Virale Infektionen im Gastrointestinaltrakt

Virale Infektionen im Gastrointestinaltrakt

ORIGINALIA Manfred H. Wolff Viral infections in the gastroinestinal tractus Summary The incorporation of viruses, either via the faecal excretions o...

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ORIGINALIA

Manfred H. Wolff

Viral infections in the gastroinestinal tractus Summary The incorporation of viruses, either via the faecal excretions or the nutrition, may result in infections of the gastrointestinal tractus. This infection may be limited to the gastrointestinal tractus (local infection) or the viruses may spread to other body locations (liver, skin, central nervous system) via the blood (generalized infection). Local infections are characterized by diarrhoea with vomiting, fever and dehydration. Viral gastrointestinal infections occur worldwide counting for one of the most frequent causes of death in infants and young children in developing countries. In parts of Asia, Africa and Latin America up to 125 millions of viral gastroenteritis cases are reported annually. However, even in Germany gastroenteric infections caused by Rota- and Noro-Viruses play a significant role. They are still on top of the infections subject to official registration. From a clinical point of view there is almost no difference between a gastroenteritis caused by bacteria or viruses. For the differential diagnosis proper and quick methods are available. The most frequent pathogens are Rota-, Calici-, Astro, and Noro-Viruses. In addition, the so-called Entero-Viruses, comprising Poliomyelitis-, ECHOand Coxsackie-Viruses, are among the widespread pathogens. In this context the Hepatitis-A-Virus must be mentioned, although it is frequently addressed as ‘‘travel infection’’. It is transmitted via the faeces causing the clinic of a liver infection (hepatitis). Keywords. Viral infection, Gastroenteritis, Hepatitis.

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Krh.-Hyg. + Inf.verh. 32 Heft 1 (2010): 4–8 http://www.elsevier.de/khinf

Virale Infektionen im Gastrointestinaltrakt Zusammenfassung. Die Aufnahme von Viren, entweder fa¨kal-oral oder u¨ber die Nahrung, kann zu Infektionen des Gastrointestinaltraktes fu¨hren. Diese Infektion kann auf den Gastrointestinaltrakt (lokale Infektion) beschra¨nkt bleiben oder die Viren ko¨nnen sich u¨ber eine Vira¨mie (generalisierte Infektion) auf andere Ko¨rperbereiche ausbreiten (Leber, Haut, ZNS). Lokale Infektionen a¨ußern sich klinisch durch Brechdurchfall, Diarrho¨e, Fieber und Dehydration. Virale gastrointestinale Infektionen kommen weltweit vor und sind eine der ha¨ufigsten Todesursachen bei Sa¨uglingen und Kleinkindern in den Entwicklungsla¨ndern. In Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas werden ja¨hrlich bis zu 125 Millionen virusbedingte Gastroenteritiden beobachtet. Aber auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland spielen gastroenteritische Infektionen, verursacht durch Rota- und Noroviren, eine große Rolle. Sie stehen mit an der Spitze der meldepflichtigen Erkrankungen. Klinisch sind die viralen Gastroenteritiden von den bakteriellen kaum zu unterscheiden. Zur Differentialdiagnose stehen aber gute und schnelle Methoden zur Verfu¨gung. Als ha¨ufigste Erreger kommen Rotaviren, Caliciviren, Astroviren und Noroviren vor. Weit verbreitet sind aber auch die so genannten Enteroviren, zu denen die Poliomyelitis-, die Coxsackie- und die ECHO-Viren geho¨ren. Wenn ha¨ufig auch nur als Reiseinfektion abgetan, muss in diesem Zusammenhang das Hepatitis-A-Virus erwa¨hnt werden. Es wird zwar fa¨kal-oral u¨bertragen, a¨ußert sich klinisch aber in Form einer Hepatitis (Leberentzu¨ndung). Schlu¨sselwo¨rter. Virusinfektion, Gastroenteritis, Hepatitis.

Epidemiologie/Infektiologie Scha¨tzungen zufolge erkranken allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 1 Million Menschen an einer Magen-Darm-Infektion. Neben Bakterien und Parasiten sind es vor allem Viren, die fieberhafte Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt hervorrufen. Ihre Bedeutung als Ursache auch fu¨r im Krankenhaus erworbene Infektionen wird zunehmend mehr erkannt und beachtet [1,5]. Insbesondere haben Norovirusinfektionen in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Zusammen mit den Rotaviren sind sie fu¨r den Großteil der gastroenteritischen Ausbru¨che, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Krankenha¨usern, Kinder-, Alten- und Pflegeheimen, Internaten und Kasernen verantwortlich. Die Pra¨vention und Beka¨mpfung solcher ha¨ufig epidemieartig verlaufenden Infektionen erfordert eine konsequente Durchsetzung und Einhaltung von Hygieneregeln, denn diese fa¨kal-oral durch Schmierinfektion u¨bertragenen Viren weisen einige Besonderheiten auf.

In der Regel werden bei einer akuten Infektion hohe Dosen von Erregern ausgeschieden. 1012 bis 1014 Viruspartikel pro Gramm Stuhl sind keine Seltenheit. Andererseits liegt die Infektionsdosis im Gegensatz zu den meisten bakteriellen Erkrankungen bei nur wenigen Viruspartikeln. Wa¨hrend bei den gastroenteritischen Salmonellen zwischen 10000–100000 Bakterien aufgenommen werden mu¨ssen, reichen z.B. bei den Noroviren 10–100, um an einer Infektion zu erkranken. Ein weiteres Problem ist die Ausscheidung der Virenwa¨hrend des Krankheitsverlaufs.

Da die Virusreplikation (Vermehrung) sehr schnell nach erfolgter Infektion beginnt,

Tabelle 1. Wichtige Daten einiger viraler Gastroenteritis-Erreger Rotavirus

Adenovirus

Norovirus

Astrovirus

Inkubationszeit (Tage)

1–3

8–10

1–3

3–4

Ausscheidung (Tage)

14

10–14

7–14

3–5

Der Erkrankung (Tage)

2–6

7–10

2–4

2–4

Sa¨ugling+Kleinkinder

ha¨ufig

ha¨ufig

selten

ha¨ufig

Kinder, Jugendliche, Erwachsene

selten

selten

ha¨ufig

selten

Jahreszeitliche Ha¨ufigkeit

Winter

ganzja¨hrig

Winter

ganzja¨hrig

Symptome

Diarrho¨e, Erbrechen, Fieber, Bauchschmerzen, Dehydration

Diarrho¨e, Erbrechen, Fieber, resp. Symptome, Dehydration

Diarrho¨e, Erbrechen, Fieber, Bauchschmerzen, Dehydration

Diarrho¨e, Erbrechen, Fieber (leicht), Kra¨mpfe

Diagnostik

EM, EIA, RT-PCR

EIA, IFT, PCR, Virusisolierung

EM, EIA RT-PCR

Ag-ELISA PCR

werden die Viren ha¨ufig schon zum Ende der Inkubationszeit ca.7 bis 10 Tage vor Auftreten der klinischen Symptome (Hepatitis-A-Virus) ausgeschieden. Andererseits kann sich die Virusausscheidung noch bis zu 14 Tagen nach Abklingen der klinischen Symptomatik hinziehen (Rotaviren, Noroviren).

Dies bedeutet also, dass man nicht immer genau den Zeitpunkt der ho¨chsten Virusausscheidung kennt und somit ein scheinbar gesunder, unauffa¨lliger und symptomloser Mensch zu einer mo¨glichen Infektionsquelle wird. Hinzu kommt, dass es sich bei den fa¨kal-oral u¨bertragenen Viren immer um nackte (unbehu¨llte) Viren handelt. Diese weisen im Gegensatz zu den umhu¨llten Viren eine hohe Stabilita¨t gegenu¨ber Umwelteinflu¨ssen, Temperatur, Chemikalien und Desinfektionsmitteln auf. Neben der hohen Sa¨urestabilita¨t (pH 2 bis pH 3) ko¨nnen sie unter Umsta¨nden Monate auf Fla¨chen persistieren. Die hohe Stabilita¨t insbesondere gegen chemische Noxen liegt darin begru¨ndet, dass unbehu¨llte Viren hydrophile, behu¨llte Viren dagegen lipophile Eigenschaften besitzen. Dieser Tatsache muss daher auch die Verwendung entsprechender Desinfektionsmittel Rechnung tragen [2,4,6].

Die Viren, die u¨ber den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden werden, lassen sich in drei Gruppen unterteilen, wobei dies nicht einer systematischen Einteilung, sondern eher einer funktionalen Einteilung entspricht: 1. Viren, die sich im Darmtrakt vermehren und dort auch die klinische Symptomatik einer Gastroenteritis und Diarrho¨e hervorrufen. Zu ihnen geho¨ren Rotaviren, Noroviren, Caliciviren, Astroviren (Tabelle 1). 2. Viren, die sich im Gastrointestinaltrakt zwar vermehren, aber keine gastroenteritischen Symptome aufweisen wie Polioviren, Coxsackieviren, Echoviren u.a. Diese zeichnen sich durch unterschiedliche Symptomatik aus (Tabelle 2). Hier kann auch das Hepatitis-A-Virus eingereiht werden. Es vermehrt sich in der Leber, wird aber u¨ber den Darm ausgeschieden. 3. Viren, die u¨ber das Blut in den Gastrointestinaltrakt gelangen wie HIV, HBV, HDV und HCV. Diese werden zwar prima¨r durch Blut- und Blutprodukte u¨bertragen, ko¨nnen

aber durchaus bei Darmblutungen und profusen blutigen Durchfa¨llen u¨ber den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden werden.

Rotaviren Rotaviren geho¨ren zur Familie der Reoviridae. Es sind kleine, etwa 75 nm große Viruspartikel, die im Elektronenmikroskop eine typische Radstruktur aufweisen, die auch zum Namen dieser Viren gefu¨hrt hat. Das Genom (RNA) liegt in 11 diskreten Segmenten vor. Diese Tatsache fu¨hrt bei Doppelinfektionen von zwei unterschiedlichen Virussta¨mmen zu einem Segmentaustausch (Reassortment), und so zur Entstehung neuer Virusvarianten. Es werden 7 Serogruppen (A–G) unterschieden, wobei die Gruppe A weltweit die gro¨ßte epidemiologische Bedeutung hat. Rotaviren rufen die ha¨ufigste virale Darminfektion bei Sa¨uglingen und Kindern im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren hervor, bedingt durch die noch nicht ausgereifte Immunita¨t. Weltweit sind ja¨hrlich u¨ber 100 Mio. Erkrankungen zu beobachten, insbesondere in den Entwicklungsla¨ndern. Davon weisen ca. 18 Mio. einen schweren Verlauf auf und fu¨hren infolge von Dehydration zu etwa 1 Mio. Todesfa¨llen. Aber auch in den so genannten Industriela¨ndern sind ja¨hrlich ca. 1 Mio. Erkrankungen zu verzeichnen. Allein in Deutschland wurden im letzten Jahr (2007) ca. 60.000 gemeldete Fa¨lle registriert. Im Erwachsenenalter beobachtet man meist milder verlaufende Krh.-Hyg. + Inf.verh. 32 Heft 1 (2010): 4–8 http://www.elsevier.de/khinf

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Erkrankungen im Rahmen von Reisediarrho¨en. Zugenommen hat die Zahl der Ausbru¨che in Altenheimen. Das Reservoir fu¨r diese Viren ist der Mensch. Zwar kommen auch bei Hausund Nutztieren Rotaviren vor, die allerdings eine eher geringere Bedeutung fu¨r Erkrankungen des Menschen haben. Eine Ansteckungsgefahr besteht in der akuten Krankheitsphase und solange Viren im Stuhl ausgeschieden werden, was bis zu 8 Tagen mo¨glich ist. Im Einzelfall wurden auch Ausscheidungen u¨ber 14 Tage beobachtet. Die Symptomatik der Rotavirusinfektion reicht von subklinischen Infektionen u¨ber leichte Diarrho¨en bis hin zu schweren Erkrankungen. Die Symptomatik zeichnet sich im akuten Fall durch wa¨ssrige bis schleimige Durchfa¨lle (kein Blut) und Erbrechen aus. Auch Fieber (38 1C) und Bauchschmerzen ko¨nnen auftreten. Der Krankheitsverlauf ist in der Regel kurz, zwischen 2 und 6 Tagen. Durch den hohen Flu¨ssigkeitsverlust kann es zur Dehydratation kommen, was bei nicht rechtzeitiger symptomatischer Behandlung d.h. durch Substitution des Flu¨ssigkeitsverlusts, durchaus zum Tode fu¨hren kann. Zwar bildet sich im Verlauf der Infektion mit einem bestimmten Serotypen eine spezifische humorale Immunita¨t aus, diese ist aber nicht von Dauer, so dass einerseits aufgrund eines neuen Virustyps, andererseits durch die nicht andauernde Immunita¨t erneut eine Infektion auftreten kann.

Noroviren Noroviren geho¨ren in die Familie der Caliciviridae. Erstmals wurden sie 1972 im Elektronenmikroskop entdeckt nach einer Epidemie in der amerikanischen Stadt Norwalk (fru¨her daher auch Norwalk-likeViren). Noroviren haben einen Durchmesser von 35–39 nm. Als Genom besitzen sie eine einzelstra¨ngige RNA. Wie die meisten RNA-Viren sind sie sehr variabel

in ihrer Genomsequenz, was zu zahlreichen Subtypen und Isolaten fu¨hrt. Daru¨ber hinaus kommt es zur Antigendift sowie Antigenshift durch Rekombination unterschiedlicher Virussta¨mme. Man unterscheidet derzeit fu¨nf Genogruppen (GG I–V), die ihrerseits wiederum in mehrere Genotypen aufgeschlu¨sselt werden ko¨nnen. Noroviren sind fu¨r einen Großteil nichtbakterieller Gastroenteritiden, sowohl bei Kindern (ca. 30%) als auch bei Erwachsenen (ca. 50%) verantwortlich. Gerade in den letzten Jahren, beginnend mit 2001, hat die Zahl der Infektionen kontinuierlich zugenommen und fand im Winter 2007/2008 seinen vorla¨ufigen Ho¨hepunkt mit ca. 200.000 gemeldeten Fa¨llen [5]. Obwohl der epidemiologische Gipfel in den Wintermonaten zu beobachten ist, sei darauf hingewiesen, dass Infektionen ganzja¨hrig auftreten ko¨nnen. Die Kontagiosita¨t der Noroviren ist außerordentlich hoch. Die Ausscheidung erfolgt u¨ber den Stuhl und das Erbrochene. U¨bertragen werden sie fa¨kal-oral oder beim Einatmen von Aerosolen, die beim Erbrechen entstehen. Auch indirekte U¨bertragung durch Lebensmittel und Getra¨nke sind mo¨glich. Selbst Infektionen u¨ber Schweine und Rinder wurden berichtet [3]. Eine hohe Virusmenge im Stuhl 1010 bis 1011pro Gramm und die sehr geringe Infektionsdosis von 10 bis 100 Viruspartikeln sind mit eine der Ursachen, dass bei nicht ausreichender Hygiene eine sehr schnelle und effektive U¨bertragung erfolgt. Dazu tra¨gt auch die hohe Trockenresistenz (Tenazita¨t) bei, die zwischen 14 und 21 Tagen liegen kann. Die wichtigsten Maßnahmen fu¨r eine Unterbrechung von spontanen Norovirusausbru¨chen und epidemischen Verbreitungen in Krankenha¨usern oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen sind klare und konsequent durchzufu¨hrende Hygienemaßnahmen (Tabelle 2). Noroviren sind gema¨ß Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig.

Hepatitis-A-Virus Das Hepatitis-A-Virus ist ein kleines RNAVirus, das in die Familie der Picornaviren geho¨rt. Die U¨bertragung erfolgt fa¨kal-oral durch eine Kontakt- oder Schmierinfektion, u¨ber kontaminierte Lebensmittel oder verunreinigtes Wasser und ist sehr ha¨ufig an schlechte hygienische Verha¨ltnisse gekoppelt. Ein erho¨htes Risiko stellen fa¨kaliengedu¨ngtes Gemu¨se sowie Muscheln und Austern da. Aufgrund ihrer physiko-chemischen Eigenschaften weisen Hepatitis-A-Viren eine hohe Stabilita¨t gegenu¨ber Sa¨ure (pH 2) auf. Bei Hitzeeinwirkung von 60 1C bleiben sie u¨ber 1 Stunde stabil. Erst Temperaturen von u¨ber 80 1C fu¨hren zur Inaktivierung. Im Stuhl von Hepatitis-A-Infizierten sind 1012–1014 Viruspartikel pro Gramm Stuhl nachweisbar. Da die Viren bereits 1 bis 2 Wochen vor Ausbruch der Krankheit ausgeschieden werden, erfolgt eine schnelle Verbreitung gerade bei unzureichender Hygiene. Daru¨ber hinaus ist das Hepatitis-A-Virus eins der stabilsten Viren gegenu¨ber Umwelt- sowie chemischen Einflu¨ssen und insbesondere Ha¨ndedesinfektionsmitteln [6,7]. Der Krankheitsverlauf ist relativ milde verglichen mit anderen Hepatitiden. Bei Kindern verla¨uft die Infektion in der Regel harmlos, ha¨ufig sogar asymptomatisch. Da die Hepatitis-A nicht chronisch wird, kommt es auch nicht zu einer dauerhaften Scha¨digung der Leber. Mit ca. 1000 gemeldeten Fa¨llen in Deutschland spielt die Hepatitis-A eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch sind saisonale Ha¨ufungen im Sommer (speziell nach den Sommerferien) zu beobachten. Dabei handelt es sich ha¨ufig um eingeschleppte Infektionen aus Urlaubsla¨ndern (Mittelmeerraum). Dies hat der HepatitisA auch die Bezeichnung Reisehepatitis eingebracht. Zur Prophylaxe gibt es eine Impfung.

Tabelle 2. Wichtigste Maßnahmen bei Norovirusausbru¨chen  Isolation der Patienten mit eigenem WC ggf. Kohortenisolierung  Unterweisung der Patienten hinsichtlich korrekter Ha¨ndedesinfektion Pflege-Betreuung der Patienten erfolgt mit Einweghandschuhen, Schutzkitteln und ggf. Mund- und Nasenschutz  Korrekte Ha¨ndedesinfektion nach Ablegen der Einweghandschuh und vor Verlassen der Isolationszimmer  Ta¨gliche Scheuerwischdesinfektion aller patientennahen Kontaktfla¨chen (Tu¨rgriffe)  Erbrochenes sofort desinfizierend reinigen (Mund-, Nasenschutz)  Bett- und Leibwa¨sche in einem chemothermischen Waschverfahren 60 1C reinigen  Besucher- und Familienangeho¨rige sind auf die mo¨gliche ‘‘face to face’’ U¨bertragung hinzuweisen und in der korrekten Ha¨ndedesinfektion zu unterweisen

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Enteroviren

Tabelle 3. Krankheitsbilder bei Enterovirus-Infektionen des Menschen

Die humanen Enteroviren sind kleine RNA-Viren (20–30 nm) und geho¨ren zur Familie der Picornaviren. Man unterscheidet 67 Serotypen. Zu den wichtigsten Vertretern geho¨ren: Coxsackieviren mit den Untergruppen A (CAV 1–22 und 24) und B (CBV 1–6) Echoviren (ECV 1–7, 9,11–27, 29–33) Enteroviren (ENV 68–71, 73) Polioviren (PV) Typ 1–3 In den gema¨ßigten Klimazonen ist eine saisonale Ha¨ufung der Enterovirusinfektionen im Spa¨tsommer und Herbst zu beobachten. Enteroviren geho¨ren mit zu den ha¨ufigsten Erregern von Viruserkrankungen beim Menschen. Die U¨bertragung erfolgt fa¨kal-oral, seltener durch Tro¨pfcheninfektionen, direkt von Mensch zu Mensch oder durch mit Stuhl oder Speichel kontaminierte Gegensta¨nde oder Lebensmittel. Eine U¨bertragung durch Oberfla¨chenwasser, d.h. fa¨kal verunreinigte Badeseen und Schwimmba¨der wurde ebenfalls beschrieben. Die Ausscheidung der Viren erfolgt wa¨hrend der akuten Krankheitsphase. Der Nachweis von Viren im Stuhl ist aber bis zu mehreren Wochen mo¨glich. Die mittlere Inkubationszeit betra¨gt fu¨r die meisten Erkrankungen 3–5 (2–35) Tage. Bis zu 90% der Infektionen verlaufen asymptomatisch und daher werden diese Viren als weniger wichtige Erreger eingestuft. Dennoch verursachen Enteroviren eine Vielzahl von Erkrankungen, darunter eine Reihe klinisch relevanter (Tabelle 3), die von aseptischer Meningitis, Herpangina, Hand-Fuß-Mund-Krankheit u¨ber Erkrankungen der Atemwege und innerer Organe bis hin zu Kinderla¨hmung (Poliovirus) reichen. Bei etwa 80% aller aseptischen Meningitiden/Enzephalitiden sind Enteroviren die Ursache. Wegen der Vielfalt der unterschiedlichen Erkrankungen reicht eine rein klinische Diagnosestellung nicht aus, eine virologische Diagnostik ist daher erforderlich. Diese kann durch Virusanzucht mit anschließendem Neutralisationstest zur Typisierung oder mit Hilfe molekularbiologischer Methoden (RT-PCR) erfolgen. Durch konsequente Impfmaßnahmen (Global Polio Eradication Initiative) konnte die Poliomyelitis in Europa weitgehend zuru¨ckgedra¨ngt werden. Ha¨ufigeres Auftreten wird nur noch in Asien und Afrika beobachtet. Wa¨hrend 1988 weltweit 350 000 Fa¨lle registriert wurden waren es 2003 weniger als 700. Allerdings stiegen die Zahlen seit 2003 wieder

Coxsackieviren A  Herpangina  akute lymphonodula¨re Pharyngitis  aseptische Meningitis  Enzephalitis, Paralyse(Typ 7, 24)  Myo- und Perikarditis  Exantheme  Hand-Fuß-Mund Exanthem (Typ 16)  Schnupfen (Typ 21) ’’  respiratorische Erkrankungen  akute ha¨morrhagische Konjunktivitis (Typ 24)  uncharakteristische, fieberhafte Erkrankung ( Sommergrippe ) ’’ ’’

’’

Coxsackieviren B  Aseptische Meningitis  Enzephalitis  Paralyse  Enzephalitis, Paralyse(Typ 7, 24)  Myo- und Perikarditis  Typ 1 Diabetes (?, plus genetische Faktoren)  Schwere, systemische Erkrankung des Neugeborenen (Meningoenzephalitis, Myokarditis)  Respiratorische Erkrankungen  Pleurodynie  Uncharakteristische, fieberhafte Erkrankung ( Sommergrippe ) ’’ ’’

ECHO Viren  Aseptische Meningitis  Enzephalitis  Paralyse  Myo- und Perikarditis  Schwere systemische Erkrankung des Neugeborenen  Exantheme  Respiratorische Erkrankungen  Pleurodynie  Uncharakteristische, fieberhafte Erkrankung ( Sommergrippe’’) ’’  Uveitis (Typ 11, 19) Enteroviren (Typen 68–71)  Akute ha¨morrhagische Konjunktivitis (Typ 70, Pandemien)  Aseptische Meningitis (Typ 71)  Enzephalitis (Typ 71)  Paralyse (Typ 71)  Hand-Fuß-Mund Exanthem (Typ 71)  Respiratorische Symptome (Typ 68) Polioviren  Paralyse (in verschiedenen Schweregraden)  Enzephalitis  aseptische Meningitis  Myokarditis  uncharakteristische, fieberhafte Erkrankung ( Sommergrippe ) ’’ ’’

etwas an (1800 Fa¨lle), insbesondere in Indien und Nigeria. Weil in Deutschland seit 1990 kein Poliofall mehr aufgetreten ist, findet auch der Lebendimpfstoff (Schluckimpfung nach Sabin) keine An-

wendung mehr, da eine Impfpoliomyelitis nicht ausgeschlossen werden kann. Fu¨r Reisende in gefa¨hrdete Gebiete steht aber weiterhin der Totimpfstoff nach Salk zur Verfu¨gung. Krh.-Hyg. + Inf.verh. 32 Heft 1 (2010): 4–8 http://www.elsevier.de/khinf

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Hygienemaßnahmen als wichtigste Prophylaxe Therapeutische Mo¨glichkeiten z.B. durch Virusstatika sind bei den meisten Viren immer noch sehr eingeschra¨nkt. Dies liegt an der engen Verknu¨pfung der Virusreplikation mit den Biomechanismen der Wirtszelle. Zur Prophylaxe einiger Viruserkrankungen stehen passive und aktive Immunisierungen zur Verfu¨gung. So ist zum Schutz vor einer Erkrankung durch Polioviren die Impfung eine wichtige vorbeugende Maßnahme.Verwendung findet aber wie oben erwa¨hnt nur noch der Totimpfstoff nach Salk, da bei dem Lebendimpfstoff nach Sabin die Gefahr einer Ru¨ckmutation der Impfviren besteht und somit die Mo¨glichkeit einer Erkrankung durch diese. Seit 2006 sind auch zwei Impfstoffe zur Prophylaxe von Rotavirusinfektionen auf dem deutschen Markt (Rotarixs und Rotateqs). Beides sind Lebendimpfstoffe und zugelassen fu¨r Sa¨uglinge ab der 6. bis zur 24. bzw. 26. Lebenswoche. Sie werden allerdings von der STIKO z.Zt. noch nicht empfohlen. Fu¨r die meisten der hier erwa¨hnten Viren aber existieren derzeitig keine Impfungen, daher geho¨ren zur Prophylaxe in erster Linie allgemeine hygienische Maßnahmen wie Ha¨ndedesinfektion, das Tragen von Handschuhen, Mundschutz, sowie die Maßnahmen der Desinfektion und Sterilisation und wenn notwendig die Patientenisolierung. Viren, die sich im Gastrointestinaltrakt vermehren geho¨ren zu den nackten’’ Viren und besitzen eine hohe ’’ Stabilita¨t gegenu¨ber Umwelteinflu¨ssen sowie chemischen Wirkstoffen. Das macht sie auch besonders problematisch hinsichtlich der Desinfektionsmaßnahmen. Bei Nichtbeachtung hygienischer Vorschriften kann es daher sehr schnell zur Ausbreitung und Verbreitung dieser Viren kommen, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen und so nicht selten zu epidemieartigen Ausbru¨chen. Da die Ha¨nde das wichtigste Vehikel bei der U¨bertragung sind, sei hier auch auf die vom RKI empfohlenen Ha¨ndedesinfektionsmittel und die entsprechenden Konzentrationen und Einwirkzeiten verwiesen.

Literatur [1] Glass, R.I., Noel, J., Ando, T., Frankhauser, R., Belliot, G., Mounts, A., Parashar, U., Bresee, D., Monroe S.S., J.S., 2000. The epidemiology of enteric caliciviruses from

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Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Manfred H. Wolff Institut fu¨r Mikrobiologie und Virologie, Universita¨t Witten/Herdecke Stockumer Straße 10 58453 Witten Tel.: 02302/926107 Fax: 49 2302 669220 E-mail: [email protected]