxyl gruppe in vorgegebener 3a, 12~-Dihydroxy- bzw. 3a, 7a, 12~-Trihydroxy-5~-cholan saure wurde in groferem Umfang zur Ketogruppe oxidiert. Bezogen auf die Reduktion der 3-Ketogruppe konnen diese Starnme in 2 Gruppen unterteilt werden: Stamrne der Gruppe 1(8 Stamme) reduzieren eine 3-Ketogruppe weitgehend, jedoch ganz uberwiegend zu einer 3a-Hydroxylgruppe. Stamme der Gruppe II (5 Stamme) erzeugen in gleicher Weise 3a- und 3~-Hydroxygallensaurenim Verhaltnis 1: 1, aber in geringen Mengen. C. tertium erwies sich als heterogen beziiglich des Gallensaurestoffwechsels. 5 Starnme besafsen schwache 7a-Hydroxysteroiddehydrogenasen, die aber nur durch die teilweise Reduktion einer 7-Ketogruppe erkennbar wurde. Ein Stamm verhielt sich wie ein C. paraputrificum (Gruppe II). In keinem Fall erzeugten sich vermehrende Kulturen Reaktionsprodukte mit Doppelbindungen im Steroidgenist,
Diskussion 1m Rahmen einer groBeren chirurgischen Stu die (L.) wurde die Bakterienbesiedlung im Darm von Mausen als eigene Fragestellung herausgenommen, da bei ihnen eine Clostridien-freie Normalflora vorlag und interessanterweise Clostridien und Eubakterien bei Tumorbildungen auftraten. Die chirurgische Studie selbst ergab, daB im Mauseversuch die Cholezystektomie, auch bei anderen Mauserassen als den hier gepruften,
III.
II.
0
A4-1 A4-2 A4-3 A4-4 A4-S A4-6 A4-7 A4-8
6
0 0 0 0 verstorben verstorben verstorben 0 verstorben C. perfringens 103
A6-1 A6-2 A6-3 A6-4 A6-S A6-6 A6-7 A6-8 A6-9 A6-10
C. innocuum 103 C. ramosum 108 C. perfringens 103
0
A4-9 A4-10
C. innocuum 10 8 C. ramosum
0
C. innocuum 10 6 C. innocuum 107
0 0
C. innocuum 10
Clostridia
Kafig A4
+
0
103
+ +
+ +
0
0
0
++
+
0 0 103 0
0
0
109
10
7
107
103
0
Tumorbildung
+++ + + + ++++
0 0 0 0
Eubacteria
A7-1 A7-2 A7-3 A7-4 A7-S A7-6 A7-7 A7-8 A7-9 A7-10
AS-9 AS-10
AS-1 AS-2 AS-3 AS-4 AS-S AS-6 AS-7 AS-8
Kafig As
7
7
C. innocuum 103 C. difficile 105
0 0 0 0
C. paraputrif, 10 C. innocuum 10 8
0
C. ramosum 107
0
0 0
C. innocuum 10 8
0
C. innocuum 103
0
C. innocuum 10 C. innocuum 103
0 0
Clostridia
++ 107
0 107
+
0
0
107
0
10 103
++ +
0 0 0
0 0
0
+
0
+
0 0 0
+
Tumorbildung
7
103
10
8
106
103 108
0 0 0 0 0 0 0 0
Eubacteria
Tabelle 4. Art und Keimzahl/g Faeces neu aufkommender Clostridien und nicht differenzierter Eubakterien in NMRI -SPF-Miiusen. Gruppe II nach Laparotomie und DMH-Applikation; Gruppe III nach Cholezystektomie und DMH-Applikation
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Gnotobiotische Untersuchungen an SPF-Mausen
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keinen EinfluiS auf die DMH-induzierte Tumorentwicklung des Dickdarmes hat, daiS aber die Ernpfanglichkeit fur die durch DMH-induzierten Tumoren abhangig ist von der Mauserasse, so dag wohl genetische Besonderheiten eine Rolle spielen (9). Kolontumoren sind exogen bedingte Tumoren. Bei Mausen und Ratten ist eine spontane Entwicklung von Dickdarmtumoren, auch wahrend des Alterungsprozesses, nicht bekannt (11). So ist der Einsatz dieser Tiere zur Klarung dieser wichtigen therapeutisch-chirurgischen Fragestellung gerechtfertigt. Da es sich urn SPF-Tiere handelt, deren bakterielle intestinale Besiedlung uber lange Zeit kontrolliert konsranr blieb, ist den plotzlich nach 6-7 Monaten post operationem auftretenden Veranderungen zumindest Beachtung zu schenken. Bestimmte Clostridien werden im Zusammenhang mit Kolonkarzinomen vermehrt oder iiberhaupt erst nachgewiesen. Einige der als NDC eingestuften Clostridien zeigen jedoch in vitro keine Fahigkeit zur Bildung karzinogener Substanzen. Die im Rahmen dieser Studie durchgefuhrten Untersuchungen konnten nicht klaren, ob das Auftreten der Clostridien als Folge der Tumorbildung anzusehen ist oder umgekehrt, d. h. die Tumorbildung nachtraglich erfolgte. Die nachgewiesenen Clostridien gehoren jedenfalls zu Spezies, deren Wachstum durch Galle nicht gehemmt, sondern gef6rdert wird (6). Stamme der 3 untersuchten Bakterien-Spezies greifen zwar in den Callensaurestoffwechsel ein, konnen jedoch nur ganz kleine Oxydations- oder Reduktionsschritte ausfiihren. Es ist von anaeroben Infektionen her bekannt, daIS oftmals nur das gemeinsame Auftreten von verschiedenen Anaerobiern oder auch Aerobiern zur Infektion fiihrt. Somit konnte auch im karzinogenen Prozef das Zusammenwirken von Stammen mehrerer Spezies von Bedeutung sein, wobei die jeweiligen metabolischen Fahigkeiten als induktive Kettenreaktion zur Karzinogenirar beitragen konnten, In diesem Sinne ware auch das gleichzeitige Auftreten der von uns als Eubakterien, jedoch nicht naher klassifizierten Anaerobier zu sehen. Auch Eubakterien sind neben Bacteroides im Galiensaurestoffwechsel wirksam (2, 16). In diesem Zusammenhang steht das Auftreten von Eubacterium lentum 3 bis 4 Monate post operationem bei den Mausen der Gruppe II und III. Die gleichzeitig gehaltenen Manse der Gruppe I zeigten diese Besiedlung nicht. Es scheint also bei Betrachtung aller Aspekte der Karzinorngenese (10, 12) interessant zu sein, die mikrookologischen Zusammenhange, nicht zuletzt auch aus therapeutischen Grunden, auch weiterhin zu erforschen und sich nichr nur auf die enzymatischen Probleme, etwa des Gallenstoffwechsels allein, zu konzentrieren. Diese Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Sonderforschungsbereich 102, D-l, unterstiitzt. Frau Jager und Frau Hotze! sei fUr aufmerksame und gute technische Mitarbeit gedankt.
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