HANDBALL
SPORT OT
rthopadie ¨ raumatologie
Sportorthopa¨die Sporttraumatologie 23, 27–29 (2007) Elsevier – Urban&Fischer www.elsevier.de/orthtr doi:10.1016/j.orthtr.2007.01.011
HANDBALL Zusammenfassung HANDBALL 11 Handballspieler wurden in den ersten 24 Stunden nach einer definierten sportartspezifischen Belastung klinisch und sonographisch untersucht. Es zeigt sich dabei in 8 von 22 Schultern das sonographische Bild einer Bursitis subacromialis, bei 12 von 22 ein Halo um die lange Bizepssehne und eine intraartikula¨re Ergussbildung. Die klinische Untersuchung zeigte zu keinem der Untersuchungszeitpunkte ein Korrelat zu den sonographischen Befunden, so dass diese als physiologische Reaktion auf die sportartspezifische Belastung zu interpretieren sind. Schlu¨sselwo¨rter
Handball — Schultergelenk — Sonographie — Bursitis subacromialis
M. Kru¨ger-Franke et al.
Clinical and ultrasound findings in shoulder joints of handball players Summary This prospective clinical and ultrasound study tries to show the influence of sportspecific repetitive microtrauma on the shoulder in handball. Apart from shoulder injuries this stress on the joint can lead to a mild secondary shoulder instability and impingement syndrome without objective signs of instability. 11 male handball players were evaluated by a standard clinical and ultrasound examination before as well as 1, 12-16 and 22-24 hours after a specific handball training unit. Characteristic changes were found: 12 of 22 examined shoulder joints showed a subacromial bursitis and an intra-articular effusion. All changes were completely reversible 60 hours after training and had at no time any clinical correlation. Keywords
Handball—shoulder joint—ultrasound examination- subacromial bursitis
Klinische und sonographische Vera¨nderungen am Schultergelenk bei Handballspielern Michael Kru¨ger-Franke, Sebastian Fischer, Bernhard Schurk, Andreas Kugler Orthopa¨disch-chirurgische Gemeinschaftspraxis im MVZ am Nordbad, Mu¨nchen
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andball ist ein sehr belastender Sport fu¨r das Schultergelenk, einerseits durch die repetitiven Bewegungen mit und ohne Widerstand, andererseits durch direkten Gegnerkontakt mit einer Vielzahl von Verletzungen und auch von U¨berlastungsscha¨den [2,3,8,9,10]. Die akuten Verletzungen der Schulter beim Handball nehmen nur etwa 6,6% aller akuten Traumata ein, allerdings klagen 32% der Handballspieler u¨ber chronische Schulterschmerzen [8,9] Die vorliegende prospektive Studie sollte klinische und sonographische Korrelate fu¨r diese sportartspezifischen Belastungen des Schultergelenkes aufzeigen und deren Krankheitswert’’ defi’’ nieren [1].
Material und Methode 11 Handballspieler mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren und 6 Monaten und einer Handballkarriere im Vereinssport von 10 Jahren und 6 Monaten waren zum Zeitpunkt der Untersuchung in der 4. Liga aktiv und trainierten wo¨chentlich 6 Stunden mit einem Punktspiel am Wochenende. Alle Spieler waren Rechtsha¨nder, die Spielpositionen waren 2 Kreisla¨ufer, 3 Außenspieler und 6 Ru¨ckraumspieler. Die klinische Untersuchung erfolgte nach einem standardisierten Unter-
suchungsprotokoll, die sonographische Untersuchung wurde mit einem 7,5-MHz-Linearschallkopf (Sonoline, Fa. Siemens) an beiden Schultergelenken im Seitenvergleich durchgefu¨hrt und dokumentiert. Die Untersuchung erfolgte statisch und dynamisch in den standardisierten Schnittebenen [4,7]. Diese klinischen und sonographischen Untersuchungen fanden zu folgenden definierten Zeitpunkten statt: U1 Ausgangsuntersuchung mit einer Sportkarenz von mindestens 60 Stunden, U2 1 Stunde nach Trainingsbelastung, U3 10-12 Stunden nach einer Trainingsbelastung, U4 16-20 Stunden nach einer Trainingsbelastung, U5 22-24 Stunden nach einer Trainingsbelastung. Die Trainingsbelastung war definiert mit 120 Minuten Training, aufgeteilt in 15 Minuten Aufwa¨rmen (Gymnastik, Laufen), 30 Minuten Einu¨ben von Spielzu¨gen, Angriff/Abwehrverhalten, 45 Minuten Trainingsspiel, 15 Minuten Auslaufen.
Ergebnisse U1: Klinisch zeigte ein Spieler an der linken (nicht dominanten)
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Schulter einen positiven Apprehension-Test sowie einen positiven vorderen Schubladentest. Die anderen Schultergelenke (n ¼ 21) waren klinisch unauffa¨llig. Die sonographischen Untersuchungen ergaben keine Besonderheiten. U2: Es ergaben sich klinisch identische Untersuchungsbefunde wie bei U1 in allen 22 Schultergelenken. Sonographisch zeigte sich bei 4 Spielern an beiden Schultergelenken (n ¼ 8) eine Doppelkontur der Bursa subacromialis, 6 der 11 Spieler hatten Zeichen einer intraartikula¨ren Ergussbildung, 7 der Spieler wiesen auf der dominanten, 5 auf der nicht dominanten Seite eine Halobildung um die lange Bizepssehne auf. U3: Klinisch lagen keinerlei pathologische Befunde vor, alle Schulter-
gelenke waren identisch zu den Voruntersuchungen befundet. Sonographisch zeigte sich bei 4 Spielern an beiden Schultergelenken (n ¼ 8) eine Doppelkontur der Bursa subacromialis, 6 der 11 Spieler hatten Zeichen einer intraartikula¨ren Ergussbildung, 7 der Spieler wiesen auf der dominanten, 5 auf der nicht dominanten Seite eine Halobildung um die lange Bizepssehne auf. U4: Klinisch lagen keinerlei pathologische Befunde vor, alle Schultergelenke waren identisch zu den Voruntersuchungen befundet. Sonographisch zeigte sich bei 4 Spielern an beiden Schultergelenken (n ¼ 8) eine Doppelkontur der Bursa subacromialis (Abb. 1), 6 der 11 Spieler hatten Zeichen einer intraartikula¨ren Ergussbildung (Abb. 2), 5 der Spieler wiesen auf der do-
Abbildung 1 Verdickung der Bursa subacromialis ohne wesentliche Flu¨ssigkeit in der Bursa 16 Stunden nach Trainingsbelastung bei einem 18-ja¨hrigen Kreisla¨ufer am Schultergelenk des Wurfarmes.
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minanten, 4 auf der nicht dominanten Seite eine Halobildung um die lange Bizepssehne auf. U5: Klinisch ergaben sich keine neuen Befunde, sonographisch war lediglich noch bei 6 Spielern beidseits intraartikula¨re Flu¨ssigkeit nachweisbar.
Diskussion Das Schultergelenk ist beim Handball sowohl am Wurfarm als auch an der kontralateralen Seite stark belastet, es treten neben den wiederholten forcierten Bewegungen in Abspreizung/Außenrotation und dem zusa¨tzlichen Widerstand durch Gegnerkontakt repetitive Mikrotraumatisierungen auf. Dadurch kommt es auch ohne akute Verletzungen zu einer U¨berbeanspruchung des vorderen Kapsel-Bandkomplexes und zu einer subjektiv nicht bemerkten ventralen Instabilita¨t ohne Luxationen oder Subluxationen. Diese funktionell wirksame Instabilita¨t fu¨hrt zu einer vermehrten subacromialen Belastung der Rotatorenmanschette und kann damit ein sogenanntes sekunda¨res Subacromialsyndrom verursachen [2,3, 8,9,10]. Beim Basketballsport zeigen sich dagegen nahezu keine chronischen Beschwerden des Schultergelenkes [11]. U¨bereinstimmend mit den Untersuchungen im Handball findet sich auch keine Dominanz von Verletzungen des Schultergu¨rtels. Beim Volleyball und beim Tennis sind chronische Schulterbeschwerden wesentlich ha¨ufiger, allerdings werden hier weniger Instabilita¨ten oder kapsulo-labrale Probleme angeschuldigt als vielmehr die durch die sportartspezifische Belastung entstehenden muskula¨ren Dysbalancen [5,6] und die daraus resultierende Fehlbelastung des Schultergelenkes. Morphologisches Korrelat dieser Schulterschmerzen sind die sekunda¨ren Subacromial-
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Literatur
Abbildung 2 Intraartikula¨re Flu¨ssigkeitsvermehrung 16 Stunden nach Belastung am Schultergelenk des Wurfarmes bei einem 23-ja¨hrigen Ru¨ckraumspieler.
syndrome mit einer Bursitis subacromialis und einer im MRT ha¨ufig als Tendinopathie oder Tendinose der Supraspinatussehne bezeichneten Vera¨nderungen. In der vorliegenden Untersuchung konnte entgegen anderen Studien auch im Ultraschall bei den Handballspielern keine Sehnenvera¨nderung beobachtet werden. Es fanden sich keine permanenten strukturellen Vera¨nderungen, sondern lediglich eine Reaktion auf die sportartspezifische Belastung in Form von Flu¨ssigkeitsbildung intraartikula¨r und subacromial in der Bursa subacromialis. Diese Vera¨nderungen waren 1 Stunde nach der Belastung bis etwa 16 Stunden nach der Belastung nachweisbar. 24 Stunden nach Trainingsbelastung zeigte sich lediglich der intraartikula¨re Flu¨ssigkeitsgehalt bei 6 Spielern an beiden Schultergelenken noch vermehrt ge-
genu¨ber der Ausgangsuntersuchung, alle anderen sonographischen Befunde waren voll reversibel. Somit sind diese Vera¨nderungen die physiologische Reaktion des Schultergelenkes auf die Trainingsbelastung, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass diese Vera¨nderungen auch durch eine subjektiv und objektiv nicht feststellbare funktionelle Instabilita¨t geringer Auspra¨gung verursacht sind. In jedem Fall zeigen diese reversiblen Bursitiden und intraartikula¨ren Ergussbildungen keinerlei klinisches Korrelat und sind somit ohne jede therapeutische Konsequenz. Im Umkehrschluss ist zu fordern, dass bei jeder klinischen und sonographischen Schultergelenkuntersuchung eine gezielte Belastungsanamnese und die Kenntnis sportartspezifischer Vera¨nderungen erforderlich sind, um die Wertigkeit von Befunden korrekt einscha¨tzen zu ko¨nnen.
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Korrespondenzadresse: Dr. med. Michael Kru¨ger-Franke Orthopa¨disch-chirurgische Gemeinschaftspraxis im MVZ am Nordbad, Mu¨nchen Schleißheimer Str. 130, D – 80797 Mu¨nchen Fax: 0891233052 Tel.: 089188424 URL: http://www.sport-ortho.de.
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