+Model FUSPRU-30932; No. of Pages 16
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FussSprungg xxx (2019) xxx—xxx
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Prothetische Versorgung nach Amputation im Fuß Prosthetic restoration after amputations in the foot Michael Schäfer a,∗, Tim Baumeister b a b
Dipl.- Orthopädietechnik-Meister, c/o Pohlig GmbH, Grabenstätter Str. 1, D — 83 278 Traunstein Orthopädietechniker-Meister, c/o Pohlig GmbH, Grabenstätter Str. 1, D — 83 278 Traunstein
Eingegangen am 3. Mai 2019; akzeptiert am 10. Juli 2019
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SCHLÜSSELWÖRTER
Zusammenfassung
Vorfußamputation; Rückfußamputation; Lisfranc; Bona-Jäger; Chopart; Pirogoff; Syme
Hintergrund: Prothesenversorgungen im Bereich des Fußes haben neben dem körperlichen Ersatz der Gliedmaße auch den anspruchsvollen Aufgaben der Wiederherstellung des Gehens sowie der Vergrößerung der körperlichen Unterstützungsfläche gerecht zu werden. Material und Methoden: In Abhängigkeit zu den Stumpfkonditionen kommen mittelfußlange, sprunggelenksfreie und Unterschenkellang geführte Prothesentypen aus Silikon, Carbonfaser und bettenden Materialien zum Einsatz. Systematisch werden die Prothesenversorgungen von distal nach proximal dargestellt und zu den jeweiligen Amputationsniveaus in Kontext gesetzt. Ergebnisse: Fußstümpfe mit Zehen- und Vorfußamputationen können hoch funktionell mit Silikon-Prothesen unterstützt werden, während bei den Rückfußvarianten die unterschenkellangen Prothesenversorgungen aus einem Carbon-Faserverbund dominieren. Schlussfolgerungen: Beste Ergebnisse werden erreicht, wenn der interdisziplinäre Dialog lebt und die Prothesenversorgung qualitätsorientiert und auf die jeweilige Biomechanik und Klinik des Fußstumpfes abgestimmt wird.
Korrespondenzadresse. E-Mails:
[email protected] (M. Schäfer),
[email protected] (T. Baumeister).
https://doi.org/10.1016/j.fuspru.2019.07.003
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M. Schäfer, T. Baumeister KEYWORDS Forefoot amputation; hindfoot amputation; Lisfranc; Bona-Jäger; Chopart; Pirogoff; Syme
Abstract Background: Prosthetic restorations in the area of the foot, in addition to the physical replacement of the limb, also have to do justice to the demanding tasks of dynamically restoring walking and increasing the physical support area. Material and Methods: Depending on the stump conditions, midfoot-long, anklefree and lower leg-length guided prosthesis types made of silicone, carbon fiber and bedding materials are used. Systematically, the levels of amputation are displayed from distal to proximal and placed in context with the respective prosthesis supplies. Result: Foot stumps with toe and forefoot amputations can be highly functionally supported with silicone prostheses, while in the hindfoot variants, the lower leg prosthesis supplies from carbon fiber composites are dominant. Conclusion: The best results are achieved when the interdisciplinary dialogue is alive and the prosthesis supply is quality-oriented and coordinated with the respective biomechanics and clinic of the foot stump.
Einleitung Die prothetische Versorgung des Fußstumpfes ist äußerst komplex und erfordert daher ein breites Fachwissen, Erfahrung des Orthopädie-Technikers und vor allem ein differenziertes Vorgehen und handwerkliches Geschick ob der verschiedensten Materialien und Passteile, die hier zum Einsatz kommen. Nicht selten wirken sich die Amputationsursachen und deren Folgen auch auf die Planung und Gestaltung der prothetischen Versorgung aus. Gerade im Bereich der Fußamputationen, den so genannten Minor- Amputationen, überwiegt die Anzahl der Patienten mit diabetischem Fußsyndrom. Eine aktuell veröffentlichte nationale Studie, in der über 40% der deutschen Bevölkerung in einem Betrachtungszeitraum von 2008-2012 untersucht wurde zeigt, dass trotz einer steigenden Diabetesprävalenz die Anzahl der Major- und MinorAmputationen im Betrachtungszeitraum um ca. 4% jährlich abgenommen hat — während bei den Nicht-Diabetikern die Rate weitgehend konstant blieb [1]. Dennoch sind über die Hälfte aller fußamputierten Patienten von der Diagnose Diabetes betroffen. Amputierte Diabetiker können neben Wundheilungsstörungen und Ulzerationen auch unter Arthropathien, Mikrofrakturen, Minderperfusionen und anderen Beeinträchtigungen leiden, die letztendlich ebenfalls die Indikation zur Prothesenversorgung beeinflussen. Beim Auftreten von Ulzerationen stehen zunächst der Wundverschluß und die diabetes-gerechte Bettung des Fußes mit diabetes-adaptiertem Bettungs- und Schuhwerk im Fokus [2]. Das versierte Behandlungsteam ist stets gut beraten, bei derartigen Kontraindikationen zur prothetischen Versorgung auch den Orthopädie-Schuhtechniker in das Versorgungskalkül mit einzubeziehen.
Weitere Amputationsursachen, die zur prothetischen Versorgung führen sind in den Folgen traumatischer Ereignisse, degenerativer Veränderungen an Mittel- und Rückfuß, schweren Fußdeformitäten, Tumorbehandlungen, angeborenen Fehlbildungen und Infektionen zu suchen [3,4]. Mit abnehmender Stumpflänge nehmen die Anforderungen an die biomechanische Leistung des Hilfsmittels zu. Entscheidend sind dabei vor allem die Hebelverhältnisse des Fußes. Eine systematische Auswertung von 29 Teilfußamputierten veranlasst Blumentritt et al. zu dem Schluss, dass die sprunggelenkfreie Gestaltung der Prothesenversorgung ab der Lisfranc‘schen Gelenklinie und weiter proximal kritisch zu werten sind [5]. Fehlende biomechanische Bewegungsabwicklungen und auch fehlende Gelenkmomente werden hierfür angegeben. Söderberg et al. berichten sogar von einem Trend zum Genu varum und Genu recurvatum, einer Hyperlordose und Rumpfmalrotationen bei Patienten, die mit Lisfranc-Stümpfen und proximal liegenderen Amputationsniveaus sprunggelenksfreie Prothesenversorgungen tragen [6]. Die prothetische Versorgung kann immer nur so gut werden, wie der Stumpf und seine Konditionen dies zulassen. So konstatieren bereits Baumgartner und Greitemann, dass drohende Fehlstellungen durch die Amputation und Nachbehandlung um jeden Preis zu vermeiden sind [3]. Gliedmaßen erhaltende Eingriffe, im Speziellen nach traumatisch bedingten Amputationen im Bereich des Fußes, werden nicht immer den Ansprüchen Baumgartners gerecht. Dieser forderte bereits früh den Erhalt des Fußes unter Berücksichtigung der folgenden Aspekte [3]: 1. Anstreben einer vollen Endbelastbarkeit durch max. Sohlenerhalt
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Prothetik nach Fußamputationen 2. Bestmöglicher Erhalt der Standfläche 3. Teilamputationen in Erwägung ziehen (z.B. longitudinale Amputationen) 4. Fehlstellungen müssen vermieden werden, so dass ein regelrechter statischer Aufbau der Prothese erfolgen kann 5. Erhalt des Muskelgleichgewichtes muss angestrebt werden 6. Bestmöglichen Bewegungserhalt in noch vorhandenen Gelenken sichern
Leider werden diese Forderungen im Alltag nicht immer beherzigt. Lappenplastiken werden sohlenseitig und an biomechanische Hauptbelastungszonen platziert, Stumpfdeckungen sind ungenügend, wobei die Knochenenden der Fußstümpfe oftmals keine ausreichende Stumpfenddeckung erhalten. Auch auf orthopädietechnischer Seite kommen stellenweise abenteuerliche Konstruktionen zum Einsatz. So wird auf die vollkontaktige Bettung verzichtet, unsachgemäße Hilfsmittel wie z.B. Vorfußentlastungsschuhe werden zur Versorgung von Fußstümpfen eingesetzt etc.. Dies zeigt, dass sowohl medizinisch-chirurgische wie auch orthopädietechnische Maßnahmen zu einer intolerablen Limitierung der Amputierten im Lebensalltag führen können (Abb. 1). Dies darf nicht einfach hingenommen werden und muss im interdisziplinären Team gerügt und von dem dafür zuständigen interdisziplinären Partner beseitigt bzw. korrigiert werden.
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Versorgungsarten, Material und Methoden und Versorgungs- ergebnisse Allgemeines Das prothetische Versorgungsspektrum bei Fußamputationen reicht von der Anwendung traditioneller Prothesentechniken wie z.B. stabilisierenden Einlagen mit Volumenaus-gleich und Mobilisatoren über moderne Versorgungsvarianten wie etwa die Vorfuß-prothese nach Bellmann oder in der vollelastischen Silikon-Bettungstechnik bis hin zu den unterschenkellang geführten Prothesenkonstruktionen wie z.B. der Rahmenprothese nach Botta [3] oder der geschlossenen Syme-Rückfußprothese, welche nach einer Amputation im Rückfußbereich ebenfalls häufig ihren Einsatz findet [7]. Im Rahmen einer Expertenkommission der deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Zusammenarbeit in der Hilfsmittelversorgung e.V. (DGIHV) wurde zwischen 2014 und 2018 ein Qualitätsstandardwerk (Abb. 2) erarbeitet, welches u.a. auch die prothetische Versorgung nach Fußamputationen beschreibt [8]. In Anlehnung an dieses Werk soll auch in diesem Beitrag die prothetische Versorgung des Fußes anhand der indikativen Kriterien der jeweiligen Versorgungsebenen, deren Besonderheiten und deren Anforderungen beschrieben werden. In Abhängigkeit vom Typ der prothetischen Versorgung ist es sinnvoll, die Versorgungsebenen in zwei große Bereiche und eine Grenzzone zu unterteilen: ◦ Versorgung nach Amputation im Vorfuß
Abbildung 1. Limitierende chirurgische und orthopädietechnische Versorgungsergebnisse im Alltag der Amputierten. Please cite this article in press as: Schäfer M, Baumeister T. Prothetische Versorgung nach Amputation im Fuß. FussSprungg (2019), https://doi.org/10.1016/j.fuspru.2019.07.003
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M. Schäfer, T. Baumeister
Abbildung 2. Qualitätsstandard-Werk des DGIHV.
— Versorgung nach Amputationen im Bereich der Zehen — (Großzehe und Zehen bis zu den ZehenMittelfußgelenken) — Amputationen im Mittelfuß (Sharp-Amputation) — Amputation in der Lisfranc’schen Gelenklinie (Lisfranc-Amputation) ◦ Versorgung nach Grenzzonen-Amputation zwischen Vor- und Rückfuß — Bona-Jäger-Amputation ◦ Versorgung nach Amputation im Rückfuß — Amputation in der Chopart’schen Gelenklinie — Amputation nach Pirogoff/Spitzy — Amputation nach Syme
und wertvolle sensomotorische Informationen an den Anwender liefert [9]. Die Rehabilitationsziele der fußprothetischen Versorgung sollten stets die soziale Reintegration sowie das Gleichziehen mit Nichtbehinderten verfolgen, wobei die Fähigkeit des selbstständigen Handlings, wie An- und Ablegens des Hilfsmittels, vorausgesetzt werden sollte. Die Teilhabe an möglichst vielen Aktivitäten des Alltagslebens (ADLs) ist genauso wichtig, wie die langfristige Konditionierung der Amputationssituation.
Indikationsorientierte Versorgungsmatrix für die Fußprothetik
Die Anforderungen an eine Fußprothese sind hoch, müssen diese doch das gesamte Körpergewicht in der Standphase aufnehmen und eine dynamische Fußabrollung, abgestimmt auf das jeweilige Aktivitätsumfeld des Nutzers, ermöglichen. Entscheidend für die Koordination und Übertragung der Körperkräfte auf die Prothese ist eine bestmögliche Druckverteilung im Prothesenschaft. Hieraus resultiert die Forderung nach einer Vollkontakteinbettung des Stumpfes, da diese auf dem Prinzip der bestmöglichen Kräfteverteilung basiert
In Anlehnung an den Qualitätsstandard für die prothetische Versorgung der unteren Extremität und bereichert durch die Versorgungserfahrung aus der alltäglichen Praxis haben die Verfasser dieses Artikels eine Versorgungsmatrix erstellt, die anhand der Auswahlkriterien: Amputationsniveau, Stumpflänge, Aktivitätslevel und Schaftsystem allen beteiligten Disziplinen des interdisziplinären Teams eine differenzierte Auswahl der möglichen Versorgungsoptionen bietet (Abb. 3). Im Folgenden werden die hier beschriebenen Zuordnungen zum Amputationsniveau, den Prothesenarten, den Schaftvarianten sowie den Mobilitätsprofilen ihrer Anwender beschrieben.
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Prothetik nach Fußamputationen
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Abbildung 3. Versorgungsmatrix in der Fußprothetik.
Prothetische Versorgung nach Amputation im Vorfuß Abhängig von der Amputationsursache, dem Amputationsniveau sowie dem Aktionsumfeld des Amputierten kann die Hilfsmittelversorgung sehr unterschiedlich ausfallen.
Versorgung nach Amputation im Niveau der Zehen Eine besondere Rolle nimmt die Großzehe ein, da über das Grundgelenk der Großzehe die funktionelle Fußlängsachse verläuft, über die letztendlich auch der Gang abgewickelt wird [10]. Sollte die Großzehe im Grundgelenk (Art. Metatarsophalangea I) amputiert worden sein, kann die Versorgung bei wenig aktiven Patienten mit einer individuellen, nach Formabdruck angefertigten Sondereinlage mit Volumenausgleich und partieller dynamischer Versteifung (Carbonfaser) des ersten Strahles — im Sinne einer Rigidusfeder - erfolgen. Letztere ist aus biomechanischer Sicht wichtig. Sie soll die
geforderten dynamischen Momente in der Gangabwicklung kompensieren und einen entsprechenden Gegenhalt in der terminalen Standphase bieten. Bei aktiveren Patienten sollte man tatsächlich an die Versorgung mit einer, in Vollkontakt gebetteten Großzehenprothese denken. Hier haben sich elastische Bettungsformen aus Silikon bewährt, da sie direkt auf der Haut getragen werden können und durch die elastischen Bettungseigenschaften eine sehr gute Anbindung an den Fußstumpf und dessen Aktivitätsverhalten ermöglichen. Für die Hilfsmittelversorgung bei Zehenverlust ist aus funktionaler Betrachtung entscheidend, wie viele und welche Zehen amputiert wurden, da eine umfangreiche Zehen- oder gar Strahlenamputation immer auch mit einer Reduktion der Standund Unterstützungsfläche einhergeht (Abb. 4). Die Volumenausgleichsfunktion sollte in der Versorgung unbedingt beinhaltet sein, da v.a. bei Verlust von mehreren Zehen die Entwicklung kompensatorischer Fehstellungen in den noch vorhandenen benachbarten Zehen beobachtet werden kann. In der Versorgung lassen sich die zuvor beschriebenen Prinzipien in gleicher Weise anwenden. Bei
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Abbildung 4. Sondereinlagen mit Zurichtung und formfüllenden Volumenausgleich.
bilateralem Defekt sollten die Fußbettungen bei gering aktiven Anwendern mit einer ventralen Lasche ausgeführt werden, wohingegen bei aktiven Nutzern aus Gründen der Wiederherstellung der Unterstützungsfläche sowie der bestmöglichen Anbindung an den Fußstumpf eine prothetische Versorgung erfolgen sollte. Diese kann aus dem Werkstoff Silikon geringvoluminös und mittelfußlang gestaltet werden und erfährt von deren Anwendern neben den o.a. Gründen und aufgrund der Konfektionsschuhtauglichkeit eine hohe Wertschätzung (Abb. 5).
Prothetische Versorgung nach Amputation im Mittel- und Vorfuß Das Tragen von konfektioniertem Schuhwerk nimmt auch nach den transmetatarsalen SharpAmputationen [11] sowie der Lisfranc’schen Amputation am Übergang zur Fußwurzel einen wichtigen Stellenwert ein. In der Regel sind Mittelfuß- und Lisfranc-Stümpfe gut belastbar und verfügen unter Erhalt der muskulären Ansätze der Pronatoren über ein balanciertes ausgewogenes Kräfteverhältnis. Biomechanisch gilt es zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Verlust der Stumpflänge auch die pronierende Muskulatur verloren geht, wodurch sich der Stumpf in eine zunehmende Supinationsstellung entwickeln kann. Diese muß auch in der Prothese Berücksichtigung finden.
Die wesentlichen Anforderungen an den amputierenden Arzt liegen in der Bildung einer ausreichend belastbaren Stumpfdeckung — möglichst mit Sohlenhaut, abgerundeten Knochenenden (v.a. beim Listranc- Abrundung des os cuneiforme I !), sowie möglichst weichen und verschieblichen Narben. Sollte die Haut weitgehend reizfrei, belastbar und geschlossen sein und die Muskulatur und Bewegungsumfänge der noch vorhandenen Extremität regelhaft ausgeprägt, ist eine sprunggelenkfreie Prothesenversorgung anzustreben. Differenziert wird auch hier nach dem Aktivitätsanspruch des Anwenders, u.a. erkennbar an den täglichen Gehstrecken und Maximallasten, den beruflichen Anforderungen, den Freizeit-Interessen sowie nach den vorhandenen Stumpfkonditionen. Bei weniger aktiven Patienten mit stabilen Stumpfverhältnissen kann die Bellman-Prothese [2,3] zum Einsatz kommen. Aus einem Verbund mit einem thermoplastischen, flexiblen Innenschaft, einer stabilisierenden Carbonspange, Nylongurten zur Zugstabilisation sowie PE-Schaummaterialien, mit denen die Form des Vorfußes aufgebaut wird, zeichnet sich die gesamte Konstruktion dieser individuell angefertigten Prothesenvariante als sehr formstabil und leicht aus. Sie kann mit einem Strumpf getragen werden, wodurch geringfügige Änderungen im Stumpfvolumen kompensiert werden können. Die Fußabrollung der Prothese ist in der äußeren Form vorgegeben, wodurch eine zusätzliche Adaptivität der Prothese vordergründig durch die Wahl der Materialhärten beeinflusst werden kann.
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Prothetik nach Fußamputationen
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Abbildung 5. Silikon-Zehenprothesen mit elastischer Mittelfußführung für aktive Anwender.
Abbildung 6. Sprunggelenksfreie Silikon-Vorfußprothese nach Amputation im proximalen Mittelfuß.
Anders zeigt es sich bei der SilikonVorfußprothese, die Ihre positiven Eigenschaften in einer adhäsiven und direkten Anbindung an den Fußstumpf, im Besonderen bei Patienten mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis, sensiblen Stumpfarealen und aktiven Nutzungsanforderungen entfaltet (Abb. 6). Das Abrollverhalten wird u.a. durch die Sprengung des Schuhs vorgegeben und ist entsprechend zu berücksichtigen. Durch die Elastizität
des Grundmateriales und einen stumpfabhängigen Shore-Härtenaufbau kann diese Prothesenvariante unter Zuhilfenahme einer Anziehhilfe sehr einfach angezogen werden. So verfügt die SilikonVorfußprothese auch bei hohen Belastungen im Vgl. zur Bellmann-Prothese über eine deutlich bessere Haftung und dynamische Adaption an die Belastungssituation. Sie eignet sich in besonderem Maße sowohl bei stabilen und geschlossenen diabetischen und traumatisch bedingten Fußstümpfen, wie auch
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Abbildung 7. Spezialversorgungen: links — innere Amputation, rechts — Silikongelbettung bei sensiblen Hautarealen.
zur Bettung von Fußstümpfen mit Hautplastiken und sensiblen Hautarealen (Abb. 7), Narbeneinzügen und Knochenvorsprüngen bei Vorfußstümpfen nach Gliedmaßen-erhaltenden Eingriffen oder auch nach inneren Amputationen [3]. In seiner Inauguraldissertation hat Laserich 29, zumeist am Vorfuß amputierte Prothesenträger, nachuntersucht. Dabei wurden die ganganalytische Betrachtung sowie die subjektive Beurteilung der Silikonvorfußprothese im Vergleich zu herkömmlichen Fußprothesen untersucht. An den Ergebnissen des Ganglabors konnte festgestellt werden, dass das Tragen von Silikon-Vorfußprothesen positive und signifikante Einflüsse auf die kinetischen und kinematischen Charakteristika des oberen Sprunggelenkes und des Kniegelenkes ausübt. In der subjektiven Einschätzung der Betroffenen wird die Silikonprothese in den Bereichen Tragekomfort, Pflege, Kosmetik und allgemeine Zufriedenheit deutlich favorisiert [13]. Diese positive Rückmeldung wird auch durch die Arbeiten von Kulkarni et al. [14] und Buckner [15] bestätigt. Schäfer verfeinert durch seine auf die Stumpflängen und Stumpfkonditionen abgestimmte Klassifikation das differenzierte Versorgungsvorgehen anhand unterschiedlicher Konstruktionsprinzipien [12]. Materialtechnisch betrachtet unterliegt die Bellmannprothese einem höheren Verschleiß als die Silikon-Prothese. Entgegen den üblichen Tragezeiträumen von Prothesen der unteren Extremitäten(4-5 Jahre) muss man bei aktiven Nutzern der genannten direkt adaptierbaren
Fußprothesenvarianten nach einem Nutzungszeitraum von 2-3 Jahren mit einer Ersatzbeschaffung rechnen.
Prothetische Versorgung nach Grenzzonen-Amputation zwischen Vor- und Rückfuß Grenzzonen-Amputationen im Übergang zwischen Vor- und Rückfuß zeichnen sich in der klinischen Betrachtung der funktionellen Abschnitte des Fußskelettes in den proximalen Anteilen des Mittelfußes (Os Cuboideum, Os naviculare, Ossa Cuneiformia, Ossa metatarsi) ab [16]. Der klassische Vertreter dieser Grenzzonenregion ist in dem Amputationsstumpf nach Bona-Jäger zu sehen. Das Os naviculare sowie der proximale Anteil des Os cuboideum bleiben erhalten, wodurch im klinischen Bild noch ein leichter und für die prothetische Verankerung und Führung wertvoller Stumpfansatz erkennbar ist. Sekundären Verlagerungen (Os naviculare nach medial und Os Cuboideum nach plantar) durch noch vorhandene Muskulatur muß durch Osteosynthesen entgegengewirkt werden. Häufig verfügt das OSG noch über eine 20-30-gradige Beweglichkeit, um die es sich in einer Prothesenversorgung zu kämpfen lohnt. In Abhängigkeit von den Stumpfkonditionen, dem Aktivitätsniveau und dem Belastungsverhalten können diese Stümpfe sehr erfolgreich mit einer kombinierten Versorgung aus sprunggelenksfreier Prothesenkonstruktion und einer stabilisierenden unterschenkellangen Carbon-Rahmenorthese
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Prothetik nach Fußamputationen
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Abbildung 8. Sprunggelenksfreie Fußprothese zum kombinierten Einsatz mit Carbon-Rahmenorthese.
versorgt werden. Bei niedrigem Aktivitätsniveau kann die sprunggelenksfreie Bellmann-Prothese mit der Carbon-Rahmenorthese kombiniert werden, bei aktiven Patienten kommt hingegen die SilikonFußprothese zum kombinierten Einsatz (Abb. 8). Die Kombination dieser beiden Hilfsmittelarten erlaubt dem Amputierten einen belastungsabhängigen Einsatz. So kann z.B. bei weniger aktiven Tagesprogrammen die sprunggelenksfreie Versorgung unter Ausnutzung der OSG-Beweglichkeit zum Einsatz kommen, während an Tagen mit höherer Belastung und längerer Gehstrecken zusätzlich die auf den Unterschenkel angepasste und druckverteilende Adaptiv-Rahmenorthese Belastungsspitzen auf den Fußstumpf vermeidet. Instabile Bona-Jäger-Stümpfe können von dieser Versorgungsvariante leider nicht profitieren. In diesem Fall bietet sich — ähnlich wie beim Chopartstumpf - die Versorgung mit einer Rahmenprothese nach Botta an [17].
Prothetische Versorgung nach Amputationen im Rückfuß Das Fehlen jeglichen Vorfußhebels charakterisiert den Rückfußstumpf. Leider — oder
traurigerweise - wagen sich viel zu wenig Amputationschirurgen an dieses Amputationsniveau. Dabei sind die Vorteile gegenüber dem Amputationsniveau des Unterschenkelstumpfes für den Amputierten bedeutend. Grundsätzlich sind die Rückfußstümpfe unter Erhaltung der Sohlenhaut des Fußes in der Regel voll belastbar. Dies ist für die Betroffenen sehr wertvoll, da sie mit einem vollbelastbaren Stumpf das kurzstreckige Gehen, z.B. im häuslichen Umfeld, auch ohne Prothese realisieren können. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine weitgehend neutrale Stellung der Gelenke. In der prothetischen Versorgung liegt die besondere Herausforderung in der Wiederherstellung des am Aktivitätsniveau des Anwenders orientierten dynamischen Vorfußhebels [18]. Die auftretenden Kräfte — sowohl die vom Körper in die Prothese eingeleiteten wie auch die von der Prothese rückgebenden Bodenreaktionskräfte — müssen möglichst flächig und druckverteilend in den Stumpf rückgeleitet werden. Dies kann am besten durch eine unterschenkellange, bis unter das Kniegelenk geführte Schafttechnik sichergestellt werden. In Abhängigkeit zur Stumpflänge und vor allem zur Stumpfform kann die unterschenkellange
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10 Schafttechnik in Rahmen- oder Containerbauweise erfolgen, wodurch die Stabilität durch intelligente Anordnung geeigneter Faserverbundwerkstoffe erfolgt.
Die Chopart - Amputation Die Chopart’sche Gelenklinie grenzt nicht nur den Rückfuß zum Vorfuß ab, sondern repräsentiert auch den anatomischen Verlauf der distalsten Amputationslinie im Rückfuß. Leider begegnen uns gerade auf diesem Niveau viel zu häufig muskulär dysbalancierte Stümpfe. Der Chopart-Stumpf neigt zur Entwicklung einer ausgeprägten EquinovarusFehlstellung. Die von Baumgartner [2,3] so oft angemahnte kufenförmige Abrundung im knöchernen plantaren Stumpfendbereich beugt dem vor und ist für einen gut belastbaren, ausbalancierten Stumpf ebenso wichtig, wie ggf. das Durchführen einer Achillessehnenverlängerung [19]. Für Patienten mit Diabetes werden ergänzende intraoperative Maßnahmen zur Erzielung einer guten Stumpfbalance, wie z.B. Tenotomien des M.tib.post. sowie der M.flex.dig.long. beschrieben [20]. Baumgartner empfahl in seinen letzten Jahren, die Achillessehne zu durchtrennen oder gar zu resezieren. Eine besondere Herausforderung ist an die prothetische Konstruktion zu stellen, da sich die amputierte Gliedmaße in der Beinlänge in gleicher Länge zur kontralateralen Seite darstellt. Aus
M. Schäfer, T. Baumeister diesem Grund kommen als prothetische Fußmodule in der Regel individuell-gefertigte Prepreg-Federn aus Carbon-, Kevlar- und Glasgeweben zum Einsatz, da mit diesen sowohl eine an die Stumpfsituation angepasste Fuß-Sprengung wie auch eine geringstmögliche Aufbauhöhe realisiert werden können. Vorgefertigte industrielle Chopart-Fußmodule aus Carbonfasern sind oftmals zu starr und verfehlen dadurch die Aufgabe einer dynamischen Unterstützung der Extremität beim Gehen. Neuartige Chopartplattenmodelle aus einem Glas-Composite verfügen dagegen über ein höheres E-Modul und verbessern die Auswahl unter den vorkonfektionierten Modellen deutlich. Amputierte mit niedrigem Mobilitätsanspruch, die keine Restbeweglichkeit im OSG aufweisen oder auch jene, die eine erhöhte Instabilität, Druckempfindlichkeit und Reizbarkeit aufweisen, sollten mit einer OSG-stabilisierenden unterschenkellangen Rahmenprothese aus einem faserdominanten Carbon-Glas-Verbund — idealerweise mit einer dorsalen Einstiegsklappe - versorgt werden (Abb. 9). Diese Konstruktion stabilisiert sowohl das OSG wie auch den Rückfuß und vermeidet gleichfalls die Entstehung zu hoher Kräfte auf den Stumpf. Aktive Patienten, die über einen Chopartstumpf mit einer Restbeweglichkeit im OSG verfügen, werden im idealen Fall mit einer Rahmenprothese nach Botta [18] versorgt. Diese Prothesenvariante besteht aus einer unterschenkellangen Rahmenkonstruktion mit integriertem prothetischem
Abbildung 9. Rückfuß-Rahmenprothese mit Verschlußklappe und individueller Carbon/Kevlar-Prepreg-Feder. Please cite this article in press as: Schäfer M, Baumeister T. Prothetische Versorgung nach Amputation im Fuß. FussSprungg (2019), https://doi.org/10.1016/j.fuspru.2019.07.003
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Prothetik nach Fußamputationen
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Abbildung 10. Rückfuß-Rahmenprothese nach Botta mit 10-15◦ Beweglichkeit im OSG.
Fußersatz, die zum einen den Rückfuß in einer achsengerechten Position sichert und dennoch im oberen Sprunggelenk eine Rest-Beweglichkeit von ca. 10-15◦ Bewegungsumfang ermöglicht (Abb. 10). Ein ventraler Einstiegskeil erleichtert das Anziehen der Prothese. In seltenen Fällen kann auch hier die unter 2.3 beschriebene Silikon-Rückfußprothese mit einer Carbon-Rahmenorthese zum Einsatz kommen.
Amputation nach Pirogoff/Spitzy und Boyd Die Pirogoff-Amputation, benannt nach dem russischen Kriegschirurgen Nikolai Iwanowitsch Pirogoff
(1810-1881), bezeichnet eine Rückfußamputation, bei der der Talus -im Sinne einer Astragalektomiekomplett entfernt wird und die angefrischten Flächen des Calcaneus mit den angefrischten Flächen des distalen Unterschenkelknochens verbunden werden. Hatte Pirogoff noch im 19. Jahrhundert lediglich das Tuber Calcanei erhalten und um 90◦ nach cranial rotiert um es mit der distalen Tibia zu fusionieren [21], so etablierten sich aufgrund einer fehlenden Voraussagbarkeit von Ergebnissen, Neurombildungen und Pseudarthrosen schon früh Modifikationen dieser Technik [22,23]. Neben der Form wurden auch die Osteosyntheseverfahren verändert. Die bekanntesten Veränderer fanden sich in Spitzy (Amputation nach Pirogoff-Spitzy) und dem Briten
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M. Schäfer, T. Baumeister
Abbildung 11. Unterschenkellange Rückfußprothese nach Pirogoff-Amputation bei Mißbildungssyndrom.
Boyd, in dessen Land sich seine Modifikation bis heute durchgesetzt hat [23]. Beim Pirogoff-Stumpf entsteht eine Beinlängendifferenz von ca. 3-5 cm. Im Idealfall wird der Rückfuß mit bestehender Fußsohlenhaut gedeckt und ist in aller Regel voll endbelastungsfähig. Den Start in die prothetische Versorgung wird der Chirurg nach Stabilisierung der Osteosynthese freigeben. Die Vollbelastung wird im Vergleich zu den alternativen Rückfußamputationen erst etwas später möglich sein. Heute begegnen uns Pirogoff-Stümpfe nur noch selten. Ein typisches Beispiel der Anwendung dieser Amputationshöhe ergibt sich in der Behandlung von Menschen mit komplexen Fehlbildungen, syndromalen Erkrankungen und irreversiblen Fußdeformitäten. Das dargestellte Beispiel zeigt eine irreversible Fußdeformität im Sinne eines Hackenfußes bei komplexem Mißbildungssyndrom mit Deformitäten an Fuß und Wirbelsäule (Abb. 11). Die Anforderungen an die orthopädietechnische Versorgung werden durch den Verlust des oberen Sprunggelenks sowie die Stabilität und Form des Stumpfes bestimmt. Interimsversorgungen oder niedrig aktive Anwender können mit einer unterschenkel-langen Prothese in Rahmenbauweise versorgt werden. Anfänglich kann die dosierte Stumpfendbelastung
unter Zuhilfenahme einer Abstützung am medialen Anteil des Tibiakopfes erfolgen. Der partielle Weichwandschaft ist aus geschäumten PESchaumpolymeren gefertigt und soll etwaige Hinterschneidungen ausgleichen. Weiterhin schützen beschichtete Copolymerstrümpfe den Stumpf vor Scherkräften und sorgen für eine Reduktion von Druckspitzen. Mittels unterschiedlich dicken Baumwoll- und Frottestrümpfe kann auf ein veränderndes Stumpfvolumen reagiert werden (Abb. 12). Von jeglichen Linerversorgungen — wie dies bei anderen Amputationen im Unterschenkel üblich ist, wird aus Gründen der Formgestaltung sowie des dadurch entstehenden überproportionalen Schaftvolumens abgeraten. Anwender mit reduzierten Belastungsmöglichkeiten, einem gesteigertem Sicherheitsbedürfnis, oder eingeschränkter Sensibilität können durch einen Containerschaft mit zirkulär geschlossenem Weichwandliner stabil geführt werden. Die Belastung auf das Stumpfende lässt sich besonders gut regulieren. Nach Möglichkeit wird der Materialmix entsprechend dünn gewählt, um ein Tragen von Konfektionsschuhen zu ermöglichen. Teilweise müssen diese orthopädieschuhtechnisch zugerichtet werden. Aktive Anwender profitieren bei einer Beinverkürzung von ca. 3-5 cm von innovativen prothetischen Fußmodulen mit geringsten Aufbauhöhen,
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Prothetik nach Fußamputationen
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Abbildung 12. Carbon-Rahmenprothese nach Pirogoff-Amputation.
welche mit einer deutlich verbesserten Dynamik zum Einsatz kommen. Je nach Einsatzzweck wird das Schaftsystem in einer schlanken Rahmenbauweise mit partiellem Innentrichter mit großen Freiflächen für eine gute Atmungsaktivität oder der geschlossenen Variante mit Weichwandinnenschaft in Containerbauweise für mehr Stabilität eingesetzt. Die Wahl des Schaftsystems hängt maßgeblich von den Voraussetzungen des Stumpfes ab.
Amputation nach Syme Durch Resektion von Kalkaneus, Talus und dem oberen Sprunggelenk entsteht ein voll endbelastungsfähiger Syme-Stumpf. Die Malleolen werden dabei abgetragen und gerundet um keinen störenden Verbleib für die Prothesenversorgung darzustellen. Ein regelrechter Stumpf mit weichteilgedeckter Fußsohlenhaut ist operativ anspruchsvoll [3] und entspricht funktionell einem langen Unterschenkelstumpf - jedoch mit dem großen Unterschied der zumeist vollen Endbelastbarkeit. Kurze Strecken können dadurch im häuslichen Bereich auch mal ohne angelegte Prothese bewältigt werden. Durch die Amputation im spongiösen Anteil der Unterschenkelknochen entsteht ein abgeflachtes Stumpfende. Mit diesem wird einer Perforation/Überbelastung des Gewebes entgegengewirkt. Dieser Form des Knochens ist bei der Gestaltung des formgebenden Prothesenschaftes unbedingt zu folgen, auch wenn der Stumpf äußerlich rund anmutet. Zur Sicherung der Rotationsstabilität ist die Dreiecksform des Unterschenkels im Prothesenschaft zu berücksichtigen.
Die Beinverkürzung beträgt bei erwachsenen Anwendern ca. 6-8 cm und ermöglicht so die Versorgung mit einer Auswahl an Prothesenfüßen mit unterschiedlichen Eigenschaften abgestimmt auf das Aktivitätsniveaus. Als Haftprinzip der Schafttechnik hat sich der Einsatz von Silikonlinern mit positionsvariablem Seal und passivem Unterdruck — sichergestellt zwischen Seal und abdichtendem Ausstoßventil im Stumpfendbereich des Schaftes- bewährt (Abb. 13). Alternativ können auch knieübergreifende Dichtmanschetten oder Kniekappen den angestrebten Unterdruck aufrecht halten. Letztere allerdings mit dem Nachteil der Beeinträchtigung der freien Kniebeweglichkeit. Für Anwender mit geringerem Aktivitätsgrad und auch grundsätzlich im Rahmen von Interimsversorgungen bietet der Weichwandinnenschaft in Verbindung mit einem Container eine schnell nachzupassende Versorgungsmöglichkeit, die dem Haftungsprinzip der suprakondylären Einfassung unterliegt. Bei kolbenförmigen Stümpfen wird der partiell ausgleichende Innenschaft geschlitzt und mit einer Einstiegslasche versehen. Konstruktionsbedingt fassen die höheren Schaftränder das Knie und den proximalen Anteil der Femurkondylen ein. Nach Trauma oder Infekt kann zu wenig Sohlenhaut zur Stumpfdeckung des Syme-Stumpfes zur Verfügung stehen. In diesem Fall bietet sich das Verfahren des ,,Reversed Syme‘‘ alternativ an. Hier wird die Haut des Fußrückens zur Stumpfendformung genutzt. Eine Reduzierung der Belastungsfläche ist dadurch zu erwarten, dennoch kann die wertvolle knöcherne Länge erhalten
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Abbildung 13. Syme-Rückfußprothese mit Seal-Liner-Versorgung und passivem Unterdruck.
werden und zu besseren biomechanischen Hebelverhältnissen beitragen. In der Bettung gilt es, das dünnere Stumpfende des ,,Reversed Syme‘‘ durch eine entsprechende stoßdämpfende Bettungstechnik zu berücksichtigen. Dies gelingt z.B. durch individuelle Distalcups in RTV-Silikontechnik, die individuell an die Form des Stumpfendes angepasst werden und in Kombination mit konfektionierten Linern zum Einsatz kommen können (Abb. 14). Um bei belastbaren Weichteilsituationen die Aufbauhöhe gering zu halten, werden individuelle Liner angefertigt.
Diskussion Die Versorgung von Fußstümpfen stellt sich sehr differenziert dar, da neben dem Aktivitätsprofil des Anwenders die Qualität des Stumpfes und damit auch die Qualität der Amputation die tatsächlichen Möglichkeiten einer Prothesenversorgung vorgeben. Erfreut darf man auf die Statistik blicken, die eine klare Tendenz der Amputationen an der unteren Extremität hin zum Fuß zeigt [1]. Erschreckend, dass immer noch nahezu 2/3 der Amputationen am
Abbildung 14. Unterschenkellange Rückfuß-Interimsprothese mit individuellem Distal Cup bei einem modifizierten ,,Reversed Syme’’. Please cite this article in press as: Schäfer M, Baumeister T. Prothetische Versorgung nach Amputation im Fuß. FussSprungg (2019), https://doi.org/10.1016/j.fuspru.2019.07.003
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Prothetik nach Fußamputationen Fuß dem diabetischen Formenkreis zuzuordnen ist, wenngleich sich diese Zahl auf einem absteigenden Trend befindet. Amputationen im Vorfuß lassen sich im Bereich der Zehen wahlweise und in Abhängigkeit zu den Bedürfnissen mit individuellen Einlagen, schuhtechnischen Interventionen und auch Teilprothesen versorgen. Ab der Lisfrancschen Gelenklinie profitieren alle Amputierten eindeutig von der prothetischen Versorgung des Fußstumpfes. Ob dies in der dynamischen Wiederherstellung eines physiologischen Abrollverhaltens mit Prothese besteht oder in der Wiederherstellung der Gelenkmomente weiter proximal gelegener größerer Gelenke z.B. bei den Rückfußamputationen. Besonders nach Vorfuß- und Grenzzonen-Amputationen haben sich bei aktiven Nutzern die Silikon-Fußprothesen etabliert. Deren individuelle Anpassungsmöglichkeiten an den Fußstumpf sind unübertroffen und vermitteln dem Betroffenen ein bestmögliches Gefühl an Sicherheit, Führungsverhalten und Tragekomfort. Es muss konstatiert werden, dass aktiv genutzte Fußprothesen im Vgl. zu der prothetischen Versorgung der Major-Amputationen einem deutlich höheren Verschleiß unterliegen und im Durchschnitt alle 3 Jahre erneuert werden müssen. Leider scheinen bei den positiven Entwicklungen in der Vorfußchirurgie die Amputationen im Rückfuß zunehmend in Vergessenheit zu geraten, was sehr traurig ist und letztendlich auch dazu führt, dass die wenigen Rückfußstümpfe, die tatsächlich noch durchgeführt werden, in der Qualität der Amputation abnehmen. Dabei würden die Amputierten in vielen Fällen im Alltag von einem endbelastbaren Stumpf deutlich profitieren. Vor allem der Syme-Stumpf scheint nahezu IMMER deutlich besser als jede alternative Unterschenkelamputation zu sein. Er ist voll belastbar, hat eine optiomale biomechanische Länge, kann zwischenzeitlich mit vielen adäquaten Fußpassteilen versorgt werden und ermöglicht kurzzeitig auch das ,,Barfußgehen‘‘. Die Qualität der prothetischen Versorgung hängt hingegen entscheidend von den Fähigkeiten des Orthopädietechniker-Meisters ab. Dieser muss heutzutage für eine adäquate Fußprothetik viel Fachwissen und handwerkliche Fähigkeiten mitbringen. Er sollte in der Lage sein, individuelle Federelemente im Prepreg-Verfahren für Rückfußprothesen herzustellen, mit Silikon-Technologien versiert zu arbeiten, über genügend handwerkliches Geschick verfügen, die stellenweise sehr knöchernen und sensiblen Fußstümpfe reizfrei zu betten und letztendlich wird sein gutes biomechanisches Verständnis darüber entscheiden, ob die Prothese zu einem Versorgungserfolg wird.
15 Die Patienten selbst werden von einem engen interdisziplinären Dialog zwischen Mediziner, Orthopädie-Techniker, Orthopädie-Schuhtechniker und der Physiotherapie am meisten profitieren, denn bestmögliche Ergebnisse können nur dann zustande kommen, wenn ein gegenseitiges Verständnis für die notwendigen Maßnahmen entwickelt werden kann.
Conflict Of Interest The authors declare that there is no conflict of interest. In this article, the authors present their daily work as Pohlig employees. No remuneration has been received for the preparation of this article.
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